Читать книгу Zinsen sind verlorenes Geld - Otfried Müller - Страница 4

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Unser ganzes Leben ist geprägt von wirtschaftlichen Verhältnissen, wirtschaftlichen Entscheidungen und ihren Auswirkungen. Um sich in einer solchen Welt gut zurechtzufinden, ist es notwendig, die Zusammenhänge, wie die Wirtschaft funktioniert, zu verstehen. Die Regeln, nach denen wirtschaftliche Abläufe gestaltet werden, sind keineswegs vom Himmel gefallen, sondern sie sind in erheblichem Umfang von Menschen gemacht, und zwar wurden sie vorwiegend nach den Wünschen der Besitzenden gemacht.

Dieses Buch möchte einen Beitrag dazu leisten, dass mehr Menschen die großen Zusammenhänge im Wirtschaftsgeschehen und die Wirkungsweisen unseres Geldsystems verstehen. Dabei verwendet es einfache Begriffe und versucht, die Zusammenhänge möglichst überschaubar darzustellen. Es wird in diesem Buch herausgearbeitet, dass wirtschaftliche Fragen uns nicht nur angehen, sondern dass wir vom wirtschaftlichen Gang der Dinge persönlich betroffen sind. Es ist, wie wenn bei allem, was wir wirtschaftlich tun, immer jemand dabei wäre, der ständig die Hand aufhält. Es lohnt sich auf alle Fälle, unser neoliberales Wirtschaftssystem gut zu verstehen, denn unser Wirtschaftssystem hat einige unschöne Nebenwirkungen. Das, was wir in der Schule über die Wirtschaft gelernt haben oder was wir über das Fernsehen darüber erfahren, ist nur ein kleiner Ausschnitt der Wirklichkeit.

In der Wirtschaft geht es um Arbeit, Güter und vor allem um Geld. Dabei ist die Volkswirtschaftslehre objektiv und subjektiv zugleich. Einerseits ist sie objektiv, denn sie beschreibt und erklärt allgemein anerkannte Gesetzmäßigkeiten bei wirtschaftlichen Vorgängen; andererseits ist sie subjektiv, denn in der Wirtschaft geht es nicht nur um Theorien, sondern um handfeste, wirtschaftliche Interessen. Und wie es nun mal im Leben ist, lassen sich auch wirtschaftliche Dinge je nach der Interessenlage von unterschiedlicher Seite aus betrachten. Man sollte deshalb niemals vergessen: Die Wirtschaftslehre ist die Lehre vom Geldverdienen.

Manche volkswirtschaftlichen Feststellungen sind sofort einsichtig, andere weniger, und es gibt sogar einige, bei denen sich mancher fragt (oder fragen sollte), ob sie denn in dieser Form mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Beispielsweise wird in der Haushaltstheorie unterstellt, dass ein Mensch als Konsument ein umfassend informierter und ausschließlich rational handelnder Marktteilnehmer ist. Er sei bestens informiert und entscheide sich in seinem Kaufverhalten stets sinnvoll und logisch nach den jeweiligen Gegebenheiten, er strebe dabei nur nach seinem höchsten materiellen Nutzen. Die alltäglichen Erfahrungen mit dem Kaufverhalten von Menschen lassen jedoch erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Behauptung aufkommen.

Wenn eine Aussage wie die vom allzeit rational handelnden Marktteilnehmer als Einzelaussage getroffen wird, dann ist das nicht weiter zu beanstanden. Wenn aber solch eine zweifelhafte Aussage zum Ausgangspunkt für weitere Folgerungen genommen wird, dann sind alle darauf gegründeten Folgerungen mit demselben Zweifel behaftet. Dann nützt es auch wenig, wenn die darauf gegründeten Folgerungen mit viel Mathematik unterlegt sind. Dadurch ist die darauf entwickelte Theorie zwar in sich in weiten Teilen widerspruchsfrei, und die Theorie gibt sich dadurch den Anschein, als beschreibe sie die Abläufe und Wirkungsweisen in einer Volkswirtschaft richtig und umfassend. Es ist aber die Frage, ob eine Theorie den Anspruch erheben darf, als richtig zu gelten, solange nicht die Richtigkeit der Grundannahme gesichert ist.

Aus einem ähnlichen, naheliegenden Grund ist natürlich auch die Frage erlaubt, ob der Titel dieses Buches richtig ist. Sind Zinsen wirklich verlorenes Geld? Immerhin verleitet der Titel dieses Buches spontan zum Widerspruch. Jeder, der für sein Geld auf der Sparkasse Zinsen gutgeschrieben bekommt, betrachtet diese (Haben-)Zinsen als einen Gewinn und keineswegs als Verlust. Wer dagegen einen Kredit bei der Bank aufgenommen hat und dafür (Soll-)Zinsen bezahlen muss, empfindet die (Soll-)Zinsen eher als Verlust. Wie bei den meisten Dingen im Leben haben also auch die Zinsen ihre zwei Seiten. Was der eine bezahlen muss, streicht der andere ein.

Es kommt deshalb darauf an, von welcher Seite man die Sache betrachtet, von der Seite des Kreditnehmers oder von der Seite des Kreditgebers: Das Buch schlägt sich auf die Seite des Kreditnehmers. Die Mehrheit der Menschen auf dieser Welt sind eher Zinsen-Bezahler, und nur ein kleiner Teil der Menschheit tritt als Zinsen-Empfänger auf. Aber allein die Frage nach der Mehrheit oder Minderheit der Menschen wird der Bedeutung, die die Zinsen weltweit spielen, nicht gerecht. Wie wir im Verlauf des Buches noch sehen werden, haben die Zinsen eine unheilvolle Wirkung auf das Wirtschafts- und Finanzgeschehen in der Welt, und die Nachteile, die die Zinsen hervorbringen, sind so gewaltig und betreffen einen so großen Anteil der Menschheit, dass man mit Recht sagen kann: Zinsen sind in der Tat verlorenes Geld.

Zinsen sind verlorenes Geld

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