Читать книгу Abschied von Havanna - Paul Baldauf - Страница 9

Оглавление

Kapitel 2

Fünfzehn Tage in Havanna, Ausflüge in die nähere Umgebung, lagen hinter ihm und zogen nun – in einer bunten Abfolge von Szenen und Bildern – an seinem inneren Auge vorüber:

Der skeptisch-prüfende Blick einer Angestellten, mit dem sie – bei seiner Einreise – Angaben auf seiner Touristenkarte überprüfte, um ihn dann, mit einer die Richtung andeutenden Kopfbewegung wortlos durchzuwinken; herrlich entspannende kubanische Musik im Taxi auf der Fahrt nach Havanna; eine Schar von Schülerinnen, die in malerischen Schüleruniformen an einer Straßenecke auftauchten und auf einen Bus warteten; der Aufmarsch von Männern in traditioneller Soldatenuniform auf dem Gelände des Castillo del Morro, ohrenbetäubende Kanonenschüsse als krönender Abschluss einer Parade; Schlendern über den Vorplatz der Kathedrale an einem herrlich warmen Tag; Gottesdienst mit lebhaft-mitreißendem Gesang.

Ein erneuter Blick auf die Uhr – Zeit zu gehen.

In der Pension angekommen, standen Koffer und Umhängetasche bereits zwischen zwei großen Pflanzen im gefliesten Eingangsbereich. Die Tür zu seinem Zimmer stand offen. Es dauerte nicht lange und die Wirtin – mit einem Besen bewaffnet und einen Papierkorb in der anderen Hand – tauchte auf. Ihre Worte sprudelten nur so hervor. Dann wechselte sie zur Zeichensprache, um zum Abschluss mit einer Hand die Flugrichtung eines startenden Flugzeuges darzustellen.

Ein Jammer sei es, wie schnell die Zeit vergehe, schon heute Abend – madre mia! – würde ich wieder die Heimreise antreten, nicht wahr? Aber vielleicht käme ich ja wieder zurück? Für alle Fälle würde sie mir eine Visitenkarte mitgeben, man wisse ja nie. Sie hoffe doch sehr, es habe mir gefallen in Havanna und in ihrer bescheidenen Pension?

Sie stellte den Besen ab, stemmte einen kräftigen Arm in die Hüfte und rieb sich, scherzhaft Tränen andeutend, über ein Auge. Dies erlebe sie oft, sprach sie: Gäste kommen und gehen, aber wenn sie länger als nur zwei, drei Tage bleiben, so gewöhne man sich an sie und wenn sie dann wieder fahren…

Dann stellte sie auch den Papierkorb ab, trennte sich von ihrer Schürze und bat, der Gast möge doch bitte nochmals im Zimmer, auch im Schrank, nachsehen, ob er noch etwas einpacken müsse. In der Zwischenzeit bereite sie einen Pfefferminztee mit einem Schuß Rum zu.

Eine Viertelstunde später öffnete sie eine Zigarrenschachtel, das Abschiedsgeschenk, und strahlte über das breite Gesicht. Sie brach in lautes Gelächter aus: Das habe ich bestimmt gleich gesehen, dass sie sich ab und zu eine Zigarre anstecke, wie? Hahaha, das einzige «Laster», das sie habe, es beruhige sie einfach, aber natürlich, bei den Preisen, könne sie sich das auch nicht immer leisten, zum Glück arbeite eine Nichte von ihr in einer Zigarrenfabrik. Vielen, vielen Dank, muchas gracias, mijo! De verdad!

Die ältere Dame, eine Mulattin, die um ihre Stirn stets ein kunstvoll gefaltetes, weißes Tuch gebunden trug, wirkte gerührt. Ihr Gast – seine sieben Sachen in Türnähe aufgetürmt – wollte gerade das Stichwort TAXI fallen lassen, als sie ihm zuvor kam. Sie beförderte die Teetassen auf ein Silbertablett und meinte:

„Ach, übrigens, der Nachbar kommt in fünf Minuten!“

Dabei deutete sie auf das Gepäck.

„Der Nachbar?“

„Sí!“

Sie legte eine kleine Denkpause ein und fügte hinzu:

„Ja, der Nachbar von Gegenüber, ein freundlicher Mann. Er fährt dich zum Flughafen.“

„Ist er Taxifahrer?“

Sie zögerte.

„Nein, nicht direkt, das heißt: Ja, irgendwo schon.“

Sie lachte und wiegelte mit einer, fächerartig hin- und herschwingenden Handbewegung ab. Dann trat sie mit Verschwörermiene näher und sprach leise:

„Nicht offiziell. Er bringt auf seinem alten Schlitten natürlich kein Schild TAXI an! Das wäre ja auch verboten. Aber“ – und hier kam sie einem möglichen Einwand zuvor – „keine Sorge! In der Dunkelheit, bis zum Flughafen ist es nicht sehr weit und er fährt zügig. Kein Problem, mein Sohn! No es problema, mijo! Und außerdem, du wirst verstehen: Die Einkommen sind hier nicht hoch. Wenn du ihm ein Trinkgeld gibst. Er kann es genauso brauchen, wie die offiziell registrierten Taxifahrer. Verstehst du? Entiendes?“

Sie wartete ab, ob sich auf der Miene ihres Gastes eine Veränderung abzeichne, die auf Verständnis schließen lasse.

„Also: Gib ihm das Geld am besten vorher, nur für alle Fälle. Und dann beim Aussteigen: Ruck, zuck, du verstehst?“

„Aber“

Sie tat als habe sie nichts gehört und zeigte zur Wanduhr:

„Oh, jetzt wird es aber Zeit, buen viaje, mijo! Gute Reise, mein Sohn! Ich glaube, da kommt er schon. Warte, ich helfe dir mit dem Gepäck. Vielleicht kommst du ja nächstes Jahr wieder. Mein Haus ist dein Haus, meine Adresse hast du ja.“

Abschied von Havanna

Подняться наверх