Читать книгу Mein Weg: Der Weg der weißen Wolke - Бхагаван Шри Раджниш (Ошо), Osho, Osho . - Страница 9

4. Kapitel Alle Hoffnungen sind falsch

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Du hast uns immer gesagt, wie leicht es sei, unsere Egos fallen zu lassen und eins zu werden mit den weißen Wolken. Du sagst, dass wir alle Millionen von Leben gelebt haben, und in vielen Leben waren wir mit Buddhas, Krishnas und Christussen zusammen und trotzdem haben wir unsere Egos noch nicht aufgegeben. Erweckst du nicht falsche Hoffnungen in uns?

ALLE HOFFNUNGEN SIND FALSCH. Zu hoffen bedeutet, in Falschheit zu leben. Es ist keine Frage von falschen Hoffnungen, alles was du hoffen kannst, ist falsch. Hoffnung kommt aus der Falschheit eures Wesens. Wenn man echt ist, braucht man keine Hoffnungen. Dann denkt man nicht an die Zukunft und an das, was geschehen könnte. Wenn man echt und wahrhaftig ist, verschwindet die Zukunft. Wenn man unecht ist, wird die Zukunft bedeutend, und man lebt darin. Dann ist eure Wirklichkeit nicht hier und jetzt – eure Realität liegt irgendwo in den Träumen von der Zukunft. Und ihr gestaltet eure Träume so realistisch wie möglich, um euren Träumen den Anstrich der Wirklichkeit zu geben.

So wie ihr seid, seid ihr nicht real. Darum habt ihr immer so viele Hoffnungen, und alle Hoffnungen sind falsch. Meine ganze Arbeit besteht darin, euch auf euch selbst zurückzuwerfen. Das Ego existiert nicht wirklich. Es ist die gesamte Anballung eurer Träume, aller Unechtheiten, aller Unwirklichkeiten. Das Ego kann nicht in der Gegenwart existieren.

Seht dieses Phänomen: Das Ego lebt immer in der Vergangenheit oder in der Zukunft, nie hier und jetzt – niemals, das ist unmöglich. Wenn ihr über die Vergangenheit oder die Zukunft nachdenkt, ist das Ego da, das Ichgefühl. Aber wenn ihr hier seid und nicht über die Vergangenheit oder die Zukunft nachdenkt, wo ist dann das Ich?

Wenn du unter einem Baum sitzt und nicht über die Vergangenheit oder die Zukunft nachdenkst, einfach nur da bist, wo ist das Ich? Man fühlt es nicht mehr, es ist nicht mehr da – das Ego kann in der Gegenwart nicht existieren. Die Vergangenheit ist verflossen, die Zukunft ist noch nicht geboren, beide sind nicht. Die Vergangenheit ist vergangen und die Zukunft ist noch nicht entstanden, beide gibt es nicht. Es gibt nur die Gegenwart, und in der Gegenwart konnte noch kein Ego gesichtet werden.

Wenn ich also sage: „Lasst das Ego fallen“. Was meine ich? Ich gebe euch keine neuen Hoffnungen, ich nehme euch all eure Hoffnungen. Und das ist die Schwierigkeit, weil ihr von euren Hoffnungen lebt und meint, sterben zu müssen, wenn es keine mehr gibt. Ihr fragt euch nun, wofür ihr lebt … wofür? Warum soll man sich von einem Augenblick zum anderen begeben? Wofür?

Das Ziel ist mit den Hoffnungen verschwunden. Und ihr fragt nun, warum soll ich immer weitermachen, wenn es nichts zu erreichen gibt? Ihr könnt nicht ohne Hoffnungen leben – darum ist es so schwer, das Ego fallen zu lassen. Hoffnung bedeutet Leben für euch. Wenn ein Mensch Hoffnungen hat, erscheint er uns vitaler und lebendiger, wir denken, er sei stark. Wenn jemand keine Hoffnungen hat, erscheint er uns hilflos und deprimiert und auf sich selbst zurückgeworfen. Dann weiß er nicht, was er machen soll und wohin er sich wenden soll. Ohne Hoffnungen beschleicht euch ein Gefühl der Sinnlosigkeit, und ihr erfindet sofort eine neue Hoffnung als Ersatz.

Wenn eine Hoffnung zunichte ist, wird sofort Nachschub geleistet, weil ihr den leeren Zwischenraum nicht ertragen könnt. Ihr könnt nicht hoffnungslos leben. Aber ich sage euch, dass das die einzige Lebensart ist. Das Leben wird zum ersten Mal authentisch und wirklich, wenn keine Hoffnungen mehr da sind.

Der zweite wichtige Punkt, den ihr verstehen müsst, wenn ich sage, dass es leicht ist, das Ego fallen zu lassen, ist der, dass die ganze Erscheinung des Egos unrealistisch und unwirklich ist. Aber damit meine ich nicht, dass es leicht für euch ist, es fallen zu lassen. Wenn das Ego unecht ist, wie kann es schwierig sein, aus einem Traum aufzuwachen, wenn es doch nur ein Traum ist? Wenn es Wirklichkeit wäre, gäbe es Schwierigkeiten, aber wo liegt das Problem, wenn ein Traum nur ein Traum ist? Ihr könnt heraus. Träume können euch nicht gefangen halten, euch von nichts abhalten und keine Hindernisse werden. Träume haben keine Kraft – darum nenne ich sie Träume. Es ist leicht, aus einem Traum herauszukommen, deshalb sage ich, dass es leicht ist, das Ego fallen zu lassen. Aber ich rede nicht von euch, für die der Traum immer noch Wirklichkeit ist. Euch kommt das Ego nicht wie ein Traum vor, es scheint euch nicht falsch zu sein – es ist eure einzige Realität. Alles andere sieht dagegen falsch aus.

Wir leben durch das Ego. Wir sind alle auf der Suche nach größeren Ego-Trips, der eine mit Hilfe von Reichtümern, der andere durch Macht, Ansehen, Ruhm; einer in der Politik, der nächste als Priester in der Religion. Es gibt Millionen Wege, aber das Endziel ist immer das Gleiche – mehr Ich-Bestätigung, mehr Ego-Befriedigung zu finden. Für euch ist das die einzige Realität. Das Unechte ist das Echte geworden. Das Falsche real. Der Schatten ist zur festen Substanz geworden. Deshalb ist es schwierig – nicht deshalb, weil das Ego eine besondere Macht hätte, es ist schwierig, weil ihr noch immer an seine Macht glaubt.

Wenn ihr daran glaubt, wird die Sache sehr kompliziert, weil ihr das Ego einerseits fallenlassen wollt, und andererseits daran festhaltet. Ihr wollt mir gern glauben, wenn ich sage, dass es ein Traum ist, aber nur, weil ihr so sehr unter eurem Ego leidet – nicht, weil ihr die Wahrheit dessen, was ich sage, fühlt.

Wenn ihr wirklich die Wahrheit meiner Worte spürt, lasst ihr das Ego auf der Stelle fallen. Ihr werdet nicht fragen wie. Da gibt es kein wie. Ihr versteht es, und das Ego fällt von euch ab. Aber ihr begreift einfach nicht, dass ich die Wahrheit sage. Wenn ich sage, dass das Ego fallengelassen werden kann, weil es unwirklich ist, macht ihr euch gleich Hoffnungen, dass alles Leid wegfällt, und dann seid ihr glücklich mit dieser Hoffnung.

Ich mache euch keine Hoffnungen, ihr macht euch diese Hoffnungen selbst. Ich stelle einfach fest, dass das Ego sich so zusammensetzt, dass das Ego auf diese Weise hergestellt wird; und da es unwirklich ist, bedarf es keiner Anstrengung. Einfach durch das Einsehen dieser Tatsache verschwindet das Ego.

Es ist wie ein Mann, der in Todesangst um sein Leben rennt, weil er sich vor seinem eigenen Schatten fürchtet. Ihr haltet ihn auf und sagt: Du bist ein Dummkopf, das ist doch dein eigener Schatten; niemand verfolgt dich und keiner will dich umbringen. Es ist niemand da, außer dir. Du hast Angst vor deinem eigenen Schatten. Aber wenn man einmal losrennt, rennt der Schatten mit. Je schneller man rennt, desto schneller folgt der Schatten. Der logische Verstand sagt, man ist in Gefahr, und wenn man entkommen will, muss man noch schneller laufen.

Aber was ihr auch tut, der Schatten folgt euch, und ihr fürchtet euch mehr und mehr, weil ihr ihn nicht loswerden könnt … Aber ihr habt euch alles nur eingebildet … Wenn ich euch sage, dass es nur ein Schatten ist – keiner verfolgt euch, dann schaut ihr den Schatten an und erkennt die Lage. Werdet ihr dann fragen, wie man seinen Schatten loswird? Werdet ihr nach Yoga-Techniken fragen? Ihr werdet einfach nur lachen! Ihr seid ihn los. In dem Moment, in dem ihr seht, dass es nur ein Schatten ist, und niemand hinter euch herrennt, ist die Idee des Schattens von euch abgefallen. Es ist keine Frage des Wie.

Ihr werdet laut lachen, weil alles nur Einbildung war. Genauso verhält es sich mit dem Ego. Wenn ihr die Wahrheit meiner Worte begreift, ist die ganze Sache schon passiert. Im bloßen Verstehen liegt der ganze Trick. Da gibt es kein weiteres Wie. Wenn ihr immer noch wie fragt, dann habt ihr es noch nicht verstanden, dann habt ihr einfach nicht begriffen, worum es geht– und eine Hoffnung für die Zukunft daraus gemacht. Ihr wollt das Ego immer loswerden, weil ihr so viel darunter leiden müsst, aber ihr seid immer nur mit halbem Herzen dabei.

All euer Leiden ist durch euer Ego gekommen, aber auch alle eure Freuden. Wenn die Menge euch bewundert und applaudiert, fühlt ihr euch gut. Euer Ego macht einen Höhenflug auf den Gipfel des Everest, und ihr genießt es. Aber wenn die Menge euch verurteilt, seid ihr verletzt. Wenn euch alle gleichgültig gegenüberstehen, fühlt ihr euch ausgestoßen und fallt in Depressionen. Ihr habt Vergnügen und Schmerzen mit eurem Ego. Wegen der Schmerzen wollt ihr es fallenlassen und wegen der Freuden haltet ihr daran fest. So macht ihr euch Hoffnungen, wenn ich sage, dass das Ego leicht fallengelassen werden kann. Es wird nicht zu eurer tieferen Einsicht, sondern zu einer neuen Begierde, zur Suche nach neuer Befriedigung. Und ihr habt das Gefühl, dass jetzt endlich der Weg gefunden wurde; ihr habt einen Mann gefunden, der euch hilft, das Ego und all seine Leiden zu überwinden. Aber seid ihr auch bereit, all die Freuden aufzugeben, die das Ego euch bringt?

Wenn ihr dazu bereit seid, ist es das einfachste der Welt – so einfach, wie einen Schatten aufzugeben. Aber man kann es nicht halb aufgeben und halb behalten. Entweder das Ganze geht oder das Ganze bleibt. Das ist die Schwierigkeit.

Alle eure Freuden und Leiden hängen mit der Tatsache zusammen, dass ihr die Freuden behalten und die Leiden aufgeben wollt. Dann ist es schwierig, und nicht nur das, es ist unmöglich! So kann es nicht geschehen. Was ihr auch tut, es bleibt sinnlos und ergebnislos. Ihr macht euch dann Hoffnungen auf das Himmelreich und die vollkommene Seligkeit eines Buddha.

Wenn ihr Buddha oder Jesus oder mir zuhört, werden Hoffnungen geweckt. Aber ich wecke sie nicht – ihr wollt sie haben. Ihr projiziert eure Hoffnungen und das ist die ganze Verwicklung: Jede Hoffnung ist neue Nahrung für das Ego. Selbst die Hoffnung auf das Paradies, das Himmelreich und die Erleuchtung. Jede Hoffnung stärkt das Ego.

Wer versucht denn, erleuchtet zu werden? Das Ich, das versucht, erleuchtet zu werden, ist das ganze Problem! Niemand wird jemals erleuchtet. Erleuchtung geschieht, aber niemand wird jemals erleuchtet. Wenn das Haus leer ist, geschieht Erleuchtung. Wenn niemand zu Hause ist, der erleuchtet werden will, ist die Erleuchtung da. Weil unsere Sprache auf der Dualität beruht, ist alles immer falsch, was man über so tiefe Dinge sagt. Wir sagen, dass Gautam Siddharta erleuchtet wurde, und das ist falsch. Gautam Siddharta ist der Unerleuchtete. Als er nicht mehr als Ego anwesend war, geschah die Erleuchtung. Eines Tages begriff er, dass er absurden Vorstellungen nachjagte, und dass er selbst das Problem war, und alles, was er tun könnte, nur neue Probleme schaffen würde.

Es kommt nicht darauf an, ob man irgendetwas richtig oder falsch macht. Was auch immer man macht, stärkt das Ego. Diese Einsicht kostete ihn viele Jahre. Aber als Buddha einmal eingesehen hatte, dass alles Tun dem Ego nur immer weiterhilft, gab er das Tun einfach auf. In diesem Augenblick der Erkenntnis wurde er zum Nicht-Tuer, vollkommen passiv. Denkt daran, das ist das Problem: Ihr könnt selbst aus eurem Nicht-Tun ein Tun machen. Ihr könnt aktiv sein, damit Inaktivität zu euch kommt. Dann verfehlt ihr die Sache. Ihr könnt still stehen und ruhig dasitzen, aber wenn ihr euch Mühe gebt, still zu sein, ist euer Stillsein nicht echt. Ihr ruht nicht, ihr bewegt euch. Wenn ihr euch Mühe gebt, ruhig dazusitzen, ist die Ruhe unecht. Dann seid ihr nicht ruhig.

Als Buddha einsah, dass er selbst das Problem war, und dass jedes Tun dem Ego nur mehr Substanz gibt, ließ er es einfach fallen. Dann unternahm er keine Anstrengungen mehr, einen passiven Zustand zu erreichen. Dann tat er nichts mehr. Alles geschah ihm von selbst; der Wind wehte, und der Bodhibaum wiegte sich im Wind. Der volle Mond ging auf, und die ganze Welt feierte ihr immerwährendes Fest. Der Atem ging ein und aus, das Blut zirkulierte in seinen Adern, das Herz und der Puls schlugen, und alles geschah von selbst. Er tat überhaupt nichts. In diesem Nichts-Tun verschwand Gautam Siddharta.

Als der Morgen kam, war niemand da, um die Erleuchtung zu empfangen, aber die Erleuchtung war da. Unter dem Bodhibaum saß ein leeres Wesen – natürlich atmend, das Herz schlug besser denn je, alles funktionierte vollkommen harmonisch, aber es war kein Ich da, das etwas dazu getan hätte. Das Blut strömte in seinem Kreis, und die ganze Welt lebte und tanzte ringsumher. Jedes Atom in Buddhas Körper tanzte mit einem unbekannten Leben, die Energie floss aus eigenem Antrieb. Niemand war da, der etwas beeinflusste oder manipulierte. Buddha wurde zur weißen Wolke. Die Erleuchtung geschah.

Es kann euch auch geschehen, aber macht keine Hoffnung daraus, sondern versteht, worum es geht, und lasst alle Hoffnungen fallen. Werdet vollkommen hoffnungslos. Es ist schwierig, wirklich vollkommen hoffnungslos zu werden. Ihr seid schon oft hoffnungslos gewesen, aber ihr habt nie die wirkliche, die vollkommene Hoffnungslosigkeit erlebt. Eine Hoffnung vergeht, und ihr fühlt euch hoffnungslos, aber ihr schafft euch sofort wieder eine neue Hoffnung als Ersatz und versäumt die echte Hoffnungslosigkeit.

Die Leute gehen von einem Meister zum anderen. Das ist die Bewegung von einer Hoffnung zur anderen. Sie hoffen, dass sie durch den Segen irgendeines Meisters und durch seine Energie erleuchtet werden. Dann sitzen sie da und versuchen und wünschen alles Mögliche, mit einem angestrengten, ungeduldigen Kopf. Denn ein Kopf voller Hoffnungen kann nicht entspannt sein, kann nicht geduldig sein.

Und dann werden sie allmählich nervös, weil nichts passiert. So ist dieser Meister wohl der falsche – und sie gehen zu einem anderen. Es ist keine Reise von einem Meister zum anderen, es ist eine Reise von einer Hoffnung zur anderen. Die Leute wechseln ihre Religion und lassen sich umtaufen, nur wegen der Hoffnung. So könnt ihr es viele Leben lang machen. Und das habt ihr auch gemacht. Jetzt versucht, den Punkt zu verstehen, um den es geht. Es ist weder eine Frage des richtigen Meisters, noch eine Frage der richtigen Methode.

Es ist eine Frage der direkten Einsicht, des sofortigen Penetrierens in das Phänomen, warum ihr hofft und nicht ohne Hoffnung sein könnt. Was habt ihr durch all euer Hoffen erreicht? Seht es… Und es fällt ganz von selbst weg. Ihr müsst es noch nicht einmal selber fallenlassen. Darum sage ich, dass es leicht ist, aber ich weiß natürlich genau, wie schwierig es ist. Es ist schwierig wegen euch – aber an sich ist es leicht. Die Sache ist einfach, aber ihr seid schwierig. Es kann jeden Moment geschehen, und wenn ich das sage, meine ich, dass das Phänomen der Erleuchtung, der Egolosigkeit, keine Ursache hat. Es ist kein Resultat irgendwelcher Ursachen, kein Abfallprodukt von etwas anderem. Es ist eine einfache, klare Einsicht. Es kann einem Sünder geschehen, und es kann sein, dass es einem Heiligen nicht geschieht.

Keine Bedingung muss im Grunde erfüllt werden. Wenn einer sehen kann, dann kann es geschehen – selbst einem Sünder. Wenn einer hoffnungslos wird, wenn einer fühlt, dass es nichts zu gewinnen oder zu erreichen gibt, wenn einer begreift, dass das Ganze ein absurdes Spiel ist, dann kann es geschehen. Es kann sein, dass es einem Heiligen nicht passiert, weil ein Frommer immer noch versucht, etwas zu erreichen. Er ist noch nicht ohne Hoffnung. Diese irdische Welt ist sinnlos geworden, aber die andere Welt bedeutet viel. Er sieht, dass er diese Erde verlassen muss, aber es gibt Himmelreiche im Jenseits, auf die er hofft, und die er erreichen möchte.

Selbst die Leute um Buddha und Jesus fragten immer solche Sachen. Als Jesus kurz vor seiner Gefangennahme stand, und am nächsten Tag umgebracht werden sollte, fragten seine Schüler: „Meister, bitte sage uns, welche Plätze wir einnehmen werden im Himmelreich des Vaters, zu dessen Rechten du sitzest? Wo werden wir sitzen, was wird unser Rang sein?“ Man stelle sich das vor! Die Jünger Jesu stellen solche dummen Fragen! Aber so ist der menschliche Verstand. Sie wollen nichts Diesseitiges. Sie sind Bettler geworden. Aber sie wollen die Welt im Jenseits. Darum sind sie keine echten Bettler. Sie haben Hoffnungen. Sie haben auf diese Welt verzichtet, aber es ist ein Tauschgeschäft – wo werden wir im Jenseits sein? Wer wird neben mir sitzen?

Es muss ein Wettstreit zwischen diesen zwölf Schülern stattgefunden haben. Da muss Politik und Ehrgeiz gewesen sein, einer oben, einer unten, einer wird der Boss. Da müssen Konflikte gewesen sein, Innenpolitik, unterschwellige Aggressionen und Gewalttätigkeit. Selbst mit Jesus bleibt die Hoffnung. In euch ist die Hoffnung tief verwurzelt. Was man euch auch sagt – ihr macht eine Hoffnung daraus. Ihr seid Maschinen für die Produktion von Hoffnungen, und dieser Mechanismus ist das Ego. Was kann man also tun? Man kann tatsächlich gar nichts machen. Ihr braucht nur klare Augen, eine tiefgreifendere Einsicht.

Alles, was man braucht, ist ein ungetrübter Blick für unser Wesen, für unser ganzes Hoffen und Tun. Und ich sage euch, durch diesen ungetrübten Blick, durch diesen unschuldigen Einblick, fällt das Ego ganz von selbst von euch ab. Es ist das Einfachste und gleichzeitig das Schwierigste der Welt. Aber vergesst nicht, dass ich keinerlei Hoffnungen in euch erwecke.

In Bezug auf das, was du gerade gesagt hast, gibt es das Zen-Sprichwort: „Mühelose Mühe“. Kannst du dazu etwas sagen, und was es mit deiner Dynamischen Meditation zu tun hat.

MEDITATION HAT MIT ENERGIE ZU TUN. Man muss eine grundlegende Einsicht in alle Arten von Energie gewinnen, und dieses ist das Grundgesetz – Energie arbeitet mit zwei Polen. Das ist die einzige Art und Weise, wie Energie arbeitet, es gibt keine andere. Sie arbeitet durch zwei Pole. Ein Gegenpol ist nötig, damit irgendeine Art von Energie dynamisch werden kann. Es ist dasselbe Prinzip wie bei der Elektrizität, die durch Plus- und Minuspol wirkt. Wenn nur ein Minuspol vorhanden ist, gibt es keine Elektrizität; und wenn nur ein Pluspol vorhanden ist, ebensowenig. Beide Pole müssen vorhanden sein. Und wenn sich die beiden treffen, wird Elektrizität erzeugt. Dann springt der Funke.

Das Gleiche gilt für alle Arten von Phänomenen. Das Leben arbeitet durch die Polarität von Mann und Frau. Die Frau ist die negative Lebensenergie und der Mann der positive Pol. Beide sind elektrisch, daher die Anziehungskraft. Wenn es nur Männer gäbe, würde das Leben verschwinden; wenn es nur Frauen gäbe, gäbe es kein Leben, nur Tod. Zwischen Mann und Frau herrscht ein Gleichgewicht. Zwischen diesen beiden Polen, diesen beiden Ufern, fließt der Strom des Lebens. Wo man auch hinschaut, man sieht, wie dieselbe Energie sich zwischen zwei Polaritäten im Gleichgewicht hält.

Diese beiden Pole sind für die Meditation von Bedeutung, denn der Verstand ist logisch, aber das Leben ist dialektisch. Wenn ich sage, dass der Verstand logisch ist, dann meine ich, dass er sich in einer geraden Linie bewegt. Wenn ich sage, dass das Leben dialektisch ist, dann heißt das, dass das Leben mit den Gegensätzen arbeitet, nicht mit einer Linie. Das Leben bewegt sich im Zick-Zackkurs von negativ zu positiv, von positiv zu negativ, von negativ zu positiv, es zick-zackt, es benutzt die Gegensätze.

Der Verstand bewegt sich in einer Linie und geht nie zum Gegenteil, er leugnet das Gegenteil. Der Verstand glaubt an die Eins. Das Leben glaubt an die Zwei. Der Verstand wählt immer nur eine Seite. Wenn der Verstand sich für Stille entscheidet, wenn er genug von all dem Lärm des Lebens hat, geht er in die Himalajas. Er will seine Ruhe haben und nicht mehr mit dem Lärm konfrontiert werden. Der Gesang der Vögel stört, der Wind, der in den Bäumen rauscht, stört. Der Verstand will Ruhe. Er hat sich für die gerade Linie entschieden. Jetzt wird das Gegenteil völlig ausgeschlossen.

Aber ein Mensch, der im Himalaja Ruhe sucht und das Gegenteil, das andere vermeidet, tötet sich ab. Er wird stumpfsinnig. Je mehr er sich für die Stille entscheidet, desto stumpfsinniger wird er. Das Leben braucht das Gegenteil, die Spannung, die im Gegensatz liegt. Die Stille, die durch zwei Gegensätze erzeugt wird, ist etwas ganz anderes, aber eine Stille ohne Gegensatz ist tot, es ist eine Friedhofsruhe. Ein Toter ist still, aber wer möchte schon tot sein? Ein Toter ist vollkommen still, niemand kann ihn stören. Seine Konzentration ist perfekt, man kann sein Geist nicht aufwühlen, er steht still. Selbst wenn rundherum die ganze Welt verrückt wird, bleibt er in seiner Konzentration.

Aber ihr wollt ja nicht tot sein; Ruhe, Konzentration, oder wie man es nennen will, sind dann egal, wenn ihr ruhig seid und tot, dann bedeutet diese Ruhe ja nichts mehr. Ruhe muss über euch kommen, wenn ihr absolut lebendig seid, vital, überschäumend mit Leben und Energie. Dann bedeutet Ruhe etwas.

Dann hat sie eine völlig andere Qualität. Diese Ruhe ist nicht stumpf. Sie lebt in einem subtilen Gleichgewicht zwischen den beiden Extremen. Ein Mensch, der ein lebendiges Gleichgewicht, eine lebendige Ruhe sucht, kann auf dem Marktplatz und in die Himalajas gehen. Beides. Er wird den Lärm des Marktes ebenso genießen wie die Stille der Berge und im Gleichgewicht zwischen diesen beiden Polen bleiben. Dieses Gleichgewicht kann man nicht erreichen, wenn man versucht, gradlinig zu leben.

Das ist die Bedeutung der Zen-Technik, der mühelosen Mühe. Widersprüchliche Begriffe werden benutzt: die mühelose Mühe, das torlose Tor, der weglose Weg. Im Zen werden immer Widersprüche benutzt, um euch einen Fingerzeig zu geben, dass der Ablauf dialektisch ist, nicht linear. Das Gegenteil soll nicht verneint werden, es wird miteinbezogen, absorbiert. Der Gegensatz soll nicht vergessen werden, sondern benutzt. Wenn ihr das Gegenteil ablehnt, wird es zum Sorgenpaket, es bleibt unbenutzt an euch hängen, und ihr versäumt vieles.

Die Energie kann umgewandelt und benutzt werden. Dadurch werdet ihr lebendiger und vitaler. Wenn das Gegenteil miteinbezogen wird, ist es ein dialektischer Prozess. Mühelosigkeit heißt Nichts-Tun, Inaktivität, Akarma. Mühe heißt Viel-Tun, Aktivität, Karma. Beides muss sein. Tut viel, ohne dabei als ein Täter vorhanden zu sein – dann erreicht ihr beides. Geht in die Welt, ohne ein Teil davon zu werden. Lebt in der Welt, aber lasst die Welt nicht in euch leben. Dann ist der Widerspruch aufgehoben worden. Dann lehnt ihr nichts ab, dann verneint ihr nichts. Dann ist die gesamte Gottheit angenommen worden.

So mache ich es. Die Dynamische Meditation ist ein Widerspruch in sich selbst. Dynamisch bedeutet Mühe, absolute Anstrengung. Meditation bedeutet Stille, Mühelosigkeit, Nichts-Tun. Man kann es eine dialektische Meditation nennen. Seid so aktiv, dass die ganze Energie in Bewegung kommt, dass kein Funken Energie statisch bleibt. Die gesamte Energie ist gefordert, und nichts wird zurückgehalten. Alle eingefrorenen Energieteile schmelzen dahin. Dann seid ihr keine Eisblöcke mehr, ihr seid dynamisch geworden.

Jetzt seid ihr keine Materie mehr, ihr seid Energie, Elektrizität. Arbeitet mit all eurer Energie, lasst sie fließen. Wenn alles in Bewegung ist, und ihr ein Wirbelwind geworden seid, dann passt gut auf! Denkt daran, aufmerksam zu sein, und plötzlich findet ihr eine vollkommene Stille im Zentrum des Wirbelwindes. Das ist es, was ihr seid – ihr in eurer Göttlichkeit, ihr als Götter! Rundherum ist Bewegung. Euer Körper ist ein brausender Wirbelwind geworden alles dreht sich schneller und schneller. Alle hartgefrorenen Partikelchen sind geschmolzen. Und ihr fließt. Ihr seid zu einem Vulkan geworden, zu Feuer. Aber im Zentrum, inmitten aller Bewegung, ist ein unbewegter Punkt, der stille Punkt. Dieser stille Punkt muss nicht hergestellt werden. Er ist da. Ihr braucht überhaupt nichts dafür zu tun. Er war immer da.

Er ist euer urinnerstes Wesen, der tiefste Wesensgrund. Das ist es, was die Hindus Atma, die Seele, nennen. Dieses Zentrum ist immer da, aber ihr bemerkt es nicht, wenn eure Körper, eure materielle Existenz nicht völlig aktiv geworden ist. In totaler Aktivität wird das total Inaktive sichtbar. Die Aktivität schafft den Kontrast. Sie ist wie eine schwarze Wandtafel, auf der sich ein weißer Punkt befindet. Gegen den Hintergrund der schwarzen Tafel tritt der weiße Punkt hervor. Wenn eure Körper aktiv geworden sind, in dynamischer Bewegung, bemerkt ihr plötzlich den stillen Punkt, das unbewegte Zentrum des ganzen Universums. Das geschieht mühelos. Man muss sich nicht darum bemühen, es wird einfach offenbart. Mühe an der Peripherie, Mühelosigkeit im Zentrum.

Bewegung am Rande, Stille in der Mitte, Aktivität im Außen und Inaktivität im Zentrum. Die einzige Schwierigkeit dabei ist, dass man sich mit dem Zentrum, das die Hindus Atma, die Seele, nennen, identifizieren kann. Wenn man sich mit der stillen Mitte identifiziert, hat man wiederum zwischen den beiden Polaritäten gewählt. Dann hat man sich wieder für etwas entschieden und das andere abgelehnt.

Das ist eine der subtilsten östlichen Beobachtungen: Wenn man sich mit dem stillen Punkt identifiziert, kann man Gott niemals erfahren. Und da gibt es viele Traditionen, ganz besonders die Jainas, die sich zu sehr mit dem Selbst identifizieren. Sie sagen, dass es keinen Gott gibt, dass das Selbst der einzige Gott ist. Hindus, die wirklich tiefe Einblicke haben, sagen über diesen stillen Punkt und die Bewegung an der Peripherie, dass man entweder beides ist oder keines von beiden. Entweder man ist beides oder gar nichts. Das kommt auf das Gleiche heraus. Das sind die beiden Pole, die beiden dialektischen Pole, die These und die Antithese. Das sind die beiden Ufer, und ihr seid dazwischen – weder in Bewegung noch in Stille.

Das ist die höchste Transzendenz; das ist es, was die Hindus Brahma nennen. Mühe und Mühelosigkeit, Bewegung und Stille, Aktivität und Inaktivität, Materie und Seele – das sind die beiden Ufer, und zwischen ihnen fließt das Unsichtbare. Die beiden Ufer sind sichtbar, und dazwischen fließt das Unsichtbare – das bist du.

Die Upanishaden sagen: „Tatvam asi swetketu – das, was zwischen beiden Ufern fließt, das, was man nicht sehen kann, das, was in Wirklichkeit nichts anderes ist, als ein feines Gleichgewicht zwischen beiden – das seid ihr. Das nennt man Brahma, das höchste Selbst.“

Ihr müsst das Gleichgewicht finden, und das ist nur möglich, wenn ihr beide Pole benutzt. Wenn ihr nur einen benutzt, sterbt ihr ab. Viele haben es versucht, und ganze Kulturen sind verwelkt. Es ist mit Indien passiert. Wenn man nur eines wählt, schafft man ein Übergewicht. In Indien hat man den stillen Punkt, die ruhige Mitte gewählt und die aktive Seite vernachlässigt. So ist der ganze Osten dem Stumpfsinn verfallen. Die Schärfe ging verloren. Die Schärfe der Intelligenz und der Körperkraft, alles ging verloren. Der Osten wurde immer stumpfer und hässlicher; als sei das Leben eine Bürde, die man schleppen muss und irgendwann fallen lässt; als sei es eine Pflicht, ein Karma, das man erleiden muss – kein Vergnügen, kein ausgelassener Tanz, nur eine dumpfe Lethargie.

Es hat seine Folgen … Der Osten verfiel, denn mit einem stillen Punkt kann man nicht lange stark bleiben. Stärke braucht Aktivität und Bewegung. Wenn ihr die Bewegung vernachlässigt, verliert ihr eure Kraft. Die Leute im Osten haben ihre Muskeln verloren, der Körper ist weichlich geworden.

Jeder, der Lust dazu hatte, konnte den Osten erobern. Sklaverei ist alles, was der Osten kennt – seit Tausenden von Jahren. Jeder, der irgend jemanden zum Sklaven machen wollte, hat sich nach Osten gewandt. Der Osten war immer bereit, erobert zu werden, weil er den stillen Punkt wählte und das Gegenteil vergaß. Der Osten wurde nicht nur still, sondern auch stumpf und tot. Diese Art von Stille ist nichts wert.

Das Gegenteil geschieht im Westen und in verschiedenen anderen Gesellschaftssystemen. Sie haben sich für die aktive Seite, die Peripherie entschieden und denken, dass es keine Seele gibt. Sie glauben, dass Aktivität alles ist. Sie glauben, dass das Leben nur aus Ambitionen, Eroberungen, Aktivitäten, Errungenschaften und Genüssen besteht. Das Endresultat ist ein immer größer werdender Irrsinn im Westen.

Ohne den stillen Punkt kann man nicht gesund bleiben, man muss verrückt werden. Mit dem stillen Punkt allein kann man auch nicht leben, man tötet sich ab; und mit der Aktivität allein, wird man verrückt. Was geht in den Verrückten vor sich? Sie haben jeden Kontakt mit ihrer stillen Mitte verloren. Das ist ihre Verrücktheit.

Der Westen ist dabei, sich in ein einziges, riesiges Irrenhaus zu verwandeln. Immer mehr Leute befinden sich in psychiatrischer Behandlung; immer mehr Menschen werden in Irrenhäuser gebracht. Und die anderen sind nicht draußen, weil sie normal sind, sondern weil man so viele Menschen nicht in Irrenhäusern unterbringen kann. Sonst müsste man die ganze Gesellschaft einsperren. Diese Leute sind bis zu einem gewissen Grade normal, aber die westliche Psychologie sagt, dass es schwierig ist, überhaupt festzustellen, wann ein Mensch normal ist. Daran ist etwas Wahres. Im Westen ist heutzutage überhaupt kein Mensch mehr normal.

Aktivität allein macht verrückt, dann ist ein Gleichgewicht unmöglich. Aktive Zivilisationen werden am Ende verrückt. Inaktive Zivilisationen sind am Ende stumpf und tot. So ist es mit Gesellschaftssystemen, und so ist es mit einzelnen Menschen. Für mich ist das Gleichgewicht alles. Wählt nichts aus. Lehnt nichts ab. Akzeptiert beide Seiten und schafft ein inneres Gleichgewicht.

Die Dynamische Meditation ist ein Weg zu diesem Gleichgewicht. Seid aktiv, genießt es, seid ekstatisch und gebt euch voll hinein. Und dann seid ganz still und genießt auch das, und seid ekstatisch in eurer Stille. Bewegt euch so frei wie möglich zwischen beiden Polen und wählt nichts aus. Sagt nicht, ich bin dies oder jenes, identifiziert euch nicht. Sagt: „Ich bin beides.“

Habt keine Angst, euch selbst zu widersprechen. Widersprecht euch ruhig, seid beides und bewegt euch frei. Wenn ich sage: Widersprecht euch, dann meine ich das bedingungslos nicht nur in der Aktivität, sondern auch in der Inaktivität. Alles, was man gut und schlecht nennt, ist darin eingeschlossen. Alles, was man Teufel oder Gott nennt, ist darin enthalten.

Vergesst nie, dass immer und überall zwei Ufer sind, und wenn ihr zu einem Fluss werden wollt, dann müsst ihr unbedingt beide Ufer nützen. Sagt nicht, dass ihr nicht faul sein könnt, wenn ihr fleißig gewesen seid. Sagt nicht, dass ihr nicht aktiv sein könnt, wenn ihr faul veranlagt seid. Sagt nicht, ich bin so, wie kann ich anders sein? Ihr seid beides, und es gibt keinen Grund, etwas auszuwählen. Das einzige, was man nicht vergessen darf, ist das Gleichgewicht zwischen beiden. Dann transzendiert ihr beides. Dann werden der Teufel und das Göttliche transzendiert.

Das ist Brahma. Brahma hat keinen Gegenpol, er ist das Gleichgewicht zwischen beiden Polen und kennt keinen Antipol. Lebt das Leben so frei wie möglich. Bewegt euch zwischen beiden Ufern so viel wie möglich. Schafft euch keine Widersprüche. Es sind nämlich keine – es scheint nur so. Tief innen sind sie eins.

Sie sind wie euer linkes und rechtes Bein. Ihr braucht das rechte und das linke. Wenn ihr das rechte Bein hebt, steht das linke auf der Erde und hilft euch. Werdet nicht süchtig. Werdet keine Rechten oder Linken – beide Beine gehören zu euch. In beiden Beinen fließt die gleiche Energie – ungetrennt. Oder habt ihr jemals das Gefühl gehabt, dass das rechte Bein eine bestimmte Energie hat und das linke eine andere?

Mein Weg: Der Weg der weißen Wolke

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