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Wer verstarb an Cholera?

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Bevor Snow von Tür zu Tür gehen konnte, um Cholerafälle aufzuspüren, benötigte er eine Falldefinition. Das ist eine standardisierte Liste von Fragen, mit deren Hilfe Epidemiologen herausfinden, ob eine Person eine bestimmte Krankheit hat (beziehungsweise hatte) oder nicht. Falls die betreffende Person verstorben ist, befragen die Epidemiologen die Angehörigen.

Da im 19. Jahrhundert der größte Teil der Cholerapatienten verstarb, setzte Snow folgende einfache Falldefinition ein:

 plötzlicher Todesfall

 vorangehende, heftige Durchfälle

Trafen beide Kriterien zu, so verbuchte Snow den Todesfall als Cholerafall. Schon mit dieser einfachen Definition konnte Snow recht sicher die Cholerafälle von Todesfällen aufgrund anderer Ursachen unterscheiden.

Sie müssen eine Falldefinition genau ausarbeiten, bevor Sie mit der Befragung beginnen. Das ist ganz besonders wichtig, wenn mehrere Interviewer oder Untersucher unterwegs sind.

Snow identifizierte 334 Todesfälle durch Cholera. Tabelle 2.1 zeigt Ihnen im Überblick, woher jeder der Choleratoten sein Trinkwasser bezogen hatte.

Tabelle 2.1: Todesfälle an Cholera nach Art der Wasserversorgung 1853/54 in London

Wasserversorgung Zahl der Todesfälle
Southwark & Vauxhall Water Company 286
Lambeth Water Company 14
Direkt aus dem Fluss 22
Brunnen oder Graben 8
Unbekannt 4
Gesamt 334

Bevor Sie weiterlesen, werfen Sie einen Blick auf die Tabelle: Welche Art der Wasserversorgung, glauben Sie, birgt ein besonders hohes Risiko für Cholera? Da Sie ja die Hypothese untersuchen, dass Lambeth sauberes Wasser und Southwark & Vauxhall verschmutztes Wasser liefern, können Sie die anderen Versorgungswege außer Acht lassen.

Ziehen Sie keine voreiligen Schlüsse aus absoluten Zahlen. Snow hat lediglich die Zahl der Todesfälle erhoben, nicht aber die Zahl der Menschen, die ihr Wasser jeweils von den beiden Wasserwerken bezogen.

Ihnen ist sofort aufgefallen, dass viel mehr Kunden von Southwark & Vauxhall verstorben sind als von Lambeth. Rein theoretisch könnte das daran liegen, dass Lambeth viel weniger Kunden hatte als Southwark & Vauxhall. Nehmen Sie folgendes hypothetisches Extrembeispiel: Southwark & Vauxhall versorgt 286.000 Menschen (von denen nur 286 an Cholera verstarben), Lambeth lediglich 14 (die alle verstarben). Nun würden Sie – alles nur hypothetisch! – zu einem ganz anderen Schluss gelangen!

Snow hatte es versäumt, die Größe der Bezugsbevölkerung (also die Zahl der Menschen, die von den jeweiligen Wasserwerken versorgt wurden) zu erheben. Daher konnte er aus seinen Daten keine sicheren Schlüsse ziehen.

Snow lernte daraus. Beim nächsten Cholera-Ausbruch im Sommer 1854 beschaffte er sich Daten zur Anzahl der von beiden Wasserwerken versorgten Häuser und zu den Todesfällen in den beiden Versorgungsgebieten. In Tabelle 2.2 sehen Sie seine Daten.

Tabelle 2.2: Todesfälle an Cholera und Zahl der Häuser, nach Wasserversorgung. London, Sommer 1854

Wasserversorgung Zahl der Häuser Todesfälle Risiko pro 1.000
Southwark & Vauxhall Company 40.046 1.263 31,5
Lambeth Company 26.107 98 3,8

John Snow berechnete das Risiko der Southwark & Vauxhall-Kunden, an Cholera zu versterben, wie folgt:


Durch die Multiplikation mit 1.000 erhielt Snow das Risiko pro 1.000 Haushalte, an Cholera zu versterben. Pro 1.000 Haushalte, die ihr Trinkwasser von Southwark & Vauxhall bezogen, starben 31,5 Personen an Cholera.

Epidemiologen stört es in aller Regel nicht, wenn sie es mit Bruchteilen von Personen (hier: mit halben Personen) zu tun haben. Bitte lassen Sie sich dadurch nicht irritieren!

Als Nächstes berechnete Snow das Risiko für Lambeth-Kunden:


Pro 1.000 Haushalte, die ihr Trinkwasser von Lambeth bezogen, starben 3,8 Personen an Cholera.

Nun hatte Snow solide Daten, die eine Bezugsbevölkerung enthalten. Der Tatsache, dass die beiden Bezugsbevölkerungen unterschiedlich groß sind, hatte er Rechnung getragen, indem er das Risiko pro 1.000 Haushalte ausdrückte. So werden die Risiken unmittelbar miteinander vergleichbar. Er konnte nun daraus schließen, dass das Risiko eines Choleratodesfalls für Southwark & Vauxhall-Kunden erheblich höher ist als für Lambeth-Kunden.

Aber wievielmal höher ist es? Um das herauszufinden, dividieren Sie 31,5 durch 3,8 und erhalten 8,3. Das bedeutet: Southwark & Vauxhall-Kunden haben ein 8,3-mal so hohes Risiko, an Cholera zu versterben, wie Lambeth-Kunden. Epidemiologen nennen das ein »Relatives Risiko«, denn es gibt ja das Risiko der Southwark & Vauxhall-Kunden relativ zu dem der Lambeth-Kunden an. In Kapitel 6 erfahren Sie mehr über das Relative Risiko.

Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass Snow nur die Zahl der von den beiden Wasserwerken versorgten Haushalte zur Verfügung hatte, nicht aber die Zahl der betreffenden Personen. Daraus könnte sich natürlich ein Fehlschluss ergeben, wenn in den Haushalten, die ihr Wasser von Southwark & Vauxhall bezogen, jeweils deutlich mehr Menschen lebten als in den von Lambeth versorgten Haushalten. Dies war aber vermutlich nicht der Fall, denn es handelte sich ja um benachbarte Häuser in derselben Wohngegend.

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