Читать книгу Organisationskultur der katholischen Kirche - Paul F. Röttig - Страница 10
Оглавление2 Begriffliche Interpretation und Fokussierung
Um eine wissenschaftlich wertende Aussage über das Thema der Organisationskultur der Kirche zu machen, bedarf es einer Analyse beider Begriffe, jedoch keiner detaillierten pastoral-theologischen oder kulturanthropologischen Ekklesiologie und auch keiner unternehmens-theoretischen oder organisationsmethodischen Aufarbeitung des Kulturbegriffs. Um das Thema „Organisationskultur der Kirche“ glaubhaft ansprechen und organisationswissenschaftlich und theologisch aufbereiten zu können, ist eine Annäherung an beide Begriffe allerdings nicht ohne professionelle Betrachtung des Themas möglich, speziell in einer Zeit, in der beide Begriffe bisweilen verwaschen, heterogen oder etwa mit Vorurteilen belastet verwendet werden. Dies schließt eine notwendige Klarstellung mit ein, die Begriffe „Kultur und Organisationskultur“ im praktischtheologischen Kontext – auch mit Hilfe von Bildern aus der kirchlichen Praxis – verständlich zu artikulieren. Zunächst jedoch stellt sich die Frage, welcher „Kirche“ und damit welcher Organisationskultur hier nachgegangen werden soll: Welches Kirchenbild liegt den Gedanken über die Organisationskultur zugrunde und welcher organisatorische Kirchenbegriff bildet den Hintergrund der Überlegungen: die Weltkirche, Rom, der Vatikan, die Ortskirche(n), die Diözese, Pfarre oder Gemeinde …?
2.1 Von welcher Kirche ist die Rede?
In der Hinführung zum Thema „Organisationskultur der Kirche“ ist schon zum Ausdruck gekommen, dass die Ortskirche im Kleinen theologisch und speziell ekklesiologisch nicht von der katholischen, also universalen Kirche – und umgekehrt – getrennt gedacht werden kann und darf. Folglich wäre es auch nicht angebracht, von einer Subkultur beispielsweise einer Diözese zu sprechen, ohne einen Blick auf die Organisationskultur der globalen Kirche zu werfen oder die in der Heiligen Schrift begründeten Denk-, Verhaltens- und Handlungsmuster einer missionarischen Weltkirche im praktisch-theologischen Leerraum stehen zu lassen, ohne Beispiele und Ereignisse aus dem täglichen Leben christlicher Gemeinden als Zeichen der Zeit zu Wort kommen zu lassen und im Licht des Evangeliums (GS 4) zu interpretieren.
Die Kirchengeschichte sieht stets mit einem Auge auf das sich ständig ändernde gesellschaftlich-kulturelle Umfeld der Gemeinde, das ja ihre Organisation ohne Zweifel sowohl strukturell als auch kulturell beeinflusst und mit formt. Solche unterschiedlichen Einflüsse werden beispielsweise schon in der Apostelgeschichte in den Gemeinden von Jerusalem, Judäa, Samarien oder Antiochia sichtbar.
Es leuchtet ein, dass eine konkret-praktische Analyse der Organisationskultur der Kirche in dieser Forschungsarbeit natürlich nicht auf globaler Ebene und über alle Zeithorizonte hinweg machbar ist; und so werden nach der systematisch- und praktisch-theologischen Erarbeitung des heutigen Kirchenbildes vor allem die Kulturen zweier diözesaner Ortskirchen72 analysiert, freilich ohne sie miteinander in einem quasi Wettbewerb zu vergleichen und aufzuwägen, sie jedoch an den Erwartungen und Forderungen Jesu zu messen, die vor allem in den Schriften des Neuen Testaments sichtbar werden.
2.1.1 Kirche als Missionsauftrag Jesu
Weil die Frage nach der Organisationskultur auf allen hierarchischen Ebenen der Kirche nur auf einem pastoralen Verständnis vom verantwortlichen Hirten und der Nahrung suchenden Herde aufgebaut sein kann, ist sie im Kern auch eine Frage ihres Hinausgehens auf die Straßen dieser Welt (EG 49), d.h. eine Frage nach dem Verständnis ihrer missionarischen Tätigkeit.
Der indische Theologe und Jesuit George M. Soares-Prabhu SJ (1929–1995) beschäftigte sich in seinem Werk „Biblical Themes for a Contextual Theology Today“ vor allem mit der missionarischen Sendung des Christentums in seinem Land und fordert in verständlicher Weise heraus, nicht nur einen Satz aus der Heiligen Schrift herauszulösen und sein Leben danach auszurichten, sondern den biblischen Kontext zu erfassen und daraus authentische Fundamentsteine für das Leben als Christen in dieser Welt zu formen.
Der „Große Sendungsauftrag“ am Ende des Matthäusevangeliums „… geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie …“ (Mt 28,16-20) ist seit zweitausend Jahren Christentum der grundlegende und richtungsweisende Text für die missionarische Kirche. Nicht wenige evangelikale Bewegungen – und bis in die heutige Zeit herauf auch die eine oder andere Hauptkirche – haben diese von Jesus überlieferten und von Matthäus zusammengefügten Bibelworte in eine aggressive Missionstätigkeit übersetzt. Um diesen „großen“ Sendungsauftrag richtig auslegen zu können, muss er kontextuell mit einem anderen Sendungsauftrag gelesen und verstanden werden, und zwar mit den Worten in Mt 5,13-16 vom Licht der Welt und vom Salz der Erde. Während beispielsweise die englische Jerusalem-Bibel mit einem „must“ – ihr müsst – den Auftrag Jesu klarer zur Sprache bringt, verwenden sowohl die Luther-Bibel als auch die Einheitsübersetzung in diesem Kontext das weichere ‚soll‘: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten …“ (Mt 5,16). Dieser „kleineren Version“ des Sendungsauftrags Jesu, den Matthäus an einem wichtigen Punkt in die Bergpredigt einfügt, wird in der missionarischen Arbeit kaum Bedeutung beigemessen: Es geht meistens um den „Großen Sendungsauftrag“ (Mt 28,16-20), dessen Sinn allerdings durch ein Eintauchen in den Text von Mt 5,13-16 ein ganz anderes, ja sogar neues Verständnis wachrufen kann.73
Mt 28,16-20 wird von Exegeten oft Jesus direkt in den Mund gelegt, ist aber nach den neuesten Erkenntnissen eine redaktionelle Meisterleistung des Evangelisten, der darin die christologischen (v.18), ekklesiologischen (v.19-20a) und eschatologischen Fäden (v.20b) zu einem missionarischen Leitfaden zusammenknüpft74:
1. Christus ist der, dem „alle Macht gegeben [ist] im Himmel und auf der Erde“ (v.18).
2. Die Taufe aller Menschen aller Völker im Namen des dreieinigen Gottes beinhaltet auch eine klare Ansage an die Nachfolge Jesu (v.19-20a) in der kirchlichen Gemeinschaft.
3. Und zuletzt verspricht Jesus denen, die ihm folgen, dass er „alle Tag bis zum Ende der Welt“ bei ihnen ist; nicht sein oder bleiben wird, sondern ist (v.20b).
Dieser „Große Sendungsauftrag“ liegt der missionarischen Tätigkeit vieler Jahrhunderte zugrunde. Und er kann und soll es auch bleiben, solange die Jünger des Herrn nicht meinen, jene zu ihrem Glück zwingen zu müssen, die vom Geist Jesu noch nicht ergriffen sind. Unter diesen Vorzeichen wird Mission nicht zur Frohen Botschaft, sondern zum Gesetz.
Eine triumphale Kirche, die mit einem oft aggressiven oder neokolonialen Gehabe in die Welt hinausgeht und Zivilisation, Demokratie und Wohlstand verspricht, wurde in den letzten Jahrhunderten zu Recht mit Eroberern gleichgesetzt und als solche abgelehnt.75 Ein Blick auf eine andere Stelle des Matthäus-Evangeliums, nämlich Mt 5,13-16, kann das Verständnis von Mission und Evangelisation korrigieren, ohne den „Großen Sendungsauftrag“ zu entthronen. Diese Stelle wird oft sehr stiefmütterlich behandelt: Sie setzt den Sendungsauftrag Jesu „… geht … macht … tauft … lehrt“ nicht außer Kraft, sondern ergänzt ihn. Die Worte in Mt 5,1316 beschreiben die missionarische Sendung weniger im Sinn verbaler Verkündigung als im Sinn des Zeugnisgebens. Papst Franziskus nimmt diesen Gedanken auf, wenn er in Evangelii gaudium auf das pastorale Anforderungsprofil des Missionars hinweist: „Jesus sucht Verkünder des Evangeliums, welche die Frohe Botschaft nicht nur mit Worten verkünden, sondern vor allem mit einem Leben, das in der Gegenwart Gottes verwandelt wurde.“ (EG 249) Zweifellos ist diese Aufforderung zum missionarischen Zeugnis für das Reich Gottes nicht auf einen bestimmten Kontinent oder ein bestimmtes Land beschränkt. Die Verse in Mt 5,13-16 sind Teil der Bergpredigt und zielen auf ein Verständnis einer integralen Mission, in der die Verkündigung der Worte Jesu erst durch das Zeugnis glaubwürdig wird:
Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Diese Worte der Orientierung für die Jünger, die Jesus nachfolgen, sind der verbindende Text zwischen der Eröffnung der Bergpredigt, d.h. den eigentlichen Seligpreisungen (Mt 5,2-12) und der Zusammenfassung seiner Rede in IchForm: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um […] Ich bin nicht gekommen, um […] Amen, das sage ich euch: […] Darum sage ich euch: […]“ (Mt 5,17-20). Während die Seligpreisungen eine Art Ouvertüre zu dem darstellen, was das Leben eines Christen beinhalten soll, erläutern die Ich-Worte Jesu den Zweck seiner Rede. Der eigentliche Sendungsauftrag, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein (vgl. Mt 5,13-16), fokussiert auf der missionarischen Orientierung des Lebens der Jünger Jesu, durch die die Welt erlöst wird. Die Seligpreisungen (Mt 5,3-12a) zeigen an, wie das christliche Leben gelebt werden soll, die Worte Jesu in Ich-Form (Mt 5,17-20), was er unter der Erfüllung des Gesetzes versteht, und der eigentliche Sendungsauftrag (Mt 5,13-16), weshalb christliches Leben für die Erlösung der Welt wesentlich ist76.
Für Soares-Prabhu, den indischen Theologen aus dem Jesuitenorden, sind die von Jesus verwendeten Bilder von Salz und Licht offene Symbole, die in ihrer Bedeutung nicht unbedingt starr festgeschrieben sind. Salz kann das Gericht schmackhafter machen, Salz kann jedoch auch die Suppe versalzen. In der Natur schenkt Licht die Fähigkeit des Wachsens und kann die Leistungsfähigkeit des arbeitenden Menschen erhöhen, Licht kann jedoch auch blenden und das Sehvermögen zerstören. Diese beiden Bilder im Matthäus-Evangelium müssen also im Kontext der Rede Jesu verstanden werden, denn sie beschreiben ja nicht das exakte Verhalten der Jünger, die folgen. Für Soares-Prabhu ist es denkbar, dass der Evangelist in seiner Textkomposition gar nicht auf eine spezifische christliche Haltung anspielt, sondern simpel und einfach auf die unverzichtbare Rolle der Jünger bei der Erlösung der Welt hinweisen möchte. Wenn Jesus vom Salz der Erde und Licht der Welt spricht, geht es ihm um das Wie – wie die missionarische Rolle seine Anhänger in der Heilsgeschichte Gottes aussehen muss: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,16). In ihrer gemeinsamen Sorge um das Reich Gottes geht es primär und vornehmlich nicht um Worte, sondern um das lebendige Beispiel und das glaubhafte Zeugnis aller Getauften.
Damit treffen die von Matthäus aufgezeichneten Worte auf die verkürzte Definition dessen, was Inhalt dieser Studie „Kultur der Kirche“ sein möchte: das Wie oder die Art und Weise, wie die Communio des gesamten Volkes Gottes auf ihr Ziel, die Verherrlichung des Vaters durch die Teilnahme am himmlischen Festmahl, zugeht (Lk 14,15-24; Mt 22,1-14; Offb 19,9). „Denn christliches Leben im Alltag richtig zu leben bedeutet schon Mission; die Bergpredigt, die die Konturen christlichen Lebens umreißt, wird zu einer Strategie für die missionarische Sendung!“77 Mit Blick auf das Organisationsmodell der Kirche mit seinen drei Dimensionen wären somit ihre Strategie die Worte der Bergpredigt; ihre Struktur die vom Geist Gottes inspirierte Hierarchie des Gottesvolks hier auf Erden; und ihre (Organisations-)Kultur die Art und Weise, wie die Gläubigen die „guten Werke“ (Mt 5,16) im alltäglichen Denken und Tun in und für die Kirche leben. Einer Zurschaustellung der Frömmigkeit seiner Jünger erteilt Jesus eine harsche Absage: „Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler […]“ (Mt 6,5).
2.1.2 Die Zeitlosigkeit des Sendungsauftrags
Die Bedeutung von Mt 5,13-16 für das Leben der Jünger in der Communio kann somit in fünf Gedanken zusammengefasst werden, die – ohne schon auf eine Analyse organisationskultureller Dimensionen vorweggreifen zu wollen78 – als Fundament des „Sendungsverhaltens“ des Volkes Gottes interpretiert werden können:79
(1) Die Worte der Bergpredigt sind nicht an eine spezifische Gruppe unter den Jüngern Jesu gerichtet, sondern an das ganze Volk, mit dem er in Raum und Zeit unterwegs ist. Alle Getauften sind seine Jünger, was auch bedeutet, dass seine Anhänger nicht bloß eine Sammlung von Individuen sind, die ihm folgen, sondern eine „Kirche“ (Mt 16,18), d.h. eine Gemeinde (Mt 18,17). Diese, nicht ein einzelner Jünger, soll Salz der Erde und Licht der Welt sein, damit sie Gott verherrliche. Die „guten Werke“ (Mt 5,16), die Jesus in seiner Predigt auf dem Berg als Umsetzung der selbstlosen Liebe christlichen Lebens darstellt, sollen von der ganzen Gemeinschaft der Kirche sichtbar gemacht werden – und „nicht bloß von einer Mutter Teresa“, wie Soares-Prabhu im sozialen Kontext seines Heimatlandes erläutert.80 Eine Gemeinschaft erlangt ihre Authentizität nicht allein durch das Bekenntnis ihres Glaubens an Jesus, sondern wesentlich durch ihr glaubhaftes Tun, bei dem es darum geht „den Willen [… des] Vaters im Himmel“ (vgl. Mt 7,21) zu erfüllen, wie es Jesus in der Bergpredigt formuliert.
(2) Das wirkliche Fundament des Sendungsauftrags Jesu ist das, was die Kirche durch ihr eigenes Leben und ihre Praxis der Welt weitergibt. Wenn die Gemeinschaft durch ihr Leben nicht mehr Zeugnis ablegen kann für das, wofür sie von Jesus ins Leben gerufen wurde, nämlich Salzgehalt und alles erhellendes Licht für die Welt zu sein, dann wird sie zum Club oder zu einer wohltätigen Non Governmental Organization (NGO).81 Mission bedeutet die Weitergabe oder Kommunikation des eigentlichen Lebens, das ganz spontan aus dem zeugnisgebenden Leben der Gemeinde hervorbricht. Analog zu einer medizinischen Infektion spricht Soares-Prabhu von einer Infektion82, die christliches Leben nur dann weiterreichen kann, wenn es zuerst ohne Überheblichkeit (Mt 7,5; 15,7) in der christlichen Gemeinschaft glaubhaft gelebt wird. Wie kann von einer missionarischen Kirche die Rede sein, wenn in einer Pfarre – und auch in der vatikanischen Kurie – Verleumdung, Lüge und Verachtung den Alltag bestimmen?83 Wie kann eine Diözese ihrem pastoralen Auftrag nachkommen, wenn sie sich nur selbst verwaltet, ihre Leuchtkraft nach außen hin allerdings verloren hat? Wo bleiben Menschenwürde und christliche Achtung für das Anderssein, wenn unter dem Missionsauftrag Jesu, also unter dem Wachsen der Kirche nur mehr der quantitative Zuwachs an Christen verstanden wird? Wo findet sich Jesu Präsenz in solchen Gemeinden, die nicht mehr vom Geist erfüllt und geführt werden, sondern von einer Selbst-Reproduktion infiziert sind?84
(3) Die Verkündigung des Reiches Gottes durch das gesprochene Wort hat in manchen Epochen, Situationen und Bereichen der Kirchengeschichte Oberhand gewonnen über das zeugenhafte Leben der ganzen Communio. Weil die westliche Christenheit mehr den Worten mancher Prediger geglaubt hat und weniger das Abbild Jesu im Zusammenleben der Gemeinden sehen wollte, ist die Kirche vor allem von den jüngeren Generationen heute mehr denn je mit der berechtigten Frage nach ihrer Glaubwürdigkeit konfrontiert. Mit einem Hinweis auf seine Herkunft ruft der Theologe Soares-Prabhu Worte Mahatma Gandhis über „das Evangelium der Rose“ in Erinnerung. Der Hindu-Staatsmann scheute nicht vor klaren Worten für die Christen in Indien zurück: „Ich würde zuallererst vorschlagen, dass ihr Christen, Missionare und alle, beginnen müsst, mehr wie Jesus Christus selbst zu leben.“85 Gandhi ermahnte die Christen immer wieder, dem missionarischen Auftrag Jesu gerecht zu werden: „Sprecht nicht darüber. Die Rose hat ihren Duft nicht zu propagieren. Sie verbreitet ihn einfach und Menschen fühlen sich von ihm angezogen. Sprecht nicht darüber. Lebt ihn [den Duft]. Und die Menschen werden kommen, um die Quelle eurer Kraft zu entdecken.”86
(4) Die ehrlich und ernst gemeinte Mission der Kirche, die aus ihrer Lebenspraxis fließt, wie sie in der Bergpredigt übermittelt wird, zeigt dem pilgernden Volk den Weg, Gott zu loben und zu preisen (Mt 5,16). Das bedeutet nichts Geringeres, als dass alles Denken und Tun der Jünger Jesu in und für die Kirche, das nicht zur größeren Ehre Gottes führt und Gott in allen Dingen findet,87 unterlassen werden muss: sowohl im persönlichen Leben als auch im Gottesdienst, sowohl in der kleinen Gemeinde als auch in der Universalkirche, sowohl in der Pfarrkanzlei einer kleinen Landpfarre als auch in den prunkvollen Büros der vatikanischen Dikasterien. Dieser Sendungsauftrag ist zu tiefst theozentrisch, nicht ekklesiozentrisch, und auch nicht christozentrisch, wie der Missionsauftrag in Mt 28,19-20 formuliert ist. Die höchste Verwirklichung der Ehre Gottes ist letztlich das Reich Gottes, das damit auch zum letzten Ziel der missionarischen und damit pastoralen Aktivitäten in der Kirche wird. Diese evangelisierenden Tätigkeiten der Kirche und die, die ihn ihrem Namen gesetzt werden, schließen alles kirchliche Tun mit ein, wieweit dieses auch administrativer oder „säkularer“ Natur sein mag. Das Ziel der missionarischen Orientierung kann es somit nicht sein, Kirche im eigenen Umfeld zu pflanzen oder in andere Gesellschaften und Kulturen zu verpflanzen, auch nicht die Welt für Christus zu erobern oder das Wachstum der Kirche voranzutreiben, sondern „vielmehr die Geschichte zu ihrer Vollendung in der vollen Verwirklichung des Reiches Gottes“ zu führen.88
(5) Die theozentrische Sicht des Sendungsauftrags der Kirche kann für die heute in der industrialisierten Welt des Westens durch endlose interne Skandale in Frage gestellte Kirche eine Chance sein, ihren missionarischen Weg der Evangelisierung mithilfe des pastoralen Kompasses einer Überprüfung zu unterziehen. Der immer bunter werdenden religiösen Gestaltung des säkularen Alltagsszenarios in Europa und Nord-Amerika mag heute der Fokus auf den Schöpfergott mehr bedeuten als der Blick auf die Kirche mit ihren oft unglaubwürdigen und verlogenen Strukturen.89 Die Kirche hier auf Erden ist nicht Ziel des Menschen, vielmehr ist sie mit Jesus als ihrem Haupt der Weg, und niemand kommt zum Ziel, seinem und unserem Vater, außer durch Ihn (vgl. Joh 14,6). Unsere Tage hier auf Erden sind ausgerichtet auf Gott, der alles in allem ist (Röm 11,36; 1Kor 8,6). Wenn immer Klerus oder „Laien“ in ihrem Denken und Tun an den Kirchentoren haltmachen, als wären sie dort schon zuhause, verherrlichen oder verhimmeln sie die Kirche, die ein Symbol ist und eine Dienerin des Reiches Gottes, aber nicht das Reich Gottes selbst ist. Damit aber hätten sie die überwältigende Realität Gottes verloren.90
Die Betrachtung der Kultur der Kirche, die nach innen und nach außen hin strahlt, wird sich somit sowohl auf die kleinste kirchliche Einheit einer Gemeinde oder Pfarre, sowie auf die jeweilige Ortskirche, aber auch auf die universelle Kirche beziehen müssen. Denn, gleichgültig ob örtlich eingegrenzte Pfarre oder bischöfliche Ortskirche, sind sie Teile der universalen Kirche, die wieder nicht ohne diese in Christus gegründet ist. Den missionarischen Auftrag, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein, können weder die Ortskirchen ohne die Weltkirche noch die Weltkirche ohne Ortskirchen erfüllen. Die Teilkirchen sind nach dem Bild der universalen Kirche gestaltet (LG 23) und „in ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche“.91
In globalen Wirtschaftskonzernen werden sich deren regionale Tochterunternehmen in ihren Organisationsstrukturen und -kulturen oft von denen „ihrer Mutter“ signifikant unterscheiden. Betrachtet man jedoch beispielsweise Ortskirchen in Europa oder Afrika, sind bei diesen trotz kultureller Unterschiede im weitesten Sinn des Wortes die Grenzen viel enger gezogen. Einfach deshalb, weil sowohl Ortskirchen als auch die universale Kirche gemeinsam nur ein einziges Haupt haben, Jesus Christus (vgl. Kol 1,18), und sie beide deshalb nicht ohne die jeweils andere auf ihrem Pilgerweg unterwegs sein können.
2.1.3 Unterwegs als Volk Gottes
Beginnend im frühen Christentum und mit den alten Kirchenvätern haben sich unterschiedliche, oft im Alten Testament verwurzelte Bilder der Kirche entwickelt,92 die das Leben ihrer Mitglieder sowohl in der Familie als auch in ihrem bäuerlichen Alltag begleitet haben: Leib Christi (1Kor 12,12-27; Kol 1,27), Volk Gottes (2Kor 6,16; Offb 21,3), Stadt Gottes (Offb 3,12; 20,9; 21,23), Reich Gottes (Joh 3,3.5), Herde Gottes (Apg 20,28; 1Petr 5,2; vgl. auch Jes 40,11; Ez 34,11-22), Schafstall mit Christus als einzige und notwendige Türe (Joh 10,110), Pflanzung, Ackerfeld Gottes und Bau Gottes (1Kor 3,9), Weingarten (Mt 21,33-43; vgl. Jes 5,1-7), Weinstock (Joh 15,1-5), Haus Gottes (1Tim 3,15), Wohnung und Zelt Gottes unter den Menschen (Eph 2,22; Offb 21,2), Familie Gottes (Eph 2,19), Zelt Gottes unter den Menschen (Offb 21,3), Tempel Gottes (1Kor 3,16.17; 2Kor 6,16; Eph 2,21), Frau mit der Sonne bekleidet (Offb 12), Braut Christi (Off 21,2.9).
Alle diese neutestamentlichen Bilder oder Symbole für die Kirche können letztlich das Mysterium der Kirche nicht zur Gänze in ihrer vielfältigen Wirklichkeit beschreiben. Sie stehen auch „nicht im Gegensatz zueinander, sie sind auch nicht austauschbar und können sich nicht ersetzen“.93 Was jedoch auffällt, ist der dynamische Charakter, der in den meisten dieser Symbole zum Ausdruck kommt und ein Wesensmerkmal dieser lebensnahen Bilder ist: das Wachstum des menschlichen Leibes, der Pflanzen auf dem Acker und im Weinberg; das Haus, das zunächst gebaut, dann aber ständig gepflegt werden muss; die Schafherde, die tagsüber auf der Weide nach Nahrung sucht und sich abends in ihren Stall zurückzieht; die Gemeinschaft der Familie, in der sich Frau und Mann in Liebe finden, um darin gemeinsam zu wohnen und Kindern das Leben zu schenken; das Volk Gottes, das auf oft staubigen Straßen zum himmlischen Jerusalem unterwegs ist. Diese symbolischen Bilder der Kirche entbehren jeder räumlichen und zeitlichen Statik, sie demonstrieren existenznotwendige Veränderung, Wandel, Bewegung, Entwicklung und Wachsen sowohl im sozialstrukturellen als auch im kulturellen Zusammenleben der Kirche als Communio.
Beispielshaft soll hier mit den biblischen Gedanken von Walter Kardinal Kasper der dynamische Wandel im Symbol der Kirche als Volk Gottes, einem der am meisten verwendeten, jedoch nicht selten auch einseitig interpretierten Kirchenbilder, beleuchtet werden.94
Der griechische Text des Neuen Testaments verwendet für das Volk Gottes den heilsgeschichtlichen Begriff λαóς und nicht den soziologischvölkischen Begriff δῆµoς, der auch die Wurzel für das Wort „Demokratie“ bildet; λαóς ist auch nicht einfach das Volk, sondern das von Gott auserwählte und begleitete Volk, ganz im Unterschied zu έθvoι, den heidnischen Völkern.
Gott ruft Abraham: „Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen“ (Gen 12,1-3). Mit dieser Aufforderung hat Gott eine Dynamik stellvertretend in die Sippe Abrahams gelegt, die alle Völker dieser Erde berührt bis zur eschatologischen Zielerreichung im himmlischen Jerusalem.
Am brennenden Dornbusch verheißt Gott Mose, dass er der ist, der da ist für das Volk und mit dem Volk ist (Ex 13,14). Im Laufe der Geschichte wird Gott seinem Versprechen treu bleiben, auch in Zeiten der Untreue seines Volkes. Gott weitet seine Verheißung und seine Liebe für sein Volk sogar aus: Die Propheten verkünden, dass Gottes Treue zu seinem Volk nicht nur für das Hier und Jetzt gilt, sondern diese ungebrochen in alle Zukunft reichen und universal sein wird. Jahwes Bund mit seinem Volk sprengt alle Zeiten (Jer 7,23; 24,7; 31,33; 32,36-44; Ez 11,20; 14,11) und alle Räume (Sach 2,14-15). Damit bettet Gott seine Beziehung zu seinem Volk in eine immerwährende Dynamik, die die räumliche und zeitliche Wirklichkeit offen hält „für eine größere und umfassendere Erfüllung“.95
Im Neuen Testament wird die alttestamentliche Bezeichnung „Volk Gottes“ für die Kirche angewandt (Apg 15,14; 18,10; Röm 9,25-26; 2Kor 6,16 u.a.), jedoch nicht mit λαóς, sondern mit ἐκκλησία τοῦ θεοῦ übersetzt. In der Taufe werden alle Menschen, auch wenn sie nicht „sein Volk“ waren, Teil des auserwählten Volkes Gottes (1Petr 2,9-10), womit die universale Verheißung Gottes an Abraham Wirklichkeit wird, deren Erben allerdings nicht die Getauften sind, sondern Christus selbst. Paulus spricht nämlich in seinem Brief an die Galater nicht von „den“ Erben der Verheißung, sondern von dem „einen“ Erben, der Jesus Christus ist (Gal 3,16). Und damit wird die eschatologisch begründete Volk-Gottes-Ekklesiologie christologisch fundiert.
Die Kirche ist auf unsicheren Straßen der Welt unterwegs zum sicheren Ort, dem „Land seiner Ruhe“ (Hebr 4,1-11). Das bedeutet für sie, stets der ihr aufgrund ihres Pilgerns auf den staubigen Straßen der Welt anhaftenden Bedrohung bewusst zu sein und nach der ewigen Sabbatruhe Ausschau zu halten. Das heißt auch, dass die Kirche als sich durch Raum und Zeit bewegendes Volk Gottes immer wieder den Staub der Welt aus ihrem Antlitz wischen und abschütteln muss, um ihr Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Die Kirchengeschichte hat und zeigt bis heute immer wieder Zeichen dafür, dass ihr Blick durch den Staub dieser Welt getrübt sein kann, sie in dieser Situation jedoch niemals allein gelassen ist, denn auf dem geschichtlichen Weg des Volkes Gottes begleitet sie Jesus Christus als ihr Haupt: „Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche“ (Kol 1,18). Die Volk-Gottes-Ekklesiologie widerspricht also nicht der Leib-Christi-Ekklesiologie, sondern setzt diese voraus. Walter Kasper präzisiert, dass „man nicht sagen [kann], die Kirche sei der gegenwärtige und weiterwirkende Christus und die Fortsetzung der Inkarnation. Richtiger muss man sagen, Christus sei in der Kirche wirksam gegenwärtig.“96 Wäre sie der inkarnierte Jesus Christus selbst, würde sie keine „Kirche der Sünder“97 sein und daher keiner Veränderung, keines Wandels, keiner Umkehr, keiner Läuterung bedürfen. Jesus Christus gibt seiner Kirche die Sicherheit, dass sie sich auf ihrem Weg durch Zeit und Raum nie hoffnungslos verirren kann; er ist ihre Orientierung und führt sie immer wieder auf den richtigen Weg zu ihrem Ziel, dem himmlischen Jerusalem.
In den vier Jahrhunderten zwischen dem Konzil von Trient (1545–1563) und dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) betonte die katholische Lehre, ausgelöst auch durch die reformatorische Ablehnung der Begriffe „Kirche“ und „Volk Gottes“ durch Martin Luther,98 vor allem das Wesen der Kirche als „Leib Christi“.
Im Zweiten Vatikanum haben die Konzilsväter im Unterschied, allerdings nicht im Gegensatz zur vor-konziliaren Wesensbestimmung der Kirche als Leib Christi99 in Lumen gentium von der Kirche als messianisches Volk Gottes gesprochen (LG 9-12), dessen Haupt Christus ist (LG 9). Damit wollte vor allem betont werden, dass die Rettung des Menschen durch Christus „nicht einzeln, unabhängig von aller wechselseitigen Verbindung“ geschehe, sondern „als Gemeinschaft, nämlich als Volk Gottes“.100 Diesem Kirchenbild trat in den Jahren nach dem Konzil vor allem die europäische Theologie mit einem gewissen Argwohn entgegen, weil dahinter „eine einseitige soziologische, politologische, basisbezogene Ekklesiologie“101 vermutet werden konnte. Für Papst Franziskus, der aus einem ganz anderen kirchlichen Milieu und mit – von der europäischen Kirche unterschiedlichen – Erfahrungen in das Petrusamt gewählt wurde, ist das Bild der Kirche als pilgerndes Volk Gottes für die Pastoral viel praktischer und konkreter verständlich.102 Die universale Offenheit gegenüber den älteren Geschwistern der jüdischen Religion103 und die Volk-Gottes-Ekklesiologie als „Einordnung der Kirche ins Ganze der Menschheitsgeschichte“104 sind keine neuen Gedanken, hat doch schon Augustinus von der ecclesia ab Abel iusto105 gesprochen.
Auch wenn es mit einem flüchtigen Blick auf die angestrebte Öffnung der Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil so erschiene, wie die postkonziliaren Nachwehen bisweilen vermuten ließen, basiert die eschatologischchristologische Ekklesiologie des Gottesvolkes im biblischen λαός (Volk, Leute) und nicht im soziologischen, politischen oder völkischen Begriff δῆμος (Volk, Abteilung, Gefolgschaft), den manche Kreise als Fundament für eine „strukturelle“ Demokratisierung der kirchlichen Gemeinschaft ins Feld führen möchten. Es kann nicht übersehen werden, dass sich viele – auch innerkirchliche – Kreise immer wieder mit Strukturfragen der Kirche herumschlagen, das theologische Fundament der inneren Umkehr jedoch hintanstellen. Walter Kasper hat für diesen Irrweg des pilgernden Volkes Gottes klare Worte:106
Wir beschäftigen uns viel zu sehr mit uns selbst und bilden uns ein, dass die Menschen daran vor allem interessiert sind. Das ist eine große Selbsttäuschung. Die Menschen fragen, wenn sie religiös interessiert sind, nicht in erster Linie nach der Kirche, sie fragen nach Gott. Nach der Kirche fragen sie insofern, als in ihr etwas von der Wirklichkeit Gottes aufstrahlt und die Kirche ihnen dazu etwas zu sagen hat.
Glaubhaft wird der notwendige Wandel der Kirche nur durch eine kulturelle Neuorientierung angestoßen werden können, nicht aber durch nie enden wollende Diskussionen um ihre Strukturen. Diese sind Folgen der heutigen Situation der Kirche, nicht aber Grund und Ursprung der zunehmenden Kirchenferne. Nur dann, wenn die Kirche eine Weggemeinschaft ist, „die im Glauben und im Lob Gottes gemeinsam zum himmlischen Jerusalem unterwegs ist“,107 wird Kirche authentisch Kirche sein können.
2.1.4 Kirche als komplexe Wirklichkeit
Es waren die Konzilsväter des Zweiten Vatikanums, die in Lumen gentium, der Dogmatischen Konstitution über die Kirche, deren Wesensbestimmung mit der menschlichen Verfasstheit andachten: „Der einzige Mittler Christus hat seine heilige Kirche, die Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfasst und trägt sie als solches unablässig.“108 Im selben Absatz dieses ersten Kapitels der Konstitution, das den Gedanken des Mysteriums der Kirche erläutert, wird jedoch zugleich festgehalten, dass diese eine Kirche Christi aus zwei Elementen zu einer einzigen komplexen Wirklichkeit zusammenwächst; das Konzilsdokument spricht von der Kirche als
(1) der mit hierarchischen Organen ausgestatteten Gesellschaft und dem geheimnisvollen Leib Christi,
(2) der sichtbaren Versammlung und der geistlichen Gemeinschaft,
(3) der irdischen Kirche und der mit himmlischen Gaben beschenkten Kirche, und
(4) einem menschlichen und göttlichen Element (LG 8).
Das Mysterium der Kirche besteht nicht nur in ihrer Verfasstheit durch den „einzigen Mittler Christus“ (LG 8), sondern auch darin, dass diese beiden konstituierenden Größen nicht voneinander getrennt gedacht und isoliert betrachtet werden können, sondern „eine einzige komplexe Wirklichkeit […] bilden, die […] zusammenwächst“.109 In der irdischen Kirche Christi greift Gott nach dem Menschen und dieser streckt sich in der sichtbaren Gemeinschaft, gebettet in der Konkretheit von Raum und Zeit, nach dem göttlichen Element.
Die Konzilsväter sprechen nicht davon, dass das menschliche und das göttliche Element bereits zu der von ihnen „komplex“ genannten Realität zusammengewachsen sind, sondern dass sich diese im Status des Zusammenwachsens befinden, d.h. sich durch Raum und Zeit bewegen. Menschliche Gemeinschaften, also Organisationen oder – im umfassenden Sinn – Kulturen, die aufgehört haben sich zu bewegen und zu wachsen oder ihren Willen sich weiter zu entwickeln, nicht mehr artikulieren können oder wollen, sind dem Untergang nahe.110 Die Analogie dieser organisationspsychologischen Prämisse, die für weltliche Institutionen und hier vor allem für profit-orientierte Produktions- oder Dienstleistungsunternehmen längst Allgemeingut geworden ist,111 wird später auch für der Kirche zugeordnete Institutionen und die Kirche selbst beleuchtet und hinterfragt werden müssen.
Bischöfe und Theologen des Zweiten Vatikanums streichen in diesem Zusammenhang noch eine „nicht unbedeutende Analogie“ (LG 8) mit der komplexen Wirklichkeit der menschlichen und göttlichen Kirchenelemente heraus: So wie Jesus Christus als einziger Mittler zwischen Gott und der Welt den ganzen Leib seiner Kirche zusammenfügt und in jedem einzelnen Gelenk mit der ihm zugemessenen Kraft festigt, „so wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut“ (Eph 4,16). Somit stellen die Konzilsväter die Ähnlichkeit beider Strukturen und Sachverhalte fest: das Mysterium des fleischgewordenen Wortes (Joh 1,14): „Wie nämlich die angenommene Natur dem göttlichen Wort als lebendiges, ihm unlöslich geeintes Heilsorgan dient, so dient auf eine ganz ähnliche Weise das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt, zum Wachstum seines Leibes.“112
Es ist also der Geist des Herrn selbst, der die komplexe kirchliche Wirklichkeit der menschlichen und göttlichen Elemente lebendig macht und sie wachsen lässt. Als verflochtene Realität ist die Kirche in dieser Welt jedoch weder ein Apparat113, eine soziale Institution oder mit den Worten von Papst Franziskus eine NGO114, auch wenn sie sich bisweilen in solchen Rollen verfängt, noch die societas perfecta, die in ihren apologetischen Ansätzen bis in das 20. Jahrhundert hinein über alles Menschliche erhaben zu sein schien und sich gegenüber dem im Zweiten Vatikanum ansetzenden sakramentalen und kommunionalen Ekklesiologieverständnis noch nicht geöffnet hatte.115
2.1.5 Kirche als homogene oder heterogene Organisation
Mit einem Blick zurück auf die frühe Kirche scheint das Nizäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis mit den Worten „Wir glauben […] an […] die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“116 eine Antwort auf die Frage nach der Einheitlichkeit und Gleichhaftigkeit oder der Unterschiedlichkeit der einen Kirche in ihrer weltlichen Wesenhaftigkeit zu geben. Auch die Konzilsväter betonen in der Kirchenkonstitution, dass die Kirche der Menschen hier auf Erden mit ihren hierarchischen Strukturen und die Kirche der Menschen hier auf Erden, über die Gott seine Gnaden ausgießt, nicht zwei unterschiedliche Organisationen seien, sondern „eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“ (LG 8). Wenn aber über Kirche von Zusammenwachsen ihrer irdischen und himmlischen Wesenheit gesprochen wird, scheint sich doch zunächst eine zumindest gewisse Heterogenität zu bestätigen.
Mit Recht stellt sich demnach die Frage, ob nicht auch noch im Zweiten Vatikanum eine bestimmte duale Einteilung der weltlichen Wirklichkeit mitschwingt, die ihre Dämonisierung durch den Sündenfall im Paradies auch durch den Erlösungstod Jesu am Kreuz noch nicht wirklich überwunden hat. Die Verführung des Menschen, hier auf Erden in „Gut und Böse“ zu denken, scheint auch in der Erklärung der Konzilsväter von der Kirche als Komplexität Widerhall gefunden zu haben. Ist er nicht das Haupt dieser Kirche und sind nicht wir alle ihre Glieder? (Kol 1,18) Heiligt nicht das Haupt den ganzen Leib? Kann es angedacht sein, dass das Haupt den Gliedern des Leibes in einer komplexen Dualität gegenübersteht? Ist der in der Taufe Geweihte ein „Kind Gottes“, der jedoch, der in der Taufe noch nicht zum Priester, König und Propheten gesalbt wurde, ein „Kind des Satans?“117
Die Komplexität einer verschuldeten oder unverschuldeten Situation mag von manchem Seelsorger als Entschuldigung aufgefasst werden, ein pastorales Gespräch abzukürzen oder sogar zu beenden. Die Zusage Gottes, die er Mose gegeben hat, bleibt aber auch in der Kirche des Neuen Bundes aufrecht: Ich bleibe bei dir (Ex 3,14). Damit weicht die Komplexität des Ich-hier und Dudort und wird zur Schnittstelle einer persönlichen Beziehung zwischen Gott und dem Menschen. Mitgliedschaft in der Kirche setzt die Dualität von Heiligem und Unheiligem oder Profanem außer Kraft. Die Verbannung des Kirchenbildes in die Sphäre einer sichtbar streitenden und damit einer oft sich auseinanderlebenden irdischen Versammlung wird dem Willen genauso wenig gerecht wie ein vergoldetes Kirchenbild, das den Schmutz der mit menschlichen Fehlern gepflasterten Straßen vermeidet (EG 49).
Ein Blick in den kirchlichen Alltag zeigt, dass manche Gruppierungen die „komplexe Wirklichkeit“ strapazieren und andere wieder aus ihr fliehen wollen. Beide Lager hängen einem Dualismus einer unheiligen weltlichen Versammlung und eines heiligen himmlischen Festmahls an, eines Kirchenbildes, das die Konzilsväter weder gedacht noch beabsichtigt hatten. So negieren die einen die göttliche Wirklichkeit in der menschlichen Gestalt der Kirche und beharren in ihrer Auffassung, dass allem, was auf kirchlichem Boden geschieht, Heiligkeit anhaften muss, so als hätte Jahwe nicht aus einem elenden Dornbusch auf dem staubigen Wüstenboden zu Mose gesprochen, sondern in einem der ägyptischen Tempel. Christliche Überheblichkeit kann der kirchlichen Gemeinschaft genauso wie politische Intoleranz dem Leben der Gesellschaft zur Gefahr werden. Überall dort, wo beispielsweise Bischöfe die universelle Kirche und Bischofskollegen in anderen Ortskirchen zu kritisieren beginnen118, zerfällt die von den Vätern des Zweiten Vatikanums gemeinte „komplexe Wirklichkeit“ der einen Kirche, wird dem Bischofskollegium aber auch als Ganzes seine apostolische Nachfolge abgesprochen.
Andrerseits begegnet man im kirchlichen Zusammenleben auch Gruppen, die die „komplexe Wirklichkeit“ der Kirche aufs Äußerste herausfordern und die Komplexität dafür verantwortlich machen, dass eben göttliche und menschliche Aspekte in der Kirche ihre eigenen, aber nicht gemeinsamen Wege gehen. Papst Benedikt XVI. erinnert mit seiner Aufforderung an „das missionarische Zeugnis der Entweltlichung der Kirche“ daran, dass der religiöse Mensch das Heilige vor dem Profanen schützen möge.119 In Evangelii gaudium wird ein klares Nein zu einer „spirituellen Weltlichkeit“ gesprochen, die „anstatt die Ehre des Herrn die menschliche Ehre und das persönliche Wohlergehen zu suchen“ (EG 93) strebt.
Beide päpstlichen Aussagen sprechen sich nicht für eine Aufsplittung der Kirche in untadelig heilige und menschlich fehlerhafte Räume aus, die es nicht gibt. Gott ist in jedem ihrer Räume zuhause und scheut die Nähe zum Menschen nicht, er sucht sie deshalb, um ihm „Weg, Wahrheit und Leben“ zu sein (Joh 14,6). Und wenn dennoch dunkle Räume in der Kirche existieren, dann haben die getauften Menschen selbst die Lichter ausgedreht und sie dunkel gemacht.120 Wahrscheinlich war die Gefahr in der Geschichte der Kirche niemals zu leugnen, sie in unserem vom Platonismus beeinflussten (nicht befruchteten) allgemeinen religiösen Denken als „dual“ zu denken und das Leben in und außerhalb von ihr danach zu gestalten. Die Kirche ist nicht in göttliche und nichtgöttliche Bezirke geteilt, nicht in fane und profane Räume getrennt, nicht in heilige und unheilige Wirklichkeiten gespalten. Selbst an ihren Rändern ist Kirche nicht aggressiv von Nicht-Kirche getrennt.
Wenn in dieser Studie von Kirche gesprochen wird, ist sie als eine (homogene) von Gott gewollte Kirche gedacht, in der der Herr das Haupt ist und die Getauften der Leib sind, als eine Communio, die mit seiner Begleitung auf dem Pilgerweg ins Reich des Vaters unterwegs ist. So wie es keinen Ort ohne Gottes Gegenwart121 gibt, gibt es auch nach Gottes Willen keine menschliche Communio, in der er nicht anwesend wäre. Mit anderen Worten: Der Herr hat in seiner, in ihm und durch ihn und mit ihm begnadeten Kirche sein immer wieder schwächelndes Geschöpf, den fehlerhaften Menschen „miteinkalkuliert“.
2.1.6 Kirche, Gottes Kraft in menschlicher Schwäche
Es war zunächst Karl Rahner (1904-1984), der schon 1947 in einem später veröffentlichten Vortrag die „Kirche der Sünder“ angesprochen hat.122 Am Beginn seiner Rede erwähnt er die Tatsache, dass sich die katholische Dogmatik meist nur am Rand mit diesem Thema beschäftige, um dann gleich hinzuzufügen: „Es gibt auch wirklich über die Kirche viel Wichtigeres und Herrlicheres zu sagen.“123 Aber Rahner ist sich auch schon Jahrzehnte vor der eigentlichen Aufdeckung massiver, vor allem sexueller und kirchliche Macht missbrauchender Verfehlungen von Seelsorgern und kirchlichen Mitarbeitern klar darüber, dass diese Tatsache im kirchlichen Leben zur alltäglichen Erfahrung geworden ist.124
Die Sündhaftigkeit der Kirche liegt auch in der Tatsache verborgen, dass sie sich bisweilen zu stolz wähnt, für ihre menschlichen Aktivitäten, die ihr als sichtbare Gemeinschaft (LG 8) obliegen, Hilfe von der säkularen Welt zu akzeptieren. Im Kapitel 40 von Gaudium et spes erinnern die Konzilsväter an „die gegenseitige Beziehung von Kirche und Welt“: „Zugleich ist sie [die Kirche] der festen Überzeugung, daß sie selbst von der Welt, sei es von einzelnen Menschen, sei es von der menschlichen Gesellschaft, durch deren Möglichkeiten und Bemühungen viele und mannigfache Hilfe zur Wegbereitung für das Evangelium erfahren kann.“ (GS 40)
Hugo Rahner (1900–1968) spricht einige Jahre vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil von der Kirche als „Gottes Kraft in menschlicher Schwäche“125 und beginnt diesen im Jahr 1957 veröffentlichten Aufsatz mit Worten, die den heutigen Theologen, vor allem nach den schmerzhaften Erfahrungen sexueller Missbrauchsfälle in den letzten Jahrzehnten, wahrscheinlich nicht mehr so unbekümmert über ihre Lippen kämen:126
Die katholische Kirche ist ein Haus voll Glorie, weit über alle Lande dieser Erdenwelt. Wir rühmen sie, weil wir sie lieben. Denn sie ist die heimliche Königin der Menschengeschichte. Schon aus der Urzeit der Kirche in deutschen Landen klingt ihr Lobpreis: ‚Gebenedeit sei die Kirche in der Kraft des Herrn, denn durch sie hat Gott die Gewalt des Bösen vernichtet. Gebenedeit sei sie, denn ihr Glaube und ihr Gottesdienst herrschen königlich über den Erdkreis. Und nie soll verstummen auf den Lippen der Menschen der Lobpreis der Kirche.
Von diesem Bild der societas perfecta, dem die Staatstheorie von Aristoteles und Thomas von Aquin zugrunde liegt, verabschiedete sich das Zweite Vatikanum,127 das die Kirche sakramental und kommunional als pilgerndes Volk Gottes, Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes gesehen hat (LG 17).
Die nach innen und nach außen hin wirkenden Fehlschritte der sündigen Kirche als der in der Welt „sichtbaren Versammlung“ (LG 8) halten Gott jedoch nicht davon ab, sie in seiner Liebe weiterzutragen. Denn er „hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen eigenen Sohn hingab“ (Joh 3,16). Es ist die eigene Schwachheit, der sich der Apostel Paulus rühmt (2 Kor 11,39).
Hugo Rahners poetische Sprache klingt schon wie die der Konzilsväter des Zweiten Vatikanums: Er spricht von der Mutter Kirche (LG 14; 15; 41; 42), die geliebt ist in ihrer ganzen Gebrechlichkeit, denn „Gottes Gewalt vollendet sich in der Schwäche“ (2Kor 12,9). Gerade in den Zeiten der Bedrängnis und der Verfolgung. Ihr Pulsschlag ist der Pulsschlag der Getauften. Ihre Hoffnung ist die aller Schwestern und Brüder. Ihr Glaube ist der Glaube des Gottesvolkes. Ihre Liebe ist die Liebe der Glieder des einen Leibes. Das pochende Herz der Mutter Kirche ist das Herz ihrer Kinder, die die nüchternen Fakten der statistischen Klagelieder aus Europa und Nordamerika ununterbrochen wiederholen ohne über ihre eigene Metanoia, ihr eigenes Umdenken nachzudenken: Die Zahlen der Kirchenaustritte steigen von Jahr zu Jahr, in den meisten Diözesen herrscht pastoraler Personalnotstand, Finanzen reichen vorne und hinten nicht mehr aus, obwohl die Kirchenbeiträge sowohl in Deutschland als auch in Österreich noch immer wachsen, Strukturen entsprechen nicht mehr den pastoralen und sozialen Anforderungen von heute, Kirchengebäude und -besitz müssen verkauft werden, um morgen am Leben erhalten zu können, was gestern geboren wurde.
Viele Analysen dieser pfingst-fernen Klagelieder bleiben an der Oberfläche haften. Sie suchen zwar nach Gründen der Misere, finden sie auch, aber immer im Anderen und anderen: in der Kirchensteuer, in den Skandalen in und um Priesterseminare, in der Unvollkommenheit von Bischöfen und Priestern, in der Unbeweglichkeit der Gläubigen und im Unverständnis derer, die den Geruch des Schafstalls nicht ertragen zu können meinen (EG 24).
Und doch sind Getaufte und Nicht-Getaufte, ob sie gemeinsam beten und arbeiten oder auch nicht, immer wieder von der Kirche Jesu Christi fasziniert. Denn:
Die Kirche ist durch sich selbst ein unwiderlegliches Zeugnis ihrer göttlichen Sendung, kraft ihrer hervorragenden Heiligkeit und ihrer unerschöpflichen Fruchtbarkeit in allem Guten. Sie ist das unter den Völkern aufgerichtete Zeichen, das alle einlädt, die noch nicht glauben.128
Daraus folgert Hugo Rahner:129
Das ist wahr. Das ist ewige Wahrheit. Aber wenn nur einer von draußen kommt und sagt: Zeige sie mir, diese Una Sancta, hier und heute, in deiner Familie, in deiner Stadt, in Deutschland, in Rom, in Südamerika, auf dem Weltrund? Seien wir ehrlich mit unserer Antwort.
So die fragenden Worte Hugo Rahners vor mehr als einem halben Jahrhundert, der dann Augustinus mit der Frage nach dem fragwürdigen Verhalten so mancher Christen zu Wort kommen lässt:130
Stellen wir heute neben das hehre Wort des Konzils [und damit meinte Rahner das Tridentinische Konzil] einmal ein anderes Wort – Augustinus hat es der Kirche in den Mund gelegt, Augustinus, der glühende Liebhaber der Catholica Mater: ‚Die mir schon nahe standen, um zu glauben, wurden abgeschreckt durch das Leben der schlechten und falschen Christen. Wie viele nämlich, meine Brüder, glaubt ihr, möchten gerne Christen sein, aber sie werden beleidigt von den üblen Sitten der Christen.‘131
Nicht die Kirchensteuer ist es ursächlich, die Schafe ihren Stall verlassen lässt. Nicht der Skandal ist es ursächlich, der Schafe die Flucht ergreifen lässt. Der Grund ist jener, der sich Christ nennt, der nicht glaubwürdig genug sein Christsein lebt und andere erleben lässt. Die Erneuerung der Kirche beginnt nicht im Pfarrgemeinderat oder im Ordinariat oder im Vatikan, sondern bei dem Menschen, der den Namen Christi trägt, d.h. bei jedem Getauften; eine Forderung, die in der Verkündigung zwar immer wieder betont wird, aber bisweilen nicht gehört werden will.
Hugo Rahner sagt über unsere Kirche, dass sie immer beides ist: „Kraft und Schwäche, Glorie und Verächtlichkeit, sie ist Herrin und Magd, thronende Königin und arme Pilgerin. Das ist eine Glaubenstatsache.“ Und Rahner fügt hinzu: „Kirchenglorie muss schon auf Erden sein, Kirchenschwäche muss ausgeduldet, geheilt, ja bekämpft werden.“132
Die Kirche ist aber auch Glaubensprüfung. „Es ist wahr“, meint Hugo Rahner: „Die Kirche ist, auch hienieden schon Herrin, und wenn unser Auge nicht blöde ist und gehalten, sehen wir in gnadenvollen Stunden den Goldglanz ihres Wesens durch die Risse ihres elenden Pilgergewandes schimmern.“133 Augustinus meint: „Wer sind denn diese Christen? Wie sind diese Christen? Geizkragen, Geschäftemacher sind sie. Sind es nicht die Christen, die das Theater und den Zirkus füllen, die gleichen, die an Festtagen die Kirche füllen?“134 Papst Franziskus hat in seinem vorweihnachtlichen Treffen mit der vatikanischen Kurie ähnlich harte Worte verwendet, allerdings nicht wie Augustinus als Frage gestellt. Franziskus spricht von fünfzehn Krankheiten und sieht dabei den Kardinälen in die Augen135: „die Krankheit, sich für unsterblich oder unverzichtbar zu halten … die Krankheit des exzessiven Tätigseins … die Krankheit der ‚mentalen und spirituellen Versteinerung‘ … die Krankheit der exzessiven Planung … die Krankheit der schlechten Koordinierung … die Krankheit des ‚geistlichen Alzheimers‘ … die Krankheit der Rivalität und der Eitelkeit … die Krankheit der existentiellen Schizophrenie … die Krankheit des Geschwätzes und des Klatsches … die Krankheit, die Oberen zu vergöttlichen … die Krankheit der Gleichgültigkeit gegenüber den anderen … die Krankheit des ‚Gesichts wie bei einer Beerdigung„ … die Krankheit des Anhäufens materieller Güter … die Krankheit der geschlossenen Kreise und der Zugehörigkeit zu Grüppchen … die Krankheit des weltlichen Profits, des Exhibitionismus“.
In ihrer Direktheit könnten diese Worte wohl nicht von Hugo Rahner stammen, der eine noble, vornehme, weniger direkte und eher poetische Sprache auf den Lippen hatte. Und doch könnte Rahner mit uns selbst „irre an der Kirche oder kirchenmüde [werden], weil ihr irdisches Erscheinungsbild so armselig ist“.136 Er fragt sich, ob nicht viele der Kirchenglieder (und dabei spricht er von wir) Armselige, Sonntagkatholiken, Taufscheinversicherte, Gelegenheitsfromme, bequem gewordene Hirten seien, die das Bild der Catholica verzerren und verdunkeln:137
Weil wir so sind, darum ist die Kirche für viele, die draußen stehen, Glaubensprüfung, vielleicht oft Glaubenshindernis, und für viele, die drinnen sind (für uns selbst oft) billige Entschuldigung dafür, dass wir heimlich eben das tun, was wir an der Kirche so messerscharf zu tadeln wissen.138
Diese Kirche, die sich draußen auf den Straßen immer wieder schmutzig macht (EG 49), „ist aber auch unsere Glaubensfreude. Nicht nur, obwohl sie schwach ist, sondern weil sie schwach ist. Wir schämen uns ihrer nicht, weil es an ihr noch so viel beschämende Dinge gibt.“139 Gesagt und niedergeschrieben von einem Jesuiten vor mehr als einem halben Jahrhundert, am Beginn jener kirchengeschichtlichen Epoche – so darf man heute wohl schon sagen –, in der das im 19. und 20. Jahrhundert geformte Kirchenbild überdacht und seiner pianischen Übertünchung entledigt wurde. Papst Franziskus nimmt in seinen Worten die Gedanken seiner Vorgänger seit Johannes XXIII. auf, entkleidet sie ihrer heutigen Unverständlichkeit und übersetzt sie in eine sprachliche Vertrautheit, mit der auch ein Nicht-Theologe durchs Leben gehen kann: Er spricht von den Schuhen, die beim Dienst am Menschen auf den Straßen schmutzig werden können.
Hugo Rahner geht es keineswegs primär um das Richtig oder Falsch oder die Angemessenheit oder die Widersinnigkeit kirchlicher Strukturen, sondern um die Gestaltung des Wie in der Communio, die immer beim Einzelnen verortet sein muss. Die Klagen der Kirche am Herzen ihres Hauptes über eine immer leerer werdende Kirche müssen von den Getauften zuallererst mit einem mea culpa beantwortet werden. Diese Einstellung kann in diesem Kontext wohl christliche Spiritualität genannt werden. Eine Spiritualität, die aus der menschlichen Unruhe geboren ist, bis sie in seinem Herzen Geborgenheit findet.140
Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Sündhaftigkeit der Kirche intensiv diskutiert, wie Kardinal Karl Lehmann in seinem Vorwort zu Karl Rahners 1947 gehaltenem und 2011 wieder publizierten Vortrag über die „Kirche der Sünder“141 erinnert. Lehmann weist in diesem Zusammenhang vor allem auf die Rede des ersten Bischofs von Eisenstadt Stefan László hin, der am Beginn seiner bemerkenswerter Konzilsrede daran erinnert, dass „die Lehre von der Kirche ihre eschatologische Ausrichtung“ nicht vergessen sollte.142 In anderen Worten: Das Volk Gottes pilgert durch Zeit und Raum und verkündet in der Auferstehung des Herrn aller Menschen eigene Auferweckung (1Kor 11,16). Bischof László spricht keiner pilgernden Gruppe des Gottesvolkes den ernsten Willen ab, dem Weg des Herrn zu folgen, aber seine realistische Situationsanalyse weist auf die menschliche Schwäche des Abweichens von dem Weg Christi hin: „Es [das Volk Gottes] will treu sein, wird aber immer wieder untreu erfunden, [denn] die konkrete Kirche [ist] sehr verschieden […] von der, welche die Theologen und Prediger beschreiben.“143
Bischof László fordert in seinem kurzen Statement Ehrlichkeit von den Konzilsteilnehmern, nicht nur die „triumphalistisch[e] und heuchlerisch[e] Kirche“ zu sehen, sondern mit Blick auf ihre Pilgerschaft auch „immer von einer Ekklesiologie des Kreuzes“144 auszugehen. Denn „die Kirche ist in der Welt, aber die Welt ist auch in der Kirche, und der Ort des Kampfes zwischen der Gnade und der Sünde ist das Herz des Menschen.“145 Damit apostrophiert der österreichische Bischof die Verantwortlichkeit jedes einzelnen Getauften für die Heiligkeit der Kirche, die ja – wie oben erwähnt – immer Subjekt und Objekt dieser Welt ist. Die Kirche der Heiligen ist zugleich auch Kirche der Sünder hier auf Erden, denn die alleinig heilige Kirche hat ihren irdischen Weg bereits vollendet und ihr Ziel bereits erreicht. Seine realistische Sicht der sündigen heiligen Kirche fasst Bischof László abschließend in vier Punkten zusammen:146
(1) Die heilige Kirche mit ihrer Hierarchie ist auch eine sündige Kirche.
(2) Die Kirche muss sowohl als Einheit als auch als pilgernde Kirche mit einer Distanz zwischen Weg und Ziel gesehen werden.
(3) „Es muss ausdrücklich gesagt werden, daß die Kirche immer wieder reformiert werden muss, wie der Papst [Paul VI.] in seiner Ansprache vom 22. September dieses Jahres [1965] gesagt hat: ‚jene stete Reform, die die Kirche selbst als menschliche und irdische Institution dauernd nötig hat“‘.147
(4) Die Kirche hat auch „ein ausdrückliches Bekenntnis der Mitverantwortung und Mitschuld unserer Kirche an der Spaltung der Kirche“148 abzugeben.
Wenn in Bezug auf die Sündhaftigkeit der Kirche an Worte und Gedanken der beiden Brüder Hugo und Karl Rahner und des Bischofs Stefan László aus dem Burgenland erinnert wird, so muss nicht gleich an sexuellen Missbrauch kirchlicher Mitarbeiter aller hierarchischen Ebenen gedacht werden. Dieser hat erst seit den 1990er Jahren weltweit größere Aufmerksamkeit in den Medien und der Öffentlichkeit hervorgerufen. Der „sündige Mensch vor der heiligen Kirche der Sünder“149 hat sie, die heilige irdische Kirche als „Platzhalterin des heiligen Gottes in der Welt“150, in allen Bereichen ihres Denkens, Sprechens, Handelns und Unterlassens, also in allen Bereichen der sichtbaren Versammlung (LG 8) immer wieder verdunkelt. Dabei stehen strukturelle Fragen nicht im Vordergrund, vielmehr sind diese Konsequenzen ihrer Kultur, d.h. der Gesamtheit von Werten und Verhaltensnormen, die in der kirchlichen Gemeinschaft gelebt werden und die diese Gemeinschaft folglich auch in dem, was sie nach innen und außen hin denkt, redet und tut, beeinflussen.
Die Attraktivität der Kirche Jesu Christi beruht nicht auf einer vorgetäuschten populistischen Fehlerlosigkeit ihrer Mitglieder, vielmehr auf ihrer prophetischen Sendung, die die Welt aufwecken soll und das „Zeugen eines anderen Handelns“ verlangt.151 In seiner Ansprache an rund 120 Generalobere katholischer Männerorden Ende November 2013 fokussiert Papst Franziskus nicht auf die unterschiedlichen, bisweilen heute nicht mehr zeitgerechten Strukturen ihrer Gemeinschaften, sondern greift das Thema des Handelns des sündigenden Menschen auf, dem allerdings die Gnade zur Seite steht:152
Das Leben ist komplex und besteht aus Gnade und Sünde. Wenn jemand nicht sündigt, ist er nicht Mensch. Wir alle irren und müssen unsere Schwächen anerkennen.
Zwar waren sich schon die Kirchenväter wie Augustinus über die Kirche als corpus permixtum bewusst153, doch es waren erst das Zweite Vatikanische Konzil und die letzten Päpste, die den kirclichen Triumphalismus aus dem kirchlichen Vokabular – nicht immer erfolgreich – zu streichen begannen. Seitdem kann im kirchlichen Dialog auch von Strukturen der Sünde gesprochen werden, was jedoch keineswegs mit „sündigen Strukturen in der Kirche“ gleichzusetzen ist.154
2.1.7 Das Kirchenbild von Papst Franziskus
Schon vor dem Konklave hat Kardinal Bergoglio seine Stimme in der Generalkongregation erhoben und sein Verständnis über eine auf den Menschen zugehende und einladende Kirche artikuliert. Viele Kardinäle waren von den Einsichten Bergoglios beeindruckt, einer von ihnen, Kardinal Jaime Ortega, Erzbischof von Havanna, bat ihn um das Manuskript, das allerdings nicht existierte, weil es ganz spontane Gedanken waren, die der Erzbischof von Buenos Aires im Vorkonklave im Kreis der anderen Kardinäle geäußert hatte. Bergoglio „rekonstruierte“ seine kurze Rede über Nacht und gestattete Kardinal Ortega, diese auch zu veröffentlichen.155
In der Kirche muss eine mutige Freiheit der Rede vorausgesetzt werden, damit sie sich nicht „im Geist des theologischen Narzissmus“ um sich selbst dreht und so nicht aus sich selbst herausgehen kann. Auch vier Jahre nach dem Beginn seines Pontifikats ist von seiner Überzeugung der freien Meinungsäußerung kein noch so kleiner Abstrich zu bemerken. Im Gegenteil, besonders eher traditionelle kirchliche Kreise kritisieren den Stil der offenen Rede innerhalb des Bischofskollegiums genauso wie die oft sehr spontanen Äußerungen, Bonmots und „flapsigen Bemerkungen“156 von Franziskus. Der emeritierte Kardinal Francis George von Chicago drückt die Einzigartigkeit des Papstes mit den Worten „He is free“ aus und macht ihn so ohne Zweifel zu einem „Hoffnungsträger für viele Menschen in unterschiedlichen Welten und Kulturen“.157
Im Vorkonklave erwähnt Kardinal Bergoglio Jesus, der vor der Türe steht und anklopft (Offb 3,20), aber er meint auch, dass Jesus oft ebenso „von innen klopft“, weil er aus der „egozentrischen Kirche […] nach außen treten“ möchte. Eine solche Kirche dreht sich um sich selbst und meint, dass sie selbst Licht ist. Dieses „schreckliche Übel“ nennt der Kardinal „geistliche Mondänität“ in einer Kirche, in der „die einen die anderen beweihräuchern“.158 Danach spricht er ganz kurz über das Anforderungsprofil des nächsten Papstes, zu dem er einige Tage später selbst gewählt wurde:159
Was den nächsten Papst angeht: (Es soll ein Mann sein) der aus der Betrachtung Jesu Christi und aus der Anbetung Jesu Christi der Kirche hilft, an die existentiellen Enden der Erde zu gehen, der ihr hilft, die fruchtbare Mutter zu sein, die aus der ‚süßen und tröstenden Freude der Verkündigung‘ lebt.
Abschließend stellt Kardinal Bergoglio die zwei gegensätzlichen Kirchenbilder gegenüber und lässt keinen Zweifel daran, welchen Weg er für den einzig gangbaren hält: „die verkündende Kirche, die aus sich selbst herausgeht, die das ‚Wort Gottes ehrfürchtig vernimmt und getreu verkündet‘, und die mondäne Kirche, die in sich, von sich und für sich lebt“. Dem in die Zukunft blickenden Kardinal ging es im Vorkonklave nicht um seine Person, sondern um Veränderungen und Reformen in der Kirche mit dem klaren Ziel der „Rettung der Seelen“.160
Das Antlitz der Kirche, wie es den Konzilsvätern in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts aufgeleuchtet hat, das dann jedoch immer mehr verblasste, hat sich mit der Wahl von Jorge Mario Kardinal Bergoglio am 13. Februar 2013 schlagartig geändert. Im Scheinwerferlicht der kirchennahen und kirchenkritischen Medien tritt sie nicht mehr unbedingt als triumphale Kirche auf, sondern als Kirche der Bescheidenheit, Einfachheit und Transparenz; als Kirche mit der pastoralen Fähigkeit, Menschen an die Hand zu nehmen und sie auf dem gemeinsamen Weg zu begleiten; als Kirche mit der Fähigkeit und dem Willen, Menschen und nicht nur Katholiken zuzuhören; als Kirche, die arm sein möchte unter Armen; als Kirche des einen Gottes, der ein Gott der Überraschungen ist.161 Manche Medienstimmen bezeugen Papst Franziskus auch, dass er uns die Kirche zurückgebracht hätte,162 und meinen damit offensichtlich, dass wir nach so einigen Ab-, Um- und Irrwegen in den vergangenen 2000 Jahren die ursprüngliche Vision Jesu und seiner jungen Kirche wieder entdecken dürfen, ohne sich allerdings auf diesem Weg zurück zu den Quellen in einen kirchen-zentrischen Kokon zurückzuziehen.
Die Kirche, die Franziskus mit seinen Worten, Gesten und Taten verkündet, ist eine Kirche der unermüdlichen „Dynamik des ‚Aufbruchs‘“ (EG 29). Gott ist der, der den Gläubigen bewegen will, der ihn sendet, und der sich dann mit ihm auch auf den Weg macht. Gott ist nicht der, der die Initiative ergreift, den Menschen dann aber allein auf den Weg schickt. Der missionarische „Aufbruch“, zu dem Gott alle Gläubigen ruft, ist nicht eine individuelle Expeditionins Ungewisse, sondern „stellt sich wesentlich als missionarische Communio dar“.163
Die Dynamik des durch Zeit und Raum wandernden Volkes Gottes beschreibt Franziskus mit fünf Verben, also Worten, die menschliche Aktivität ausdrücken: Initiative ergreifen und auf den anderen zugehen, sich einbringen und den Fremden mit einbeziehen, die Menschheit in allen Lebenssituationen begleiten, Frucht bringen, auch wenn Unkraut aufkeimt, und jeden kleinen Erfolg gemeinsam feiern (EG 24). Wenn Staaten, Gesellschaften oder Organisationen ihren Lebensraum behaupten wollen und ihren Weg in die Zukunft einfrieren, dann hemmen sie menschliche und soziale Reifung.164 Analog gilt das auch für eine Kirche, die ihr im Raum der Tradition Erworbenes nicht überdenken möchte und den Blick in die Zukunft gar nicht wagt. In der menschlichen Gesellschaft gebiert das Einfrieren von Raum und Zeit Krieg,165 in der Kirche wächst in einem solchen Szenario der Bewegungslosigkeit Unfriede zwischen Schwestern und Brüdern der gleichen Familien.
Papst Franziskus verwendet für seine Kirche kräftige Worte, die sowohl von den Medien als auch von den Menschen inner- und außerhalb der kirchlichen Communio eher verstanden werden als manche Fachsprache der Theologen oder die teilweise unverständliche Sprache liturgischer Bücher. Er spricht vom „Geruch der Schafe“ (EG 24), den die Evangelisierenden an sich haben sollen. Dieser Geruch der Hirten macht die Schafe zu Auf-sie-Hörenden, zu Ihnen Folgenden, zu Sie-riechen-Wollenden.
Die Klage vieler Glaubenden über die schwindende Zahl der Kirchenbesucher muss den Schluss zulassen, dass die Menschen für die Kirche da sein müssten, und nicht die Kirche für die Menschen.166 Dem bisweilen auch von Bischöfen vorgebrachten Argument, dass die Anzahl der Priester für die wenigen Glaubenden so und so genug sei, fehlt ebenso die evangelisierende Dynamik, die von der Kirche gefordert wird (EG 27):
Ich [Papst Franziskus] träume von einer missionarischen Entscheidung, die fähig ist, alles zu verwandeln, damit die Gewohnheiten, die Stile, die Zeitpläne, der Sprachgebrauch und jede kirchliche Struktur ein Kanal werden, der mehr der Evangelisierung der heutigen Welt als der Selbstbewahrung dient.
Am Beginn der vorösterlichen Bußzeit 2015 zog sich Papst Franziskus mit 70 Kurienmitarbeitern zu Exerzitien nach Ariccia in die Nähe Roms zurück. Am vierten Tag der geistlichen Übungen meldete sich Pater Diego Fares, ein argentinischer Jesuit, im Radio Vatikan über seinen geistlichen Lehrer und Mitbruder im Petrusamt zu Wort. In dem Interview nannte er Franziskus einen „Meister der Spiritualität“. Pater Fares erläuterte, dass die Exerzitien die wahre DNA der Jesuiten seien und er viel davon halte, dass sich der Papst gemeinsam mit seiner vatikanischen Kurie aus Rom wegbegebe, auch wenn jeder für sich selbst die geistlichen Übungen mache. Papst Franziskus tue das, so Pater Fares, „was wir in der Gesellschaft Jesu [dem Jesuitenorden] ‚geistliche Leitunga‘ nennen: ein Leitungsstil, der nicht nur darauf achtet, was man machen muss, sondern auch darauf, wie man es macht.“167 Das Wie-man-es-macht ist ein anderer, weniger wissenschaftlicher, aber umso praktischerer Ausdruck für den Begriff „Organisationskultur“. Der argentinische Jesuit, der von Pater Bergoglio gelernt hat, „wie man andere in Exerzitien begleitet“,168 fasst in einfachen und pastoral verständlichen Worten zusammen, wie Organisationskultur in der Kirche definiert und diese, wenn notwendig, verändert werden kann: und zwar wie das Volk Gottes auf dem gemeinsamen evangelisierenden Weg zu seinem letzten und einzigen Ziel unterwegs ist oder sein möchte, ohne dabei freilich die strukturellen Aspekte der globalen Kirche und der Ortskirchen aus dem Auge zu verlieren.
Auf die Frage des mexikanischen Fernsehjournalisten nach der Kurienreform der Kirche spricht Franziskus Klartext: „Jeder Wechsel beginnt mit dem Herzen: mit der Bekehrung des Herzens … und auch mit einer Bekehrung der Lebensweise. […] Es geht um Umkehr, beim Papst angefangen, er ist natürlich der erste, der umkehren muss, nicht?“169 Mit dieser Auffassung widerspricht er allen denen, die meinen, dass die Kurienreform lediglich die „verschiedenen Strukturen auf ihre Effizienz zu überprüfen“170 hat. Er spricht vielmehr einen kulturellen Wandel an, der als Grundvoraussetzung einer Reform der kurialen Strukturen angesehen werden muss.
Zusammenfassend muss aufgrund einer gegenseitigen Durchdringung (Perichorese) zwischen Welt- und Ortskirche der vorliegenden Studie das Recht, ja sogar die Verpflichtung eingeräumt werden, nach dem „Gegenstand“ der Kirche sowohl als Subjekt als auch als Objekt auf ihre existentiell- und praktisch-theologische Ganzheit hin zu fragen. Das empirisch konzipierte 6. Kapitel fokussiert allerdings nicht die universale, sondern zwei ausgewählte diözesane Ortskirchen Österreichs.
2.2 Was ist Kultur?
In den zahlreichen Definitionen des weiten Begriffs „Kultur“171 scheint beim ersten Hinsehen bisweilen wenig Übereinstimmendes zu finden sein. Was diese wissenschaftlichen und populär-wissenschaftlichen Versuche alle nicht leugnen können und somit gemeinsam haben, ist die lateinische Wortwurzel colere, was nicht weniger bedeutet als „bauen, bebauen, bearbeiten, für etwas Sorge tragen, bewohnen, ansässig sein, verpflegen, schmücken, verehren, heilig halten“.172
Es ist nicht Aufgabe der vorliegenden Studie, den Kulturbegriff als solchen, d.h. philosophisch, anthropologisch, ethnologisch, soziologisch, biologisch oder in einem engeren Sinn zu analysieren. Der Fokus liegt auf dem Begriff „Organisationskultur“, der den Blick auf die „Kultur“ zwar mit einschließt, diese jedoch im Kontext menschlicher Organisationen betrachtet. Zudem werden Kulturdebatten ständig von neuen Typologien und unterschiedlichen Kulturbegriffen getragen, wie sie beispielsweise der Kulturwissenschaftler Andreas Reckwitz aufzeigt: einen normativen Kulturbegriff (von Cicero bis Alfred Weber), einen totalitätstheoretischen (von Johann Gottfried Herder bis zur aktuellen Ethnologie), einen differenztheoretischen (von Friedrich Schiller bis Talcott Parsons) und einen bedeutungs- und wissensorientierten Kulturbegriff (von Ernst Cassirer über den amerikanischen Pragmatismus bis heute).173 Die vielfältigen Typologien und Definitionen von „Kultur“174 werden in den meisten Gesellschaften jedoch durch ähnliche, zumindest vergleichbare Wesensinhalte definiert: Es geht um kollektiv programmierte Denk- und Verhaltensmuster, um von einer sozialen Gruppe (mehr oder minder) akzeptierte Werte und Normen des täglichen Lebens, die aus der Vergangenheit tradiert sind und für die Lösung zukünftiger Probleme und die Bewältigung kommender Herausforderungen bewusst oder unbewusst herangezogen werden.
Johannes Messner (1891–1984), Theologe, Rechtswissenschaftler und Politiker, antwortet in seinem 1954 erschienenen Werk „Kulturethik“ auf die Frage, was Kultur ist: „… offenbar das, worin der Mensch die Vollentfaltung des wahrhaft Menschlichen findet“.175 Ruft man sich große Denker ins Gedächtnis, die sich mit der Kultur und den Kulturen beschäftigt haben, wie Plato, Aristoteles, Thomas von Aquin, Immanuel Kant, Georg W. F. Hegel, Arnold J. Toynbee, Friedrich Nietzsche, Thomas S. Eliot, Clyde Kluckhohn, Adolf Portmann, Christopher H. Dawson und andere, so ist klar zu erkennen, dass dieses vielschichtige und vielgestaltige Thema „Kultur“ Philosophen, Anthropologen, Theologen, Ethnologen und Soziologen seit Jahrhunderten gleichermaßen beschäftigt und in Bann gezogen hat.
Die explizite und somit systematisch-wissenschaftliche Beschäftigung mit der Thematik „Kultur“ hat erst in den letzten hundert Jahren Bedeutung erlangt. Das Brockhaus Konversations-Lexikon in seiner 14. Auflage aus dem Jahr 1894 widmete dem Begriff „Kultur“ lediglich siebzehn Spaltenzeilen und bezeichnet mit dem Wort „teils die Thätigkeit, die auf einen Gegenstand gewendet wird, um ihn zu veredeln oder zu gewissen Zwecken geschickt zu machen, teils den Erfolg dieser Thätigkeit“.176 Wird dort zwar schon von der Kultur des Geistes, der Wissenschaften und Künste und nicht nur von „der Kultur eines Ackers“ gesprochen,177 fehlt auch noch in der 14. Auflage (1929) des großen Konversationslexikons für den englischen Sprachkreis, der Encyclopaedia Britannica, das Stichwort Culture gänzlich.178 Googelt man heute jedoch im worldwide web, so liefert der deutsche Begriff „Kultur“ in 0,46 Sekunden 219,000.000 (in Worten: zweihundertneunzehn Millionen) Ergebnisse179 und das englische „culture‘ in 0,40 Sekunden 1.470,000.000 (in Worten: eine Milliarde vierhundertsiebzig Millionen) Hits.180
Messner fasst die Wesensbestimmung des Begriffs „Kultur“ mit den Worten zusammen: „Unsere Erörterung des Kulturbegriffs ließ drei Wesenszüge der Kultur erkennen: Kultur ist Lebensform, Ordnung und Aufgabe …“181. Und damit baut er eine Brücke zu dem, was heute wissenschaftlich, aber auch allgemein unter Unternehmenskultur verstanden wird.
Es ist nicht verwunderlich, dass sich auch die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanums mit dem beschäftigt, was unter Kultur zu verstehen ist, wobei die Konzilsväter am Schluss ihrer Gedanken eine „diakonale Nachhaltigkeit“ alles Wachsens, Schaffens und Denkens für die ganze Menschheit artikulieren (GS 53):
Unter Kultur im allgemeinen versteht man alles, wodurch der Mensch seine vielfältigen geistigen und körperlichen Anlagen ausbildet und entfaltet; wodurch er sich die ganze Welt in Erkenntnis und Arbeit zu unterwerfen sucht; wodurch er das gesellschaftliche Leben in der Familie und in der ganzen bürgerlichen Gesellschaft im moralischen und institutionellen Fortschritt menschlicher gestaltet; wodurch er endlich seine großen geistigen Erfahrungen und Strebungen im Lauf der Zeit in seinen Werken vergegenständlicht, mitteilt und ihnen Dauer verleiht zum Segen vieler, ja der ganzen Menschheit.
2.2.1 Organisationskultur
Organisationskultur, ein Begriff, für den wirtschaftliche Unternehmen den Namen „Unternehmenskultur“ präferieren, ist keine Schöpfung der letzten Jahrzehnte, auch wenn sich die Wissenschaft im Rahmen der Organisationstheorie erst seit etwa hundert Jahren systematisch mit diesem Wissenszweig auseinandersetzt. Eine aktuelle Stichprobe zeigt für den Begriff organizational culture (in englischer Sprache) 22,2 Millionen elektronische Einträge, corporate culture sogar 145 Millionen Hits.182 Soweit die Menschheitsgeschichte dokumentiert ist, wurden die alltäglichen geistigen und physischen Aktivitäten in sozialen Gebilden, sei es in ganzen Staatsgebilden, in öffentlichen Verwaltungen, Kirchen, Klöstern, Verbänden, karitativen Einrichtungen, Universitäten, Unternehmen, etc. im jeweiligen Umfeld stets von Weltanschauungen, Traditionen, Werten, Richtlinien, Überzeugungen, Glaubenssätzen und Haltungen geformt, die ihrerseits von der „übergeordneten“ Gesamtkultur getragen wurden. Für eine Organisation oder Institution, in der von Menschen in sozialer Interaktion etwas unternommen, gepflegt, erneuert, bebaut, erwirtschaftet oder verehrt wird, gilt der Kulturbegriff analog zu dem in der ganzen Gesellschaft, in der diese Organisation verwurzelt und somit eingebettet ist.183
So wie also eine Analogie zwischen Unternehmenskultur und Gesamtkultur hergestellt werden kann, ist auch beispielsweise eine Analogie der Organisationskultur einer Ortskirche und der regionalen oder nationalen Gesamtkultur, in der diese Ortskirche wirkt, anzunehmen. Die in und nach der III. Außerordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode über „die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung“ im Oktober 2014 aufflackernde Diskussion – vor allem über die Themen wiederverheirateter Geschiedener und gleichgeschlechtlicher Beziehungen – haben die kulturellen Unterschiede zwischen „einer“ europäischen und „einer“ afrikanischen bzw. asiatischen Kultur klar zur Sprache gebracht. Die Äußerungen und Schlussabstimmungen vor allem afrikanischer und asiatischer Bischöfe ließen jedoch klar anklingen, dass sie sich nicht von „einer“ europäischen Kultur bevormunden lassen wollten; wobei zu bemerken ist, dass nur bedingt von einer „einen“ europäischen, afrikanischen oder asiatischen Kultur gesprochen werden kann – auch in der Kirche.
Papst Franziskus ist sich – vielfach intensiver als seine Vorgänger – der bunten kulturellen Vielgestaltigkeit der universalen Kirche bewusst und spricht in Evangelii gaudium vom Volk Gottes als „Volk der vielen Gesichter“ (EG 115). Und in Anlehnung an Augustinus präzisiert er: „Die Gnade setzt die Kultur voraus, und die Gabe Gottes nimmt Gestalt an in der Kultur dessen, der sie empfängt“ (EG 115). Damit festigt er die Prämisse, dass sich die innere Kultur der Kirche, also ihre Organisationskultur, nach dem Willen Gottes nicht von der sie umschließenden Kultur separieren lässt. Zu einer solchen wesensbestimmenden Voraussetzung für einen innerkirchlichen Dialog ist die lernende Kirche allerdings noch unterwegs.
Der 1928 in der Schweiz geborene Edgar E. Schein, Doyen der Unternehmenskultur, der viele Jahre am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA, Organisationspsychologie und -entwicklung und Management unterrichtet hat, geht in seiner Forschung von einem „wirkmächtigen Erklärungs- und Anschauungsmodell“184 aus, um den Begriff der „Unternehmenskultur“ als die „gemeinsamen, unausgesprochenen Annahmen“ zu definieren, „auf die sich das alltägliche Verhalten [einer bestimmten Organisation] stützt“.185
In einem praxisorientierten Seminarangebot des deutschen Management Circle wird darauf hingewiesen, dass sich Organisationspsychologie „mit der Schnittstelle Mensch und Organisation“ befasst und „eine Steuerungsfunktion in Sachen Unternehmenskultur und Betriebsklima“ einnimmt.186 Auch wenn darin vor allem die Führungskräfte im Human Resources Management als Zielgruppe angesprochen werden, kann die Verantwortung für organisationspsychologische Belange nicht alleine, vor allem nicht vornehmlich auf Mitarbeiter im Personalbereich eines Unternehmens limitiert werden. Denn Organisationspsychologie schließt alle auf die Person bezogenen Schnittstellen einer Organisation mit ein: beginnend mit der Personalauswahl über die Mitarbeiterführung und -motivation bis hin zu Veränderungsprozessen, für deren tägliche Umsetzung mehr der direkte Vorgesetzte als der Humanressourcen-Manager Verantwortung trägt. Denn: Der Personalchef ist nicht Chef des Personals. In Unternehmen, in denen die funktionalen Führungskräfte der Personalverantwortung entzogen sind und ausschließlich der Personalmanager für die Unternehmenskultur und das positive Betriebsklima verantwortlich zeichnet, mag zwar die theoretisch-wissenschaftliche Basis vorhanden, für den einzelnen Mitarbeiter jedoch die praktische Umsetzung und damit die auf die Person bezogene Glaubwürdigkeit in Frage gestellt sein.
Organisationswissenschaftlich (und nicht psychologisch, anthropologisch oder wirtschaftswissenschaftlich) beschreibt Schein drei Ebenen der Organisationskultur:187
(1) die Artefakte, also das von Menschenhand Geschaffene, wie beispielsweise das Logo oder die Produktmarke einer Institution, deren sichtbare Organisationsstrukturen und Arbeitsprozesse, die meistens schwer zu artikulieren oder zu entschlüsseln sind;
(2) die öffentlich propagierten Werte und Rechtfertigungen, wie etwa Strategien, Ziele oder Unternehmensphilosophien; und
(3) grundlegende, unausgesprochene Annahmen des Unternehmens, der Institution oder Organisation, wie etwa unbewusste, für selbstverständlich gehaltene Überzeugungen, Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle, letztlich die Quelle der Werte des Handelns.
Um den Zweck einer Gruppe oder einer Organisation sichtbar zu machen und die definierten Ziele zu erreichen, kann Organisationskultur demnach als die komplexe Gesamtheit gemeinsam getragener Grundüberzeugungen, Werte und Einstellungen bezeichnet werden. Diese kommen beispielsweise in den Wertvorstellungen der Führungskräfte oder in der Art und Weise des Umgangs miteinander – sowohl nach innen als auch nach außen hin – zum Ausdruck.
Eine positive Unternehmenskultur ist bemüht und versteht es, Ziele, Mitarbeiterengagement und Kundenorientierung in Einklang zu bringen, wobei nachgewiesen ist, dass Zufriedenheit der Mitarbeiter einen direkten Konnex mit Kundenzufriedenheit aufweist. Sie ist der eigentliche Motor der gemeinsamen, unausgesprochenen Annahmen, auf die sich das alltägliche Verhalten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einer Organisation stützt.188
Aus diesen grundsätzlichen Überlegungen, denen die Erfahrung in profit- und sozial orientierten Unternehmen zugrunde liegt, ergibt sich die Definition einer kirchlichen Organisationskultur: Sie kann als die Gesamtheit der nach innen und außen hin sicht- und greifbaren, jedoch oft unreflektierten und unbewussten, tradierten und gemeinsam gelebten Denk-, Verhaltens- und Handlungsweisen aller Mitglieder des Volkes Gottes definiert werden, die auf gemeinsamen Werten, Glaubensüberzeugungen und vereinbarten Zielen und Visionen beruht.
So wie jeder Gottesdienst nicht nur die versammelte Gemeinde berührt, sondern konstitutionell eine missionarische Bedeutung in sich trägt, begegnen sich auch in den Ortskirchen und somit in der Weltkirche das Auf-sich-Bezogene und das Auf-nach-außen-hin-Bezogene; ohne scharfe Abgrenzungen und stets sich in Bewegung befindlich. Petra Bahr, die Kulturbeauftragte der evangelischen Kirche Deutschlands, spricht im Kontext der immer wieder aufflammenden Kruzifix-Debatte in öffentlichen Gebäuden und Schulen davon, dass es in dieser Situation keiner Grenzschützer bedarf, wohl aber „sensible[r] Übergangsbegleiter in beide Richtungen“.189 Das Kreuz, sozusagen als das christliche Logo (fast aller Kirchen), wird nicht nur innerhalb der Glaubensgemeinschaft, sondern auch von außen her wahrgenommen. Wenn im Titel dieser Studie von Organisationskultur „der Kirche“ und nicht „in der Kirche“ die Rede ist, wird die duale Orientierung der kirchlichen Kultur nach innen und nach außen hin unterstrichen. So wie „ein Glaube, der keine Bedeutung für die Öffentlichkeit hat, […] nicht dem Evangelium [entspricht]“,190 so können Verhaltens- und Handlungsweisen innerhalb der kirchlichen Mauern nicht einen geschützten Raum vortäuschen, der von der Außenwelt verborgen und nicht einzusehen wäre.
Als Christen sind wir davon überzeugt, dass der Geist Gottes dem Menschen, der seinen Ruf hört und diesem auch antwortet, die Fähigkeiten nicht vorenthält, den Sendungsauftrag für das Volk Gottes auch umsetzen zu können; gewiss jedoch nur im Ausmaß des menschlich Möglichen. Papst Benedikt XVI. spricht davon, dass seine menschlichen Kräfte nicht mehr genügen, „um das Schifflein Petri zu steuern“, denn dazu „ist sowohl die Kraft des Körpers als auch die Kraft des Geistes notwendig; eine Kraft, die in den vergangenen Monaten in mir derart abgenommen hat, dass ich mein Unvermögen anerkennen muss, den mir anvertrauten Dienst weiter gut auszuführen“.191 Mit diesem Schritt der Einsicht, dass das Petrusamt nicht nur eine göttliche Dimension beinhaltet, sondern ganz wesentlich auch von der menschlicher Unvollkommenheit abhängt, hat Benedikt wohl Neuland in der neueren Kirchengeschichte betreten und damit wahrscheinlich auch die Struktur dieses Dienstamtes für alle Zukunft verändert.
Abschließend kann gesagt werden, dass der Begriff „Kultur“ eher großzügig undefiniert und bisweilen beliebig schlampig verwendet wird. Nicht nur in der zivilen Gesellschaft, sondern auch in der Kirche, die allerdings in ihrem Denken, Sprechen und Tun die Gewissheit des gemeinsamen Ziels immer vor Augen hat (oder haben sollte), was auf profaner Seite nicht immer der Fall ist oder sein muss. In der Communio der Kirche geht es trotz der vielen Unterschiede und Meinungen um die Mitte, die nur Gott sein kann, den Weg, der Christus ist, und deren einenden Geist. In der Diskussion um den „Aufruf zum Ungehorsam“ der österreichischen Pfarrer-Initiative spricht sich der damalige Grazer Bischof Egon Kapellari im Hirtenbrief zu seinem 50-jährigen Priesterjubiläum für eine „,Kultur der Treue’ und ein Aushalten von Gegensätzen innerhalb der Kirche aus“.192 Eine solche Haltung von Führungskräften, Mitarbeitern oder Kunden würde ein säkulares Unternehmen über kurz oder lang an den Rand eines Konkurses führen. Für die Kirche konstituiert dieses Wort des emeritierten Bischofs der Diözese Graz-Seckau ein Wesensmerkmal, das in ihrem Haupt, Jesus Christus begründet ist (Kol 1,18); allerdings nur bis zu der von ihm gesetzten Grenze, jenseits der welcher Weg, der er selbst ist, verlassen werden könnte.
2.2.2 Kirche als Subjekt und Studienobjekt
Wenn immer ein getaufter Christ über Kirche spricht, tut er das als Mitglied des Volkes Gottes, also als Subjekt, das in seinem Glauben die Kirche als Objekt wahrnimmt – freilich unter verschiedenen Gesichtspunkten. Vor dem Zweiten Vatikanum hat sich Kirche wesentlich exklusiv definiert, d.h. wer immer nicht ihrem Lehramt und ihren Geboten folgte, positionierte sich selbst außerhalb ihrer kanonisch gezogenen Grenzen. Ein halbes Jahrhundert nach dem Konzil beginnt trotz konsequenter Querschüsse seitens traditionsgebundener Gruppen das Bild einer inklusiven Kirche Raum zu gewinnen. Kirche ist nicht nur in Kathedralen zuhause, sondern reicht bis dorthin, wo sie sich auch verletzen und beschmutzen könnte (vgl. EG 49). Jeder Getaufte, in noch so naher oder ferner Position zur Kirche, gestaltet ihre Kultur mit, drückt also der kirchliche Kultur gleichzeitig seinen Stempel auf und kann sie auch „von außen“ her betrachten und analysieren.
Ein- und abgegrenztes Objekt der Untersuchung ist nicht in spezieller Betrachtungsweise die Kultur des Vatikans, nicht die Kultur der Kurie, nicht die Kultur einer bestimmten Bischofskonferenz oder einer Ordensgemeinschaft, nicht die Kultur einer Diözese oder eines Ordinariats, nicht die Kultur eines Pastoralraums, einer Pfarre oder einer kleinen christlichen Gemeinschaft … Es geht vielmehr um die Kultur des Volkes Gottes auf seinem Pilgerweg durch Zeiten und Räume dieser Welt, in der es ins Reich Gottes unterwegs ist. Mit anderen Worten: Alle Denk-, Verhaltens- und Handlungsweisen dieser Subkulturen sind offene Objekte der Studie. In einem Unternehmen mag der Kunde fein säuberlich zwischen der Kultur des Außendienstes oder der Produktion und der Kultur der administrativen Zentrale unterscheiden, im kirchlichen Bereich wird eine solche Distinktion viel schwieriger glaubhaft zu vertreten sein. Wenn kritische Medien über diesen Bischof oder jene Diözese oder im Besonderen über den Pfarrer berichten, meinen sie die Kirche mit, wenn auch nicht immer gleich die globale, so zumindest die lokale Kirche.
Wenn also in dieser Studie über die Kultur der Kirche gesprochen, diese auch „diagnostiziert“ und über ihren Wandel nachgedacht wird, ihre sicht- und greifbaren, tradierten und gemeinsam gelebten Denk-, Verhaltens- und Handlungsweisen auf den Prüfstand gestellt werden, ist die Übersetzung der globalen Kirche in den konkreten Gemeindealltag und gleichzeitig die Übertragung der „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute“ (GS 1) in die von Jesus Christus gewollte katholische, das heißt alle Fülle umfassende Weltkirche und in ihre pfarrlich strukturierten Ortskirchen unabdingbar.
Auch wenn sich die kirchliche Hierarchie bisweilen echte Schwierigkeiten zugestehen muss, die gesprochenen und gelebten Worte Jesu ohne Verfälschung des kirchlichen Lehramtes verständlich in die Gegenwart zu übersetzen, scheinen die „Laien“ – aus welchen Gründen auch immer – oft einen leichteren und unbeschwerteren, wenn auch manchmal weniger reflektierten Zugang zum Lexikon des überzeugenden christlichen Lebens zu haben. Trotz der Untrennbarkeit des hierarchischen kirchlichen Lehramts und der „Basis“ der Kirche muss deren sensus fidei, der „Glaube als Antwort auf das Wort Gottes“193 im Licht des „allgemeinen Prophetentums“ des getauften Christen noch immer als Stiefkind nebenher laufen.
Bisweilen wird der einfache Gläubige von dem einen oder anderen Theologen als „unreif“ bezeichnet, unreif in Bezug auf sein Glaubenswissen und -leben. Diese Unreife aber gründet vielfach in der Unreife jener klerikalen „Gottesdiener“ selbst, die meinen, dass der Dienst Gottes alleine ihre Aufgabe sei. So verwundert immer wieder die krampfhafte Stille, wenn der Priester oder Diakon die Teilnehmer an der Eucharistie- oder Wort-Gottes-Feier einladen, beim Gebet des Volkes ihre eigenen Fürbitten vorzutragen. Da verkrampfen sich sogar die Lippen von Generaldirektoren und Akademikern, lediglich die ungeübten Zungen des einfachen Kirchenvolkes zeigen Mut, ihre Gedanken zu formulieren. Dahinter steckt ebenso die „Unreife“, alle andere, nicht aber sich selbst zur Kirche zu zählen.
Wenn die Meinungsumfrage bezüglich der kirchlichen Kultur alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der Kirche ebenso anspricht wie den nicht direkt in der Kirche aktiven Mitarbeiter, ist das ein klares Signal für eine Kultur des gemeinsamen Denkens und Handelns in der Kirche, nicht eines individualistischen Wegs, mag ein solcher noch so sehr theologisch begründet und kirchlich approbiert zu sein. „Es macht keinen Sinn über Theologie zu sprechen, wenn wir dem Nächsten nicht helfen“, stellt Papst Franziskus die soziale Agenda in den Mittelpunkt dessen, was wir Kirche nennen.194 Diese Erinnerung und zugleich Ermahnung des Papstes an die missionarische Aufgabe aller Pilger des wandernden Volkes Gottes mag auch auf die konkrete pastorale Zielsetzung des praktisch-theologischen Aspekts der Gestaltung der Organisationskultur der Kirche verweisen. Pastoral meint nicht, mit den Menschen über die Kirche, auch nicht über Gott zu sprechen, sondern ihnen den Weg zu öffnen, mit Gott zu sprechen.
Aus christlicher Sicht bedeutet „orientieren, wahrnehmen, deuten und handeln“ im Kontext der kirchlichen Kultur gleichzeitig aktive Beschäftigung und passive individuelle und soziale Betroffenheit. Ohne den Wert von Studien minimieren zu wollen muss jedoch festgehalten werden, dass die Mehrzahl wissenschaftlicher Traktate über Organisationskultur von Lehrenden der Organisationswissenschaften und -theorien und Unternehmensberatern verfasst wurden und werden, die von einer Diagnose der Organisationskultur ausgehen, ohne jemals selbst Teil der untersuchten Organisation gewesen zu sein.
Eine Unternehmenskulturanalyse ist zunächst alles andere als einfach, denn sie beinhaltet eine zweifache Herausforderung, die auch in dieser Forschungsarbeit nicht unterschätzt werden darf: Erstens lebt jede Unternehmenskultur im Kontext oft zahlreicher Subkulturen, die nicht immer mit der übergeordneten Kultur in Einklang zu bringen sind. Als Beispiel für ein solches Auseinanderklaffen von Kulturen wären die unterschiedlichen Charaktere eines Ordens und der Diözese, in der er wirkt.195 Und zweitens manifestiert sich keine Kultur eines sozialen Gefüges als klar ersichtliches, exakt umrissenes und vielleicht sogar quantifizierbares Bild, sondern ist gefordert, aus vielen Einzelelementen ein qualitatives Spiegelbild und somit eine (für einen Dritten) verständliche Aussage zu erarbeiten, die allerdings „sicher ein intuitives Moment nicht ausschließen läßt“.196 In anderen, die vorliegende Studie betrachtenden Worten: Die Beschäftigung eines engagierten Kirchenmitglieds mit der Organisationskultur der Kirche bringt gewiss Vor-, aber auch Nachteile mit sich: einerseits ein gewisses Insiderwissen, andrerseits aber das Faktum, dass ein wertneutraler „Objektivismus“ selbst bei professionellen Beobachtern fast nicht möglich erscheint. Ein unabhängiger, also ein strikt neutraler Standpunkt im Diagnoseprozess einer Organisation ist extrem schwierig zu erreichen, denn jeder noch so wissenschaftlich orientierte Fachmann wird mit seinen persönlichen Wertvorstellungen, Denkschemata und Verhaltensweisen an die Aufgabe herangehen. Bewusst und noch mehr unbewusst unterlegte Hypothesen können die Objektivität einer Kulturanalyse belasten. Die Gefahr besteht sowohl in einer Identifikation mit der untersuchten Kultur als auch in einer gezielten Distanzierung.
Die im Kapitel 6 „Kulturanalyse zweier österreichischer Diözesen“ dargestellten Ergebnisse einer exemplarischen Befragung von Mitarbeitern und Gläubigen stützt sich auf die langjährige Erfahrung mit solchen Prozessen in der säkularen Wirtschaft und in karitativen Institutionen, von denen einige der Kirche angehören oder dieser sehr nahe stehen. In solchen Befragungen ging es nie um eine Wertung im Sinne einer organisatorischen Kultur-Exzellenz, sondern stets um die Orientierung aller Stakeholder, das Unternehmen auf seinem Weg zum strategischen Ziel effizient und effektiv zu begleiten. Eine solche qualitative Intention liegt auch der empirischen Erfassung der Unternehmenskultur zweier österreichischer Diözesen zugrunde.
2.2.3 Kirche – eine Gesellschaft mit hierarchischen Organen
Aber, so stellt sich die Frage, kann und darf die eine Kirche Jesu Christi wirklich als Organisation bezeichnet werden – auch wenn die Kirchenkonstitution Lumen gentium im Zweiten Vatikanischen Konzil die irdische Kirche als sichtbare, also soziale Versammlung (LG 8) definiert hatte? Bei seiner morgendlichen Predigt in der Kapelle des Hauses Santa Marta griff Papst Franziskus einmal die Turbulenzen um die Vatikan-Bank IOR auf und meint, dass die Kirche „ihre wesentliche Substanz verliert“,197 wenn sie sich in ihrem Verhalten und ihren Aktivitäten als Organisation definiert. Ob der Papst mit diesen Worten der Kirche menschliche und soziale Werte absprechen möchte, die in jeder Organisation, in der Menschen zusammenarbeiten, zum Tragen kommen, oder ob er mit der Bezeichnung Organisation vielleicht doch eher mafia-verwandte Strukturen meinte, muss offen bleiben. Beides ist denkbar, aber aus dem theologischen Verständnis des Konzils, und hier vor allem der Kirchenkonstitution, bietet sich doch eher eine hermeneutische Eingrenzung dahingehend an, dass der Kirche, die „geheimnisvoller Leib Christi“ ist, als einer „mit hierarchischen Organen ausgestatteten Gesellschaft“ (LG 8) kaum das Wesensmerkmal einer Organisation abgesprochen werden kann.
Um potentiellen, sowohl angestrebten oder aber auch unbewussten Fehlinterpretationen aus dem Weg zu gehen, sei hier jedoch der Versuch gewagt, die vielleicht zu sehr auf eine weltliche Institution bezogene und damit eingrenzende Begriffsbezeichnung „Organisationskultur“ im Kontext der Kirche Jesu Christi präziser zu formulieren. Zudem könnte die Begrifflichkeit „Organisationskultur“ zur Betrachtung einer eindimensionalen, d.h. der sichtbaren Fassade der Kirche verleiten. Um der ungeteilten komplexen Wirklichkeit der Kirche nach Lumen gentium gerecht werden zu können, sollte demnach der in der Betriebswirtschaft wurzelnde Ausdruck „Organisationskultur“ für die Kirche präziser und somit auch unmissverständlicher gefasst werden.
Um diese Spannung lösen zu können, bedarf es der Reflexion auf die Sendung der Kirche in der Welt. „Man wird den ganzen Fragen nur gerecht, wenn man die Botschaft von der Gottesherrschaft als die Mitte der Verkündigung Jesu darstellt“, schreibt Kardinal Karl Lehmann schon 1982, damals noch nicht Bischof, und fügt hinzu: „Jesus sieht die endzeitliche Gottesherrschaft als das Heil an, das schon jetzt das ganze Denken und Handeln des Menschen bestimmen soll.“198 Es geht also keineswegs um eine Vertröstung auf das jenseitige Reich Gottes, sondern um die Verkündigung der Frohen Botschaft, dass Gottes Herrschaft schon hier auf Erden Möglichkeit hat zu keimen und zu wachsen, aber noch nicht zur vollen Blüte kommen kann.
Jede soziale Organisation oder Institution, ob wirtschaftlich, karitativ, wissenschaftlich oder religiös gesehen, baut in und um sich neben der Organisationskultur
(1) eine Strategie, also einen „genauen Plan des eigenen Vorgehens [auf], der dazu dient, ein militärisches, politisches, psychologisches, wirtschaftliches o.ä. Ziel zu erreichen, und in dem man diejenigen Faktoren, die in die eigene Aktion hineinspielen könnten, von vornherein einzukalkulieren versucht“199; und
(2) eine Struktur, die die „Anordnung der Teile eines Ganzen zueinander“ regelt, etabliert einen gegliederten Aufbau, also eine innere Gliederung des Handelns, und ein „Gefüge, das aus Teilen besteht, die wechselseitig voneinander abhängen; [also ein] in sich strukturiertes Ganzes.“200
Die Organisation der Kirche und ihrer nahestehenden Organisationen, die mit ihr direkt oder indirekt verbunden sind, unterscheidet sich in diesem organisationstheoretischen Sinn nicht von anderen Organisationen, auf die diese zitierten Definitionen Bezug nehmen.
72 Siehe Kap. 6., Kulturanalyse zweier österreichischer Diözesen.
73 Vgl. Soares-Prabhu, Biblical Themes, 16-25.
74 Vgl. ebd., 16.
75 Vgl., ebd., 16. Als indischer Jesuit hat Soares-Prabhu aus den letzten Jahrhunderten christlicher Missionsarbeit gelernt und sieht heute die Fehltritte vor allem evangelikaler Missionare sehr klar, ohne allerdings Vertreter großer christlicher Gemeinschaften und selbst die katholische Kirche von solchen zweifelhaften Missionspraktiken auszuschließen.
76 Vgl. Soares-Prabhu, 18-19.
77 Soares-Prabhu, Biblical Themes, 20: „Because living out Christian life properly is already mission, the Sermon on the Mount, which marks out the contours of Christian living, becomes a strategy for mission!” [Übersetzung des Verfassers].
78 Siehe Kap. 5, Sechs Dimensionen einer kirchlichen Organisationskultur.
79 Vgl. Soares-Prabhu, 21-23.
80 Ebd.: „[…] and not just of a mother Teresa in it“ [Übersetzung des Verfassers].
81 Vgl. Eucharistiefeier mit den Kardinälen, Predigt von Papst Franziskus in der Sixtinischen Kapelle am 14.03.2013, in: https://w2.vatican.va/content/francesco/de/homilies/2013/documents/papafrancesco_20130314_omelia-cardinali.html, abgerufen am 23.02.2015.
82 Vgl. Soares-Prabhu, 21.
83 Vgl. Werlen, Heute im Blick, 163-164.
84 Vgl. Soares-Prabhu, 21-22.
85 Im Original: „I would suggest, first, that all of you Christians, missionaries, and all, must begin to live more like Jesus Christ.” [Übersetzung des Verfassers], in: Where Love is, God is Also, http://robtshepherd.tripod.com/gandhi.html, abgerufen am 23.02.2015.
86 Gandhi, Christian Missions, 162, „Don’t talk about it. The rose doesn’t have to propagate its perfume. It just gives it forth and people are drawn to it. Don’t talk about it. Live it. And people will come to see the source of your power” [Übersetzung des Verfassers].
87 Barry/Doherty, Gott in allen Dingen finden, 103-106.
88 Soares-Prabhu, Biblical Themes, 22, „[…] as leading history to its fulfilment in the full realization of the kingdom of God“ [Übersetzung vom Verfasser].
89 Vgl. Werlen, Heute im Blick, 163-166.
90 Vgl. Soares-Prabhu, Biblical Themes, 23.
91 Fußnote zitiert in LG 23: Cyprian, Epist. 55, 24: Hartel 642, Z. 13: „Die eine Kirche ist über die ganze Welt hin in vielen Gliedern verteilt“, ders., Epist. 36, 4: Hartel 575, Z. 20 bis 21.
92 Vgl. Dulles, A., Models of the Church, Garden City, NY, 1974.
93 Kasper, Katholische Kirche, 180.
94 Vgl. ebd., 181-190.
95 Ebd., 183.
96 Ebd., 196.
97 Vgl. Rahner, K., Kirche der Sünder, Freiburg im Breisgau 2011.
98 Martin Luther „hat das ‚blinde undeutliche Wort Kirche‘ oft als Versammlung und versammelten Haufen bestimmt“, zitiert in: Kasper, Katholische Kirche, 184 nach: Luther, M., BSLK 656; WA 5, 293; 50, 635.
99 Vgl. dazu die von Papst Pius XII. am 29. Juni 1943 veröffentlichte Enzyklika Mystici corporis.
100 Kasper, Katholische Kirche, 185.
101 Kasper, Papst Franziskus, 53.
102 Vgl. ebd.
103 Vgl. Ansprache von Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch in der Synagoge von Rom, 1986, zitiert in: Lustiger, Kardinal Jean-Marie; „Unsere älteren Brüder“ (Johannes Paul II.). 40 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil und Nostra aetate, (https://www.nostra-aetate.unibonn.de/kirchliche-dokumente/online-publikation-die-kirchen-und-das-judentum/i.-katholische-verlautbarungen-1/pdfs/pdf-201eunsere-aelteren-brueder201c-johannes-paul-ii.-.-40-jahrezweites-vatikanisches-konzil-und-nostra-aetate, abgerufen am 01.12.206); Jorge Bergoglio im Gespräch mit Rabbiner Abraham Skorka, in: Bergoglio, Jorge (Papst Franziskus), Skorka, Abraham, Über Himmel und Erde, München 2013.
104 Kasper, Katholische Kirche 185.
105 Augustinus, Sermones 341, 9, 11; Enarrationes in Psalmos 90,1; De civitate Dei XVIII, 51, zitiert in: Kasper, Katholische Kirche, 186.
106 Kasper, Katholische Kirche, 188.
107 Ebd., 190.
108 Vgl. Fußnote des Originaltextes von LG 8: Leo XIII., Enz. Sapientiae christianae, 10. Jan. 1890: ASS 22 (1889-90) 392; ders., Enz. Satis cognitum, 29. Juni 1896: ASS 28 (1895-96) 710 u. 724ff. Pius XII., Enz. Mystici corporis, 29. Juni 1943: AAS 35 (1943) 199f.
109 LG 8; vgl. auch Fußnote des Originaltextes von LG 8: Vgl. Pius XII., Enz. Mystici corporis, a. a. O. 221ff; ders., Enz. Humani generis, 12. Aug. 1950: AAS 42 (1950) 571.
110 Vgl. Toynbee, Arnold, Menschheit und Mutter Erde. Die Geschichte der großen Zivilisationen, Berlin 1979.
111 Vgl. Kropfberger, Erfolgsmanagement statt Krisenmanagement, 82-88.
112 Vgl. Fußnote des Originaltextes von LG 8: Leo XIII., Enz. Satis cognitum, 29. Juni 1896: ASS 28 (1895-96) 713.
113 Vgl. Bischof Wanke, Kirche darf nicht als Apparat auftreten, in: http://www.kathpress.at/site/nachrichten/database/68361.html, abgerufen am 10.03.2015.
114 Vgl. Eucharistiefeier mit den Kardinälen, Predigt von Papst Franziskus in der Sixtinischen Kapelle am 14.03.2013, in: https://w2.vatican.va/content/francesco/de/homilies/2013/documents/papafrancesco_20130314_omelia-cardinali.html, abgerufen am 23.02.2015.
115 Vgl. Wiedenhofer, Societas perfecta, in: LThK 33 06, Bd. 9, 681-682.
116 Römischer Messkanon, Schott-Messbuch. Originaltexte der authentischen deutschen Ausgabe des Messbuches und des Messlektionars.
117 Vgl. Bruners, Über die Steppe hinaus…, in: Dein Wort – Mein Weg, 2/15, 7-9.
118 Vgl. Siegmar, Priester-Aufstand gegen den Papst, in: Kirche In, 29. Jg./Nr.3, 20-23.
119 Vgl. Ansprache von Papst Benedikt XVI., Begegnung mit in Kirche und Gesellschaft engagierten Katholiken, Konzerthaus, Freiburg im Breisgau, 25. September 2011, in: http://w2.vatican.va/content/benedict-xvi/de/speeches/2011/september/documents/hf_benxvi_spe_20110925_catholics-freiburg.html, abgerufen am 12.03.2016.
120 Vgl. Bruners, Über die Steppe hinaus 0133 …, in: Dein Wort – Mein Weg, 2/15, 8.
121 Der jüdische Glaube spricht von der Wohnstatt Jahwes in seinem Volk, von der Schechina, der Anwesenheit bei seinen Leuten (hebr.: ##שכינה## šǝxīnāh), was diesen auch Ruhe, Glück, Heiligkeit oder Frieden bringt. Jahwe ist immer und überall anwesend, wo sein Volk ist.
122 Vgl. Rahner, K., Kirche der Sünder, Freiburg im Breisgau 2011.
123 Ebd. 17.
124 Ebd.
125 Vgl. Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft in menschlicher Schwäche, Freiburg 22.
126 Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft, 1; der Lobspruch auf die Kirche stammt von Hrabanus Maurus, Judith-Kommentar 13, PL 109, 576.
127 Vgl. Wiedenhofer, Societas perfecta, in: LThK, Bd. 9, 681-682.
128 Denzinger 1794, zitiert in Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft,11.
129 Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft, 11.
130 Ebd.
131 Augustinus, Ennarrationes in Ps. 30, Sermo 2,6 (PL 36, 243) zitiert in Rahner, H. Die Kirche, Gottes Kraft, 11.
132 Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft, 7.
133 Ebd., 10-11.
134 Augustinus, Enarrationes in Ps. 99, 11 (PL 37, 1278); zitiert in: Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft, 11.
135 Vgl. Die Papstansprache an die Kurie [22.12.2014], in: http://de.radiovaticana.va/news/2014/12/23/die_papstansprache_an_die_kurie/1115831, abgerufen am 16.09.2015.
136 Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft, 12.
137 Vgl. ebd.
138 Ebd.
139 Vgl. ebd., 14.
140 Vgl. Augustinus, Inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te, Domine., Conf. I, 1.
141 Vgl. Rahner, K., Kirche der Sünder, Freiburg im Breisgau 2011.
142 Vgl. László, Die Sünde in der heiligen Kirche Gottes, in: Congar et al., Konzilsreden. 35.
143 Ebd., 35-36.
144 Ebd., 36.
145 Ebd.
146 Vgl. ebd., 37-38.
147 Ebd., 38.
148 Ebd.
149 Rahner, K., Kirche der Sünder, 54.
150 Ebd., 22.
151 Papst traf Ordensleute: „Weckt die Welt auf!“, in: http://de.radiovaticana.va/newsletterde?data=05/01/2014, abgerufen am 05.10.2015. Um die Zitate von Franziskus richtig einordnen zu können, sei auf die Einleitung zu diesem Artikel in Radio Vatikan hingewiesen, in dem der Redakteur schreibt: „Das Protokoll des Gesprächs des Papstes mit den Oberen hat die italienische Jesuitenzeitschrift ‚La Civiltà Cattolica‘ […] veröffentlicht. Der Chefredakteur der Zeitung, Pater Antonio Spadaro, war vom Leiter der Vereinigung der Oberen, Pater Adolfo Nicolás, gebeten worden, bei der Begegnung dabei zu sein und Protokoll zu führen. […] Pater Spadaro fasst die dreistündige Unterredung, bei der der Papst in ungezwungener Atmosphäre und in freier Rede Fragen beantwortete, auf 15 Seiten zusammen […]“.
152 Ebd.
153 Augustinus, De civitate Dei I, 36; De doctrina christiana III, 323, 45.
154 Vgl. Kasper, Katholische Kirche, 249.
155 Vgl. Die Kirche, die sich um sich selber dreht: Theologischer Narzissmus, in: http://blog.radiovatikan.de/die-kirche-die-sich-um-sich-selber-dreht-theologischer-narzissmus/; abgerufen am 11.01.2015.
156 Orth, Rustikal. Papst Franziskus erntet mit seinen flapsigen Bemerkungen Proteste, in: Herder Korrespondenz 69, 3/2015, 113.
157 Oertel, Welcome in America, Holy Father, in: Herder Korrespondenz 69, 4/2015, 186.
158 Diesen Gedanken der „gegenseitigen Beweihräucherung“ greift Papst Franziskus auch nach fast zweijähriger Erfahrung im Pontifikat in seiner Weihnachtsansprache an die vatikanischen Mitarbeiter am 22. Dezember 2014 im Katalog der 15 Krankheiten der Kurie auf; vgl. http://w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2014/december/documents/papafrancesco_20141222_curia-romana.html, abgerufen am 10.01.2015.
159 Vgl. Die Kirche, die sich um sich selber dreht: Theologischer Narzissmus, in: http://blog.radiovatikan.de/die-kirche-die-sich-um-sich-selber-dreht-theologischer-narzissmus/; abgerufen am 11.01.2015.
160 Ebd.
161 Vgl. Leitner, Papst Franziskus, 9-11.
162 Vgl. Hesemann, Papst Franziskus; auch Leitner, Papst Franziskus, 6.
163 EG 23; Johannes Paul II, Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici, 32.
164 Vgl. Franziskus, Europa, wach auf!, 46-47.
165 Vgl. ebd.
166 Vgl. Werlen, Heute im Blick, 65.
167 Exerzitien mit dem Papst: Die „wahre Reform“ der Kurie, in: http://de.radiovaticana.va/news/2015/02/25/kurienexerzitien_als_%E2%80%9Ewahre_reform%E2%80%9C_der_kurie_diego_fares/1125489, abgerufen am 25.02.2015.
168 Ebd.
169 Großes Papst-Interview für das mexikanische Fernsehen, in: http://de.radiovaticana.va/news/2015/03/13/gro%C3%9Fes_papstinterview_f%C3%BCr_das_mexikanische_fernsehen/1129055, abgerufen am 14.03.2015.
170 Politi, Franziskus unter Wölfen, 37.
171 In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts sprach die Wissenschaft noch von etwa 170 verschiedenen Begriffsdefinitionen ‚Kultur‘, vgl. dazu Kroeber/Kluckhohn, 62 ff.
172 Vgl. Stowasser, J. M., Lateinisch-Deutsches Schulwörterbuch, Prag-Wien-Leipzig 1894, 196-197.
173 Vgl. Reckwitz, Andreas, Die Transformation der Kulturtheorien. Zur Entwicklung eines Theorieprogramms, Weilerswist 2000; vgl. auch Fuchs, Max, Kulturbegriffe, Kultur der Moderne, kultureller Wandel (2013), in: https://www.kubi-online.de/artikel/kulturbegriffe-kultur-modernekultureller-wandel, abgerufen 03.12.2016.
174 Vgl. Matis/Stiefel, Unternehmenskultur in Österreich, 50-51.
175 Messner, Kulturethik, 336.
176 Brockhaus Konversationslexikon, Berlin und Wien 1414, 10. Bd, 792.
177 Vgl. ebd.
178 Vgl. Encyclopaedia Britannica, Chicago 1929.
179 Google Search am 30.11.2015.
180 Ebd.
181 Messner, Kulturethik, 344.
182 Google Search am 18.09.2015.
183 Vgl. Pasquier, Unternehmenskultur, in: agogik, 7. Jg. 3/1984.
184 Reber, Christlich-spirituelle Unternehmenskultur, 29.
185 Schein, Organisationskultur, 39.
186 Organisationspsychologie, in: http://www.managementcircle.de/seminar/organisationspsychologie-3.html, abgerufen am 07.10.2015.
187 Vgl. Schein, Organisationskultur, 31-41.
188 Vgl. Hewitt Associates LLC. (Ed.), Employee Engagement: Insights into Why It Matters and What You Can Do About It, Lincolnshire Ill. 2004.
189 Der private Glaube – öffentlich, in: CIG, Nachrichten, Nr. 21/2014, 234.
190 Ebd.
191 Merz/Schwabeneder, Franziskus, 212.
192 Friedrich, Keineswegs einheitliche Positionierung der Bischöfe, in: Die Furche 37/2011, 15. September 2011, 5.
193 Internationale Theologische Kommission, Sensus fidei im Leben der Kirche, Überschrift Kap. 1a.
194 Merz/Schwabeneder, Franziskus, 208-209.
195 Vgl. z.B. die Haltung der Bischöfe der Diözese von Mostar-Duvno und T rebinje-Mrkanj zum Wallfahrtsort Medjugorje, in dem der Franziskanerorden verwurzelt ist, und die daraus resultierenden „strategischen“, strukturellen und vor allem kulturellen Unterschiede; die „atmosphärischen Störungen“ übertragen sich in manchen Fällen sogar auf andere Diözesen außerhalb von Bosnien und Herzegowina.
196 Matis/Stiefel, Unternehmenskultur in Österreich, 59.
197 Ebd., 181.
198 Lehmann, Neuer Mut zum Kirche sein, 14.
199 Definition von Strategie im Online-Duden, in: http://www.duden.de/rechtschreibung/Strategie, abgerufen am 30.11.2015.
200 Definition von Struktur im Online-Duden, in: http://www.duden.de/rechtschreibung/Struktur, abgerufen am 30.11.2015.