Читать книгу Einsatzrecht kompakt - Ausländerrecht für die weitere Ausbildung - Patrick Lerm - Страница 8

Оглавление

3. Begriffsbestimmungen

3.1 Statusbestimmung

Um im Ausländerrecht zu wissen, welche Rechtsnormen Sie anzuwenden haben, müssen sie zuerst festlegen zu welcher Statusgruppe der „Ausländer“ gehört (→ siehe Prüfungspunkt 1.1 im Schema). Aber auch in der Praxis müssen Sie (in Bruchteilen von Sekunden) sicher wissen, wer vor Ihnen steht. Das Ausländerrecht differenziert zwischen verschiedenen Personengruppen, siehe nachfolgende Grafik. Anknüpfungspunkt ist die jeweilige Staatsangehörigkeit der Person.


3.1.1 Deutsche(r)

Deutscher ist jeder i. S. d. Art. 116 I Grundgesetz (GG).

Art. 116 GG

(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.

(2) Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern. Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben.

3.1.2 Ausländer

Grundsätzlich ist gem. § 2 I AufenthG jede Person – bei uns in Deutschland – Ausländer, welche nicht die deutsche Staatsangehörigkeit i. S. d. Art. 116 I GG besitzt.

Dieser Begriff ist jedoch weit gefasst, und deswegen müssen Sie weitere Differenzierungen vornehmen. Denn nicht alle Ausländer unterfallen für die Einreise und den Aufenthalt in Deutschland dem AufenthG.

3.1.3 Unionsbürger

Laut Art. 20 I 2 AEUV6 ist Unionsbürger, wer die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates hat.

Personen dieser Statusgruppe unterfallen (rechtlich betrachtet) dem FreizügG/EU und haben das Recht auf freien Personenverkehr. Das FreizügG/EU ist ein nationales, deutsches Gesetz. Die nachfolgenden Gesetzesauszüge beinhalten Hervorhebungen durch die Verfasser.

§ 2 FreizügG/EU (Recht auf Einreise und Aufenthalt)

(1) Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes. […]

(4) Unionsbürger bedürfen für die Einreise keines Visums und für den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels. Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, bedürfen für die Einreise eines Visums nach den Bestimmungen für Ausländer, für die das Aufenthaltsgesetz gilt. […]

Diese Regelung (gemeint ist das Recht auf freien Personenverkehr) gilt auch für Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind.

Das sog. Mitreise- bzw. Nachreiserecht der Familienangehörigen ist in § 3 I FreizügG/EU geregelt [abgeleitetes Freizügigkeitsrecht]. In § 3 II FreizügG/EU ist definiert, wer Familienangehöriger ist.

§ 3 FreizügG/EU (Familienangehörige)

(1) Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 genannten Unionsbürger haben das Recht nach § 2 Abs. 1, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Für Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 5 genannten Unionsbürger gilt dies nach Maßgabe des § 4.

(2) Familienangehörige sind

1. der Ehegatte, der Lebenspartner und die Verwandten in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, die noch nicht 21 Jahre alt sind,

2. die Verwandten in gerader aufsteigender und in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, denen diese Personen oder ihre Ehegatten oder Lebenspartner Unterhalt gewähren.

3.1.4 EWR-Bürger

Sind Staatsangehörige von Norwegen, Island und Liechtenstein.

MERKREGEL: Die sog. NIL-Staaten!

Diese Statusgruppe genießt aufgrund der EWR-Zugehörigkeit die gleichen Freizügigkeitsbestimmungen wie die Unionsbürger. Dies gilt auch für Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines EWR-Bürgers sind. Gemäß § 12 Freizügigkeitsgesetz/EU – abgekürzt FreizügG/EU – gilt das FreizügG/EU auch für Staatsangehörige der EWR-Staaten und ihre Familienangehörigen.

3.1.5 Bürger der Schweiz

Alle Personen, die Schweizer Staatsangehörige sind.

Die Bürger der Schweiz und Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Schweizer Staatsangehörigen sind, leiten ihr Recht auf freien Personenverkehr aus dem Freizügigkeitsabkommen EU/Schweiz ab.

ZUSAMMENFASSUNG

EU-Bürger + Familienangehörige (Drittstaatsangehörige)7Diese Personengruppen haben gem. Art. 2 Nr. 5 SGK [sog. VO (EU) 2016/399] das Recht auf freien Personenverkehr.• u. a. visafreies Reisen in jedes andere EU-Land
EWR-Bürger + Familienangehörige (Drittstaatsangehörige)
Schweizer + Familienangehörige (Drittstaatsangehörige)

Art. 2 Nr. 5 SGK

[…]

5. „Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben“

a) die Unionsbürger im Sinne des Artikels 20 Absatz 1 AEUV sowie Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines sein Recht auf freien Personenverkehr ausübenden Unionsbürgers sind, die unter die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, fallen;

b) Drittstaatsangehörige und ihre Familienangehörigen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die aufgrund von Übereinkommen zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den betreffenden Drittstaaten andererseits ein Recht auf freien Personenverkehr genießen, das dem der Unionsbürger gleichwertig ist;

[…]

3.1.6 Drittstaatsangehöriger

Laut Art. 2 Nr. 6 SGK sind alle Personen, die weder Unionsbürger, EWR-Bürger oder Bürger der Schweiz sind und auch keine Familienangehörige eines dieser Bürger und dadurch kein Recht auf freien Personenverkehr i. S. d. Art. 2 Nr. 5 SGK haben, Drittstaatsangehörige.

Für diese Statusgruppe gelten bei einem geplanten Kurzaufenthalt insbesondere die Vorschriften EUVisaVO, SGK, SDÜ und ergänzend das AufenthG/AufenthV.

Ein Kurzaufenthalt ist ein Aufenthalt im gemeinsamen Gebiet der Schengen-Staaten von höchstens 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen gem. § 1 II AufenthV.

3.1.7 Besondere Statusgruppen

Angehörige von diplomatischen und konsularischen Vertretungen

▶ Für diesen Personenkreis gelten das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) bzw. das Wiener Übereinkommen für konsularische Beziehungen (WÜK).

NATO8 -Truppenangehörige

▶ Hier gilt das NATO-Truppenstatut.

Asylsuchender

▶ Drittstaatsangehörige, die ein Schutzgesuch i. S. d. AsylG stellen.

3.2 Grenze(n)

Im zweiten Schritt müssen Sie erkennen, über welche Grenze ein Ausländer einreisen möchte bzw. eingereist ist (siehe dazu auch Prüfungspunkt 1.2 im Schema). Das bedeutet, die richtige Entscheidung zu treffen, ob es sich um einen Schengen-Binnengrenzübertritt oder Schengen-Außengrenzübertritt handelt – und, ob es sich demzufolge um die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs handelt. Für das Verständnis ist es unabdingbar zu wissen, welche Staaten zum sog. Schengen-Raum gehören.

Im grenzpolizeilichen Aufgabenbereich der BPOL existieren im Grunde zwei denkbare Kontrollsituationen. Entweder handelt es sich um einen Binnengrenz- oder einen Außengrenzübertritt.


3.2.1 Schengen-Binnengrenzen

Binnengrenzen sind

• die gemeinsamen Landesgrenzen der Mitgliedstaaten Schengen, einschließlich der Fluss- und Binnenseegrenzen,

• die Flughäfen der Mitgliedstaaten für Binnenflüge,

• die See-, Flussschifffahrts- und Binnenseehäfen der Mitgliedstaaten für regelmäßige interne Fährverbindungen.

Diese Definition finden Sie in Art. 2 Nr. 1 SGK.

BEISPIEL:

Grenzübertritt von Frankreich nach Deutschland.

3.2.2 Schengen-Außengrenzen

Außengrenzen sind die Landesgrenzen der Mitgliedstaaten, einschließlich der Fluss- und Binnenseegrenzen, der Seegrenzen und der Flughäfen sowie der Flussschifffahrts-, See- und Binnenseehäfen, soweit sie nicht Binnengrenzen sind.

Diese Definition finden Sie in Art. 2 Nr. 2 SGK.

BEISPIEL:

Grenzübertritt mittels Flugzeug von Kanada nach Deutschland.

3.3 Art des Aufenthalts

Im dritten Schritt müssen Sie erkennen, um welche Art des Aufenthalts es sich handelt. Siehe dazu auch 1.3 des o. g. Prüfungsschemas (beabsichtigte Dauer und Zweck des Aufenthalts).

3.3.1 Kurzaufenthalt

Ein Kurzaufenthalt ist ein Aufenthalt im gemeinsamen Gebiet der Schengen-Staaten von höchstens 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen gem. § 1 II AufenthV.

Diese Art des Aufenthalts wird grundsätzlich durch das EU- bzw. Schengen-Recht geregelt.

3.3.2 Langfristiger Aufenthalt

Im Umkehrschluss des kurzfristigen Aufenthalts beginnt ein langfristiger Aufenthalt ab dem 91. Tag. Hier werden grundsätzlich das AufenthG und die AufenthV angewendet.

3.4 Einreise und Aufenthalt

Nach § 13 II AufenthG gibt es aufgrund der Unterscheidung Außengrenze – Binnengrenze zwei Möglichkeiten, um nach Deutschland einzureisen:

An einer zugelassenenGrenzübergangsstelle[§ 13 II 1 AufenthG]Außerhalbzugelassener Grenzübergangsstellen[§ 13 II 3 AufenthG]
• Überschreiten der Grenzlinie und• Passieren der Grenzübergangsstelle (i. d. R. bestehend aus einer grenzpolizeilichen sowie zollrechtlichen Kontrolle)• Überschreiten der Grenzlinie
Schengen-AußengrenzeSchengen-Binnengrenze
BEISPIEL• Der Reisende B erscheint am Flughafen Hamburg zur grenzpolizeilichen Einreisekontrolle des Fluges aus New York (USA) → Schengen-Außengrenze!• Nachdem er die Kontrollposition der BPOL und die des Zolls passiert hat, ist er gem. § 13 II 1 AufenthG vollendet eingereist.BEISPIEL• Der Reisende T überschreitet mit dem Auto die Grenze Frankreich-Deutschland → Schengen-Binnengrenze!• Mit dem Überschreiten der Grenzlinie ist er gem. § 13 II 3 AufenthG vollendet eingereist.

3.4.1 Einreise über eine Außengrenze

Die Einreise über eine Außengrenze i. S. d. § 13 II 1 AufenthG ist vollendet, wenn der Ausländer die Grenze überschritten und die zugelassene Grenzübergangsstelle passiert hat.

Alle Landesgrenzen von Deutschland sind Binnengrenzen, sodass Außengrenzen (nur) an Flug- und Seehäfen zu finden sind. Für die Einreise muss der Ausländer also die fiktive Luft- oder Seegrenze überschreiten und sich dann einer grenzpolizeilichen sowie zollrechtlichen Kontrolle unterziehen, um die Grenzübergangsstelle passieren zu können. Nach Abschluss dieser Kontrollen ist der Ausländer vollendet eingereist.

3.4.2 Einreise über eine Binnengrenze

Die Einreise über eine Binnengrenze i. S. d. § 13 II 3 AufenthG ist vollendet, wenn der Ausländer die Grenze überschritten hat.

An den Landesgrenzen Deutschlands gibt es keine festgelegten Grenzübergangsstellen, sodass ein Überschreiten der tatsächlichen Grenzlinie ausreicht, um vollendet eingereist zu sein.

3.4.3 Aufenthalt

Der Aufenthalt beginnt im direkten Anschluss der vollendeten Einreise und dauert so lange an, bis der Ausländer vollendet ausreist.

MERKE:

Diese Begriffsbestimmungen stellen einen Überblick für Sie dar, sind jedoch nicht abschließend. Im weiteren Verlauf werden Sie auf weitere Begriffe stoßen, die im dazugehörigen Themenbereich definiert und erklärt werden.

Einsatzrecht kompakt - Ausländerrecht für die weitere Ausbildung

Подняться наверх