Читать книгу Organisationskultur der katholischen Kirche - Paul F. Röttig - Страница 9
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1.1 Strukturelle Hinführung
1.1.1 Anliegen und Grenzen der gestellten Aufgabe
Die Thematik des Einflusses der Organisationskultur, die Studien zufolge und somit statistisch nachweislich auf den Erfolg wirtschaftlicher Unternehmen, die Zielerreichung politischer Körperschaften, die Effektivität sozial orientierter Einrichtungen oder die Effizienz wissenschaftlicher Institutionen Einfluss hat,2 beschäftigt zunehmend auch kirchliche Gemeinschaften jeglicher pastoraler Ausrichtung und Größen, wie beispielsweise Gemeinden, Pfarreien, Seelsorgeräume, Ordensgemeinschaften, Ordinariate der Ortskirchen, karitative Einrichtungen und selbst die römische Kurie in ihrer Aufgabe für die Weltkirche.
In profit-orientierten Unternehmen der Gesellschaft spielen Analyse und Messbarkeit unternehmenskultureller Elemente und Erscheinungsformen eine essentielle Rolle in der angestrebten Umgestaltung oder geplanten Neuaufstellung der eigenen Unternehmenskultur oder im Wettbewerb um eine beherrschende Marktposition, die in der modernen Informationsgesellschaft zunehmend vom arbeitenden Menschen und weniger vom finanziellen Potential oder dem technischen Know-how bestimmt ist. Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 1997, die den Marktwert von Unternehmen untersucht, kommt zum Schluss, dass die intangable assets wie beispielsweise der interne und externe Informationsfluss, das Wissen und die Kompetenzen der Mitarbeiter oder Marktkenntnisse und Kundenbeziehungen in den meisten Branchen deren buchhalterischen Wert übersteigen.3 Das diese Prozesse umspannende unternehmerische Schlagwort heißt: Organisationsentwicklung, ein Begriff, der vor kurzem auch von kirchlichen und hier vor allem im Zusammenhang mit der Schaffung größerer Seelsorgeräume von pastoralen Kreisen zu Eigen gemacht wurde.4 So spricht Christian Hennecke im Kontext von Weg und Ziel pastoralen Handelns von „Kirchen-Entwicklung“5, die sowohl die geistliche Entwicklung als auch die Struktur- und Personalentwicklung mit einschließt.
Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist die wissenschaftliche Aufbereitung der kirchlichen Organisationskultur und des möglichen kirchlichen Organisationswandels (Culture Change)6, nicht jedoch der kirchlichen Organisationsstrategien und der Organisationsstrukturen, wenn diese auch von der Organisationskultur maßgeblich beeinflusst werden und somit nicht völlig von der kulturellen Dimension einer Organisation oder Institution separiert betrachtet werden können.7 Dem analytischen Teil dieser Überlegungen, vor allem dem Kapitel 5, das das kirchliche Kulturprofil generell betrachtet, wird die Kirche als die von Jesus gewollte Communio aller Getauften zugrunde gelegt, während sich der empirische Teil im Kapitel 6 aus praktischen Gründen eine Grenze setzen muss, kirchliche Organisationskultur also am Beispiel eines bestimmten ortskirchlichen Samples beschreiben wird.
1.1.2 Forschungsstatus
Im Bereich der Ökonomie und des Managements ist die Thematik der Unternehmenskultur gemeinsam mit der Unternehmensstrategie und Unternehmensstruktur in den letzten Jahrzehnten aus Gründen eines Wandels der sozioökonomischen Lebensbedingungen und, damit zusammenhängend, mit einem umfassenden Wandel der Wirklichkeit (vgl. GS 5) intensiv analysiert und in wissenschaftlichen Publikationen dargestellt worden.
In der Kirche und ihren zugeordneten kirchlichen Bereichen ist das Thema der Organisationskultur bis dato eher selektiv behandelt, jedoch nicht ganzheitlich wissenschaftlich aufgearbeitet worden. Einen nicht zu übersehenden Bereich bilden die vielen Leitbilder von Diözesen, Ordensgemeinschaften, Laienverbänden, kirchlich-karitativen Organisationen und Bildungsinstitutionen, aus denen zumindest theoretische Rückschlüsse auf die jeweilige Kultur der Organisation gezogen werden können. Auch die weit gestreute Literatur über christliche Lebensspiritualität berührt immer wieder, eher indirekt, die Art und Weise, wie Glaubende gemeinsam auf das eine Ziel hinarbeiten und hinleben, wie Organisationskultur einmal flüchtig umschrieben werden mag, jedoch fehlt eine ganzheitliche Sicht, auch eine solche im Blickwinkel von Organisationsstrategie und -struktur.
Zweifellos sind Überlegungen im Bereich administrativ kirchlicher Tätigkeiten leichter zu artikulieren als in pastoralen Belangen, was jedoch nicht bedeuten kann, dass beispielsweise Fragen der Steuerung, der Kommunikation oder der Leistung in der pastoralen Arbeit keine Rolle spielten.
1.1.3 Forschungsfragen
Die sorgende Frage nach der Erneuerung der Kirche und ihrer pastoralen Aufgabe, ob von bewahrenden, restaurativen oder visionsgetragenen Kräften gestellt, mündet heute vielfach sofort in eine Diskussion, bestenfalls in einen Dialog, der sich auf strukturelle Gestaltungsmöglichkeiten kirchlicher Arbeit konzentriert. Eine solche Bedingung der Möglichkeit nach der Frage, welche Strukturen für die Kirche im 21. Jahrhundert relevant sind, um ans gemeinsame Ziel zu gelangen, ist dem Grundsatz nach nicht zu verleugnen. Allerdings wird der Fokus auf Strukturen sehr schnell in eine von reinem Aktivismus getragene Sackgasse münden, wenn dazu nicht parallel Fragen nach dem „Wie“ gestellt werden: Welchen Weg hat Jesus in seinem irdischen Leben als ganzer Gott und ganzer Mensch (Phil 2,6-11) seiner Kirche vorgegeben? Wie wollen wir als Menschen, die nur wenig geringer geschaffen sind als ihr Schöpfer (Ps 8,6),
(1) hier, in unserer konkreten Pfarre und in einer kulturbedingten Ortskirche als Teil der universalen Kirche, und
(2) heute, am Beginn des dritten Jahrtausends nach Seinem Leben und Sterben, den gemeinsamen Weg zum Ziel hin gehen?
Wenn das Zweite Vatikanische Konzil in der Konstitution über die Kirche in der Welt von heute davon überzeugt ist, dass „die von früheren Generationen überkommenen Institutionen, Gesetze, Denk- und Auffassungsweisen […] aber den wirklichen Zuständen von heute nicht mehr in jedem Fall gut zu entsprechen [scheinen]“ und es somit „zu schweren Störungen im Verhalten und sogar in den Verhaltensnormen [kommt]“ (GS 7), so muss die Frage gestellt werden, ob die irdische Kirche als die von Menschen getragene Versammlung – trotz ihres Beschenktseins mit himmlischen Gaben (LG 8) – sich aus dieser Erkenntnis ausschließen kann und darf. Die Konzilsväter verstehen die Kirche als eine „Kirche in der Welt von heute“ (GS 2). „Es gilt also, die Welt, in der wir leben, ihre Erwartungen, Bestrebungen und ihren oft dramatischen Charakter zu erfassen und zu verstehen“ (GS 4). Dieser Anspruch für die konkrete Kirche in der konkreten Welt schließt von der Organisation her gesehen nicht nur deren Strukturen, sondern auch deren Kulturen und Subkulturen mit ein, deren Hinterfragung, Analyse und Herausforderung Anliegen und Grenze dieser Überlegungen sein sollen.
Basierend auf und inspiriert von langjähriger Erfahrung im Bereich der globalen Wirtschaft soll der geschärfte Blick mit vier Forschungsfragen auf die Organisationskultur der Kirche gerichtet werden:
(1) Weshalb ist es für die Kirche zunehmend wichtig, sich mit der Frage der Organisationskultur zu beschäftigen und in der Folge nach der richtigen Organisationskultur zu fragen? Die Kirche existiert nicht außerhalb der Welt, sie ist Teil dieser Welt und dennoch ist sie nicht diese Welt (vgl. GS 1).
(2) Was kann die Kirche – ohne ihre Gleichschaltung mit säkularen Unternehmen – von der Welt, d.h. von weltlichen sowohl profit-als auch sozial orientierten Unternehmen lernen? Hier wird die Kirche in pastoralen Dimensionen vor allem als lernende Organisation gesehen werden müssen.
(3) Worin liegen die Unterschiede zwischen weltlichen Unternehmen und der Kirche als Organisation, die den Menschen in seiner konkreten Welt als Subjekt und Objekt hat? Und welche sind die Gründe für diese Unterschiede? Diese vor allem pastoral-ekklesiologischen Fragen werden mit dem Blickwinkel auf die Weltkirche und die Ortskirchen zu überlegen und beantworten sein.
(4) Last, but not least: Gibt es eine Roadmap zu einer veränderten Organisationskultur der Kirche? Wie sieht es mit der Fähigkeit, der Bereitschaft und dem Willen zur Veränderung in der Kirche aus? Hat sie die notwendigen Ressourcen zum Wandel? Benötigt sie professionelle Begleitung? Oder genügt die Weihegnade, den Erneuerungsprozess effektiv zu gestalten und das Ziel effizient zu erreichen? Oder braucht eine Organisation wie die Kirche nicht auch persönliche, fachliche und Führungs-Kompetenzen, um ihrem Sendungsauftrag in dieser Welt effizient gerecht zu werden?8
1.2 Methodisches Vorgehen
Ausgehend von dem praktisch-theologischen Ansatz „Sehen – Urteilen – Handeln“ des Begründers der Katholischen Arbeiterjugend Joseph Kardinal Cardijn für seine pastoralen Dienste im Arbeitermilieu, zunächst in Belgien und Frankreich, nach dem II. Weltkrieg dann auch in ganz Europa, wurde dieser so genannte „Dreischritt“ dann auch von Papst Johannes XXIII. in seiner Enzyklika Mater et Magistra (1961) zur methodischen Umsetzung der katholischen Soziallehre aufgegriffen und empfohlen.9
Für die geplante Arbeit soll eine Weiterentwicklung dieser in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts entstandene und pastoral bewährten Methodologie, nämlich der „Vierschritt“ angewandt werden, der dieselbe Logik enthält, aber das ursprüngliche Vorgehen verfeinert:10
(1) Der erste Schritt wird mit dem Begriff Orientierung umschrieben, der vor allem die Erfassung des pluralen Umfeldes, die Kontextualisierung, die Fokussierung auf das Ziel und die Verortung in der kirchlichen Tradition umschließt.
(2) Die Phase des Wahrnehmens, die am ehesten mit der Phase des Sehens im Dreischritt vergleichbar ist, geht allerdings über diese hinaus; denn mag das Sehen noch als neutraler Vorgang eingestuft werden, muss mit dem Wahrnehmen schon eine Deutung und eine Einordnung in die von dem Wahrnehmenden erfahrene Zeit und den ihm bekannten Raum verbunden sein. Dem wahrgenommenen Kairos wird die Frage zugrunde liegen, ob die Kirche sich als Teil der Welt hier und heute sieht, ohne mit der Welt von hier und heute ident zu sein.
Am Ende seines Buchs The Desert is Fertile goss kein Geringerer als Erzbischof Helder Camara diese zweite Phase des „Vierschritts“ in einen einfachen konkreten Satz: „Lasst uns Information über die Situationen zusammentragen, die wir verändern wollen.“11 In Prosa und Lyrik formulierte Camara 1974 in dem kleinen Werk seine tiefste Hoffnung nach Frieden und Gerechtigkeit in der Welt.12 2015 wird Papst Franziskus in seiner Ansprache an die katholischen Bischöfe Armeniens anlässlich des hundertsten Gedenktags des armenischen Genozids im Jahr 1915 seiner pastoral orientierten, jesuitischen Spiritualität gerecht, wenn er diese ermahnt, die Realität mit neuen Augen lesen zu lernen.13 Es geht ihm dabei um das persönliche Bemühen, die Realität von gestern mit den eigenen Augen in die konkrete Wirklichkeit von heute zu übersetzen.
(3) Der dritte methodische Schritt, d.h. die kriteriologische Phase des Deutens und Bewertens der in den ersten beiden Schritten erfahrenen und analysierten Zeichen des Raumes und der Zeit, soll einen Diskurs eröffnen, der das Wahrgenommene sowohl soziologisch, organisationspsychologisch als auch theologisch und hier vor allem praktisch-theologisch, d.h. disziplinär übergreifend analysiert. Keine Einzelwissenschaft, sondern vielmehr bunt zusammengesetzte Teams von Wissenschaftlern sind heute nicht nur im profanen, sondern auch im theologischen Umfeld gefragt, um den Herausforderungen unserer komplexer werdenden Realität glaubhaft entgegentreten zu können. Letztlich wird in diesem Schritt zu konkretisieren sein, ob die Kirche ganzheitlich zielorientiert denkt und handelt.
(4) Die unterschiedlichen Handlungsoptionen, die Kluft der von Jesus Christus „gemeinten“ und der nach zweitausend Jahren in der Kirche verstandenen oder missverstandenen Organisationskultur zu überbrücken wird Moment des letzten der vier methodischen Schritte sein. Hier darf und kann nicht der Fehler gemacht werden, wie er oft in weltlichen Organisationen erfahren wird, nämlich bei der theoretischen Analyse eines Problems oder einer Herausforderung stehenzubleiben, ohne den Mut aufzubringen, der Erkenntnis auch Taten folgen zu lassen.
Erfahrungsgemäß gewinnen diese vier Schritte nicht an Systematik und Wissenschaftlichkeit, wenn sie klinisch sauber auseinandergepflückt werden. So würde eine Erkenntnis im kriteriologischen Schritt nichts bringen, wenn die Möglichkeit des Handelns apriori weder für möglich gehalten noch angedacht werden darf.
1.3 Arbeitshypothesen
Die fünf Hypothesen, von denen die Arbeit ausgeht, sollen systematisch wissenschaftlich hinterfragt, bestätigt oder – wenn nachweisbar – auch widerlegt werden.
(1) Zunächst geht es um die Wirkung, die eine bestimmte Organisationskultur auf die beiden anderen Vollzugselemente einer Organisation, nämlich die Strategie und die Struktur der Institution, ausübt. Aus dem speziellen Blickwinkel der kirchlichen Organisation werden demnach sowohl die pastoralen Wege und Ziele als auch die Strukturen der Kirche von der organisationskulturellen Orientierung beeinflusst – erste Arbeitshypothese.
(2) Restrukturierungprozesse in der Wirtschaft starten häufig mit der Neuausrichtung der strategischen Vision und mit der Struktur der Organisation, denen dann aber auch die Re-Adjustierung der Unternehmenskultur folgen muss. Sollten jedoch Mitarbeiter nicht die richtigen Kompetenzen für diese veränderten Strukturen mitbringen, kommt es in der Regel zu einem right sizing, einem Prozess, in dem Mitarbeiter einfach „ausgetauscht“ werden. Die Realität der Kirche aber lässt einen solchen Prozess aufgrund der Personalknappheit geweihter Seelsorger (zumindest in Europa und den beiden Amerika) nicht zu. Daraus folgert die zweite Arbeitshypothese, dass ein erfolgreicher Erneuerungsprozess in der Kirche immer mit der Erneuerung der Organisationskultur beginnen muss, bevor Strukturveränderungen vorgenommen werden können.
(3) Im empirischen Teil der Arbeit soll mit der systematischen Analyse der Einstellung „kirchennaher“ Gläubiger aus den zwei österreichischen Diözesen Wien und Eisenstadt die Hypothese der Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, der ersehnten Soll- und der tatsächlichen Ist-Situation dokumentiert werden.
(4) Als logische Konsequenz der Analyse der Organisationskultur, die mit dem organisatorischen Ziel und der bestmöglichen Struktur den eigentlichen Organisationsvollzug (erste Hypothese) mitgestaltet, und dem Auseinanderklaffen von organisationskulturellem Ist und Soll (zweite Hypothese) stellt sich die Frage nach Fähigkeit (Können) und Bereitschaft (Wollen), notwendige Veränderungen durchzuführen. Kann die Hypothese, dass das Zusammenspiel von Wandlungsfähigkeit und -bereitschaft auf unterschiedlichen Sendungsebenen der Kirche auch unterschiedlich zu Tage tritt, auf Grund empirischer Daten untermauert werden?
(5) Basierend auf den langjährigen Erfahrungen in der Wirtschaft kann angenommen werden, dass Veränderungen in der Organisationskultur der Kirche noch mehr Zeit und professioneller Begleitung als säkulare Unternehmen bedürfen. Als wesentlicher Grund dafür kann die seit 2000 Jahren unveränderte, wenn auch nicht immer und überall voll artikulierte und akzeptierte pastorale „Mission“ der Kirche verstanden werden.
1.4 Struktureller Aufbau
Vorwort und Hinführung fokussieren auf den situativen Gegebenheiten und gesellschaftlichen Zusammenhängen, die die Frage der Unternehmenskultur in wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, sozialen und politischen Institutionen zum Thema ihres Denkens, Sprechens und Handelns machen. Die Schwerpunkte der Arbeit sind in sechs Kapitel (Kap. 2 bis 7) gefasst:
(1) Aus der Vielfalt nicht-kirchlicher Ansätze ergibt sich die Notwendigkeit einer begrifflichen Definition und Interpretation des Begriffs „Organisationskultur“ in der und für die Kirche und in den und für die auf sie zugeordneten Institutionen.
(2) Die mit der Wahl des neuen Bischofs von Rom am 13. März 2013 fast über Nacht einsetzende pastorale Neuakzentuierung der Kirche, die seither die Einstellung zur Kirche (von innen und von außen her), vielfach jedoch noch nicht das Verhalten der Mitglieder des Volkes Gottes verändert hat, drängt nach dem Sichtbarmachen der Zeichen der Zeit, die der Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zwar stets begegnet sind, die jedoch nicht von ihr im allgemeinen Sinn des Wortes, d.h. in ihrer Katholizität im Licht des Evangeliums erforscht und gedeutet wurden (GS 4).
(3) In der nahen Vergangenheit ist nicht zu übersehen gewesen, dass sich kritische Stimmen in der Kirche meistens mit strukturellen Fragen beschäftigt haben und noch immer beschäftigen, die organisationskulturellen Fragen, das heißt verkürzt definiert das wertgeleitete Verhalten und Handeln aller Mitglieder des Volkes Gottes hier auf Erden, jedoch oft gar nicht angesprochen haben. Strategien und Strukturen einer Organisation müssen als organisationskulturelle Interdependenzen gesehen werden, was nichts anderes bedeutet, als dass die Organisationskultur einen direkten Einfluss auf Struktur und Strategie einer Institution hat – und natürlich vice versa. Dieses Kapitel wird versuchen, diese Interdependenzen zwischen Strategie, Struktur und Kultur im kirchlichen Bereich zu definieren, ohne die Strukturdiskussion zum eigentlichen Thema der Arbeit zu machen. Allerdings kann die Konvergenz der drei Organisationselemente menschlicher Zusammenarbeit (Strategie, Struktur und Kultur) nicht außer Acht gelassen werden. Der tiefgehende Wandel der Situation, wie er in Gaudium et spes angesprochen wird (GS 5) und der unter anderem im Wandel der gesellschaftlichen Werte, der Technologie, Demographie, Wirtschaft, Politik, Gesetzgebung und vielem mehr seinen Ausdruck findet, bedingt die Notwendigkeit einer ständigen Neu-Adjustierung der komplexen Organisationssteuerung.
(4) Die konkreten Elemente des organisationskulturellen Profils eines Unternehmens oder einer Institution – und somit auch der Kirche – sind horizontal sowie vertikal vielschichtig; in anderen Worten: Sie umfassen, wie schon oben erwähnt, die Gesamtheit der nach innen und außen hin sicht- und greifbaren, jedoch oft unreflektierten und unbewussten Denk-, Verhaltens- und Handlungsweisen aller Mitglieder der Kirche und können diese innerhalb ihrer eigenen Grenzen in extremen Divergenzen verwirklichen, was auch an Hand zweier diözesaner Organisationen empirisch aufgezeigt werden soll.
Das Profil der Unternehmenskultur umschließt soziale Dimensionen wie Steuerung, Kommunikation, Leistungsorientierung, Vertrauen, Entwicklung und Identität der Organisation nach innen und außen hin. Als einzige dieser sechs Organisationsdimensionen seien hier beispielshaft die Extreme im Kommunikationsverhalten einer Organisation und somit auch der Kirche oder den ihr zugeordneten Institutionen erläutert:
a. In einer eher geschlossenen Organisationskultur werden solche Persönlichkeitstypen favorisiert, die Standpunkte und Kommunikationsstile in kirchlicher Linientreue signalisieren. Die Verwaltung der Organisation erhält einen höheren Stellenwert als ihr inneres Wachstum.
b. Andrerseits wird in Organisationen mit einem offenen Kommunikationsstil die Diversität von Mitarbeitern mit eigenen Meinungen und Überzeugungen gefördert; neue Mitarbeiter fühlen sich sehr schnell wohl, engagieren sich voll und begleiten die Organisation mit ihrer Kreativität und Innovation auf dem Weg in die Zukunft.
(5) Mit diesem Ansatz ist beabsichtigt, die Hypothese des Auseinanderklaffens von tatsächlicher und angestrebter Organisationskultur, das heißt der Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit praktisch zu untermauern.
(6) Um der methodischen Vorgangsweise des „Vierschritts“ (Orientieren – Wahrnehmen – Bewerten – Handeln) gerecht zu werden müssen letztlich sowohl die Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft als auch die praktischen Umsetzungschancen in den pastoralen und administrativen Tätigkeitsbereichen der Kirche in Form einer möglichen Roadmap der Erneuerung angezeigt werden. Nach der begrifflichen Klärung und der praktisch-empirischen Diagnose geht es zuletzt um die kritische Frage, wie die Kirche als pilgerndes Volk Gottes mit den Erkenntnissen über Anspruch und Wirklichkeit des gemeinsamen Wegs durch Raum und Zeit umgeht.
Mit einem Resümee und einem Ausblick vor allem auf die vom derzeitigen Pontifikat initiierten Veränderungsprozesse sollen sowohl das ekklesiologische Bild der ecclesia semper reformanda als auch die pastoralen Praktiken einer ecclesia discens (einer lernenden Kirche) gefestigt werden.
1.5 Thematische Hinführung
Wie das korporative Volk Gottes, das heißt die Kirche als organisatorische Einheit in ihrer ganzen Komplexität, und das kollektive Volk Gottes, das heißt die Kirche als Kollektive der einzelnen Ortskirchen und ihrer individuellen Mitglieder ineinander greifen, miteinander umgehen und für einander da sind, wird schon in ihren ersten Anfängen sichtbar. Beim Apostelkonzil von Jerusalem (zwischen 44 und 49), der Zusammenkunft der Apostel der Jerusalemer Urgemeinde mit Paulus von Tarsos und seinen Begleitern, in der es letztlich um die Identität der Kirche Christi der Heiligen und die Gemeinden im jüdischen und griechischen Umfeld ging (Apg 15,1-35), wird die Spannung zwischen dem korporativen und dem kollektiven Ganzen der Kirche ihres einen Hauptes Jesus Christus sichtbar (Kol 1,18). Diese Aktualität hat sich durch zwei Jahrtausende hindurch nicht geändert, vor allem in den regionalen Synoden und den einundzwanzig ökumenischen Konzilien der katholischen Kirche. So hat die Diskussion um die Hermeneutik des Zweiten Vatikanums14 bis in die Gegenwart herauf zwischen restaurativen und „liberaleren“ Theologen Gräben aufgerissen, die die Kirche als korporatives und als kollektives Gottesvolk spaltet. Die einen, vor allem die „Massenmedien und auch ein […] Teil […] der modernen Theologie“, verteidigen die „Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruches“, die anderen sprechen von einer „‚Hermeneutik der Reform‘, der Erneuerung des einen Subjekts Kirche, die der Herr uns geschenkt hat, unter Wahrung der Kontinuität“.15 Die Substanz bleibt unverändert, weil ihre Identität in ihrem Gründer wurzelt. Die Art und Weise der Erkenntnis, wie diese Substanz zu den Menschen in die konkrete Welt hineingetragen wird, ist jedoch sowohl räumlich als auch zeitlich kulturell bestimmt. Die Stärkung des kollektiven Aspekts des Volkes Gottes, vor allem durch die Betonung der Rolle des Bischofskollegiums und die Ermächtigung der „Laien“ aufgrund ihrer Taufe in der Kirchenkonstitution Lumen gentium, wird auch von der Festigung der Würde des Menschen und seiner Selbstbestätigung nach den Gräueln des Zweiten Weltkriegs begleitet und bedeutet einen organisationskulturellen Wandel, wie das ganze korporative Volk Gottes, durch Raum und Zeit wandernd, sein Ziel in Zukunft erreichen sollte. Allerdings erlebte diese im Frühchristentum verwurzelte und nun erneuerte Vision der Kirche in den Jahrzehnten nach dem Konzil bittere Enttäuschungen über das von den Konzilssynodalen Formulierte und das von der Kirchenbasis Erhoffte. Somit bleibt die Thematik der Organisationskultur der Kirche auch heute brennende Aktualität.
1.5.1 Praktisch-theologischer Ansatz
Mit dem Blick auf die eigentliche Thematik der Studie, nämlich der Organisationskultur, muss trotz des Bezugs auf die Kirche mit Recht nach ihrem theologischen Charakteristikum gefragt werden. Als „zugleich ‚sichtbare Versammlung und geistliche Gemeinschaft“‘ (LG 8; zitiert in GS 40) geht die Kirche „den Weg mit der ganzen Menschheit gemeinsam und erfährt das gleiche irdische Geschick mit der Welt und ist gewissermaßen der Sauerteig und die Seele der in Christus zu erneuernden und in die Familie Gottes umzugestaltenden menschlichen Gesellschaft“ (GS 40). Auch wenn die „sichtbare Versammlung“ der Kirche in dieser Arbeit mit organisationspsychologischen Konzepten analysiert und mit systemischen Prämissen verglichen werden soll, kann sie als „irdisches und himmlisches Gemeinwesen […] nur in dem Glauben begriffen werden“ (GS 40), dass es in ihr um den Weg aller Menschen zum Ziel der Vereinigung mit Gott geht, der sie zugleich trotz ihrer Sündhaftigkeit ohne Wenn und Aber auf ihrem Pilgerweg begleitet. Im jesuanischen Kontext des Neuen Bundes mündet die Frage nach der Kultur der Kirche in der bedingungslosen Nachfolge Christi, der ihr in ihrem „Ineinander des irdischen und himmlischen Gemeinwesens“ (GS 40) mit seiner Geburt, seinem Leben und Wirken, seinem Leiden, seinem Tod und seiner Auferweckung Beispiel und Anregung für ihre missionarische Sendung gegeben hat. Die Väter des Konzils sprechen im ersten Kapitel von Lumen gentium, der „Dogmatischen Konstitution über die Kirche“, vom Mysterium, dem Geheimnis der Kirche, an dessen Grenzen wir so lange stoßen, solange wir an unsere irdische Geschichtlichkeit gebunden sind.
Nach dem „Weltbild Gottes“, das die Rolle des Schöpfergottes und alles von ihm Geschaffene aufeinander bezieht, ist alles Irdische vergänglich, auch die „sichtbare Versammlung“ der Kirche. Der Vergänglichkeit kirchlicher Strukturen, auch wenn diese von Jesus selbst durch sein Leben hier auf Erden initiiert wurden, liegt zugleich die Bedingung ständigen Wandels zugrunde. Die ecclesia semper reformanda weist auf keinen Zu- oder Unfall hin, sondern auf das im Gottes- und Menschenbild verwurzelte Kirchenbild, das das 2. Vatikanische Konzil (wieder) sichtbar gemacht hat. Die menschliche Gesellschaft, die in der Kirche mit der Gnade Gottes aufs engste verwoben und von ihr befruchtet wird, unterliegt einer ständigen Umgestaltung; freilich nicht um ihrer selbst, sondern in Christus und um Christi willen (GS 40).
Das theologische Gerüst der vorliegenden Studie über die Kultur der Kirche wird auch in den Quellen jesuanischen Handelns und christlicher Werte deutlich, die dem Volk Gottes auf seiner Pilgerschaft durch Raum und Zeit Wegweiser und „den am Rand lebenden Völkern“ ein spiritueller Kompass sein sollten. Kultur basiert immer auf einem ererbten geistigen oder materiellen Gut, das dazu beitragen kann und soll, aus dem Wissen um erprobte Entscheidungen in der Vergangenheit Lösungen für zukünftige Lebenssituationen aktiv zu gestalten, nicht jedoch passiv, d.h. fraglos zu übernehmen.
Aktivitäten, die auf strukturelle Umgestaltungen kirchlicher Organisationseinheiten abzielen, mögen zwar Einfluss auf die Organisationskultur der Kirche oder kirchennaher Institutionen haben, werden allerdings nicht direkt Gegenstand dieser Untersuchungen sein. Im Kapitel 4 über organisationskulturelle Interdependenzen wird des Näheren auf die gegenseitige Beeinflussung bzw. das Zusammenspiel von Strategie, Struktur und Kultur einer Organisation eingegangen, die im Kern auch die Kirche betreffen. So griff die internationale Presse im November 2007 hastig die Meldung auf, dass Papst Benedikt XVI. ein Bonussystem für exzellente Leistung seiner vatikanischen Mitarbeiter sanktioniert hat. Eine Neugestaltung der Vergütungsstruktur zu verkünden ohne entsprechende Begleitmaßnahmen einer Effizienzsteigerung in der administrativen oder pastoralen (Mit-)Arbeit der vatikanischen Kurie anzudenken kann letztlich nur zu einer Verfestigung der althergebrachten Strukturen – allerdings mit erhöhten Kosten – führen.16
Auch die interne Redaktion pastoraler Leitbilder für Diözesen, Ordinariate, Ordensgemeinschaften, kirchliche Krankenhäuser oder Schulen etc. sind gut gemeinte Bemühungen um mehr Engagement für die Organisation und um eine tiefere Identifikation mit den Zielen, allerdings nur so lange und dann, wenn solche Leitbilder nicht von anderen Organisationen einfach kopiert wurden und somit eher schnell wieder in den Schreibtischladen verstaubten, da ihnen der Konnex zur tatsächlich gelebten Kultur fehlte, in anderen Worten, weil den (mit)arbeitenden Menschen die übernommenen Denk-, Verhaltens- und Handlungsweisen ohne Erklärung, professionelle Begründung und didaktische Hinführung strittig gemacht wurden. In Bezug auf die von Benedikt XVI. geplanten Reformen fanden kritische Medien eher Spott, weil die betroffenen Personen – vom Gärtner bis zum Kurienkardinal – trotz der Veränderungen von Strukturen ihre Arbeitsweise nicht zu ändern beabsichtigten.17 Leitbilder werden schnell zu „Leidbildern“, wenn sie zwar schriftlich festgehalten sind, aber nicht gelebt werden oder Veränderungswille und Veränderungsbereitschaft nicht vorhanden sind.
Demographische Veränderungen in der Welt machen auch vor den Türen der Kirche nicht Halt. Auswirkungen auf allen Ebenen der Verwaltung und Pastoral der Kirche, von der römischen Kurie bis in die kleinste Pfarrgemeinde, rufen nach einem grundlegenden Wandel, wie sich Kirche in der heterogener sich gestaltenden Welt von morgen als Communio auf dem gemeinsamen Pilgerweg zum Ziel hin identifizieren und glaubhaft manifestieren kann. Zunehmender Priestermangel, nicht in allen, aber in vielen Teilen der Welt; weniger Glaubende in den Kirchen; getaufte Kinder und Jugendliche ohne Verständnis ihrer missionarischen Sendung; alte und einsame Menschen, an denen Seelsorger vorbeigehen; Frauen und Männer, die in ihrer Ehe scheiterten; Migranten und Flüchtlinge; Drogensüchtige und Terroristen … Dieses soziale und sozialpsychologische Szenario des beginnenden dritten Jahrtausends verlangt nach neuen Ansätzen eines gemeinsamen Vorwärtsgehens aller Menschen guten Willens mehr als nach neuen Strukturen. Denn veränderte Strukturen, ohne dass diese von veränderten Menschen getragen werden, gleichen einem Haus ohne Fenster und Türen, durch die es von seinen Bewohnern betreten und bewohnt werden kann.
Die vielleicht am unmittelbarsten erlebte praktisch-theologische Herausforderung in vielen, nicht allen Teilen der Weltkirche ist der Trend zu größeren Pastoral- und Seelsorgeräumen, die von allen Betroffenen, d.h. den pastoralen und administrativen Kräften sowie den Glaubenden, mehr Professionalität, Teamfähigkeit und -bereitschaft verlangen. Wollen die Kirche und ihre kirchennahen Institutionen nicht wie viele profit-orientierte Unternehmen in das menschliche Abseits von Überforderung, Stress und Burnout geraten, wird es eines neuen „psychologischen Arbeitsvertrags“ für jene bedürfen, die ihre Arbeitskraft haupt- oder auch nebenamtlich in die Hände der Kirche legen.
1.5.2 Anthropologisch-biblischer Ansatz
In Verbum Domini, dem von Benedikt XVI. verfassten „Nachsynodalen Apostolischen Schreiben“ vom 30. September 2010, reflektiert der Papst die Ergebnisse der 12. Ordentlichen Bischofssynode, die vom 5. bis 23. Oktober 2008 zum Thema „über das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche“18 in Rom tagte. In dieser päpstlichen Exhortatio weist Benedikt auf die „Bibel als großen Kodex für die Kultur“19 hin, wobei er hier selbstverständlich primär den „Wert der [nationalen] Kultur für das Leben des Menschen“20 anspricht.
Da eine Organisationskultur – auch die der Kirche – nicht losgelöst von der nationalen Kultur gedacht werden kann, in die sie eingebettet ist und aus der heraus sie lebt, haben sich die Synodenväter für ihre kirchliche Zusammenarbeit bewusst oder unbewusst ein hohes Ziel gesetzt. Sie fordern „unter den Kulturträgern eine angemessene Bibelkenntnis […], auch in säkularisierten Umfeldern und unter den Nichtgläubigen; in der Heiligen Schrift sind anthropologische und philosophische Werte enthalten, die die ganze Menschheit positiv beeinflusst haben.“21 Unter „Kulturträger“ müssen wohl Führungspersönlichkeiten verstanden werden, zu denen sich die Synodenmitglieder als Vertreter des Weltepiskopats auch selbst zuzuordnen haben. Die Kenntnis der biblischen Werte wird somit Vorausbedingung und Fundament „der Begegnung zwischen Wort Gottes und Kulturen“.22
Mit Fug und Recht darf erwähnt werden, dass wohl kein anderes Dokument ein profunderes Bild der anthropologisch-biblischen Dimension der Kirche in der Welt – und darum geht es ja letztlich, wenn die Organisationskultur der Kirche fokussiert wird – zeichnet als die „Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute“. Dem ersten Hauptteil von Gaudium et spes liegt in 4 Kapiteln mit insgesamt 35 Artikeln die Berufung des Menschen, der in diese konkrete Welt hineingeboren ist, in der Kirche von heute zugrunde. Da sich insbesondere diese Pastoralkonstitution nicht nur an die Kinder der Kirche, sondern an alle Menschen richtet (GS 2), nimmt ganz bewusst erst das vierte und letzte Kapitel Bezug auf die Aufgabe der Kirche in der Welt von heute.23 In der Einleitung zum eigentlichen Text der Konstitution weisen Karl Rahner und Herbert Vorgrimler darauf hin, dass die Konzilsväter ganz bewusst einer Situations- oder Auffassungsanalyse zunächst eine Bewertung aus dem allgemeinen menschlichen Blickwinkel folgen lassen, die für alle Menschen akzeptabel erscheint, bevor sie sich mit speziellen lehramtlichen Instrumentarien den möglichen Konsequenzen für das Leben in und mit der Kirche zuwenden. Gegen diesen in vielen Kapiteln und Artikeln von Gaudium et spes angewandten Prozess wehrte sich so mancher Bischof, der eher eine theologische Analyse oder (zumindest) einen biblischen Bezugspunkt bevorzugt hätte.24
Alles, was in Raum und Zeit geschah, geschieht und geschehen wird, erlebt das Volk Gottes nicht in kirchlicher Isolation, sondern es teilt alles und jedes dieser Welt „zusammen mit den übrigen Menschen unserer Zeit“; zugleich aber erinnern die Konzilsväter an die Verpflichtung der pilgernden Kirche, in dem Geschehenen „die wahren Zeichen der Gegenwart oder der Absicht Gottes“, alles im Glauben mit einem neuen Licht zu erhellen und „auf humane Lösungen hin“ zu orientieren (GS 11). Es widerspräche wohl dem Geist des Konzils, gewisse innerhalb der Menschheit geteilte „Ereignisse, Bedürfnisse und Wünsche“ einfach im Fragenkatalog „der Zeichen der Zeit“ negieren zu wollen. Die Bischöfe des Zweiten Vatikanums sprechen ausdrücklich vom „gegenseitigen Dienst“ des Volkes Gottes und der Menschheit, „der es eingefügt ist“ (GS 11). Von einem Ausschluss eines bestimmten menschlichen Lebensbereichs können und wollen die Konzilsväter nicht sprechen, schon gar nicht vom Ausschluss einer gegenseitigen Beleuchtung artverwandter Kompetenzen25, die für die effiziente und effektive Leitung einer Organisation – ob gesellschaftlich, politisch, sozial oder religiös – vonnöten sind. Somit wird die Erhellung der Kultur einer Organisation, vor allem jener der Kirche, ein „wahre[s] Zeichen der Gegenwart oder der Absicht Gottes“ (GS 11).
„Was denkt die Kirche vom Menschen? Welche Empfehlungen erscheinen zum Aufbau der heutigen Gesellschaft angebracht? Was ist die letzte Bedeutung der menschlichen Tätigkeit in der gesamten Welt?“ (LG 11) Diese Fragen der Synodenväter schließen kirchliche Tätigkeiten nicht aus, sondern beantworten die Fragen kurz für die gesamte Welt, in der die Kirche ihre Sendung erfüllt: Beide stehen in einem unteilbaren und gegenseitigen Dienst (LG 11). In diesem Kontext gilt der Mensch, der Bild Gottes ist, als Mittel- und Höhepunkt in dieser Welt, in der er jedoch seine Aufgaben nur als soziales Wesen erfüllen kann.26
Die Verwundbarkeit des von Gott nach seinem Bild geschaffenen Menschen zeugt davon, dass dieser auf der ihm vom Schöpfergott zur Verfügung gestellten Welt „vom Anfang der Geschichte an“ (GS 13) immer wieder versucht war, seine eigenen Wege zu gehen. Dazu heißt es: „Der Mensch erfährt sich, wenn er in sein Herz schaut, auch zum Bösen geneigt und verstrickt in vielfältige Übel, die nicht von einem guten Schöpfer herkommen können“ (GS 13). Die Konzilsväter weisen auf die Zwiespältigkeit des Menschen hin, die ihn in einem ständigen und dramatischen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Dunkelheit fesselt, aus dem er sich selbst nicht als Sieger hervorzugehen weiß. Der Herr ist der, der aus diesem menschlichen Desaster herausführt, das „den Menschen selbst [mindert], weil sie [d.h. die Sünde] ihn hindert, seine Erfüllung zu erlangen“. Diese Worte umfassen „das gesamte Leben der Menschen, das einzelne wie das kollektive“ (GS 13), wie die Bischöfe in diesem grundlegenden Text der Pastoralkonstitution betonen.
Weil die irdische Kirche aber als eine „mit hierarchischen Organen der Gesellschaft“ klar konstituierte „sichtbare Versammlung“ (LG 8) nicht außerhalb der Welt von gestern, heute und morgen existiert, sondern als pilgerndes Volk Gottes immer im Raum dieser Welt, aber nur in den ihr gewährten Äonen unterwegs ist, darf und kann sie sich diesem Kampf zwischen Gut und Böse nicht entzogen glauben. Bleiben die Synodalen des Konzils in diesen Aussagen auch ihrer kirchlichen Sprache treu, wird kaum geleugnet werden können, dass es sich in der Diktion der Organisationswissenschaft bei dieser „sichtbaren Versammlung“ um eine (auch) von Menschen getragene Organisation und bei den „hierarchischen Organen der Gesellschaft“ um deren Führungskräfte handelte.
Nach den Artikeln über den Menschen als Bild Gottes und der Verwundbarkeit dieses Bildes durch die Sünde erinnern die Konzilsväter in diesem einleitenden Kapitel der Pastoralkonstitution nicht nur an die bloße Leiblichkeit des Menschen, sondern an seine Einmaligkeit und in ihr an seine Einheit von Leib und Seele. Die vereinfachende Eingrenzung der Leiblichkeit auf den eigenen Körper und noch zugespitzter auf die körperliche Sexualität des Menschen würden dem Artikel 14 des Konzilstextes nicht gerecht werden. Es geht letztendlich um die gesamte „stoffliche Welt“, die Teil des menschlichen Lebens als solches ist, „wo Gott ihn [den Menschen] erwartet“. Die Herleitung des Lebens von „bloß physischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen“ verwehrt dem Menschen ein In-die-Tiefe-Gehen (GS 14). In diesen Spiegel der Erkenntnis des „Wesensstandes des Menschen“, wie dieser Artikel 14 der Pastoralkonstitution (wohl in Klammern gesetzt) überschrieben ist, kann und muss sich auch die irdische Kirche schauen: Die „stoffliche“ Seite des Lebens der Kirche „darf also der Mensch nicht geringachten“. Als getauftes Glied der Kirche verlangt seine Würde als Mensch das Gegenteil – um den Gedanken des Konzils der Bischöfe nicht nur auf die Welt, sondern synonym eben auf „die Kirche in der Welt von heute“ zu richten –, „nicht den bösen Neigungen seines Herzens“ zu dienen, sondern Gott in der „sichtbaren Versammlung“ zu verherrlichen (GS 14).
Der geheimnisvolle Leib Christi der irdischen Kirche darf und kann als geistliche Gemeinschaft aus seinem Wesen heraus nicht auf einen gesunden Leib und auf gesunde hierarchische Organe verzichten; diese machen die stets auf ihrem missionarischen Weg pilgernde Kirche sowohl nach innen als auch nach außen hin erkenntlich und sichtbar. Wenn immer und wo immer die gottgewollte „komplexe Wirklichkeit“ der Kirche aus dem Gleichgewicht zu geraten droht, ist sie entweder mit der Illusion einer welt- und somit menschenfremden Esoterik oder aber mit der oft knallharten Versuchung eines wirtschaftlichen Utilitarismus, der ohne Gott auszukommen scheint, konfrontiert.
Es wundert nicht, dass die Konzilsväter diesem Artikel – verkürzt gesagt – über Leib und Seele Worte über die Vernunft des Menschen und „deren Vollendung in der Weisheit“ (GS 15) folgen lassen, geht es doch um einen Gedanken, der dem US-amerikanischen protestantischen Pastor Reinhold Niebuhr zugesprochen wird: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden“.27 Im letzten geht es in diesem „Gelassenheitsgebet“ mit dem Blick auf die Kirche und ihre göttlichmenschliche Bedingtheit darum, das Göttliche in ihr in Demut hinzunehmen, das Menschliche immer wieder mit Mut und ohne Angst auf seine zeitliche und räumliche Gültigkeit hin zu überprüfen, „und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Das Konzil würdigt die Vernunft des Menschen, in der er „in Teilnahme am Licht des göttlichen Geistes […] die Dingwelt überragt“ und schätzt die menschliche Entwicklung in den empirischen Wissenschaften, der Technik und der geistigen und künstlerischen Bildung (LG 15). Es mag verwundern, dass die Kirche diesen Konzilsgeist bis heute eher selektiv rezipiert hat. So akzeptiert sie ohne weiteres die Erkenntnis der modernen Medizin- und Kommunikationstechnik, solange sie ihren eigenen ethischen Normen nicht entgegenlaufen, verweigert sich jedoch offensichtlich den Fortschritten mancher anderer Wissensgebiete wie etwa des operativen oder strategischen Finanz-Controllings und der Wirtschafts- oder Organisationswissenschaften. Die Würde der menschlichen Vernunft kann auch eine vertiefte Wahrheit ergründen, auch dann, wenn sie aus menschlichem Fehlverhalten teilweise verdunkelt und geschwächt ist (LG 15).
Ihre Vollendung findet die Vernunftnatur der menschlichen Person in der Weisheit. Der Menschenglaube bezeugt schon im Alten Testament, dass alle Weisheit vom Herrn stammt und auch ewig bei ihm ist; auch lehrt Erfahrung, dass Gott seine Weisheit über all seine Werke ausgegossen hat, sie den Menschen jedoch unterschiedlich zugeteilt ist: „Er [der Herr] spendet sie denen, die ihn fürchten“ (Sir 1,10). Auch in Gaudium et spes stellt das Konzil klar, dass die Verteilung der Weisheit in dieser Welt nicht mit der wirtschaftlichen Situation korrelieren muss; oft seien verhältnismäßig arme Nationen reicher an Weisheit als vermögende (GS 15). Die Erfahrung des Lebens bestätigt, dass diese Aussage der Synodalen ohne Abkürzung auf die menschliche Person wie auch auf eine soziale oder wirtschaftliche Institution übertragen werden kann. So mag die Weisheit und somit das Überlebenspotential eines kurzfristig finanziell prosperierenden Konzerns bisweilen dürftiger sein als die Weisheit einer kleinen Organisation, die langfristig und damit nachhaltig denkt und handelt.
Bevor die Konzilsväter in der Pastoralkonstitution auf den Atheismus im Allgemeinen und im Besonderen zu sprechen kommen, fokussieren sie noch die Würde des sittlichen Gewissens (GS 16) und die hohe Bedeutung der menschlichen Freiheit (GS 17). In Bezug auf die organisationskulturellen Fragestellungen dieser Arbeit spielen sowohl sittliches Gewissen als auch menschliche Freiheit im Zusammenleben und gemeinsamen zielgerichteten Handeln einer Organisation eine essentielle Rolle. Gewissen muss sich (weiter)bilden, will es nicht irregehen oder abstumpfen. Und mit einem solchen gebildeten Gewissen vermag der Christ eine Brücke bauen zum Gewissen anderer Menschen, die zwar Christus nicht (an)erkennen, aber ihrer inneren Stimme gehorchen, die ihnen mitteilt, das Gute zu tun und das Böse zu unterlassen. Eine solche Prämisse genügt oft in einer menschlichen Organisation als erster bewusster Schritt, divergierende Meinungen ins Lot zu bringen. So wie die menschliche Person kann auch eine Organisation mit einem abgestumpften Gewissen ihre Würde verlieren, was nicht selten in blinder Willkür endet (GS 16). Die Vorausbedingung des Hinwendens des Menschen zum Guten ist seine von Gott gewollte Freiheit, die damit zur unabdingbaren Würde seiner selbst wird. Blinden inneren Drang oder bloßen äußeren Drang zu einem gewissen Handeln bezeichnen die Konzilsväter als einer Person unwürdig, gleichgültig ob sie Mitglied der Kirche ist oder nicht. So stellt sich auch in diesem wesentlichen Attribut menschlichen Lebens heute die Frage, wie viele Organisationen ihren Mitarbeitern oder Mitgliedern in einer bis in die kleinsten Details regulierten Arbeitsumwelt ihre persönliche Freiheit nicht nehmen. Diese Frage müssen sich auch die Kirche und die von ihr abhängigen Organisationen gefallen lassen.
Die von Gott initiierte und gewollte Würde des Menschen braucht ständiges Ringen (LG 48), nicht nur in der Welt, auch in der Kirche, die nicht mit ihr identisch ist, aber die Gestalt dieser Welt trägt, mahnte der steirische Caritasdirektor Franz Küberl im März 2015 in seinem Festvortrag bei der Verleihung des Menschenrechtspreises des Landes Steiermark ein. Er spricht von einer „‘Verwertung„ des Menschen auf allen Ebenen“ des heutigen Lebens im Gegensatz zu „seinen geistigen Werten, von der Freude an der Entwicklung des eigenen kreativen Potentials – vom Gesamtkunstwerk Mensch, dem vor allen Nutzungs- und Verwertungsstrategien Würde und Einzigartigkeit zukommt.“28 Schaffung und Wahrung von Gerechtigkeit, Menschenwürde und -rechten seien die Aufgaben der Staaten, für deren Gestaltung jeder einzelne Mensch mit verantwortlich ist.
Menschenwerte wie Glaubwürdigkeit, Toleranz, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit, Dienst am Nächsten, Würde und Rechte aller Menschen sind jedoch nicht auf die systemisch-gesellschaftliche Ebene begrenzt, sondern erheben auf- und absteigenden kaskadenförmigen Anspruch genauso auf politische, soziale und kirchliche Organisationen und somit auf den einzelnen Menschen als Person. Konflikte entstehen dort, wo menschliche Werte auf einer dieser Ebenen mit Füßen getreten werden, das mag die persönliche Wertedimension tangieren, aber auch die institutionell-organisatorische und die gesamte gesellschaftliche Kultur.
Erst im letzten Artikel des ersten Kapitels der Pastoralkonstitution kommen die Konzilsväter auf Christus, den neuen Menschen zu sprechen, „in dem allein ‚sich das Geheimnis des Menschen wahrhaft aufklärt„ (GS 22), freilich in das Geheimnis Gottes hinein.“29 Das verlangt von jedem einzelnen Christen und jedem menschlichen Kollektiv, das sich christlich nennt, die unbedingte Nachfolge Christi.
1.5.3 Pastoral-biblische Arbeitsinitiativen
Wie und auf welche Weise die Kirche Jesu Christi als Communio auf ihrem Pilgerweg ans Ziel gelangt, d.h. auf welchen Glaubenswerten und Wertvorstellungen sie dahinschreitet und welche Denk-, Verhaltens- und Handlungsweisen sie daraus adaptiert, kann nicht ohne Konsultation des Lebens Jesu geschehen, das von authentischen Zeugen im Neuen Testament tradiert wird.
„Jesus verkündete das Reich Gottes und gekommen ist die Kirche.“30 Die Hermeneutik dieser von zeitkritischen Kreisen der katholischen Kirche heute gerne argumentativ verwendeten Worte des französischen Priesters und Theologen Alfred Loisy (1857–1940) kann in zwei kontroverse Richtungen deuten. So wird diese Aussage einerseits dahin interpretiert, dass die Wirklichkeit des von Jesus verkündeten Reiches Gottes von sozial-kirchlichen und somit menschlichen, bewussten und unbewussten Struktur- und Kulturelementen im Laufe der zweitausendjährigen Kirchengeschichte überlagert wurde. Andrerseits – und das war wohl die ursprüngliche Intention31 des gewiss hierarchie-kritischen Modernisten-Theologen Loisy – sah dieser „in der Umwandlung der Reichshoffnung zur Kirche einen legitimen geschichtlichen Vorgang“.32 Diese Worte antizipieren gleichsam die vom Zweiten Vatikanischen Konzil in der Kirchenkonstitution formulierte Ekklesiologie: „Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“ (LG 8). Was der Theologe offen kritisierte, war das Nachahmen oder sogar das Kopieren weltlicher Macht- und Regierungsstrukturen durch die Kirche Jesu Christi.33
Der Fokus dieser Arbeit wird die Kirche, beziehungsweise werden Teilorganisationen dieser Kirche, als „die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft“, also „die sichtbare Versammlung“ (LG 8) sein, deren Betrachtung und Analyse jedoch „die geistliche Gemeinschaft“, nämlich „die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche“ (LG 8) mit ihrem jesuanischen Sendungsauftrag miteinschließen und mitdenken muss. Da die Kirche jedoch nicht diese Welt bedeutet, sondern „sie [die Gläubigen] in dieser Welt auch den Tempel Gottes errichten können“ (GS 21), bedarf es einer authentischen Übersetzung des in der menschlichen Welt Werte-vollen für die Kirche und in diese Kirche hinein, denn „… diese Gemeinschaft [der Kirche erfährt] sich mit der Menschheit und ihrer Geschichte wirklich engstens verbunden“ (GS 1).
Die Erkenntnis der Bischöfe und Theologen des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass die Welt mit ihren wahren Werten Lehrmeisterin der Kirche Jesu Christi sein kann, macht der kirchenzentrierten Sicht des 19. und 20. Jahrhunderts ein Ende:
Mit großer Achtung blickt das Konzil auf alles Wahre, Gute und Gerechte, das sich die Menschheit in den verschiedenen Institutionen geschaffen hat und immer neu schafft. Es erklärt auch, dass die Kirche alle diese Einrichtungen unterstützen und fördern will, soweit es von ihr abhängt und sich mit ihrer Sendung vereinbaren lässt (GS 42).
Wenn Hugo Rahner seine Rede „am hohen Festtag der deutschen Katholiken“ im Jahr 1956, also sechs Jahre vor dem Beginn des Zweiten Vatikanums, mit dem markanten Satz beginnt „Die katholische Kirche ist ein Haus voll Glorie, weit über alle Lande dieser Erdenwelt“34, schimmert in diesen Worten noch die über alles erhabene und petrifizierte Kirche der Vergangenheit durch, die von der Welt nur Negatives, aber nichts Positives lernen kann.35 Aber schon im Titel dieser später publizierten Ansprache klingt die Realität an: „Die Kirche, Gottes Kraft in menschlicher Schwäche“36, ein Gedanke, den Hugo Rahner dann mit den Worten konkretisiert: „Die heilige Kirche Gottes ist in Kraft ihrer Nachbildung des Herrenleibes hienieden immer beides: Kraft und Schwäche, Glorie und Verächtlichkeit, sie ist Herrin und Magd, thronende Königin und arme Pilgerin.“37
Es ist einerseits die göttliche Communio, die geistliche Gemeinschaft, die die Kirche mit himmlischen Gaben der Kraft und Glorie beschenkt, und es sind andrerseits das sichtbare hierarchische Gefüge und das organisatorische Gesamtbild hier auf Erden, welche sie, nämlich die aufgrund dieser göttlichen Geschenke geliebte Kirche, in ihrem Denken, Handeln und Zusammenleben bisweilen schwach und verächtlich erscheinen lassen (LG 8). Als Arbeitsinitiativen mit vorläufigem Charakter und ohne Anspruch auf letztgültige Vollständigkeit sollen sechs Bilder aus dem Neuen Testament und somit aus den pastoralen Worten Jesu selbst auf das authentische Leben, also auf den getreuen Kern des Lebens, und wohlgemerkt nicht auf die Struktur der Kirche verweisen. Menschliche Zusammenarbeit in der Kirche und somit pastorale Ausrichtung des Sendungsauftrags Jesu (Mt 28,19) haben ihr Fundament in seinen Worten und Taten, was strikte bedeutet, dass Taten und Worte der Kirche heute, wenn sie glaubwürdig gelebt werden wollen, die Taten und Worte Jesu widerspiegeln müssen.
Fragen nach der „richtigen“ Organisationskultur und Antworten darauf müssen in allen Facetten „auf dem Niveau des Evangeliums“38 gestellt und formuliert werden. Es ist Überzeugung der christlichen Kirchen, dass sich Gott der ganzen Menschheit räumlich und zeitlich in der Geburt, dem Leben, dem Leiden, dem Tod und dem neuen Leben der Person Jesus geoffenbart hat. Seine Jüngerinnen und Jünger schrieben das Leben ihres Rabbi und ihr Zusammenleben mit ihm nieder, um ihren apostolischen Nachfolgern in ihrer missionarischen Sendung das Erbe Jesu authentisch weiterzureichen. Allerdings ist die Heilige Schrift keine Enzyklopädie für Argumente, wie viele evangelikale oder fundamentalistische kirchliche Gemeinschaften es gerne sehen wollen.39 Die Bibel ist eine Art Roadmap für eine Nachfolge Jesu, die nicht nur Aufgabe des einzelnen „Heiligen“ ist (Röm 16,2; 1 Kor 1,2; Eph 4,3;5,3; Hebr 13,24), wie die ersten Christen genannt wurden, sondern des ganzen Volkes Gottes, das durch Raum und Zeit zum Vater im neuen Jerusalem unterwegs ist (Offb 3,12; 21,10).
Im Folgenden sollen sechs neutestamentliche Meilensteine organisationskultureller Werte und Verhaltensweisen exemplarisch erläutert werden, die Jesus denen beispielhaft mit auf den Weg geben will, die seine Nachfolge ernst nehmen. Diese biblischen Highlights nehmen Bezug auf die im 5. Kapitel dargelegten Dimensionen einer Organisationskultur: Steuerung, Kommunikation, Leistung, Vertrauen, Wachstum und Identität.
Steuerung – die Verwandlung der geschockten Jünger
Nach der Verurteilung durch den Hohen Rat der Juden und der Kreuzigung Jesu durch die römische Besatzungsmacht vor den Toren Jerusalems schien für seine Freunde der Traum eines gemeinsamen Wegs zu Ende gegangen zu sein. Jesus hatte die Frohe Botschaft von der Barmherzigkeit seines Vaters nicht auf die Frommen und die im sozialen Scheinwerferlicht angesiedelten Juden eingeschränkt, sondern auch die am Rand der Gesellschaft Stehenden angesprochen: Aussätzige und Sünder, Dirnen und Zöllner. Dieses Szenario war für die Jünger Jesu unerträglich und sie alle ergriffen die Flucht (Mk 14,15). Sie waren schockiert, ratlos und am Boden zerstört: „Wir aber hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde“ (Lk 24,21). Dann aber stand er wieder inmitten seiner Jünger, die ihm einen Fisch zu essen gaben (Lk 24,42). Und er begann mit ihnen über das zu sprechen, was mit ihm in Jerusalem geschehen war. Ihre geöffneten Augen (Lk 24,45) waren Voraussetzung dafür, sie zu Zeugen seines neuen Lebens zu machen und sie auf den Weg zu schicken, allen Völkern die Umkehr zu predigen (Lk 24,45-47).
Nach der Dramatik der Tage in Jerusalem war die Eigeninitiative der Jünger auf null gesunken. Sie verschanzten sich hinter verschlossenen Türen (Joh 20,24-29), bis ihr wieder lebender Freund die Initiative übernahm. Die letzten Worte Jesu, die Johannes in seinem Evangelium berichtete, sind an Petrus gerichtet: „Du aber folge mir nach!“ (Joh 20,22). Damit war es klar, welche Aufgabe Jesus ihm und allen seinen Jüngern übertrug. Sie sollten seine Initiative weitertragen. Der neutestamentliche Exeget Thomas Söding spricht von einem „österlichen Motivationsschub“, der die Geburt der ersten christlichen Gemeinden erst ermöglichte.40
Die Erzählung der beiden Jünger, die von Jerusalem nach Emmaus unterwegs sind und denen sich auf ihrem Weg ein offensichtlich Fremder anschließt, gipfelt im gemeinsamen Brotbrechen, bei dem ihnen schlagartig die Augen aufgehen und sie in diesem Fremden ihren Freund Jesus erkennen (Lk 24,13-35). Mut- und Ratlosigkeit hatten die beiden in den letzten Stunden in eine Passivität abdriften lassen, die erst im gemeinsamen Essen durchbrochen wurde. Und der Evangelist fügt die Unmittelbarkeit ihrer Initiative an: „Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück …“ (v.33). Kleopas und sein im Evangelium namenloser Freund setzen das spontan in die Tat um, was Jesus ihnen auf dem Weg dargelegt hatte (v.27).
Der notwendige Wandel von einer passiven Fremd- zu einer aktiven Selbststeuerung41 scheint den Jüngern von Jesus auch im Gleichnis vom anvertrauten Geld vermittelt worden zu sein (Mt 25,14-30). Ein Mann bricht zu einer Reise auf und hinterlässt seinen Dienern einen Teil seines Verdienstes. Der, dem er fünf Silbertalente anvertraut, erwirtschaftet weiter fünf Talente. Jener, der zwei Talente von seinem Herrn erhalten hat, verdoppelt das ihm Anvertraute auch. Nur der, der ein Talent überantwortet bekommt, gräbt dieses ein und gibt es seinem Herrn bei dessen Rückkehr von der Reise unangetastet zurück. Aus Angst, er hätte etwas falsch machen können. Es genügt nicht, Verantwortung übertragen zu bekommen ohne Bereitschaft, darauf auch eine Antwort zu suchen.
Die Übertragung eines kirchlichen Amtes durch Handauflegung oder Beauftragung bedeutet die Übernahme von administrativer und/oder pastoraler Verantwortung in der Diakonie, der Verkündigung, der Liturgie und im Leben der Gemeinde, für die am Ende des Tages auch Rechenschaft abzulegen ist. Kirchliche Sendung, die a priori persönliche Anstrengung und Erfolg ausschließt, bremst das Volk Gottes auf seinem heilsgeschichtlichen Weg.
Kommunikation als Grundwert der Communio
Um „Menschen fischen“ zu können, müssen die apostolischen Fischer ihren Mund auftun, ihre Füße und Hände aktivieren und ihre Herzen auf Empfangsmodus stellen, d.h. sie müssen die „Kunst“ des Kommunizierens besitzen, diese zumindest anstreben. Diese für die Kultur der Kirche notwendige Fähigkeit beschränkt sich nicht nur auf die Mitarbeiter der römischen Kurie, sondern auf alle Teilbereiche kirchlicher Sendungsarbeit bis hin zu den kleinsten im Namen Jesu versammelten Gemeinschaften.
Einige der Jünger Jesu waren Fischer. So erzählt Matthäus über die Berufung der beiden Brüder aus Betsaida am See von Galiläa, über Simon und seinen Bruder Andreas. Und ein wenig später näherte sich Jesus mit ähnlichen Worten dann auch Jakobus, dem Sohn des Zebedäus, und seinem Bruder Johannes; in Mt 4,21 heißt es schlicht: „Er rief sie …“. Auch sie waren Fischer. Die einen waren gerade dabei, ihre Netze in den See auszuwerfen, die anderen hatten offensichtlich ihren Fang schon eingeholt und saßen am Strand in ihrem Boot und besserten ihre Netze aus. Beide Brüderpaare waren sozusagen mit ihrer Arbeitsvorbereitung beschäftigt. Jesus aber schlug ihnen einen Rollenwechsel vor: Wenn ihr mit mir kommt, dann „werde [ich] euch zu Menschenfischern machen“ (Mt 4,18). Und sie willigten ein, „verließen […] das Boot und ihren Vater und folgten Jesus“ (Mt 4,22), ohne noch im Entferntesten zu ahnen, was die Worte Jesu für sie und ihre Nachfolger bedeuten würden.
Für den ersten Arbeitsanstoß verwenden wir dieses Bild der Fischer vom See von Galiläa, die auf Jesu Wort hin alles stehen und liegen haben lassen, um ihrem Freund zu folgen. Die richtigen Netze, die auch immer wieder ausgebessert werden müssen, können zwar am richtigen Ort und zur richtigen Zeit die Wahrscheinlichkeit auf einen guten Fang erhöhen, aber eine Garantie, dass die Fischer dann ihre Netze, gefüllt mit Fischen, ans Land ziehen können, gibt es dabei nicht. Gute Kommunikation und Zusammenarbeit werden die Netze voller machen können, aber Sicherheit für den Erfolg bieten sie nicht. Dazu gehört mehr. Dazu gehört das Vertrauen auf den, der den neuen Jobs als Menschenfischer in der Welt Sinn verleiht. Fehlen allerdings die richtigen Instrumentarien oder werden sie am falschen Ort und zur falschen Zeit eingesetzt, werden auch gute Kommunikation und Zusammenarbeit nicht zum Erfolg verhelfen; die Wahrscheinlichkeit des Nicht-Erreichens des erwünschten oder angestrebten Ziels würde in diesem Fall steigen. Die Schlussfolgerung, die die Kirche von den „apostolischen Fischern“ am See von Galiläa lernend ableiten kann: Die richtige Organisationskultur des Volkes Gottes auf seinem irdischen Weg zum Ziel wird das menschliche Pilgern erleichtern, es humaner und authentischer gestalten; aber eine solche Kultur, mit allen menschlichen Mitteln anstrebbar, ist allerdings auch kein Garant dafür, dass auf dem Pilgerweg zum Ziel hin keine Steine liegen. Eine Unternehmenskultur, die „strategisch“ nicht auf die gemeinsame Vision hin ausgerichtet ist und das Ziel nicht im Auge hat, also als für die Organisation nicht adäquate Kultur bezeichnet werden muss, lässt die Herde kleiner werden und die Hirten vereinsamen.
Leistung – das „Mit-einander“ als Maßstab
Spricht man heute im politischen, wissenschaftlichen und vor allem wirtschaftlichen Alltag von Leistung, so stellt sich stets sogleich die Frage, wie denn in diesen gesellschaftlich-sozialen Zusammenhängen Leistung gesehen, definiert und auch gemessen werden könne. Und weil es schwieriger ist, qualitative Schritte zu einem erwarteten Ziel hin greifbar und dingfest zu machen als quantitative Bewegungen, wird selbst die Reflexion über Leistung einfach verworfen42.
Das pastorale Bemühen Jesu, soziale Barrieren und religiöse Schranken zwischen den Menschen Israels abzubauen, wurde von den nachösterlichen Gemeinden als ein klarer Auftrag für ihre Arbeit der Verbreitung des Reiches Gottes gesehen und vor allem von Paulus wortmächtig weitergegeben. Für die Praxis des „Miteinanders“ listet Gerhard Lohfink in seinem Werk über die Frage, wie denn „Jesus Gemeinde gewollt“ hat, einige exemplarische „Stichproben der Briefliteratur des Neuen Testamentes“ auf43:
Einmütigkeit untereinander suchen (Röm 12,16)
auf den anderen bedacht sein (Röm 12,16)
einander annehmen (Röm 15,7)
einander zurechtweisen (Röm 15,14)
einander mit heiligem Kuss grüßen (Röm 16,16)
aufeinander warten (1Kor 11,33)
einträchtig füreinander sorgen (1Kor 12,25)
einander in Liebe Sklavendienste leisten (Gal 5,13)
einander die Lasten tragen (Gal 6,2)
einander in Liebe ertragen (Eph 4,2)
gütig und barmherzig zueinander sein (Eph 4,32)
sich einander unterordnen (Eph 5,21)
einander verzeihen (Kol 3,13)
einander trösten (1 Thess 5,12)
einander aufbauen (1Thess 5,12)
untereinander Frieden halten (1Thess 5,13)
einander Gutes tun (1Thess 5,15)
einander die Sünden bekennen (Jak 5,16)
füreinander beten (Jak 5,16)
einander von Herzen lieben (1Petr 1,22)
gastfreundlich zueinander sein (1Petr 4,9)
einander in Demut begegnen (1Petr 5,5)
miteinander Gemeinschaft haben (1Joh 1,7).
Diese neutestamentlichen Leistungskriterien können noch fortgesetzt werden, kennen allerdings keine quantitative Skaleneinteilung von „ausgezeichnet“ bis „ungenügend“. Denn der eigentliche Maßstab, der diesen Ermahnungen zugrunde gelegt ist, ist die Liebe Gottes, die sich im Leben und Zusammensein Jesu mit seinen Jüngern und dem Volk Israel geoffenbart hat. Heißt das aber, dass missionarische Arbeit in den Gemeinden, Diözesen und in der Weltkirche überhaupt nicht messbar ist? Vielleicht gar nicht der Versuch gemacht werden soll oder darf sie zu messen? Wenn Papst Franziskus reflektiert, dass das Maß der Liebe Gottes darin besteht einfach maßlos zu lieben44, kann das jedoch keinesfalls bedeuten, dass sich die getauften Christen, die dazu berufen sind das Reich Gottes in ihrem Raum und in ihrer Zeit greif- und erfahrbar zu machen, in den leerer werdenden Kirchenbänken und den spärlich besetzten Priesterbänken zurücklehnen und alles dieser maßlosen Liebe Gottes überlassen. Die Ermahnungen (Paraklese) spiegeln eine Dynamik des evangelisierenden Aufbruchs wider: suchen, annehmen, sorgen, leisten, tragen, ertragen, verzeihen … Auch Papst Franziskus erinnert in Evangelii gaudium an dieses Aufbrechen im Glauben und Vertrauen in Gottes Wort (EG 20), das im Alten Testament in den Gestalten Abraham, Mose und Jeremias auch für die nachösterlichen Gemeinden immer wieder zeichenhaft dafür steht, dass die Gottsuche kein Spaziergang ist, sondern ganz wesentlich auch etwas mit menschlicher Leistung zu tun hat.
In Mt 7,15-23 spricht Jesus die Warnung vor den falschen Propheten aus, „die einen leichten politischen Ertrag schnell und kurzlebig erbringen, aber nicht die menschliche Fülle aufbauen“. Heute ist es Papst Franziskus, der sich die Frage stellt, „wer diese sind, die sich in der heutigen Welt wirklich dafür einsetzen, Prozesse in Gang zu bringen, die ein Volk aufbauen“ (EG 224). Er hinterfragt also im Kontext der sozialen Dimension der Evangelisierung45 die pastorale Leistung und nimmt bei der Beantwortung dieser Frage Gedanken von Romano Guardini zu Hilfe; und hier geht es um eine Leistungsbeurteilung (EG 224):
Die Geschichte wird die letzteren [jene, die nicht die menschliche Fülle aufbauen] vielleicht nach jenem Kriterium beurteilen, das Romano Guardini dargelegt hat: ‚Der Maßstab, an welchem eine Zeit allein gerecht gemessen werden kann, ist die Frage, wie weit in ihr, nach ihrer Eigenart und Möglichkeit, die Fülle der menschlichen Existenz sich entfaltet und zu echter Sinngebung gelangt‘.46
Das Leistungsspektrum pastoralen Handelns in der Kirche kann niemals mit einer betriebswirtschaftlichen Brille beurteilt werden. Es geht um die Entwicklung und die Entfaltung menschlicher Existenz hin zur Sinnfülle des Lebens (Joh 10,10). Das Modell menschlicher Entfaltung und glaubhafter Sinngebung ist nicht das Modell eines Theologen, es ist das göttliche Modell für den Menschen schlechthin. Bei seiner ersten Begegnung mit dem Menschen geht es Jesus zuallererst nicht darum, sein Leben zu verändern, sondern ihm in seiner ganz individuellen Situation mit all ihren Stärken und Schwächen die Tiefe der Liebe Gottes spüren zu lassen. Gott ergreift die Initiative lang bevor der Mensch sich zu ihm aufmacht.
Um dem Leben eines an Leib oder Seele verwundeten Menschen, dem Jesus begegnet, wieder Sinn zu geben, setzt er sich nicht hin und belehrt diesen über die Wahrheit oder die Fülle des christlichen Lebens, sondern er umarmt ihn mit seinen mitfühlenden Worten oder berührt ihn in Liebe, die die Liebe Gottes ist. Danach heilt Jesus das, was der Fülle des Lebens hinderlich ist, den Frieden und die Zufriedenheit stört und es oft auch unmöglich gestaltet, nach dem Evangelium zu leben. Erst dann mahnt Jesus vom Verwundeten eine Leistung ein. Er fordert den seit 38 Jahren Verkrüppelten am Rand des Teiches Betesda auf umzukehren: „Jetzt bist du gesund; sündige nicht mehr, damit dir nicht noch Schlimmeres zustößt“ (Joh 5,15). Zur ertappten Ehebrecherin sagt er: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ (Joh 8,11).
Vertrauen – Gott vertrauen und dem Menschen trauen
Der Autor des Hebräerbriefes wendet sich an die zweite oder dritte Generation der frühen Christengemeinde (Hebr 2,3), „denen der Elan der Anfangszeit abhandengekommen ist“.47 Diese Worte gelten nicht nur einer bestimmten Gemeinde, sondern sind einer ganzen Generation der Heilsgeschichte in ihrer pastoraltheologischen Wanderschaft zugesprochen (Hebr 10,32-35):
Erinnert euch an die früheren Tage, als ihr nach eurer Erleuchtung manchen harten Leidenskampf bestanden habt: Ihr seid vor aller Welt beschimpft und gequält worden, oder ihr seid mitbetroffen gewesen vom Geschick derer, denen es so erging; denn ihr habt mit den Gefangenen gelitten und auch den Raub eures Vermögens freudig hingenommen, da ihr wusstet, dass ihr einen besseren Besitz habt, der euch bleibt. Werft also eure Zuversicht nicht weg, die großen Lohn mit sich bringt.
Den Weg des gemeinsam wandernden Gottesvolkes hatten auch die Konzilsväter im Sinn, als sie in der Kirchenkonstitution darauf hinweisen, dass Gott beschlossen hat, diejenigen, die Christus vertrauen, in der Gemeinschaft der Kirche zusammenzurufen (LG2). Der oft lange Weg verlangt von den Anhängern des „neuen Weges“ vor allem Ausdauer (Hebr 10,36; 12,1-2) und den beharrlichen Willen zur Neuorientierung (Hebr 2,1; 3,10). Die Schwierigkeiten in der Gemeinde kommen nicht von außen, sondern sind in der Organisation selbst zu orten, „es sind schlicht und einfach die Mühen der Ebene, die Probleme bereiten“.48 Thomas Söding spricht davon, dass der christliche Glaube alltäglich wird und es der Gemeinde zunehmend schwer fällt, „sich auf das Hören des Evangeliums zu konzentrieren und das Überzeugende, Aufbauende, Wegweisende, Ermunternde, Tröstende, Anspornende der christlichen Botschaft zu erkennen“49 (Hebr 5,11-14).
Die Erkundung des Beginns eines neuen Weges der Gemeinde sieht Söding im „Hinschauen zu Jesus – Hinhören auf Gottes Wort“, in der „Wahrnehmung der Wirklichkeit“ und dem Sehen des Unsichtbaren – Hören des Unerhörten“50, drei Vorausbedingungen für das Vertrauen auf Gott, die eine notwendige Neuorientierung initiieren können. Wenn der Gemeinde das Vertrauen auf die Nähe Gottes abhandenkommt, dann mündet dies in einer aufkeimenden Inflexibilität, die sie früher oder später lähmt.
Der vertrauende Gottesglaube, der seine Standfestigkeit aus der Hoffnung empfängt, umschließt und nährt auch das Vertrauen in den Menschen, der Weggefährte des pilgernden Gottesvolkes ist. Schließlich und endlich ist es nicht der Taufspender, der den Täufling mit dem heiligen Chrisam zum Priester, König und Propheten oder zur Priesterin, Königin und Prophetin salbt, sondern der Herr selbst. Die Glaubwürdigkeit dieser Handlung wird zum Prüfstein des Zusammenlebens und des gemeinsamen Handelns in der Kirche. Es ist Jesus selbst, der mit dem Getauften auf seinem Lebensweg unterwegs ist. Die einzige gültige Antwort auf das Vertrauen Gottes in sein Geschöpf Mensch, den er ja nur ein wenig geringer gemacht hat, als er selbst ist, und den er ja mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt hat (Ps 8), kann nur ein bejahendes Vertrauen sein.
Dem Autor des Hebräerbriefes geht es nicht um einen ekklesiologischen Traktat, aber sehr wohl um eine alltägliche praktisch-theologische Reflexion einer Spiritualität der Communio im Großen und im Kleinen, d.h. er ruft die verlorengegangene Spiritualität der Gemeinden, der Pfarren, der Ortskirchen und damit der universalen Kirche ins Gedächtnis des pilgernden Volkes Gottes.
Die Liturgiereform des Zweiten Vatikanums hat mit dem Friedensgruß in der Eucharistiefeier wieder eine symbolische Geste der urchristlichen Gemeinden in Erinnerung gerufen, die uns mehrfach aus den Paulusbriefen (Röm 16,16; 1Kor 16,20; 2Kor 13,12) überliefert ist: „Grüßt einander mit dem heiligen Kuss“ oder auch mit dem „Kuss der Liebe“ (1 Petr 5,14). Wie können Leiter oder Mitglieder einer Gemeinde bei dem Friedensgruß dem Gegenüber in die Augen blicken, wenn sie einander in ihrer tagtäglichen Arbeit in und für die Kirche nicht über den Weg trauen?
Wachstum – Das Reich Gottes schlägt Wurzeln
Eine missionarische, kooperative und konstruktive Kirche51, wie sie Thomas Söding in der Tätigkeit des Apostels Paulus vor Augen hat, verkündet primär das Reich Gottes vor allem dadurch, dass sie mehr Salz der Erde und Licht der Welt (Mt 5, 13-16) ist und in ihrer Sendung nicht unbedingt vieler Worte bedarf. Zweitens treibt die Kirche als Communio stets die ihr von Jesus aufgetragene Sammlung des Gottesvolks voran – auch wenn diese Worte selbst nicht aus Jesu Mund kommen, so sind sie in seinem Reden und Tun impliziert, denn ein Reich kann im damaligen Sprachgebrauch nicht ohne Volk existieren.52 Das dritte Merkmal der Kirche Christi demonstriert uns Paulus als Gemeindegründer und Gemeindeleiter: In diesem Kontext geht es ihm nicht nur um das innovative und kreative Handanlegen am Bau des Hauses Gottes, sondern er hat den ganzen Menschen als den Tempel des Heiligen Geistes (1Kor 3,16) im Sinn.
Damit umfasst das Reich Gottes alle Dimensionen des menschlichen Lebens, von der Existenz der einzelnen Person über die Geburt einer kleinen christlichen Gemeinschaft und den Aufbau einer Gemeinde über das Erblühen einer Ortskirche hin bis zur wirklich universalen Kirche. Bei der Begegnung des Hauptmanns von Kafarnaum ist Jesus über dessen tiefen Glauben erstaunt und spricht über eine große Völkerwallfahrt: „Viele werden von Osten und Westen kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen“ (Mt 8,11). Was Jesus im kleinen Kreis begonnen hat, setzen seine Jüngerinnen und Jünger nach seinem Tod und seiner Auferstehung fort. Am Pfingsttag (Apg 2,1-13) und mit den Gemeindegründungen von Paulus und seinen Gefährten wird diese „Völkerwanderung“ zur Realität.
Für die Entwicklung und das Wachsen des Reiches Gottes hat Jesus seinen Aposteln keine dezidierten oder fixen Strukturen vorgeschrieben, er hat ihnen allerdings mit seinem eigenen Leben das „Wie“ vorgegeben. Die institutionellen Formen des Reiches Gottes sind bisweilen im offenen Disput, beispielsweise beim Apostelkonzil (Apg 15,1-35), oder aber auch in aller Stille in den Gemeinden des Römischen Reiches gewachsen.
Paulus verliert in seiner Missionsarbeit das eschatologische Ziel – in der Organisationswissenschaft würde heute von der strategischen Zielsetzung gesprochen werden – niemals aus dem Blick. In seinem ersten Brief an die Gemeinde in Thessaloniki, dem ersten, den er jemals an eine Gemeinde adressiert hatte, ermahnt er sie (1Tess 5,12-13):
Euch aber lasse der Herr wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen, wie auch wir euch lieben, damit euer Herz gefestigt wird und ihr ohne Tadel seid, geheiligt vor Gott, unserem Vater, wenn Jesus, unser Herr, mit allen seinen Heiligen kommt.
Mit diesem Maßstab des persönlichen Wachsens in Liebe zu Gott und zu einander, das ihm zum Fundament jeder Gemeindeentwicklung wird, geht Paulus an seine pastorale Arbeit heran. Er bringt das Samenkorn in seinem Reisegepäck und pflanzt es in die Erde der jungen Gemeinde, überlässt jedoch das Wachstum – wohlgemerkt unter seinem wachsamen Auge – jenen, denen er das Wort vom Reich Gottes anvertraut hat.
In der Wirtschaft durchläuft jedes Unternehmen verschiedene Phasen, vom Wachstum über die Blüte bis hin zum Scheitern oder zur Übernahme durch ein anderes Unternehmen, das näher am Kunden geblieben ist als es selbst. Im Gegensatz zur Welt kann jedoch die Kirche Jesu Christi von den Mächten dieser Welt – heute könnte man auch sagen: von den Mächten ihrer materiellen und immateriellen Märkte – nicht überwältigt werden (Mt 16,18). Dieses Versprechen Jesu ist einerseits eine vom Vertrauen getragene Sicherheitsklausel, kann das Schiff der Kirche aber auch nahe an gefährliche Klippen herantragen, wenn ihre Mann- oder „Frauschaft“ gegen den Geist Gottes segelt. Dann hilft nur mehr sein Steuermann, der einzig und alleine Jesus ist.
Identität – ein Grundanliegen der frühen Christengemeinden
Der konstruktive Wille der frühen Christengemeinden, Communio mit Christus und Communio mit den Menschen in ihrem Leben zu begründen, ist in der Spiritualität des letzten Beisammenseins Jesu mit seinen Jüngern begründet (vgl. Joh 13, 1-20). Während die Synoptiker ausführlich über das Mahl berichten (Mt 26,20-29; Mk 14,17-25; Lk 22,14-23), erwähnt das Johannes-Evangelium dieses nur sozusagen vorübergehend mit den Worten: „Es fand ein Mahl statt [… und er] stand vom Mahl auf …“ (Joh 13,2.4), fügt aber das Sondergut der Fußwaschung ein (Joh 13,1-20). Glaubhaft können die Hinwendung zu Gott und die Vereinigung mit ihm in der Liturgie nicht ohne Hinwendung zum Mitmenschen und ohne Verneigung vor ihm erfolgen. Die Spiritualität der Kirchen des Ostens spricht von einer „Liturgie nach der Liturgie“53 mit der Hoffnung, aus dem irdischen Szenario mit Hilfe der fürbittenden Heiligen, die im byzantinischen Ritus auf der Ikonostase dargestellt sind, einmal zum Festmahl im himmlischen Jerusalem gelangen zu können.
Die Urkirche lebt diese Spiritualität des Gottes- und Menschendienstes aufgrund des authentischen Zeugnisses der Aposteln, vor allem des Paulus, von dessen Denken und Tun für die Kirche heute dank seiner Briefe und der Apostelgeschichte mehr tradiert ist als von allen anderen Aposteln, die zum engsten Freundeskreis Jesu gehörten. Nach seiner Jesus-Begegnung vor den Toren von Damaskus (Apg 9,3-8) und seiner „Aus-Zeit“ in der Wüste (Gal 1,17) war Paulus ständig „ohne abgehobene Kirchentheorie“ und „ausgeklügelten Pastoralplan“54 unterwegs, um neue Gemeinden zu gründen. Um diese Aufgabe des erfolgreichen Gemeindeaufbaus von Paulus verstehen zu können, sind Grundwerte und Verhaltens- und Handlungsmuster, also seine „missionarische oder evangelisierende Kultur“ zu hinterfragen. Im 1. Korintherbrief fasst der Apostel seine Erkenntnis für eine gedeihliche Zusammenarbeit in der Gemeinde zusammen: „Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld, Gottes Bau“ (1Kor 3,9). Er schließt niemanden von der Mitarbeit am Aufbau des Reiches Gottes aus und vergleicht die christliche Gemeinschaft (1) mit einem Acker, auf dem nicht nur Korn wächst, sondern auch andere Pflanzen, und (2) mit einem aus Steinen zusammengefügten Bau. Ein paar Zeilen später erinnert Paulus seine Gemeinde daran, dass diesem Bau etwas Heiliges anhaftet, denn er sei Tempel Gottes, in dem der Geist Gottes wohnt (1Kor 3,16).
Anders als die mythologische Begrifflichkeit der griechischen und römischen Götterstätten baut der neutestamentliche, im letzten christologische Tempelbegriff auf den geschichtstheologischen Ereignissen des Alten Testaments auf: Im Haus Gottes wird seiner Heilstaten, d.h. der Rettung Israels gedacht und das vollzogen, was Jesus den Jüngern bei seinem Abschied im Obergemach aufgetragen hat. Jedoch bleibt das nicht nur bloße Erinnerung, sondern wird von der Gemeinde immer neu als Communio erfahren55, an der alle zum Mitbauen nicht nur eingeladen, sondern eben verpflichtet sind. Paulus erinnert die Gemeindemitglieder in Korinth daran, dass sie eine Leistung erbringen müssen. Gott hat in Christus das Fundament der Kirche gelegt und auf diesem einen Fundament sind alle Mitglieder des Volkes Gottes gleichsam als „ARGE Kirche“ zur Mitgestaltung eingeschworen. Der Tempel der Kirche ist eine ewige Baustelle und wird es für alle Zeiten bis zur ihrer Ankunft beim Vater bleiben. Söding erinnert daran, dass das Fundament unverrückbar ist:56
Es ist von Gott selbst gelegt. Dazu bedient er sich des Apostels [in diesem Kontext des Apostels Paulus]. Deshalb ist es sein „Amt“, das Fundament zu legen; das ‚Amt‘ aller Christen aber ist es, am Haus des Glaubens weiterzubauen – auf dem Fundament Jesu Christi und mit möglichst guten Materialien. Nicht nur einige wenige Experten sind die berufenen Bauleute, sondern alle Christen – mit ihren je spezifischen Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Vielleicht greift Söding mit seiner Aufforderung nach der Qualität der Materialien für den Tempel des Geistes Gottes hier sogar etwas zu kurz.
Erstens: Das Haus Gottes mit „möglichst guten Materialien“ zu bauen kann nicht genügen, es müssen die besten Materialien sein, die wir uns als Menschen für diesen Bau leisten können. Ohne jene Menschen, welche am Rand der Gesellschaft stehen, zu vergessen, müssen sich auch die Mitglieder der Kirche immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass sie sich nur das leisten können, was sie selbst leisten. In anderen Worten: Wenn nur Ausschuss-, Abbruchs- und Secondhand-Material in die Kirche investiert wird, darf es nicht verwundern, dass ihre Mauern zu bröckeln beginnen. Es gibt wohl keine säkulare Organisation, die nicht nach den bestgeeigneten Mitarbeitern sucht. Und sollte diese Qualitätslatte da und dort nicht gelegt werden können, werden wahrscheinlich zu Recht ethische Argumente zugrunde liegen. Und dennoch die Frage: Warum sollte sich die Kirche, die ja Tempel des Geistes Gottes ist, „im Normalfall“ nicht nach den besten „Materialien“ umsehen?
Zweitens: Fertigkeiten und Fähigkeiten sind in der kirchlichen Mitgestaltung, die ja allen Getauften obliegt, wohl nicht ausreichend genug, um Jesu Sendungsauftrag weiterzutragen. Dazu gehören neben den richtigen christlichen Glaubensüberzeugungen und Wertvorstellungen auch integrierendes Wissen, wesentlich jedoch auch Verhaltensformen und Denk- und Verhaltensweisen, die das Leben Jesu authentisch widerspiegeln.
Die (im 5. Kapitel näher erläuterten) sechs Dimensionen einer Organisationskultur – Steuerung oder Führung, Kommunikation, Leistung, Vertrauen, Wachstum und Identität – sind keineswegs Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Ohne im Zusammenhang mit der Thematik dieser Arbeit in exegetische Tiefen vordringen zu können, ist der Versuch gewagt worden, an Hand einiger exemplarisch ausgewählter biblischen Stichproben den pastoralen Hintergrund einer Organisationskultur des pilgernden Volkes Gottes anzudeuten; pastoral deshalb, weil jedwedes menschliche Tun oder Unterlassen in der Kirche direkte oder indirekte Auswirkungen auf den Weg des Gottesvolkes durch Raum und Zeit hat.
1.5.4 Pastoral-ekklesiologischer Ansatz
In der sogenannten Pfingstikone verbildlichen die Ostkirchen, besonders die orthodoxen Kirchen des byzantinischen Ritus, die Geburtsstunde der Kirche Jesu Christi. Dabei geht es nicht um eine historische Berichterstattung, sondern um eine fundamentale Aussage über die Kirche.57 Ursprung und Ausgangspunkt des pfingstlichen Szenarios ist der auf alle und alles herabschwebende Heilige Geist Gottes, der seit dem Frühchristentum bis herauf in unsere Zeit nach dem Bericht der Taufe Jesu im Jordan in allen vier Evangelien (Mt 3,13-17; Mk 1,911; Lk 3,21-22; Joh 1,29-34) in Gestalt einer Taube dargestellt ist.58 Unter dem Bildnis des Geistsymbols scharen sich um einen zentralen leeren Thronsessel zwölf Männer, die von Gottes liebendem Geist die Botschaft erhalten, dass sie und mit ihnen alle Menschen durch Jesus Christus erlöst und zum Leben in Gott berufen sind. Anders als die tradierte Darstellung des Heiligen Geistes als Taube wird sein göttlicher Atem nicht in Form von brennenden Zungen (Apg 2,3-4) abgebildet. Das Geist-Feuer tragen die zwölf Männer in ihren Herzen.
Petrus, der gemeinsam mit Paulus dem leeren Thron, der alleine für den Herrn reserviert ist, am nächsten sitzt, wird diese Frohbotschaft den Besuchern Jerusalems aus dem gesamten damals bekannten Erdkreis und dem allumfassenden Kosmos mitteilen: „Mit Gewissheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Messias gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt“ (Apg 2,36). Dieser Kόσµoς wird ikonographisch als gekrönter Herrscher im Zentrum des offenen Halbkreises der zwölf Männer dargestellt; somit wird er von den Zeugen des Geistes Gottes als Ziel ihres gemeinsamen Handelns angesprochen.
Ein Blick auf die Runde der anwesenden Gestalten zeigt deutlich, dass es sich bei der Pfingstikone der Ostkirchen nicht um eine bildliche Darstellung eines historischen Ereignisses handelt, sondern um eine Wesensaussage über unsere Kirche.59 Paulus sitzt Petrus gegenüber und nimmt somit einen wichtigen Platz in dieser „ersten Kirche“ der Zwölf ein, die in ihrer Einheit und Geschlossenheit auf das ganze Volk Israel, repräsentiert durch die zwölf Stämme Israels, hinweisen und somit die Ganzheit der Kirche abbilden. Lukas erwähnt am Beginn seiner Apostelgeschichte die Anwesenheit von Maria, der Mutter Jesu, mit den Frauen und seinen Brüdern, die alle „dort einmütig im Gebet“ verharrten (Apg 1,14). Auffallend ist, dass die Ikonenmaler die Frauen der Jerusalemer Gemeinde in den allermeisten Fällen aus dem Geburtsbild der Kirche ausschließen.
Für die Thematik der Verhaltens- und Handlungsweisen der Mitglieder der „ersten Kirche“ am jüdischen Fest Schawuot, dem nun christlichen Pfingstfest, scheint neben der „demokratischen“ Sitzordnung60 der Jünger auch deren Körpersprache betrachtenswert: Einige von ihnen blicken den Betrachter oder die Bildbetrachterin an, andere suchen im offenen Halbkreis sitzend mit ihren Augen ihr Gegenüber und wieder andere richten ihren Blick nach außen, d.h. auf die Welt, die ihren offenen Halbkreis umschließt.
Die ostkirchliche Pfingstikone der „ersten Kirche“ kann uns somit in vielfacher Hinsicht Wegweiser in die pastoral-orientierte Kirche von heute sein:
(1) Letztverantwortlicher des pastoralen Zielstrebens der Kirche ist und bleibt auf ihrem Weg durch Raum und Zeit Jesus Christus.
(2) Die synodale Struktur der Kirche verweist auf Christus und verherrlicht nicht den Jünger oder die Jüngerin. Gottes guter Geist ist Garant für das Wirken der Kirche nach innen und außen hin.
(3) Die Gemeinschaft der Kirche unter Führung der Apostel und ihrer Nachfolger muss ihren Alltag durch den Blick auf ihr Zentrum reinigen, um nach außen hin, der Welt und dem ganzen Kosmos gegenüber, immer wieder glaubwürdig werden zu können. Das ist eine reifende Entwicklung, nicht aber ein schon zu Pfingsten abgeschlossener Prozess.
(4) Die Fähigkeit des ganzen Volkes Gottes aufeinander zu hören, miteinander in einen Dialog zu treten, einander zu verstehen und andere für das Evangelium zu gewinnen, ist wesentlich von der Erkenntnis Gottes als Geber alles Guten und dem einmütigen Lob und Dank der ganzen Gemeinde abhängig.61
(5) Kirche vollzieht sich immer in einer zweifach ausgerichteten Verhaltensweise des von ihr angesprochenen Menschen: in der Beziehung zu Gott und in der Beziehung zum Menschen, gleichgültig ob sich dieser im innersten Kreis geborgen weiß oder außerhalb der vertrauten Gemeinschaft lebt.
(6) Das Bild der beiden Apostel Petrus und Paulus, die einander gegenübersitzen, versinnbildlicht die felsenfeste Gegründetheit der petrinischen Kirche auf der einen Seite in der Tradition Christi und auf der anderen Seite im Bestreben des Paulus, sie als Gemeinschaft aller Völker in die Freiheit vom Gesetz zu führen.62 Der authentischen Verkündigung des Lebens und der Worte Jesu Christi, dass wir alle Kinder des Vater sind, muss stets ein „Exodus“ aus unserer eigenen Enge vorausgehen, d.h. „wir müssen aus unseren Maßstäben und unseren begrenzten Vorstellungen herauskommen, um in uns Platz zu machen für die Gegenwart Gottes.“63
Die Theologie der ostkirchlichen Pfingstikone weist gewissermaßen auf das Zusammenspiel von Strategie, Struktur und Kultur einer menschlichen Gemeinschaft hin,64 die von Gottes Willen getragen ist: Die Strategie der Kirche ist auf Gott, den Herrn, hin ausgerichtet; die Struktur der Kirche ist hierarchisch und synodal zugleich auf die Welt fokussiert; und zuletzt ist ihre Kultur in ihrer Offenheit von konkreten Menschen geprägt, zugleich aber fest verankert im auferstandenen Herrn. Mit dem Blick auf das Bischofsamt weist die Ikone in aller Deutlichkeit darauf hin, dass die Bischöfe nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil keine Präfekten mehr sind, „die die Weisungen eines päpstlichen Monarchen umsetzen, sondern Apostel, die gemeinsam mit dem Papst für die ganze Kirche verantwortlich sind.“65
1.5.5 Theologen mit dem Geruch nach „Volk und Straße“
Die Überschrift dieses Absatzes lässt leicht vermuten, dass es sich um einen Gedanken von Papst Franziskus handelt, der ja schon öfters von den Seelsorgern, besonders von den Bischöfen gesprochen hat, die den „Geruch der Schafe“ an sich haben sollten (EG 24). Am 3. März 2015 schrieb er anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Theologischen Fakultät der Katholischen Universität Argentiniens in einem Vorort von Buenos Aires einen Brief an Kardinal Mario Aurelio Poli, seinen Nachfolger als Erzbischof der Hauptstadt und als Großkanzler der Universität. In diesem Schreiben entwirft Franziskus ein Leitbild der Theologie, das von Radio Vatikan mit seinen eigenen Worten „Nicht nur am Reißbrett“ betitelt wurde.66 Es verwundert viele und beeindruckte manche, dass er selbst im Gegensatz zu seinem Vorgänger Benedikt XVI. kein abgeschlossenes Doktorat, sondern „nur“ ein Lizentiat hat, aber theologisches Studium und Forschung mit didaktischer Vision auf die Ganzheit des Menschen bezieht: „‚Man lernt fürs Leben‘, schreibt der Papst, denn: ‚Theologie und Heiligkeit sind ein unauflösliches Binom‘.“67 Pastorale Kompetenzen mögen an einer Universität erlernbar sein, glaubhaft zu leben sind sie nur auf den Straßen des menschlichen Alltags.
Theologie als Beschäftigung mit Offenbarung und Tradition hat auch die Verpflichtung, die unterschiedlichsten Entwicklungen der Welt zu begleiten und sich vor allem der Konflikte anzunehmen, die sowohl innerhalb der Kirche als auch in der Welt schwelen. Das kritische Wort des Papstes vom „Theologen am Reißbrett“ wird wohl nicht bei allen Professoren Anklang finden, aber er spricht es dennoch aus und fügt die ermahnenden Worte hinzu:68
Euer Ort des Nachdenkens sollen die Grenzen sein. Und tappt nicht in die Versuchung, sie zu lackieren, zu parfümieren, sie ein wenig aufzuhübschen und zu zähmen. Auch die guten Theologen riechen, so wie die guten Hirten, nach Volk und nach Straße und salben Wunden der Menschen mit Öl und Wein.
In seinem Brief an Kardinal Poli kommt Papst Franziskus dann noch mit markig poetischen Worten auf das Profil des zukünftigen professionellen Theologen zu sprechen: „Sicher kein Museumsdirektor, […] Intellektueller ohne Talent, kein Ethiker ohne Güte oder ein Bürokrat des Heiligen.“ Es geht letztlich um den Aufbau der Menschlichkeit und die Vermittlung „göttlich christliche[r] Wahrheit in einer wahrhaft menschlichen Dimension“.69 In den Branchen der Wirtschaftswissenschaft und Betriebswirtschaft hießen diese Worte nichts anderes als die Gestaltung eines menschennahen und menschenfreundlichen Betriebsklimas oder – mit anderen Worten – einer Unternehmenskultur, die positiven Einfluss auf alle internen und externen Stakeholder70 ausübt.
Während sich Wirtschaftsunternehmen vielfach wohl bewusst sind, dass es keine richtige oder falsche Organisationsstruktur gibt, sondern für jede Lebensphase des Unternehmens nur eine einzige Struktur die richtige sein kann, und zwar die, welche das Unternehmen unter Berücksichtigung des vielfach zitierten Wertes des „Mitarbeiters als Mittelpunkt“ im speziellen Umfeld zum nachhaltigen Erfolg führt, hat die Kirche vielfach durch Jahrhunderte hindurch im guten Glauben, sich stets auf dem richtigen Weg zu befinden, auf gewachsenen Traditionen gebaut, ohne in manchen Fällen auf das ihr Zielstreben begleitende kulturelle Umfeld zu achten, und ist damit Gefahr gelaufen, Strukturen unbewusst, aber oft auch bewusst zu versteinern. Es war das erste tatsächlich pastorale Konzil, nämlich das Zweite Vatikanum, kaum zwei Jahrzehnte nach Ende einer weltweiten Schreckensnacht der Menschheitsgeschichte, das mit der „Pastoralen Konstitution Gaudium et spes über die Kirche in der Welt von heute“ neue Wege eines gegenseitig befruchtenden Zusammenlebens von Kirche und Welt beschritten hat. Dass dieser pastoral-ekklesiologische Paradigmenwechsel in der Arbeitswelt gleichsam parallel zum sicher nicht konsequenten Abschied vom Taylorismus, der das System und nicht den Menschen in den Mittelpunkt der Organisation stellt, und zum Entstehen der Human-Relations-Bewegung vor sich ging, mag für den Historiker in Wirtschaft und Kirche kaum überraschend sein.71
Visionsdefizit und damit verbundene Ziellosigkeit oder Zieldesorientierung von Institutionen bedeuten organisationalen Stillstand. Institutionen, die ihre Organisationskultur nicht auf ihr Ziel zu fokussieren imstande sind, werden auch mit Schwierigkeiten konfrontiert werden, ihre vielfältigen Strukturen auf das Ziel auszurichten, sei es die Organisationsstruktur, die Entscheidungsstruktur, die finanzielle Struktur oder die Personalstruktur. Andrerseits laufen Institutionen, die ihre alleinige Aufmerksamkeit auf ihre Strukturen richten, Gefahr, in ihren Arbeitsprozessen den Menschen zu verlieren.
Damit ist es nach den vorbereitenden Gedanken auch gebührende Zeit, begriffliche Klarheit über die Grundkomponenten dieser Überlegungen zu formulieren: über das, was heute allgemein unter Organisationskultur verstanden wird und wie der Begriff auch auf die Arbeit der Kirche übertragen werden kann; zunächst jedoch muss die Frage geklärt werden, von welcher Kirche hier wohl die Rede sein soll.
2 Vgl. Gubman, The Talent Solution, 58-60; „high-performing cultures“, d.h. leistungsstarke Organisationen haben nach dem Organisationsstrategen Gubman immer vier Schlüsselwerte zu Eigen: die Verbundenheit mit dem Kunden, das Streben nach Exzellenz, den Gruppenspirit und die Würde des Individuums; siehe Kap. 3.1.2 Organisationskultur als Leistungs-Katalysator.
3 Vgl. Svelby, Wissenskapital – das unentdeckte Vermögen, insbesondere Kap. 1, Einfluss des immateriellen Vermögens auf den Unternehmenswert, 20-40.
4 Vgl. z.B. Jacobs, Christoph, Wege der Pastoral in Seelsorgeräumen, unveröffentlichte Präsentation, Pastoraltag der Diözese Eisenstadt, September 2013.
5 Vgl. Christian Hennecke [im Gespräch mit] Birgit Stollhoff, Seht, ich schaffe Neues – schon sprosst es auf: lokale Kirchenentwicklung gestalten, Würzburg 2014.
6 Siehe Kapitel 7, Culture Change der Kirche.
7 Vgl. Kapitel 4, Organisationstheoretische Interdependenzen.
8 Vgl., Röttig, Paul F., Gnade und Kompetenz. Kirchliche Arbeit im Spannungsfeld zwischen Leitung und Leistung, Wien 22.
9 Vgl. Mette, Sehen – Urteilen – Handeln, in: LThK, Bd. 9, 402.
10 Vgl. Boschki, Der phänomenologische Blick, in: Boschki/Gronover (Hg), Junge Wissenschaftstheorie, 25-47.
11 Camara, The Desert is Fertile, 59: „Let us gather the information on the situations we wish to change” [Übersetzung des Verfassers].
12 Vgl. ebd., Umschlag.
13 Vgl. McElwee, Francis to Armenian bishops: ‚Read reality with new eyes‘, in: http://ncronline.org/blogs/francis-chronicles/francis-armenian-bishops-read-reality-new-eyes, abgerufen am 10.04.2015.
14 Vgl. Ansprache von Benedikt XVI. an das Kardinalskollegium und die Mitglieder der römischen Kurie beim Weihnachtsempfang am 22. Dezember 2005, in: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2005/december/documents/hf_ben_xvi_spe_20051222_roman-curia_ge.html, abgerufen am 23.01.2015.
15 Ebd.
16 Vgl. Schwabe, Prämien vom Pontifex, in: http://www.spiegel.de/politik/ausland/neuesgehaltssystem-im-vatikan-praemiert-vom-pontifex-a-519282-druck.html, abgerufen am 11.03.2015.
17 Vgl. ebd.
18 Vgl. Nachsynodales Apostolisches Schreiben Verbum Domini von Papst Benedikt XVI. über das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche (30. September 2010), Libreria Editrice Vaticana, Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Bonn 2010.
19 Ebd., 110.
20 Ebd., 109.
21 Ebd., mit vergleichenden Bezug auf Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio (14. September 1998), 80: AAS 91 (1999), 67-68.
22 Ebd., 111.
23 Vgl. Rahner/Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium, 427.
24 Vgl. ebd.
25 Im Organisationskontext werden menschliche Kompetenzen als Fähigkeiten, Talente, Skills, Know-how, Verhaltensweisen etc. definiert, die eine Organisation oder eine organisatorische Einheit morgen braucht, um ihre Mission in Zukunft erfolgreich durchführen zu können; vgl. dazu Röttig, Gnade und Kompetenz, 89.
26 Vgl. Rahner/Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium, 427.
27 https://de.wikipedia.org/wiki/Gelassenheitsgebet, abgerufen am 24.06.2015.
28 Küberl, Würde des Menschen braucht ständiges Ringen, in: http://www.kathpress.at/site/nachrichten/database/68394.html, abgerufen am 11-03.2015.
29 Rahner/Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium, 429.
30 Loisy, L’évangile et I’église, 153: „Jésus annonçait le royaume, et c’est I’Église qui est venue”.
31 Vgl. Loisy, The Gospel, 166: „We have seen that the Gospel of Jesus already contained a rudiment of social organization, and that the kingdom also was announced as a society. Jesus foretold the kingdom, and it was the Church that came.“
32 Lehmann, Neuer Mut zum Kirchesein, 14.
33 Vgl. Loisy, L’évangile et l’église, 152: „comme celle d’un gouvernement établi”.
34 Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft, 5.
35 Siehe auch Kap. 2.1.6, Kirche, Gottes Kraft in menschlicher Schwäche, wo näher auf die Gedanken von Hugo Rahner „zum hohen Festtag der deutschen Katholiken“ eingegangen wird.
36 Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft, Titel des Werkes.
37 Ebd., 7.
38 Vgl. Bischof Kapellari gibt baldigen Rücktritt bekannt, in: http://www.kathpress.at/site/nachrichten/database/67486.html, abgerufen am 24.01.2015.
39 Vgl. Lenars, Der Traum des Königs Nebukadnezar, 53.
40 Vgl. Söding, Umkehr der Kirche, 21-23.
41 Siehe Kap. 5.1, Die Steuerung der Kirche.
42 Während eines in einer österreichischen Diözese angedachten Prozesses über Leistungsmanagement (den der Autor selbst begleitete) kam es zwar sehr bald zur Annahme von Zielvereinbarungen für die administrativ tätige Belegschaft, gleichzeitig jedoch zur völligen Ablehnung eines Leistungsmanagements für alle Mitarbeiter in pastoralen Bereichen aller hierarchischen Ebenen.
43 Lohfink, Wie hat Jesus Gemeinde gewollt, 143-144.
44 In vielen Kirchen Argentiniens hängen heute Banner und Fahnen mit Bildern und Aussprüchen von Papst Franziskus. In der Franziskanerkirche von Salta im nördlichen Teil des Landes hängt neben der Bildfahne mit dem Antlitz des hl. Franz von Assisi das Spruchbanner mit den Worten des Papstes: La medida del Amor de Dios es amar sin medida (Das Maß der Liebe Gottes ist ohne Maß zu lieben).
45 So der Titel des vierten Teiles von Evangelii gaudium.
46 Guardini, Das Ende der Neuzeit, 30-31; zitiert in EG 224.
47 Söding, Umkehr der Kirche, 28.
48 Ebd., 30.
49 Ebd.
50 Ebd., 31-35.
51 Vgl. ebd., 56-107.
52 Vgl. Schnackenburg, Gottes Herrschaft und Reich, 150: „Wer Jesus die Absicht, eine Gemeinde zu sammeln, aberkennt, ‚verkennt das messianisch-eschatologische Denken Israels, in dem das eschatologische Heil nicht vom Gottesvolk abgehoben werden kann und die Gottesgemeinde notwendig zum Gottesreich gehört‘“; zitiert in Lohfink, Wie hat Jesus Gemeinde gewollt?, 49.
53 Vgl. Oeldemann, Die Kirchen des christlichen Ostens, 183.
54 Söding, Umkehr der Kirche, 81.
55 Vgl. ebd., 83-86.
56 Ebd., 94.
57 Vgl. Fendrich, Kein Peter ohne Paul, 16.
58 Vgl. Nitz, Heiliger Geist, VII. Ikonographisch, in LThK, Bd. 4, 1315.
59 Vgl. Fendrich, Kein Peter ohne Paul, 16.
60 Vgl. ebd.
61 Vgl. Duffner, Pfingstikone – was ist eigentlich geschehen?, in: http://www.kath-kirchevorarlberg.at/organisation/spiritualitaet-liturgie-bildung/artikel/pfingstikone-was-ist-eigentlichgeschehen, abgerufen 24.06.2014.
62 Vgl. Fendrich, Kein Peter ohne Paul, 16.
63 Nachsynodales Apostolisches Schreiben Verbum Domini von Papst Benedikt XVI. über das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche, 116.
64 Siehe besonders 4. Kapitel, Organisationstheoretische Interdependenzen.
65 Politi, Franziskus unter Wölfen, 31.
66 Vgl. Papst entwirft Leitbild der Theologie: „Nicht nur am Reißbrett“, in: http://de.radiovaticana.va/news/2015/03/10/papst_an_theologen_grenzen_seien_euer_ort_des_nachdenken/1128361#, abgerufen am 11.03.2015.
67 Ebd.
68 Ebd.
69 Ebd.
70 Im Unterschied zum Begriff des Shareholders (Teilhaber an einem Unternehmen im finanziellen Sinn) versteht man in der Betriebswirtschaftslehre unter Stakeholder alle an einem Unternehmen im umfassendsten Sinn des Wortes Anteil-Habende, d.s. die Gesellschaft als solche, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, aber auch beispielsweise Investoren und Banken.
71 Siehe dazu Kap. 5.3, Leistungsorientierung in der Kirche, 5.3.1, Tayloristische Ansätze in der Kirche? und 5.3.2, Eine Vision kirchlichen Handelns für morgen.