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Risiken sind nicht zufällig verteilt

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Stellen Sie sich vor, alle Menschen hätten das gleiche Risiko zu erkranken oder zu versterben. Lungenkrebs beispielsweise würde völlig zufällig auftreten. Es würde keine Rolle spielen, ob Sie Raucher sind oder nicht. Wenn dem so wäre, würde es auch keine Epidemiologie geben.

Die Grundannahme der Epidemiologie ist, dass Risiken eben nicht zufällig in der Bevölkerung verteilt sind. Vielmehr gibt es Untergruppen in der Bevölkerung, die ein höheres Risiko haben, und solche, die ein niedrigeres Risiko haben. Epidemiologen wollen herausfinden, welches diese Gruppen sind und welche Faktoren zu dem erhöhten Risiko führen.

Die Einsicht, dass Risiken nicht zufällig verteilt sind, mag banal klingen. Sie ist aber die Voraussetzung für jegliche epidemiologische Untersuchung. Einer der ersten, dem dies auffiel, war John Graunt (1620 bis 1674). Er lebte in London und war Kaufmann. Die Risiken des damaligen Stadtlebens erfuhr er hautnah: 1666 zerstörte ein Feuer große Teile von London. Dabei verlor Graunt auch sein Geschäft. Kurze Zeit später brach in der Stadt die Pest aus, der Tausende Menschen zum Opfer fielen.

Bereits seit 1532 wurden alle Todesfälle in London registriert und in den sogenannten »Bills of Mortality« aufgelistet. John Graunt arbeitete sich durch diese Datenmengen, ganz ohne Computer. Dabei stellte er Regelmäßigkeiten fest: Nicht alle Menschen haben das gleiche Risiko, vorzeitig zu versterben.

 Kinder haben ein höheres Sterberisiko als Erwachsene,

 Männer haben ein höheres Sterberisiko als Frauen,

 in London liegt die Sterblichkeit höher als auf dem Lande.

John Graunts Schlussfolgerung: Das Risiko von Krankheit und Tod ist innerhalb der Bevölkerung nicht zufällig verteilt. Graunt machte sich auch Gedanken über mögliche Ursachen für Unterschiede im Sterberisiko. Er vermutete, dass Überbevölkerung dazugehört. London war seinerzeit schon eine Großstadt, in der ein Teil der Bevölkerung in Armut, Enge und unter schlechten hygienischen Bedingungen lebte.

Auch die Bevölkerungsstatistiker (Demografen) zählen Graunt zu ihren Helden. Er entwickelte Verfahren, um die Lebenserwartung zu berechnen. Als Kaufmann versuchte er zudem, die wirtschaftlichen Verluste durch frühzeitige Todesfälle abzuschätzen. Ein zukunftsweisender Ansatz, den Ökonomen und Epidemiologen im 20. Jahrhundert wieder aufgriffen.

Graunt hatte keineswegs nur wirtschaftliche Motive. Zu seinen Lebzeiten kam es immer wieder zu Ausbrüchen der Beulenpest in London (Daniel Defoe, der Autor von »Robinson Crusoe«, hat darüber den beeindruckenden Roman »Tagebuch aus dem Pestjahr« geschrieben). Graunt hoffte, durch seine Analyse der Sterbedaten ein Frühwarnsystem für Ausbrüche der Pest schaffen zu können. Auch wenn ihm das nicht gelang, so ist er wegen seiner Überlegung zur ungleichen Verteilung von Risiken ein Pionier der Epidemiologie.

Epidemiologie für Dummies

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