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Der Geschichtsschreiber und der Laie

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In einer Bibliothek nimmt ein Mann gegenüber einem anderen Mann Platz, der sich in ein Buch vertieft hat und sich dazu noch ständig Notizen macht.


"Was machen Sie denn da gerade, wenn ich fragen darf?"

Abwesend blickt der Mann auf. "Ich schreibe über die Geheimdienste."

"Interessant, denn wie manche Leute früher im Privatleben anderer herumschnüffelten war schon unverschämt, um es noch freundlich auszudrücken."

"Genau." Der Mann vertieft sich wieder in sein Buch.

"Sie sind bestimmt ein Schriftsteller?"

"Geschichtsschreiber, um genau zu sein."

"Geschichtsschreiber? Das ist ja eine schöne Geschichte … nun, ich bin in solchen Dingen nur ein Laie."

"Jeder nach seinem Geschmack." Der Mann vertieft sich wieder in sein Buch und macht Notizen.

"Sie reden von Geheimdiensten? Sicher haben sie über dieses Thema schon ein Buch veröffentlicht?"

"Nein, ich arbeite gerade an meinem ersten Buch!" Ohne aufzuschauen geht er weiter seiner Arbeit nach.

"Wow! Nun sitze ich hier einem zukünftigen Geschichtsschreiber gegenüber, was für eine Sache!"

"Wie Sie sagen."

"Ich möchte mich eigentlich nicht einmischen, aber nichtsdestoweniger machen Sie mich sehr neugierig."

"Wie meinen Sie?" Der Mann sieht von seinen Notizen auf.

"Nun, das Schreiben über die Geheimdienste von damals, wie wir darüber gelacht haben und wie froh wir waren, dass wir als Bürger der westlichen Welt in aller Freiheit leben konnten, denn was nach Kontrolle roch, haben wir verachtet, oder?"

Der Mann schmunzelt. "Genau wie Sie sagen: konnten … denn ich schreibe nicht von dem was war, sondern von der Welt in der wir nun leben; denn obwohl wir immer die totalitären Systeme ausgelacht haben, machen wir nun in der westlichen Welt genau den gleichen Fehler."

"Das müssen Sie mir mal genau erklären."

"Nun, man gibt dem Bürger seine Traumrolle, besser gesagt die Hauptrolle und behält alles was ihn betrifft im Auge, denn überall gibt es Kameras die alles festhalten wie man sieht, ein totales Abbild Ihres Lebens, gebannt auf Mikrochip, an jede Dienststelle weiterreichbar, Ihr Geist, Ihre Seele, Ihr Privatleben — egal wie weit Sie sich auch in die Anonymität verkriechen, Sie unterliegen immer der digitalen Kontrolle. Die Mauer ist weg, weg sind die Stiefel und die Fahnen, doch eine imaginäre Mauer ist gebaut worden, von der Sie nichts ahnen. Quasi ein Freiluftgefängnis in dem alles beobachtet wird, denn achten Sie einmal auf alles was auf Sie achtet; da fängt man allmählich an, die Freiheit zu vermissen."

"Einen Käufer ihres Buches haben sie schon."

"Danke."

"Eine Frage hätte ich noch."

"Und die wäre?"

"Wie finde ich wieder zu Ihnen, nachdem wir uns hier verabschiedet haben?"

"Nun, mein Buch wird im Buchladen liegen, oder unser Treffen wurde bestimmt von den Kameras hier in der Bibliothek aufgezeichnet, daher könnten Sie vielleicht dort mal nachfragen."

"Diesen Dienst würden die mir bestimmt erweisen, da bin ich sicher."

"Sicherlich. Na, dann auf Wiedersehen."

"Ja, tschau. Schön, dass ich Sie kennengelernt habe."

"Schön, dass Sie mir zugehört haben."

Satirische Sketche 2

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