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Es war Mittagszeit, als Laura die Tür ihres Büros öffnete und zu Gilda in den Vorraum trat.

„Zeit für eine kleine Pause!" Genervt strich sie sich eine dunkle Haarsträhne zur Seite, die sofort wieder ins Gesicht fiel.

Vor einigen Monaten hatte sie sich in einem Anfall von Depression die Haare kurz schneiden lassen und es nach dem ersten Blick in den Spiegel sofort bereut. Mittlerweile hatten die Haare zwar wieder eine halbwegs akzeptable Länge erreicht, waren aber immer noch nicht lang genug, um sie zusammenbinden zu können.

„Hast du Lust, mit mir nach Godesberg zu gehen? Wir könnten Döner oder Hamburger essen."

Zwanzig Minuten später wanderten die beiden Frauen mit ihren Snacks durch die Godesberger Innenstadt und sahen sich die Schaufenster an.

„Lecker!" Gilda leckte genüsslich einen Klecks Ketchup von ihrem Zeigefinger.

„Ja, nicht schlecht", stimmt Laura mit vollem Mund zu. „Hast du schon Informationen gefunden zu unserem Fall?"

Gilda nickte und signalisierte mit dem halb gegessenen Cheeseburger, dass sie erst fertig kauen musste, bevor sie antworten konnte. „Ich habe mich über unseren Auftraggeber schlaugemacht. Er ist tatsächlich ein bekannter Politiker und tritt auf vielen Veranstaltungen auf. Ansonsten unverheiratet, keine Familie, keine Kinder. Vielleicht hat er eine Freundin, aber darüber habe ich nichts gefunden. Über seine Vergangenheit gibt es auf den ersten Blick keine Informationen. Aber ich werde bei Gelegenheit tiefer graben."

Laura nickte zustimmend.

„Dann habe ich das Internat angerufen, um die Namen der früheren Mitschüler zu erfragen. Die waren zuerst nicht sehr kooperativ. Eher das Gegenteil. Aber ich habe den Namen von Bernd Schlüter erwähnt und ziemlich übertrieben, wie viel er für den guten Ruf der Schule tun könnte. Oder dass er ihnen auch schaden könnte. Schließlich haben sie zugestimmt, dass wir die Information bekommen können."

„Gut!" Laura lächelte. „Darauf gönnen wir uns einen Glühwein!" Sie zog Gilda an der Jacke zu einem Bistro und kurz darauf standen sie unter einem Heizpilz und wärmten ihre Hände an den heißen Tassen.

„Es gibt noch einen Aspekt." Gilda blies unschuldig in ihr Getränk.

„Der da wäre?"

„Die Unterlagen vermodern bei denen im Keller und müssen erst gesichtet werden. Natürlich haben sie keine Lust, das für uns zu machen. Das bedeutet, einer von uns muss ins Sauerland fahren und vor Ort recherchieren."

„Oh nein! Das sagst du mir, nachdem ich den Glühwein spendiert habe? Aber im Ernst", Laura verzog das Gesicht, „wir haben so viel zu tun. Das Internat liegt nicht gerade um die Ecke. So viel Aufwand, nur um ein paar Adressen zu finden?"

„Hallo, die Damen! Machen die Detektivinnen eine Pause, oder seid ihr in einem verdeckten Einsatz?"

Barbara Hellmann, Pianistin und Lauras beste Freundin, stand strahlend mit ausgebreiteten Armen vor ihnen, um sie zu umarmen.

„Selbst bei dieser Kälte, wo jeder nur vermummt herumläuft, siehst du glamourös aus! Wie machst du das nur?" Laura zog in gespieltem Unverständnis die Augenbrauen hoch.

Barbara lachte, strich sich durch die schulterlangen, blonden Locken und sah an ihrer goldenen Daunenjacke, den schwarzen, engen Jeans und den Fellboots hinunter. „Glamourös ist wohl etwas übertrieben. Wie ich sehe, seid ihr beim Glühwein. Da schließe ich mich an."

Kurz darauf kam sie mit einer Tasse zurück und stellte sich zu den Freundinnen. „Was gibt es Neues? Verfolgt ihr eine geheimnisvolle Spur?"

Die beiden Detektivinnen schüttelten den Kopf.

„Nicht wirklich", sagte Gilda. „Wir suchen die Adressen ehemaliger Mitschüler eines Politikers aus Düsseldorf. Er möchte ein Schultreffen organisieren."

„Ihr hattet schon spektakulärere Fälle", stimmte Barbara zu. „Aber Düsseldorf ist relativ weit weg. Wie seid ihr an den Auftrag gekommen?"

Laura trat gegen die Kälte von einem Bein auf das andere. „Unser Klient möchte nicht, dass in seinen Kreisen bekannt wird, auf welche Schule er gegangen ist. Deshalb wollte er den Auftrag in eine andere Stadt geben. Er kennt Anwalt Herckenrath, der uns empfohlen hat." Dass Schlüter sie unbedingt hatte engagieren wollen, weil sie auf 'Bagatellfälle' spezialisiert waren, ließ sie weg.

„Was ist das für eine Schule?"

„Sie heißt Waldheim und liegt in Waldheim im Sauerland. Ein Internat für Schwererziehbare." Gilda stellte die Tasse ab und malte mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft.

„Verstehe. Für einen Politiker natürlich keine gute Empfehlung. Waldheim ..." Barbara tippte mit dem Zeigefinger nachdenklich auf die Unterlippe. „Das habe ich schon mal gehört. Allerdings in keinem schönen Zusammenhang. Kann es sein, dass die früher nicht gut mit den Schülern umgegangen sind?"

„Ja, das kann sein. Unser Klient hat erzählt, dass einige Ehemalige Ansprüche an den Fonds für Heimkinder stellen möchten. Irgendetwas könnte also vorgefallen sein." Laura nippte an ihrem Glühwein.

„Genau, jetzt weiß ich es: Bei dem Empfang nach meinem Konzert in Köln hat einer der Gäste über Waldheim gesprochen." Eine zarte Röte stahl sich in ihr Gesicht, sie schaute zu Boden.

„Weißt du, wer?" Laura sah Barbara neugierig an.

„Ich kenne ihn nicht. Ein hagerer Mann, ein bisschen älter als wir. Er sah irgendwie schlecht aus, als wäre er krank, und war mit einem Pfarrer da." Barbara schaute immer noch zu Boden, die Röte auf ihren Wangen hatte sich verstärkt.

„Schade. Was für eine Veranstaltung war das?"

„Eine Wohltätigkeitsgeschichte, aber vom Feinsten. Professor Martin von der Suchtklinik in Marienburg hat sie organisiert. Nach meinem Konzert gab es einen schicken Empfang mit einer Wahnsinns-Tombola. Du glaubst gar nicht, was für Preise da gestiftet worden sind. Eine Reise in die USA, ein Kleinwagen und ein Einkaufsgutschein von Dior. Die müssen unheimlich viel Geld eingenommen haben. Ich hätte gern ein Los gekauft, aber dann wäre meine Gage gleich wieder weg gewesen. Und die ganze Nacht wurde getanzt." Barbara sah weiter hartnäckig zu Boden.

„Wofür wurde gesammelt?", fragte Gilda mit glänzenden Augen.

„Es ging um ein Projekt, das Jugendliche beim Drogenausstieg unterstützt."

„Das könnte der Schulfreund von unserem Klienten gewesen sein, den du da getroffen hast." Laura schaute Gilda nachdenklich an. „Der arbeitet bei einer Drogenberatungsstelle. Wir müssen ihn noch befragen. Am Telefon wird das kaum möglich sein, also steht uns noch eine Reise bevor."

Gilda lachte. „Laura, Köln ist um die Ecke. Ich fahre da abends hin, wenn ich ausgehen möchte. Das ist keine Weltreise."

„Welche Reise habt ihr denn noch vor?", schaltete sich Barbara ein.

Laura seufzte. „Wir müssen ins Sauerland fahren, um Einblick in die Akten der ehemaligen Schüler zu nehmen. Das ist ein ganzes Stück zu fahren, man muss wenigstens einmal übernachten. Ich kann mir im Moment wirklich Besseres vorstellen."

„Das ist doch toll! Solche Örtchen können sehr malerisch sein. Vielleicht liegt dort sogar Schnee? Das ist total romantisch."

Barbaras Begeisterung steckte Laura nicht an. „Dann solltest du fahren."

„Weißt du was? Das mache ich. Ich begleite dich. Zusammen ist es viel lustiger und helfen kann ich dir auch, dann geht es schneller."

Lauras Gesicht hellte sich auf. „Würdest du tatsächlich mitkommen? Das wäre super. Aber ich möchte morgen starten. Kannst du dir so kurzfristig Zeit nehmen?"

Barbara nickte. „Klar, zwei, drei Tage sind kein Problem, das kriege ich hin. Es wird mir gut tun, mal rauszukommen und den Kopf freizukriegen."

„Wunderbar!" Laura freute sich. „Dann starten wir morgen in aller Frühe. Gilda, meldest du uns bei der Internatsleitung an? Und kannst du uns zwei Hotelzimmer buchen? Hoffentlich gibt es in dem Kaff überhaupt eine Übernachtungsmöglichkeit."

Gilda sammelte die mit Weihnachtssternen verzierten Steingut-Becher ein. „Ja, das erledige ich gleich als Erstes, wenn wir im Büro sind. Und dann fahre ich nach Köln und spreche mit dem Mann von der Drogenberatung, sonst ist die Agentur morgen verwaist. Wir können ja schlecht Justin an den Empfang setzten."

Böse Obhut

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