Читать книгу Mallorca mit allen Sinnen - Otto W. Bringer - Страница 7
Paella für vier.
ОглавлениеEs sind Jahre vergangen und Paella nur noch eine Idee. Idee von großer, schwarzer Eisenpfanne. Bis an den Rand gefüllt mit safransattem Reis und Meeresgetier und Fleisch. Freundlich mit Zitronenschnitzeln besteckt, je nach Talent des Kochs für´s Dekorative. Unvergessliches, saftdampfendes Mallorcaerlebnis.
Ich habe grosse Lust darauf. Richtige Sehnsucht am blanken Tisch Mittelmeer zu atmen, zu genießen. Mit den Augen, beiden Händen und einer ausgehungerten Seele. Endlich wieder nach Jahren. Ob Rose, die Feinschmeckerin, solch wildes Durcheinander auf dem Teller mag? Habe letzte Woche noch mit ihr in Schloss Anholt viergängig geschlemmert. Und mit gebügelten Stoffservietten inklusive Schlossemblem die fettigen Lippen abgetupft, bevor wir das Glas nahmen. Wir feierten den vierten Monat unseres Kenenlernens.
Erinnere mich ans „Marisol“. Eines vieler Restaurants nah am Sandstrand von Colonia de Sant Jordi. Wie alle mit Freiluftplätzen und weißen Plastikmöbeln unter gestreiften Markisen. Diese hier gelbweiß. Andere grünweiß oder blauweiß. Für fröhliches Strandtheater. Acht Uhr abends. Die Sonne schwächelt schon und bereitet sich auf die Nacht vor. Leute kommen aus allen Richtungen. Aus Zelten, Bungalows, den Etagenwohnungen in vierstöckigen Neubauten. Alle mit Meerblick. Sonst könnte man sie nicht vermieten. Am Straßenrand stauen sich dicht an dicht die kleinen Coches. So Autos auf Spanisch.
Sie haben jetzt Zeit, sich von den ungeduldigen Gasgebern zu erholen. Langsam verkriecht sich der Benzingestank. Die Luft wird klar. Ich rieche Meer. Und das, was in den Pfannen und Töpfen der Köche brutzelt und brodelt, zur Freude von Restaurantbesitzern und Gästen.
An welchem Tisch möchtest Du gerne sitzen, Schatz?“ Noch haben wir die Wahl. „Möglichst weit draußen, wo ich das Meer atmen kann“ die erwartete Antwort. Die blanke Kunststoffplatte ziert ein Aschenbecher. Sonst nichts. Warten wir´s ab. Mit ausdruckslosem Gesicht nähert sich einer der Camareros. Juan, wie ich hörte, in Jeans und geblümtem, kurzärmeligem Hemd.
„Buenas Tardes, ich sprechen Deutsch, un poco.“ Reicht uns mit ausgestreckter rechter Hand die Speisekarten. Während die linke den Aschenbecher zur Seite schiebt. Zweimal Lista de Platos. Fettiger brauner Umschlag mit goldgeprägtem „Marisol“. Eingeklemmt fünf Einzelblätter in Plastikhüllen. Entreméses, Vorspeisen eine Seite. Sopas, Suppen halbe Seite. Ensalades, Salate halbe Seite. Pescados, Fisch zwei Seiten. Carnes, Fleisch zwei Seiten. Postres, Dessert eine Seite. Especialidades, Spezialitäten eine Seite. Bebidas, Getränke heiße und kalte, Vino blanco, vino tinto, Weiß- und Rotweine, Digestivos, Schnäpse, Cognac drei Seiten. Alles in drei Sprachen: spanisch, englisch, deutsch.
Rose blättert mit spitzen Fingern durch das Angebot. Überlässt mir dann die Bestellung. Wir wollen Paella, nichts anderes. Vielleicht ein Postre hintennach. Und einen Café solo. Plötzlich steht Juan wieder am Tisch. Lächelt erwartungsvoll. Ich komme ihm zuvor: „Quisieramos una paella para dos personas e una botella pequeña de vino tinto de Ferrer, Binisalem por favor. Wir möchten eine Paella für zwei Personen und eine kleine Flasche Rotwein von Ferrer. Den Roten kenne ich noch von früher. Louis Ferrer soll immer noch einer der besten Winzer auf der Insel sein. Probieren wir eine halbe Flasche.
„En seguida,“ sofort. Mit Schwung nahm Juan die fettigen Speisekarten und warf sie den Leuten nebenan auf den Tisch. Warum so unfreundlich? Vielleicht, weil sie in Badehosen hier sitzen. Späte Strandläufer. Wir hatten uns auf Restaurantbesuch eingestellt. Wie zuhause. Wir wollen es so lassen. Uns selbst zuliebe. Wie man kommt gegangen, so wird man auch empfangen. Stimmt überall. Dreißig Minuten später.