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Stress mit Uli

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Peter wundert sich: jemand Besonderes hat sich heute unter die Zuschauer beim Training gemischt, jemand, der schon lange nicht mehr hier gewesen ist, jemand, den er eigentlich schon aus seinem Gesichtskreis verloren hatte. Es ist Laura Kuschnick – Kalles ehemalige Flamme und Peters früherer heimlicher Schwarm. Peter bekommt einen Peinlichkeitsanfall, wenn er daran zurückdenkt. Obwohl – etwas Glut ist noch unter der Asche seiner damaligen Hoffnung. Doch wenn Peter sich auf dem Platz umblickt, dann ist da, wo bei ihm eine sanfte Glut glimmt, bei anderen ein loderndes Feuer: Kalle rennt heute wie vom Bienchen gestochen über das Feld und kämpft um jeden Ball. „Aha, Imponiermodus“, denkt sich Peter und schüttelt verächtlich den Kopf.

Dann lässt er seinen Blick weiter über Spielfeld und Zuschauer schweifen. Er kann Heidi erkennen. Sie wirkt blass. Bestimmt schläft sie immer noch schlecht wegen der Albträume. Der Fußball ist ihr deswegen eine willkommene Ablenkung.

Endlich ist Trainingspause. Peter geht zu Heidi. Obwohl er eigentlich die Antwort kennt, fragt er, wie es ihr geht. Sie winkt ab. Die Träume sind tatsächlich noch da. Sacht legt er seine Hand auf ihre Schulter, um sie gleich wieder zurückzuziehen. Das ist zu viel Vertraulichkeit hier vor seinen Kumpels. Besonders sein Freund Uli schielt argwöhnisch herüber, greift aus der bereitstehenden Getränkekiste ein Wasser, nimmt selbst einen Schluck und gibt es Peter weiter: „Hier, gleich startet das Trainingsspiel gegen Kalle.“ Auch das noch!

Kalle lehnt unterdessen lässig an der Spielfeldbande und tuschelt mit Laura. Wie sie hierher komme, fragt er, um den Smalltalk einzuleiten. Laura stutzt: „Du hast mir doch vorhin eine SMS geschickt, heute gäbe es etwas Besonderes zu sehen.“ Kalle greift nach seiner Sporttasche, kramt sein Mobiltelefon heraus. Stimmt, im Ausgang ist eine SMS. „Ach die“, schwindelt er und blickt sich verstohlen um. Hat der Geist von gestern seine knochige Hand im Spiel? Aber der Kuttenträger ist weit und breit nicht zu sehen. Doch das muss nichts heißen. Wer weiß, bestimmt kann er sich mitsamt seinem altmodischen Kostüm unsichtbar machen – so erschreckt er wenigstens nicht die kleinen Kinder unter den Zuschauern in seiner Vampir-Kluft und mit seiner Grufti-Stimme.

Der Trainer ruft seine Schützlinge zusammen und teilt die Mannschaften für das Trainingsspiel ein: Uli und Peter hier, Kalle da. Es geht los. Kalle rennt wie der geölte Blitz, aber auch Peter ist gut drauf. Peter kann Kalle einholen und luchst ihm den Ball ab. Dann legt er ihn sich vor und will eine Flanke schlagen. Er holt aus, aber bleibt mit dem Fuß mitten in einem Maulwurfshaufen hängen. Von den Zuschauern weht Gelächter herüber. Peters Ohren hören Lauras Stimme heraus. Komisch, Peter hätte schwören können, dass da vor ihm auf dem Rasen bis soeben kein so ein Hindernis gewesen wäre. Er hält sich den Fuß und besänftigt seine Bänder, die beleidigt Schmerzwellen durch seinen Körper senden.

Kalle stürmt unterdessen dem langsam rollenden Ball hinterher. Automatisch blickt Peter zu Heidi, so als könnte er Hilfe gebrauchen. Sie scheint voll auf den Ball konzentriert. Der macht eine abrupte Richtungsänderung, sodass Kalle ins Leere rennt. Der Ball scheint ein Eigenleben zu entwickeln. Doch da, wie von Geisterhand, ein Windstoß, der Ball rollt wieder zu Kalle. Heidi blickt angespannter, doch Kalle ist bereits am Ball, lässt den abwehrwillig herbeigeeilten Uli aussteigen und versenkt die Kugel mit einem Monsterschuss im Tor.

So geht das den ganzen restlichen Nachmittag. Peter sieht keinen Stich. Er stolpert oder tritt neben den Ball. Kalle triumphiert, schießt noch drei weitere Tore. Seinen Jubel hält er dabei aber kurz. Dafür blickt er verstohlen zu Laura. Die ist weniger zurückhaltend. Sie feuert Kalles Mannschaft an, es doch gefälligst diesen Flaschen, diesen Ulis und Peters, ordentlich zu zeigen. Heidi hingegen ruft nicht herein, sie steht auch nicht mehr neben dem Spielfeld. Sie sitzt abseits und wirkt wie ein Marathonläufer, der es gerade noch so ins Ziel geschafft hat. Peter hat sie im Verdacht, dass sie noch etwas Restzauberkräfte aus ihrer Zeit als Geist konserviert hat. Sie kann komische Dinge tun, zum Beispiel ein heruntergefallenes Lineal aufheben, indem sie es in ihre Hand fliegen lässt, ohne sich zu bücken. Bestimmt kann sie auch einen Fußball magisch lenken. Doch in diesem Moment sieht sie nicht sehr magisch aus, sondern eher ausgepowert.

Endlich ist das Spiel vorbei. Peter geht zu Heidi rüber. Sie steht auf, malt wie immer, wenn sie verlegen ist, mit einem Fuß Figuren auf den Boden. „Ich wollte dir helfen“, flüstert sie matt. Dabei macht sie eine machtlose Handbewegung.

Uli kommt unterdessen mit einer Wasserflasche vorbei. Peter greift danach, denn sonst teilen sie immer. Doch Uli zieht sie weg. „Geh doch selber und hol dir dein Zeug, Neumann!“, schnauzt er Peter an. Peter ist verdutzt. Uli hat wohl das Trainingsspiel soeben zu persönlich genommen. Doch so einfach will sich Peter nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Er faucht zurück: „Was ist denn mit dir los? Hast du ein Problem oder was?“ Uli scheint in der Tat eins zu haben. Er ist in Rage und zahlt mit barer Münze zurück: „Ich? Problem? Schau doch mal, ob du ein Problem hast!“ Dabei macht er eine Kopfbewegung hinüber zu Heidi. Er schimpft weiter, dass früher alles besser gewesen wäre, dass sie richtige Freunde waren, gegen diesen eingebildeten Kalle zusammenhielten und dass sich alles geändert hat, seitdem dieses blonde Frauenzimmer aufgekreuzt ist und Peter nur noch mit ihr abhängt.

Uli hat seine Tirade beendet. Er wartet keine Antwort ab und geht. Da steht Peter nun – hier sitzt die bemitleidenswerte Heidi, dort rennt ihm sein sonst bester Freund davon. Das sind wohl die Konflikte des Größerwerdens: alte Freunde, das Fußballteam, neue Freunde. Man bekommt eben nicht alles unter einen Hut. Uli hat es ihm auf die harte Tour klargemacht.

Drüben steht Kalle neben Laura. Sie lachen und würdigen Peter keines Blickes. Heidi steht wortlos auf und geht. Wenn sie jetzt etwas sagen würde, könnte sie alles nur noch schlimmer machen. Peter sieht ihr hinterher und geht dann auch.

Laura und Kalle hingegen stehen noch lange da und haben sich anscheinend viel zu erzählen. Nach einer Weile brechen sie nach Hause auf und teilen ein Stück gemeinsamen Weges. Unterwegs spazieren sie durch den Park. Kalle sucht nach einer Gelegenheit, wo er mit Laura ungestört ist. Er will ihre Hand nehmen. Er sieht sich flüchtig um. Steht dort hinter dem Kegelwacholder nicht eine Gestalt? Ja, und mehr noch, sie tritt aus dem Schatten des Gewächses heraus. Es ist der Geist. Kalle ist den Anblick schon gewohnt, wirkt gefasst – Laura erblickt die Geistergestalt zum ersten Mal und tut sich mit ihrer Fassung schwerer: beinahe lässt sie einen erschreckten Schrei heraus. Schnell greift Kalle ihre Hand. Ziel erreicht! Der Geist fragt, ob den beiden denn das Fußballspiel gefallen habe. Kalle antwortet: „Da kannst du drauf wetten.“ Hier mit Laura fühlt er sich stark, wagt das Du. Laura verhält sich still: lieber nicht negativ auffallen. „Wir kommen voran“, sagt der Geist süffisant beim Blick auf Kalles und Lauras Hand und verschwindet so schnell hinter dem Kegelwacholder, wie er zuvor erschienen ist.

Kalle muss einiges erklären. Er erzählt Laura von gestern, von seiner Begegnung mit dem Geist in der Sandgrube. Kalle gibt sich als Kavalier und begleitet sie noch bis zum Ende des Parks. Dort sind sie wieder unter Leuten und Laura schafft den restlichen Weg allein. Keine Frage, Kalle hat heute Pluspunkte bei ihr gesammelt.

Wenig später biegt Laura in ihre Straße ein, geht durch das Gartentor zu ihrem Haus. Hinter der Hecke bemerkt sie abermals einen Schatten und wieder kommt der Geist zum Vorschein. Laura erschrickt im ersten Moment, aber noch mehr als erschrocken ist sie genervt. Will dieser Typ ihr jetzt aller Nasen lang hinterherlaufen? Sie schiebt ihren Rest Angst beiseite. „Lauerst du immer hinter irgendwelchen Sträuchern?“, zischt sie ihn an. Der Geist lacht nur. „Du gefällst mir. Du hast keine Angst und beim Fußball hast du keine Skrupel. Du erkennst den Sieger und schließt dich ihm an.“ Laura fühlt sich geschmeichelt. Der Geist hat jetzt einen Draht zu ihr gefunden und reibt sich innerlich die Hände. „Halte dich an Kalle und mich. Es soll nicht zu deinem Nachteil sein“, sagt er. Ja, dieses Rezept ist ganz nach Lauras Geschmack.

Wie bucht man eine Zeitreise?

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