Читать книгу Kristallherz - Patricia Strunk - Страница 6
KAPITEL IV – Die Schlacht
ОглавлениеYaren wurde noch vor dem Gong wach. Die bleierne Müdigkeit, die ihm gestern in den Knochen gesteckt hatte, war verschwunden. Tatsächlich fühlte er sich erstaunlich munter, als hätte er einen ganzen Tag lang geschlafen und nicht nur wenige Stunden. Mebilors Trank schien gewirkt zu haben. Blieb nur zu hoffen, dass die Wirkung nicht zu früh nachließ und ihn mitten im Kampf fällte.
Rasch kleidete er sich an. Beim Anlegen seiner Rüstung ließ er besondere Sorgfalt walten. Gewissenhaft, beinahe schon wie als Teil eines Rituals kontrollierte er, ob Brustpanzer, Arm- und Beinschienen richtig saßen und sicher befestigt waren. Dann zog er sein Kesh aus der Scheide und prüfte es auf seine Schärfe. Die Trossschmiede waren nicht so kunstfertig wie Rohins Vater, dennoch war die Klinge noch immer so scharf, dass ein Tropfen Blut aus seinem Finger quoll, als er sie berührte. Zufrieden polierte er die Waffe ein letztes Mal, bevor er sie zusammen mit seinem Gebo in den Gürtel steckte.
Als er das Zelt verlassen wollte, streifte sein Blick Ishiras Rehime, das neben ihrer verwaisten Schlafstatt am Pfosten hing. Er blieb stehen und strich mit den Fingerspitzen über die Hülle. Wenn alles gut gegangen war, hatte sie den Turm gefunden und es gab von dort aus tatsächlich einen Zugang zur Höhle. War sie jetzt gerade dort? Hatte sie herausgefunden, was sie wissen wollte?
Hatte sie die Höhle überhaupt betreten können? Ein normaler Mensch würde eine so hohe Konzentration der Energie nicht überleben. Selbst sein eigener, durch das Drachenblut veränderter Organismus war dazu nicht in der Lage. Nur die Drachen selbst waren gegen die Energie immun – und ihre Abkömmlinge. Zumindest war es das, was Ishira glaubte.
Und wenn sie sich geirrt hat?
Seine Finger verharrten auf dem rauen Stoff. Dann wäre auch sein Leben vorbei.
Als er aus dem Zelt trat, überzog der Sonnenaufgang den Himmel mit blutigem Rot wie einer Vorahnung des Todes. Nach einem Blick auf das Lager, über dem trotz reger Betriebsamkeit eine unheimliche Ruhe lag, ging Yaren zu den Köchen hinüber, die bereits dabei waren, an eine lange Schlange hungriger Kireshi Reisbrei auszuteilen. Kaum jemand sprach. Die meisten Männer waren zu sehr mit ihren eigenen Gedanken und Ängsten beschäftigt, als dass ihnen der Sinn nach einer Unterhaltung gestanden hätte.
Aus dem Augenwinkel sah er Mebilor herankommen. Gewöhnlich ließ die Vitalität des Heilers vergessen, dass er die Sechzig nicht erst gestern überschritten hatte, doch jetzt verrieten die tiefen Sorgenfurchen in seinem Gesicht sein Alter. Seine Bewegungen waren langsam und schleppend. Nur sein Blick hatte nichts von seiner forschenden Eindringlichkeit verloren.
„Wie fühlst du dich?“ wollte er wissen.
„Ausgeruht. Was immer in Eurem Gebräu war, hat seine Wirkung getan.“
„Freut mich zu hören. Aber übertreib es nicht“, ermahnte Mebilor ihn noch einmal. „Sobald die Wirkung der Kräuter nachlässt, wird die Erschöpfung mit aller Macht zurückkehren. Dieser Trank gaukelt deinem Körper die Erholung lediglich vor.“
Er warf Yaren einen weiteren prüfenden Blick zu, zögerte, als wäre er unsicher, ob er sagen sollte, was zu sagen er im Sinn hatte, und gab sich schließlich einen Ruck. „Du nimmst dir zu Herzen, was der Junge gestern Nacht gesagt hat, nicht wahr?“
Yaren zuckte nichtssagend mit den Schultern. Er wäre dankbar gewesen, wenn der Heiler ihn nicht ausgerechnet jetzt an seinen Nebenbuhler erinnert hätte. Egal, was er sich einzureden versuchte: er war eifersüchtig auf diesen anderen Mann.
„Du solltest mit Ishira sprechen, wenn sie wieder da ist“, riet Mebilor ihm.
„Was sollte das bringen? Ihr wisst so gut wie ich, wie die Dinge stehen.“
„Ja, ich weiß. Aber es gibt immer eine Möglichkeit.“
Diese wenigen Worte genügten, um in Yaren eine irrationale Hoffnung zu wecken. Gespannt wartete er darauf, dass Mebilor weitersprach, doch statt einer Erklärung legte der Heiler ihm eine Hand auf die Schulter und drückte sie leicht. „Mögen die Götter uns heute gewogen sein, besonders dir, mein Junge.“
Yaren ließ den angehaltenen Atem langsam entweichen. „Das waren sie selten genug. Falls wir uns nicht wiedersehen, kennt Ihr meine einzige Bitte.“
„Ich werde für Ishira da sein“, versprach der Heiler.
„Yaren, Mebilor.“
Unbemerkt war Rohin hinter sie getreten. Der junge Erfinder der Drachengeschütze musste sich in aller Eile angekleidet haben. Sein Gürtel war unordentlich um die Taille geschlungen und aus seinen aufgesteckten Haaren hing eine Strähne heraus. Auf seinen Wangen lagen dunkle Schatten. Müde wünschte er ihnen einen guten Morgen, was angesichts der bevorstehenden Schlacht wie reiner Hohn klang, während er sich die widerspenstige Strähne hinters Ohr strich. „Heute ist der Tag der Entscheidung.“
Gegen seinen Willen musste Yaren daran denken, was Ishiras Bruder ihm erzählt hatte, bevor dieser ihn damit konfrontiert hatte, dass er nicht der einzige Mann im Leben seiner Schwester war. Wie kam sie darauf, dass die Armee dabei war, einen großen Fehler zu begehen, wenn sie von den Plänen der Drachen, die Energie zum Anstieg zu bringen, angeblich nichts gewusst hatte? Er konnte sich nicht vorstellen, was falsch daran sein sollte, die Drachen zu töten. Trotzdem nagte der Zweifel an ihm wie eine Ratte an totem Fleisch.
„Es ist merkwürdig“, sagte Rohin fast wie zu sich selbst. „Die ganze Zeit über habe ich mich vor diesem Augenblick gefürchtet, doch jetzt, wo er da ist, bin ich beinahe erleichtert.“
Yaren verzog in einem Anflug von Sarkasmus die Mundwinkel. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte er den heutigen Tag herbeigesehnt wie keinen anderen. Doch die Dinge hatten sich geändert. Er hatte sich verändert. Wenn es einen Ausweg gegeben hätte, wäre er diesen anderen Weg gegangen.
„Heute Abend ist es vorbei, so oder so“, erwiderte er. „Daher verstehe ich Eure Erleichterung. Ich wage zu behaupten, dass Ihr nicht der Einzige seid, der so denkt.“
„Was ist mit Euch?“
„Fragt mich das heute Abend.“
Nachdem die Männer ihren kargen Brei verzehrt hatten, machten sie sich bereit. Die Heerführer hatten die Raikari und rund die Hälfte der Koshagi an die Spitze des Zuges gestellt, weil sie am ehesten in der Lage waren, der Energie zu widerstehen. Yaren war von Magur für die vorderste Kampfreihe eingeteilt worden. Es überraschte ihn nicht. Vermutlich bestrafte der Kouran ihn auf diese Weise dafür, dass er gegen die Regeln verstoßen hatte. Falls es der Armee nicht gelang, sich der Drachen zu erwehren, würde er einer der ersten sein, die in die Ruinen getrieben wurden.
Nicht weit von ihm entfernt entdeckte er zu seiner Verblüffung Diron und Yuroka. Er hätte nicht erwartet, dass Ralan seinen Sohn an vorderster Front kämpfen lassen würde. Andererseits lauerte der Tod überall und vielleicht wollte der Kouran versuchen, über Diron mit seiner Tochter in Kontakt zu treten.
Bei Kaddors Feuern, wenn das tatsächlich möglich wäre!
Aber seine Hoffnung erlosch sogleich wieder. Soweit er es verstanden hatte, konnte Ishira zwar Dirons Gedanken empfangen, nicht jedoch umgekehrt.
„Heute gilt es!“ rief der Shohon über die Reihen der Krieger hinweg und riss Yaren aus seinen Gedanken. „Heute schicken wir die Drachen in die Höllen zurück, aus denen sie gekrochen sind. Gebt alles, Männer! Beweist diesen Ungeheuern, dass ihr die besten Kämpfer seid, die Inagi aufzubieten hat. Ich wünsche uns Kaddors Segen. Möge er uns Stärke verleihen und unsere Waffen lenken.“
Die Kireshi schlugen sich an die Brust und stießen Kampfrufe aus. Doch nicht wenige küssten auch ihre Talismane. Wie viele von ihnen würden heute Abend noch unter den Lebenden weilen?
Langsam setzte sich die Armee in Bewegung. Die Geschütze wurden diesmal von den Männern selbst gezogen. Niemand wollte riskieren, dass die Umasus durchgingen. Die Zugtiere der Munitionswagen würden schon genug Probleme bereiten.
Obwohl der Canyon noch im Schatten lag, war die Luft mild. Die Energie verhinderte, dass der Boden über Nacht auskühlte. Am Flussufer konnten die Männer nur zu zweit oder dritt nebeneinander gehen. Yaren fand sich neben Ishiras Brüdern wieder. Er beschloss, die Gelegenheit zu nutzen, auch wenn er sich nicht viel davon versprach.
„Hast du versucht, Ishira zu erreichen?“ fragte er Diron.
Das gurgelnde Wasser überlagerte seine Worte, so dass er nicht befürchten musste, dass Magur sie hören konnte. Der Paladin würde sein Interesse mit Sicherheit nicht gutheißen. Diron nickte und hob gleich darauf die Schultern um auszudrücken, dass er nicht wusste, ob Ishira seine Gedanken empfangen hatte. Obwohl Yaren gewusst hatte, wie die Antwort lauten würde, lag ihm die Enttäuschung wie ein Klumpen Reisbrei im Magen.
Sie benötigten einen guten Sanddurchlauf, bis sie das Tal erreichten. Eine leichte Brise brachte die spärlichen Gräser vor ihnen zum Erzittern. Unter seinen Stiefeln spürte Yaren die hubbeligen Flechten, die bei jedem Schritt leicht nachfederten. Sein Blick wanderte zum Himmel. Noch war keiner ihrer Gegner zu sehen. Dafür zogen von Westen immer dichtere Wolken auf. Einen Augenblick befürchtete er, es könnte anfangen zu regnen, bis er sich daran erinnerte, dass es in diesem Teil Inagis der Vegetation nach zu urteilen so gut wie niemals regnete. Die Energie würde die Regenwolken höchstwahrscheinlich zu den umliegenden Berghängen abdrängen.
Sobald die Männer ihre Kampfordnung eingenommen hatten, befahlen Magur und Ralan eine kurze Rast. Auch sie beobachten immer wieder den Himmel, als hofften sie, die Drachen würden sie bereits hier angreifen. Doch diesen Gefallen taten die Bestien ihnen nicht.
Einen weiteren knappen Sanddurchlauf später kam das alte Schlachtfeld in Sicht. Yaren konnte körperlich spüren, wie die Spannung in der Armee anstieg. Der Anblick der Skelette und zerbrochenen Waffen ihrer gefallenen Vorgänger war nicht unbedingt dazu angetan, die Kampfmoral der Männer zu heben. Egal, wie gut sie sich vorbereitet wähnten, waren sie dabei, sich auf einen Kampf einzulassen, dessen Spielregeln die Drachen festgelegt hatten, und den verfluchten Echsen quasi freiwillig in die Falle zu gehen. Immer mehr Krieger sahen sich unbehaglich um und hielten ihre Schwerthand in Nähe ihres Kesh. Doch sie überquerten das Schlachtfeld ohne dass sich die Echsen zeigten. Yaren wurde unruhig. Während sie langsam vorrückten, suchte er immer wieder den Himmel ab. Als sie die Felsnadeln an der Talbiegung erreichten, fluchte er verhalten. Sie waren den Ruinen schon viel zu nah.
Ralan musste derselbe Gedanke durch den Kopf gehen, denn er ließ halten und wechselte einen Blick mit Magur. „Was jetzt? Wenn wir weitergehen, haben uns die Drachen genau da, wo sie uns haben wollen.“
„Ich werde diesen verfluchten Echsen ganz sicher nicht noch mehr in die Hände spielen“, gab der Paladin zurück. „Wir werden hier auf sie warten. Sie werden schon kommen, wenn sie etwas von uns wollen.“
Er hatte den letzten Satz kaum beendet, als von allen Seiten die durchdringenden Kampfschreie der Drachen erschollen, in die sich das Sturmrauschen ihrer Schwingen mischte. Yaren riss sein Kesh aus dem Gürtel. Über den Bergkämmen wurden die geschuppten Leiber ihrer Gegner sichtbar. Sie verdunkelten den Himmel wie eine aufziehende Sonnenfinsternis. Es mussten sämtliche verbliebenen Drachen Inagis sein. Sie waren buchstäblich überall. Von vorn und hinten näherte sich eine große Anzahl von ihnen im Tiefflug, während weitere Echsen an den Seiten des Tals über den Felsen schwebten und auf ihren Befehl zum Angriff zu warten schienen. Yaren verwünschte diese Ungeheuer für ihre taktische Schläue, an die selbst manch menschlicher Feldherr nicht heranreichte.
„Geschütze bereitmachen!“ brüllte Magur. „Feuert, sobald die Drachen in Reichweite sind!“
Die Schützen hatten die Sprengrohre bereits geladen und waren dabei, sie auf ihre Ziele auszurichten. Zündhölzer flammten auf. Als die Echsen sie erreichten, krachte es aus einem Dutzend Geschütze gleichzeitig. Mehrere Drachen kamen ins Trudeln, drei stürzten ab. Doch die übrigen kamen unaufhaltsam näher. Eine Flut von Blitzen ergoss sich über die Männer. Kaum war die erste Angriffswelle über sie hinweg gefegt, legten die Echsen zu beiden Seiten des Tals die Schwingen an und ließen sich wie Steine auf die Soldaten fallen, die Mäuler weit aufgerissen. Sie schnappten nach den Männern und erhoben sich im letzten Moment wieder in die Luft, so dass die Verdrängung ihrer Flügel die Krieger taumeln ließ. Yaren hörte die Schreie der Unglücklichen, die von den Echsen hochgerissen und durch die Luft geschleudert wurden. Die Reihen der Krieger gerieten in Unordnung, als diese den fallenden Leibern auswichen. Einige versuchten, ihre Kameraden aufzufangen und wurden dabei selbst zu Boden gerissen. Jemand stieß einen warnenden Ruf aus. Hinter ihnen näherte sich eine neue Abteilung Drachen und deckte sie mit einer weiteren Blitzsalve ein.
„Klingenwaldformation!“ erscholl Magurs Befehl.
Yaren zog den Kopf ein und drehte sein Kesh so, dass die Klinge senkrecht nach oben wies. Reglos warteten die Soldaten auf den richtigen Moment. Die Schatten der nachfolgenden Drachen senkten sich über sie, als diese erneut dazu übergingen, einzelne Männer aus den Reihen zu pflücken.
„Jetzt!“
Auf Magurs Befehl sprangen die Krieger auf und stießen mit ihren Schwertern zu. Die meisten Klingen glitten an den Schuppen ab, mehrere zerbrachen gar, doch einige versanken im Fleisch der Echsen und schlitzten ihnen die Bäuche auf. Blut spritzte auf die Männer wie roter Regen. Als Yaren seine Waffe herausziehen wollte, verhakte sie sich. Der Drache schleifte ihn mit sich und drohte ihn in die Höhe zu reißen. Verzweifelt zerrte er an seinem Kesh. Die Zähne der Echse schnappten nach seinem Arm. Notgedrungen ließ er seine Waffe los. Doch er hatte Glück. Die Raikari nutzten die Ablenkung des Drachen und brachten dem Ungeheuer so schwere Wunden bei, dass es zu Boden ging. Yaren gelang es im letzten Moment, seine Waffe zu befreien, bevor sie unter dem schweren Drachenleib begraben wurde.
Hinter ihm feuerten die Schützen unermüdlich ihre Kugeln ab. Doch zwei der Rohre waren aus ihrem Fahrgestell gerissen und hingen nutzlos in schrägem Winkel nach unten. Daneben lagen die schrecklich zugerichteten Männer. Offenbar hatten die Echsen mitbekommen, dass ihnen von den Geschossen die größte Gefahr drohte, und konzentrierten ihre Angriffe auf die ‚Drachentöter‘. Auch Ralan war dies nicht entgangen und er ließ die Raikari den Schützen verstärkt Deckung geben.
Der Boden unter Yaren war abschüssig. Als er den Kopf hob, sah er die Ruinen beinahe direkt vor sich. Er hatte nicht gemerkt, dass der Kampf sie bereits so nah an die Stadt herangetragen hatte. Statt Himmel gab es nur die sich windenden Leiber des Drachengewürms.
Ein gellender Schrei ließ ihn zusammenfahren. Ganz in seiner Nähe hatte ein Amanori einen der Koshagi gepackt. Der Mann hing hilflos im Maul der Echse und wurde von dieser erbarmungslos hin und her geschleudert. Einen Augenblick später erstarben die Schreie. Schlaff hing der zerbrochene Körper zwischen den bluttriefenden Kiefern. Von plötzlicher Wut erfüllt, stürmte Yaren auf den Drachen zu, als dieser sein totes Opfer ausspie. Seine wirbelnde Klinge drang durch den Kiefer der Echse und schlitzte ihn bis zu den Zähnen auf. Mit einem Ruck zog er das Kesh zurück. Brüllend riss das Ungeheuer seinen Kopf hoch und schnellte zu ihm herum. Er holte zu einem weiteren Hieb aus. Als der Kopf des Drachen in einem Bogen auf ihn zukam, war dessen goldenes Auge plötzlich direkt vor ihm. Das war die perfekte Gelegenheit. Doch gerade als Yaren zustoßen wollte, sah er wieder jenes andere Drachenauge vor sich. Das Auge, aus dem ihm Ishira entgegengeblickt hatte, nachdem sie in den Körper des Drachen geschlüpft war, um ihn zu retten. Der Tod der Echse hätte um ein Haar auch sie selbst das Leben gekostet. Auch wenn Yaren genau wusste, dass in dem Drachen vor ihm niemand steckte als das Ungeheuer, das ihn töten wollte, ließ ihn die Erinnerung den entscheidenden Moment zögern.
***
Ishira schwebte in einem Zustand seltsamer Leere, während ihr Verstand damit beschäftigt war, die Flut an Erinnerungen, die auf sie eingestürzt waren, zu sortieren und zu verarbeiten. Die Bilder waren noch immer verschwommen, als würde sie sie durch Nebel oder Wasser betrachten, und sie war zu müde, um sich zu konzentrieren. Sie ließ ihren Geist wieder ins Nichts gleiten.
Wach auf, wach auf, raunte es um sie her. Hinter ihren Lidern brannte Helligkeit. Widerstrebend öffnete sie die Augen – und schloss sie sofort wieder, als das Licht des Kristalls auf sie einstach.
Geht es dir gut? erkundigten sich die Geister. Verzeih uns, dass wir in deine Seele eingedrungen sind. Es war die einfachste Möglichkeit, dir zu zeigen, was damals hier geschehen ist.
Jetzt erst merkte sie, dass sie noch immer auf dem Boden saß, Kopf und Rücken gegen einen ihrer Brüder gelehnt. Sie schirmte ihre Augen mit der Hand ab, bevor sie die Lider erneut einen Spalt öffnete. Otaru saß neben ihr und hatte einen Arm um ihre Taille gelegt um sie zu stützen. Besorgt musterte er sie, doch er sagte nichts, wofür sie ihm dankbar war.
Es war kein Erdbeben, dachte sie benommen. Ihre Vorfahren selbst hatten die Katastrophe ausgelöst. Die Bomben hatten die Höhle zum Einsturz gebracht und die austretende Energie die Stadt vernichtet. Yokariyara war der Machtgier eines einzelnen Mannes zum Opfer gefallen. Seinetwegen waren Tausende Unschuldige gestorben und das Zentrum Inagis unbewohnbar geworden.
Die Lichtkugeln tanzten um sie herum wie besorgte Glucken. Ishira verstand jetzt, dass die Geister die Seelen all der Menschen waren, die beim Untergang der Stadt den Tod gefunden hatten. Sie waren mit der Energie verschmolzen und auf diese Weise an die irdische Welt gebunden. Ehrfurcht erfüllte sie. Dies hier war ein Ort, an dem der Schleier zur jenseitigen Welt zerrissen war. Ein Ort, an dem der Tod keine Macht hatte. An dem Vergangenheit und Gegenwart zur selben Zeit existierten. Die Energiequelle war ein gewaltiges Gedächtnis, das die Erinnerungen der toten Bewohner Yokariyaras für die Ewigkeit bewahrte – und auf diese Weise die Geschichte Inagis.
Sie hatte kaum Zeit, diese Erkenntnis zu verdauen, bevor sich eine neue Erinnerung in ihren Geist schob. Diese war anders als die vorherigen.
Sie kreiste über den Ruinen der Stadt. Die zerstörten Straßen unter ihr waren übersät mit Toten. Die Katastrophe musste schon einige Zeit her sein, denn die Leichen waren bereits mehr oder weniger stark verwest. Langsam ging sie tiefer. Um sich herum spürte sie die Energie. Andere Echsen landeten neben ihr und falteten ihre Schwingen zusammen. Nach einem Blick umher näherte sich der Amanori, in dessen Erinnerungen Ishira eingetaucht war, einem der Toten. Sie krümmte sich innerlich vor Entsetzen, als sie erkannte, was er vorhatte, aber sie konnte nichts dagegen tun. All diese Dinge waren bereits vor langer Zeit geschehen. Sie war lediglich Zuschauerin. Mit den Zähnen riss der Amanori ein Stück aus dem Leichnam und begann zu fressen. Wohlbehagen mischte sich in Ishiras Ekel. Sie wollte gleichzeitig würgen und Fleisch und Knochen zwischen ihren Kiefern zermalmen.
Die Bilder wechselten. Die Echsen hatten die Ruinen für sich entdeckt und sich dort niedergelassen. Seit die Menschen das Zentrum verlassen hatten, konnten sie hier ungestört leben. Niemand jagte sie mehr.
Von Neugier getrieben, flog sie in Richtung des Lichtscheins, der die eingestürzte Höhlendecke markierte. Nach kurzem Zögern ließ sie sich mit angelegten Schwingen in den Spalt fallen und fing sich gleich darauf ab. Unter ihr leuchtete die Energiequelle. Lichtfäden streckten sich ihr entgegen und wickelten sich um ihre Beine. Erschrocken kämpfte sie gegen die Fäden an, schnappte danach und schlug heftig mit den Flügeln, bis sie entdeckte, dass ihr die Energie keinen Schaden zufügte. Im Gegenteil fühlte sie sich erholt und voll neuer Kraft.
Das war der Anfang gewesen. Von nun an flogen die Amanori in die Höhle, wann immer sie erschöpft oder verletzt waren. Der fortwährende Kontakt mit der Energie veränderte sie. Nach und nach bildete sich um ihre Leiber eine schimmernde Aura. Jahrhunderte später waren ihre Nachkommen in der Lage, die Energie in ihren Eingeweiden zu bündeln und als Blitze loszulassen. Die Amanori passten ihre Jagdmethoden an ihre neuen Fähigkeiten an und lähmten ihre Beute fortan aus der Luft, bevor sie sie töteten. Auch ihr Brutverhalten änderte sich. Sie legten die Eier jetzt auf den Energiesträngen ab und ließen sie durch die Wärme der Adern ausbrüten.
Im selben Maße, in dem die Echsen von der Energie umgeformt wurden, wurden sie jedoch auch von ihr abhängig. Sie konnten sich nicht mehr zu weit von der Energiequelle entfernen und mussten ihre Speicher in regelmäßigen Abständen auffüllen. Die Energie war Teil von ihnen geworden und sie konnten ohne sie nicht mehr existieren.
Jetzt verstand Ishira auch, warum die Echsen zum Sterben in die Höhle kamen und wie ihr einzigartiges kollektives Bewusstsein entstanden war. Die Seelen der Amanori, die im Kontakt mit der Energie starben, gingen ebenfalls in ihr auf. An diesem Ort waren die gesammelten Erfahrungen und Erinnerungen Hunderter von Echsen gespeichert. Jedes Mal, wenn die Amanori ihre Blitzspeicher aufluden, fand nicht nur ein Austausch von Energie statt, sondern auch von Wissen.
Umgekehrt sicherte der Austausch mit den Amanori den Fortbestand der Energie. Dennoch floss im Laufe der Zeit immer weniger Energie in die Stränge – oder Tentakel, wie Ishira sie getauft hatte. Sie vertrockneten und verhärteten sich zu dem, was die Menschen später als Kristalladern bezeichnen sollten. Doch ein Rest an Energie blieb selbst in den erstarrten Adern erhalten.
Dann wurde das fragile Gleichgewicht gestört. Durch die Adern liefen Erschütterungen, die gegenläufig und anders waren als diejenigen, die mit einem Energieaustausch einhergingen. Diese Wellen ließen die Schalen der Echseneier zerspringen. Die Embryonen waren ohne ihre schützende Hülle einem elenden Tod preisgegeben.
Endlich konnte Ishira die Vision, in der sie den toten Embryo in der zerstörten Eihülle gefunden hatte, einordnen. Es waren die Sprengungen in den Minen, deren Druckwellen sich durch die Adern fortsetzten, die für das Sterben der Echsen verantwortlich waren.
Immer mehr Eier gingen verloren. Die Existenz der Amanori war bedroht. Auch wenn die Echsen nicht genau verstanden, was vor sich ging, schlussfolgerten sie, dass die Menschen für die Erschütterungen verantwortlich sein mussten, und begannen damit, deren Siedlungen anzugreifen.
Die Bilder verblassten, doch Ishiras Kopf schwirrte vom Nachhall dieser zweiten Erinnerungsflut. Die Amanori kämpften gegen die Menschen, um ihr eigenes Überleben zu sichern – und indirekt sicherten sie damit auch die Existenz Inagis.
Sie schloss die Augen, doch ihr war keine Ruhe vergönnt. Anstatt sich abzuschwächen, nahm das Tosen in ihrem Kopf weiter zu, bis sie erkannte, dass es die Geister waren, deren Stimmen auf sie einstürmten.
„Lasst mich zufrieden“, wehrte sie ab. „Bitte. Wenigstens einen kurzen Moment.“ Sie war einfach zu müde, um ihnen zuzuhören. Sie brauchte eine Pause. Warum wollten die Geister das nicht verstehen?
Deren Raunen wurde immer drängender und hinderte sie daran einzuschlafen. Kurz darauf gesellte sich ein undefinierbares Rauschen hinzu. Zuerst dachte sie an Wasser, doch als sie sich zwang, die Lider zu heben, erblickte sie unzählige Amanori, die in die Höhle segelten und sich um die Energiesäule herum anordneten. Schreck durchzuckte sie wie ein Energieschlag und machte sie hellwach. Wenn die Echsen hier waren, musste der Kampf bereits begonnen haben. Deshalb hatten die Geister so vehement versucht, sie wachzuhalten.
Zorn, Schmerz und rauschhafte Kampflust schlugen über ihr zusammen. Ishira drohte sich in den starken Gefühlen der Amanori zu verlieren. Entsetzt wurde ihr bewusst, dass zu viel Zeit vergangen war. Sie hatte die Dinge in Erfahrung gebracht, um derentwillen sie hergekommen war, doch es war zu spät. Sie konnte das Verhängnis nicht mehr aufhalten.
***
Als Yaren endlich zustieß, verfehlte er sein Ziel und traf stattdessen die Halskrause der Echse. Er musste überstürzt zurückweichen, um den Drachenklauen zu entgehen. Dabei stolperte er über einen seiner auf dem Boden liegenden Kameraden. Er rutschte auf dem vom Blut glitschig gewordenen Untergrund aus und fiel halb auf den zerfetzten Leichnam des Koshagi. Hastig rollte er sich über die Schulter ab. Dicht neben seinem Kopf schnappten die Zähne des Drachen ins Leere. Das Ungeheuer stieß einen Wutschrei aus, der sich schmerzhaft in Yarens Gehörgang grub, bevor es von ihm abließ und sich umdrehte. Im Aufrichten sah er, dass Yuroka und Diron das Biest attackierten. Noch bevor er wieder auf den Beinen stand, hatten sie es zur Strecke gebracht.
Der Kampf wütete immer heftiger. Der Hang war übersät mit Toten. Blut floss in schmalen Bächen durch das trockene Gras. In Yaren wallte Verzweiflung auf. Sie kämpften noch keinen halben Sanddurchlauf und schon war ein Drittel ihrer Kameraden gefallen oder so schwer verletzt, dass sie nicht weiterkämpfen konnten. Trotz aller Bemühungen, ihre Stellung zu halten, wurden sie von den Drachen näher und näher an die Ruinen heran getrieben, bis er sich schließlich jenseits des Tores wiederfand. Um ihn herum waberte die Energie. Mehrere Echsen lösten sich aus dem Kampfverband und drehten in Richtung Höhle ab. Durch wildes Wedeln mit den Händen versuchte Yaren, Magurs Aufmerksamkeit zu erringen. Doch dieser hatte bereits dieselben Schlüsse gezogen.
„Die Drachen machen sich bereit, die Energie zum Anstieg zu bringen“, rief er den Schützen zu. „Versalzt ihnen die Suppe!“ Die vorderen Männer bestätigten durch Zeichen, dass sie verstanden hatten, und gaben den Befehl weiter.
Rechts von Yaren krachte es ohrenbetäubend. Das Rohr eines der Geschütze war geborsten und der Schütze von seinem eigenen Geschoss zerfetzt worden. Die Männer daneben wurden von der Druckwelle nach hinten geschleudert. Bevor Yaren sich von seinem Schreck erholt hatte, krachte es erneut, näher diesmal. Instinktiv riss er die Arme vors Gesicht und ließ sich fallen. Knapp unterhalb des Ellbogens fuhr sengende Hitze durch seinen rechten Arm. Ein Stück entfernt wälzten sich mehrere seiner Kameraden am Boden. Einem Mann quollen die Eingeweide aus dem Bauch wie blutige Würste. Mit glasigem Blick stopfte er sie zurück, als würden sie jemand anderem gehören, bis er unvermittelt zu schreien begann.
Yaren kroch zu ihm hin, während er zu verstehen versuchte, was vor sich ging. Dass zwei Geschütze hintereinander explodierten, konnte kein Zufall sein. Dann ging ihm ein Licht auf. „Die Energie!“ brüllte er. „Sie macht die Geschütze unbrauchbar.“
Magur überlegte nicht lange. „Feuer einstellen! Geschütze auf keinen Fall mehr laden!“ Das letzte Wort ging halb in der nächsten Explosion unter. Der Kouran fluchte lästerlich.
Yaren legte seine Hand auf die Schulter des unglücklichen Koshagi. Dessen Schrei brach ab wie abgeschnitten. Dafür begann er so heftig zu zittern, dass sein gesamter Körper davon geschüttelt wurde. Yaren konnte nichts anderes tun, als bei ihm zu bleiben, bis das Leben seinen Kameraden verließ.
„Unsere einzige Chance ist es, den Hang zurückzuerobern“, schrie Ralan. „Wir müssen aus den Ruinen heraus, bevor die Drachen die Energie zum Anstieg bringen.“
Magur zögerte einen Moment, als behagte es ihm nicht, einer Empfehlung Ralans zu folgen, doch dann gab er den Koshagi Anweisung, die Drachen bis hinter den Hang zurückzudrängen.
Stück für Stück kämpften sie sich zum Tor zurück, doch für jeden Schritt Boden, den sie gewannen, schienen sie einen halben zu verlieren. Yaren fühlte seine Kräfte schwinden. Sein Atem rasselte in seiner Lunge wie eine schlecht geölte Ankerkette. Mebilors Trank verlor seine Wirkung.
Nicht ausgerechnet jetzt!
Als er einen Moment innehielt, um Luft zu holen, flammte hinter ihm der Himmel auf. Mehrere Krieger verloren das Gleichgewicht und stürzten, als ein Erdstoß das Tal erschütterte. Aus Mauerkronen und Torbögen lösten sich Steine und polterten auf sie herab. Einer der Koshagi schrie auf, als sein Bein von einem Steinblock eingeklemmt wurde. Zwei seiner Kameraden sprangen hinzu, befreiten ihn mit vereinten Kräften und schleiften ihn hinter sich her.
Yaren spürte, wie die Energie anstieg. Sie prickelte über seine Beine und wand sich an ihm hoch wie dünne Schlangen. Manche der Kireshi, die gestürzt waren, standen nicht wieder auf. Ihre Leiber zuckten unkontrolliert, während die Energie unerbittlich an ihnen zerrte. Auch die beiden Koshagi, die ihren verwundeten Kameraden stützten, wankten unter ihrer Last. Yaren taumelte auf sie zu, um ihnen zu helfen, doch der nächste Erdstoß brachte ihn selbst zu Fall. Die Energie fiel über ihn her wie ein wildes Tier. Eine eiserne Faust quetschte seinen Brustkorb zusammen und presste erbarmungslos die Luft aus ihm heraus. Keuchend rang er nach Atem und versuchte vergeblich, sich auf Händen und Knien aufzurichten. Seine Glieder wollten ihm einfach nicht gehorchen. Bleierne Schwere zog ihn zu Boden. Vor seinen Augen tanzten schwarze Flocken.
Jemand fasste ihn am Arm und zog ihn hoch. Zu seiner Überraschung erkannte er einen der Koshagi. Aus einem langen Schnitt auf der rechten Wange rann Blut in den Kragen von dessen Harnisch. „Wir müssen höher den Hang hinauf, damit wir die Geschütze wieder einsetzen können“, keuchte er.
Doch die Drachen bildeten eine undurchdringliche Barriere. Sie hatten nicht vor, die Menschen entkommen zu lassen. Verbissen und mit dem Mut der Verzweiflung warfen die Krieger sich ihnen entgegen. Jeder Fußbreit Grund war hart erkauft und mit dem Blut vieler Männer bezahlt. Ein Soldat nach dem anderen fiel im Kampf gegen die übermächtigen Gegner.
Der Schatten eines weiteren Drachen fiel auf Yaren. Schmerz brandete durch seinen verletzten Arm, als er sein Kesh hob, und sein Sichtfeld reduzierte sich auf einen engen Korridor, aber er war nicht bereit aufzugeben. Er würde hier nicht sterben. Er würde…
Schreie drängten sich in seinen Geist. Widerwillig öffnete er die Augen – wann hatte er sie geschlossen? – und stellte zu seiner Verwunderung fest, dass er am Boden lag. Über ihm wütete der Kampf weiter. Keine drei Schritte entfernt focht der Koshagi, der ihm geholfen hatte, mit Diron und Yuroka gegen den Drachen, der ihn zuletzt angegriffen hatte – oder war es bereits wieder ein neuer Gegner? Von den Kourani war keiner zu sehen. Mühsam richtete er sich auf den Ellbogen auf – und entdeckte Ishiras Vater beinahe direkt neben sich. Ralan atmete flach und angestrengt. Energiezungen leckten an ihm, ringelten sich um seinen Hals, als wollten sie ihn erdrosseln. Sein linkes Bein war übel zugerichtet. Sein Beinschutz war zerschnitten und von oberhalb seines Knies bis zu seinem Stiefel zog sich eine lange gezackte Wunde, die heftig blutete. Ein Teil des Knochens lag bloß.
Yaren versuchte aufzustehen, aber er schaffte es nicht. Sein gesamter Körper brannte und fühlte sich zugleich auf erschreckende Weise taub an. Die schwarzen Flocken vor seinen Augen kehrten zurück. Seine Sicht franste an den Rändern aus, während sein Herz hämmerte, als würden die Trossschmiede versuchen, es in eine neue Form zu biegen.
Der Koshagi mit dem Schnitt im Gesicht wich vor dem vorschnellenden Maul des Drachen nach hinten aus, während Yuroka im selben Atemzug von der Seite auf ihren Gegner eindrang. Einen Augenblick später lag der Raikar auf den Knien und krümmte sich vornüber. Seine Rüstung hing in Fetzen von seinem Rücken. Blut quoll darunter hervor. Bevor Diron ihm zu Hilfe kommen konnte, peitschte der Schwanz des Drachen herum und riss Yuroka halb den Kopf von den Schultern. Sein Bruder stand einen Lidschlag lang wie erstarrt, dann drehte sich seine Klinge blitzend in der Luft. Mit einem Wutschrei rammte er sie der Echse in den Leib. Deren Brüllen hallte seltsam gedämpft in Yarens Ohren. Sein Blick trübte sich immer mehr. Verschwommen sah er, wie der Drache zu Boden ging und Diron an seiner Flanke entlang rutschte, bevor beide reglos liegen blieben. Erneut bemächtigte sich seiner die Verzweiflung. Aus dieser Hölle gab es kein Entrinnen.
Seine Gedanken glitten zu Ishira. Obwohl sie ganz in seiner Nähe sein musste, würde er sie nicht wiedersehen.
Verzeih mir. Ich habe versprochen, dich nicht allein zu lassen, aber ich habe mein Wort nicht gehalten.
Vielleicht war es ein Glück, dass er niemals herausfinden würde, ob sie lebte oder tot war. Auf diese Weise konnte er sich einreden, dass sie ihr Ziel erreicht hatte. Dass es eine Zukunft für sie gab. Trotzdem wünschte er sich in einem Anflug von Egoismus, dass er in ihren Armen hätte sterben können.