Читать книгу Das Brustgespenst - Patricia Causey - Страница 5
Kapitel 2
ОглавлениеIch liege am späten Abend nach dem heutigen Arztbesuch im Bett und versuche, mir über die heutigen Ereignisse klar zu werden. Uwe schläft friedlich neben mir. Ich habe als Grund für meine geistige Abwesenheit Probleme im Büro vorgeschoben und konnte ihm noch nicht erzählen, was ich bereits wusste. Sicherlich hätte er es mir nicht geglaubt. Uwe ist nämlich sehr feinfühlig. Dies versteckt er zwar hinter seinen sarkastischen Sprüchen und seiner manchmal etwas groben Art, aber er hat ein genaues Gespür dafür, was in mir vorgeht. Darum, nehme ich an, hatte er auch nicht nachgefragt. Er weiß ganz genau, wann er nachfragen sollte und wann er mich in Ruhe lassen muss. Dass ein Verdacht mich betreffend aufgekommen ist und dass weitere Untersuchungen bevorstehen. Hatte ich vielleicht nur Angst, es ihm zu erzählen? Uwe konnte ich schließlich alles erzählen, doch vermutlich wollte ich es selbst nicht wahrhaben. Würde ich es ihm erzählen, dann wäre das Geschehen echt gewesen, und im Moment kam es mir vor, als wäre alles weit, ganz weit weg. Beinahe so, als wäre der Verdacht nicht echt, sondern nur ein böser Traum.
Nun versuche ich im Bett liegend gedanklich das Gespräch mit Dr. Eisenring zu rekonstruieren. Der Nebel, der sich in meinen Gedanken gebildet hatte, seit der Arzt das Wort „Brustkrebs“ aussprach, lichtet sich allmählich. Während ich mich konzentriere, kommen mir immer mehr Gesprächsfetzen in den Sinn, die ich zuvor beim Termin nicht mehr verarbeiten konnte. Nach dem Schreckmoment hatte ich einfach nur funktioniert. Ähnlich wie bei einem Computer war das Programm „Arztgespräch“ angegangen und hatte diese Aufgabe für mich erledigt, während ich in Gedanken von einer hohen Klippe heruntergefallen war. Es schien so, als ob dieses Programm das Gespräch für mich aufgezeichnet hatte und ich nun am Abend dazu bereit war, diese Aufzeichnung abzurufen.
Verständlicherweise hatte Dr. Eisenring mir nicht direkt gesagt, dass ich Brustkrebs habe. Er hatte auf der Röntgenaufnahme etwas Verdächtiges gesehen. Zusammen mit einigen Indizien in meinem Blutbild ergab sich daraus der Verdacht, dass es im schlimmsten Fall Brustkrebs sein konnte. Er hatte mich für den nächsten Morgen im Krankenhaus zu einer Computertomografie angemeldet, und anschließend sollte ich mit den Bildern zu einer Spezialistin namens Dr. Seifert gehen. Meine Akten ließ er ihr per Kurier zukommen.
Daraus schlussfolgerte ich nun: so weit, so gut. Es war bestimmt nichts Ernstes. Wahrscheinlich nur eine Zyste, die sich gebildet hatte. Es würde bestimmt gut ausgehen, es ging bisher immer gut aus für mich. Ich erinnerte mich daran, dass Uwe schließlich damals diese Lotte hätte heiraten können, statt sich für mich zu entscheiden. Wir hatten beide um ihn geworben, aber ich hatte ihn für mich gewonnen. Das war vor zehn Jahren, und ich habe es bis heute in keinem Moment bereut. Geheiratet haben wir dennoch nicht, und Kinder haben wir auch keine. Dafür hatten wir uns aufgrund unseres Alters, als wir uns erst kennengelernt hatten, entschieden. Wir gingen beide bereits auf Mitte dreißig zu, und dann kamen noch das Leben, unser Beruf und vieles mehr hinzu. Jedenfalls vergingen viele Jahre, und wir sind auch ohne die Hochzeit ein sehr glückliches Paar. Ich schmunzele über die Erinnerungen und drehe mich im Bett zu ihm.
Er schläft tief und fest. Ich frage mich, ob ich es ihm gleich heute hätte sagen sollen. Ach nein, besser nicht, denn manchmal erzählt man die Dinge in Angesicht der Angst unnötig komplizierter, als sie in Wirklichkeit sind. Er würde sich dann nur unnötig Sorgen machen, und am Ende wäre ja doch nichts. Ich würde morgen einfach ins Krankenhaus und anschließend zu dieser Frau Dr. Seifert gehen. Da sie Spezialistin ist, kann sie bestimmt gleich Entwarnung geben. Erst anschließend erzähle ich Uwe davon, und ungefähr im Stil wie „ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht“.