Читать книгу Einführung in das Werk Walthers von der Vogelweide - Otfrid Ehrismann - Страница 6

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Vorwort

Ziele

Der vorliegende Band führt in die Texte des bedeutendsten deutschen Liederdichters des Mittelalters, Walther von der Vogelweide, ein, der bis heute eine für einen mittelalterlichen Autor beachtliche Medienpräsenz besitzt. Ziel ist es, für ein historisches und methodisch reflektiertes Lesen zu werben. Dabei wird besonderer Wert gelegt auf:

 eine übersichtliche, kompakte und leicht lesbare Darstellung unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes;

 eine umfangreiche Textdokumentation (in mittelhochdeutscher Sprache und Übersetzung), die zu eigenen Stellungnahmen hinsichtlich der angebotenen Analysen befähigt;

 die sozial- und kulturgeschichtliche Einbettung der Texte, die ein historisches Lesen erst ermöglicht;

 die besondere und kulturgeschichtlich gebundene Semantik zentraler mittelhochdeutscher Begriffe;

 einen methodisch reflektierten Zugriff auf die Lieder, der zur Distanz gegenüber ,naiven‘ Analysen ermuntert;

 Einzelanalysen mit Hinweisen zur weiteren Vertiefung durch die Forschungsliteratur;

 die Konstruktion eines instabilen (,unfesten‘) Autor-Bildes, das sich naiver Psychologie ebenso verweigert wie der spekulativen Rekonstruktion einer geschlossenen Biografie.

Dies ist ein schwieriges Unterfangen, denn es gilt nicht nur, eine Bresche in eine überbordende wissenschaftliche Diskussion zu schlagen, sondern auch, sich über die Textgrundlage selbst zu verständigen. Es gibt ja keine Ausgabe letzter Hand des Dichters, und die sogenannten kritischen Ausgaben greifen z. T. beachtlich in die komplexe handschriftliche Überlieferung ein.

Hauptquelle

Im Sinne einer möglichst authentischen Annäherung wurde deshalb entschieden, die Texte Walthers auf der Grundlage derjenigen Handschrift zu interpretieren, die die meisten seiner Lieder enthält, der berühmten „Großen Heidelberger (Manessischen) Liederhandschrift“. Finden sich in anderen Überlieferungsträgern zusätzliche wichtige Texte oder interessante Varianten, so werden sie natürlich berücksichtigt. Die Nummern der einzelnen Texte werden nach der neuesten kritischen Ausgabe (W; s. Bibliografie 1) zitiert. Verzichtet wurde u. a.:

Einschränkungen

 auf die Diskussion einiger schwieriger Textstellen, weil dies den Band gesprengt hätte;

 auf die Diskussion metrischer und musikalischer Probleme, weil sie für eine einführende, auf die Inhalte fokussierte Darstellung weniger relevant ist;

 auf eine Analyse von Walthers Leich mit seinen komplexen formalen Strukturen; er wird nur als Beleg für die Kirchenkritik herangezogen (s. S. 52f.);

 auf den Versuch thematischer Gruppenbildungen, der die ältere Walther-Philologie lange in Atem gehalten hat;

 auf die ausführliche Diskussion der Zuordnung der Texte zur Biografie Walthers, die sehr strittig geführt wird und deren Ergebnisse immer wieder anzuzweifeln sind;

 in Zusammenhang damit auf zu enge Textdatierungen zugunsten eines relativ weiten Datierungsrahmens.

Um Oberflächlichkeit zu vermeiden, wurde die Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte der Waltherlieder nur punktuell anhand einiger Beispiele behandelt. Eine umfassende Darstellung würde eine ausführliche geschichtliche Kontextualisierung und eine Einbettung in die komplexe Geschichte der Mittelalterrezeption (s. Ehrismann 1999) verlangen und den Rahmen des Bandes sprengen.

sprachliche Gestaltung

Zur Authentizität, die man zwar nicht erreichen, die annähernd zu erreichen man sich aber bemühen muss, gehört auch die sprachliche Gestaltung der Überlieferung. Deshalb wurde die Graphie der Texte der in einer alemannischen Sprachvarietät um 1300 verfassten „Manessischen Liederhandschrift“ nur behutsam und nicht im Sinne eines normalisierten Mittelhochdeutschs, das ohnehin nur eine virtuelle Größe der Grammatiker ist, geändert. Die folgenden Eingriffe sollen jedoch im Interesse der weniger geschulten Leserinnen und Leser die Lautung einiger Schreibungen durchsichtiger machen:

 Vokalische Längen werden, wie auch in den kritischen Ausgaben üblich, mit einem Apex (^) bezeichnet.

 Die Handschrift unterscheidet in der Schreibung nicht zwischen stimmhaften und stimmlosen /s/-Lauten, die sie in der Regel als < ſ >, seltener als <s> wiedergibt. Hier wurden im Interesse einer besseren Erkennbarkeit die Schreibungen der mittelhochdeutschen Grammatik verwendet: Für das stimmlose /s/ steht das Zeichen <z>; statt z. B. das wird also daz (lies /dass/), statt wasser wazzer (lies /wasser/) geschrieben.

 Dagegen wurden die Geminaten nach Langvokalen beibehalten, weil sie für die rhythmische Realisierung der Texte entscheidend sind. Statt masse steht daher mâzze (lies /ma: s’se/), d. h. die vokalische Länge wird unter Mithilfe der gesprochenen Doppelkonsonanz realisiert.

 Statt <e> (= /ê/), sofern es einen Umlaut vertritt, steht die Ligatur <æ> (z. B. closenere clôsenære; were wære).

 <u>, <v> werden nach den entsprechenden Lautungen transkribiert (houeliche hovelîche; vnde unde).

 Eine Vereinheitlichung der Graphie wurde nicht angestrebt. So findet man z. B. im Abstand von wenigen Versen die Schreibungen riter und ritter oder die Reime <mag>/<tac>, lîb/wîp. Hier markierte der Schreiber die Auslautverhärtung /k/ beziehungsweise /p/ zwar in tac und wîp, in mag und lîb jedoch nicht, obwohl sie auch dort gesprochen wurde.

 Kürzel sind aufgelöst: dc → je nach Textzusammenhang das oder daz; ds → der; statt v /u steht dabei stets und, unabhängig davon, dass es aus metrischen Gründen auch manchmal als unde aufgelöst werden müsste/könnte; unde steht nur, wenn es auch der Schreiber ausgeschrieben hat. Ausgeschrieben sind auch <n> und <m>, sofern sie als Striche, meist über den vorangehenden Vokalen, angedeutet sind (vō von; gebē geben; den oder dem, je nach Kontext).

 Überschreibungen werden nebeneinander geschrieben (<ů> → <uo>; <e> über <o> → œ).

 Die Partikel ze ,zu‘ ist vielfach an das folgende Wort angeschrieben (z. B. zeguote, zemasse); hier wurde der Deutlichkeit halber gewöhnlich getrennt (ze guote, ze mâzze).

 Die Negationspartikel en, wurde, sofern sie isoliert stand, proklitisch dem folgenden Verb angefügt (en mag enmag).

 Die Handschrift setzt gelegentlich <iu> (sprich /ü/) und <ü> gleich; hier wurde nach den Gepflogenheiten der mittelhochdeutschen Grammatik differenziert.

 Das Graphem <i> vertritt in der Handschrift die Laute /i/ und /j/; hier wurde vor Vokalen <j> eingesetzt.

 Die alemannische Handschrift gehört einer Sprachregion an, die weniger Diphthonge realisiert als die nördlicheren Varietäten. Dies fällt besonders bei dem aus dem normalisierten Mittelhochdeutsch bekannten <üe> auf. Es steht also z. B. suezzen statt (normalisiert) süezen, mueste statt (normalisiert) müeste; hier wurde der vertrautere Umlaut /üe/ gewählt.

Den Studierenden meiner Walther-Vorlesungen und -Seminare danke ich für Geduld und Mitarbeit, meiner langjährigen Mitarbeiterin Isabelle Hardt für hilfreiche Anmerkungen und Korrekturen, den Herausgebern und dem Verlag für die Aufnahme des Bandes in die Reihe „Einführung Germanistik“.

Einführung in das Werk Walthers von der Vogelweide

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