Читать книгу Das magische Geheimnis der Familie Bernauer Verlockende Macht (Band 2) - Paula Böhlmann - Страница 8

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Kapitel 4

Bessere Zeiten

Zoe stand unschlüssig in der Cafeteria. Jessica lag mit einer fetten Erkältung zu Hause im Bett. Markus saß mit Gabriel, der offen zugab, dass er Hexen verabscheute, zusammen und beide führten die längst überfällige Aussprache, die ihre Beziehung vielleicht noch retten konnte. Von Simon fehlte jede Spur.

Sie hatte also keinen Tisch, an den sie sich setzen konnte. So steuerte sie auf Violett und Liam zu. Die beiden hatten ihre Stühle eng zusammengerückt und Violett lehnte schwach an Liams Schulter. Sie sahen Zoe erst etwas verwirrt an und Liam wollte auch etwas sagen, doch Violett brachte ihn zum Schweigen, indem sie seine Hand drückte.

»Du siehst beschissen aus«, stellte Zoe fest.

Violett verzog das Gesicht und entgegnete sarkastisch: »Vielen Dank!«

»Nein, ich meine nicht, dass du hässlich bist, sondern einfach, dass du so aussiehst, als hättest du die ganze Nacht nicht geschlafen«, stellte Zoe klar. Diesmal wollte sie wirklich niemanden beleidigen. Dafür befand sie sich selbst in einer zu schlechten Situation.

»Das liegt daran, dass ich das auch nicht habe. Meine Familie findet meine Rebellion nicht so super. Ich muss bis heute Abend ein Buch mit fünfhundertzwanzig Seiten voller sinnlosem Mist, von dem ich mir nie und nimmer alles merken kann, herbeten können. Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll«, berichtete Violett verzweifelt und drückte sich enger an Liam.

»Warum musst du so einen Scheiß machen?«, fragte Zoe entgeistert und las den Titel des Wälzers: Grundlagen der Hexenjagd. Was war das für eine widerliche Propaganda?

»Sonst darf ich nicht mehr in die Schule gehen. Sie versuchen, mich von Liam zu trennen.« Violett seufzte traurig.

Zoe hatte Mitleid.

»Das werden sie niemals schaffen«, versprach Liam.

Doch es klang für Violett wie eine hohle Phrase. Er lebte ja nicht im Hause Kramer. Er durchlebte nicht ihren Psychoterror. Er erlitt nichts.

»Deine Familie ist so dämlich«, befand Zoe, dann schwiegen sie eine Weile. Helfen konnte sie Violett nicht, dafür war sie eine zu schlechte Hexe. Für magische Unterstützung hätte es da schon einer Fiona Bernauer bedurft.

»Erzähl mir, warum ich ein Monster bin«, forderte Zoe plötzlich.

Violett lachte auf. »Ganz schön selbstkritisch. Du bist viel netter als am Anfang, als wir uns kennengelernt haben.«

Zoe verdrehte lächelnd die Augen und korrigierte: »Nein, erkläre mir, warum ich als Hexe gejagt gehöre. Wir lernen jetzt deinen Mist! Wenn ich mit Thomas lerne, verwickelt er mich immer in ein Gespräch, dann merke ich mir alles besser. Das machen wir jetzt auch.«

Zoe erwartete ein wenig mehr Begeisterung, aber Violett seufzte nur traurig: »Ich habe das Buch noch nicht einmal komplett durchgelesen.«

»Dann stopf die Lücken mit eigenen Ideen«, forderte Zoe.

»Jakob will aber wissen, was in dem Buch steht.«

»Denkst du, er kann fünfhundertzwanzig Seiten auswendig?! Du musst nur überzeugend wirken und dich an die grobe Aussage des Buches halten. Wir lesen jetzt das Inhaltsverzeichnis und dann diskutieren wir darüber«, löste Zoe das Problem und griff sich den Wälzer, um das Inhaltsverzeichnis zu studieren.

1 Einleitung

2 Geschichte der HexenjagdUrsprünge der HexenjagdDer HexenhammerHexenjagt in der Moderne

3 Anatomie einer HexeÄußeres ErscheinungsbildHexenprobenSchwachstellen

4 Bedeutung der HexenjagdPraktiken der HexereiTelekineseTränkeRitualeVoodoo-ZauberAggressivität der HexenGefahren für den Menschen

5 Werkzeuge der HexenjagdDefensive vor HexenangriffenNahkampfpraktikenWaffen für Kämpfe auf DistanzFangen von HexenEntmachtung der ZauberkräfteTöten von Hexen

6 Zusammenfassung

»Oh mein Gott, das ist so dumm, da fällt ja nicht einmal mir etwas ein. Das fängt schon damit an, dass die nur die weibliche Form Hexe benutzen, aber es gibt ja auch Hexer. Das ist Sexismus pur! Und wie soll eine Hexe aussehen? Grün, krumme Nase und Katze auf der Schulter?«, spottete Zoe und schob das Buch angewidert weg. Sie konnte sich gar nicht genug echauffieren. »Die Ursprünge der Hexenjagd sind einfach. Ein Haufen untervögelter Typen war neidisch, dass ein paar Frauen viel schlauer und talentierter waren als sie. Deshalb haben sie die einfach auf unfassbar grausame Weise abgeschlachtet, unter dem Deckmantel der Hexerei.«

»Ich glaube nicht, dass das mein Onkel hören will«, gab Violett zu bedenken. »Aber du verstehst jetzt mein Problem, oder? Das ist alles richtig unlogischer Mist.«

»Die vermischen weiße und schwarze Magie auch voll. Wenn ich Voodoo-Zauber beherrschen würde, hätte dein Bruder ein großes Problem«, beschwerte Liam sich, der sich das Buch geschnappt hatte.

»Denkt ihr, Fiona macht jetzt so etwas?«, wollte Zoe wissen.

Violett nickte bedächtig. »So irre, wie sie zum Geburtstag deiner Mutter war, hege ich daran keinerlei Zweifel«, sagte sie. Sie sprach mit kühler Rationalität. Wie krank war es, dass sie sich an Fionas Geheimnis bereits gewöhnt hatten?

»Denkt ihr, sie wird irgendwann Paige oder Aurora umbringen?«, fragte Liam und sprach damit etwas aus, womit sich Zoe auch schon seit Tagen beschäftigte. In seiner Stimme hörte sie die Angst.

»Ich kann keine von beiden leiden, aber ich hoffe trotzdem, dass Fiona so einen Scheiß lässt. Ich hab Wenninger nicht wirklich kennengelernt und auch wenn er verdammt heiß ist, kann ich darauf verzichten, dass die unser Anwesen leiten«, stellte Zoe klar und unterdrückte ein Frösteln.

Violett öffnete das Buch. »Hier hast du tausend Wege, um ihn zu töten«, verkündete sie lachend.

»Dass die Hexenjäger wirklich glauben, sie wären mit ihren lächerlichen Taktiken in der Lage, die Hexen, die wirklich böse sind, zu vernichten. Dieser Wenninger schnippt mit dem Finger und deine ganze Familie fällt um wie ein Kartenhaus. Da kann sich dein Vater seine Bazooka sonst wohin stecken«, stellte Zoe klar und als sie das sagte, bemerkte sie, was sie seit dem Samstag vor einer Woche fühlte. Es war Angst. Sie hatte Angst, dass Fiona zurückkommen würde, und das nicht allein.

»Das stimmt nicht so ganz. Schau dir mal das eine Kapitel zur Entmachtung der Zauberkräfte an. Das ist das einzige, was ziemlich spannend ist. Es gibt Steine, die in der richtigen Zusammenstellung jegliche Magie einer Hexe, die mit diesen gefesselt ist, unterbinden können«, berichtete Violett und suchte die richtige Seite in dem Buch.

Zoe verdrehte die Augen, legte ihr Besteck auf den leeren Teller und spottete: »Kristallmagie ist scheiße. Darüber waren Fiona und ich uns immer einig. Das ist nur esoterischer Mist.«

»Wollen wir es ausprobieren?«, schlug Liam vor und schien ehrlich interessiert.

»Ihr könnt gern eure Fesselspielchen spielen, aber lasst mich da raus«, scherzte Zoe, doch schon wieder war ihr das Gespräch unangenehm. Jetzt erfuhr sie auch noch, dass Hexenjäger sie leicht ihrer Kräfte berauben konnten. Es war dämlich, eine Weißmagierin zu sein. Man hatte keine Chance gegen die Hexenjäger und die Schwarzmagier. Sie war ihnen ausgeliefert.

Am Nachmittag saß Zoe im Wohnzimmer und durchforstete ihre sozialen Netzwerke. Die Komplimente waren zurück.

Natürlich hatte sie ein paar Follower eingebüßt, aber der Großteil der Stadt schien sich entschieden zu haben, dass es doch egal war, dass die Bernauers Hexen waren. Es gab nur noch wenige, die damit nicht umgehen konnten. Die meisten gingen zwar immer noch auf Distanz, aber kaum noch jemand behandelte Zoe wie einen Freak. Es ging wieder aufwärts. Sie erlangte ihre alte Stärke zurück. Sie hatte auch endlich den Krieg um das Abimotto gewonnen. Ihr Jahrgang hatte ewig gebraucht, bis er ihre Meinung endlich übernommen hatte, aber es war ihr gelungen.

»Na, Lieblingsschwester«, begrüßte Sam sie und ließ sich neben sie aufs Sofa fallen.

»Was willst du?«, fragte sie genervt.

»Nur mit meiner Schwester plaudern«, behauptete er.

Doch schon an dem Grinsen auf seinen Lippen konnte sie erkennen, dass er log. Sie schaut ihn genervt an, bis er zugab: »Sabrina und ich wollen heute ins Theater. Kannst du auf Peggy aufpassen?«

»Ganz sicher nicht. Frag doch Abigail«, schlug Zoe zickig vor. Sie hatte wirklich keine Lust, die Babysitterin für ihre Nichte zu spielen. Peggy wurde von ihren Eltern so verhätschelt, dass sie sich wie eine kleine Diktatorin aufspielte.

»Die meinte, sie hat keine Zeit. Sie geht mit einem gewissen Simon weg«, erklärte Sam nun ebenfalls genervt. Auch ihm schien Abigails Wandlung zu missfallen. Als sie noch unbeliebt gewesen war, hatte sie jederzeit die Nanny gespielt.

Zoe gefror das Blut in den Adern. Es konnte doch nicht sein, dass Abigail plötzlich cool wurde, wenn Fiona sie endlich nicht mehr in den Schatten stellte. »Das kann ich für dich ändern«, versprach Zoe und zwinkerte hinterlistig.

Ihr Bruder lächelte. »Du bist die Beste, Schwesterherz!«, bedankte er sich und verließ den Raum.

Zoe verzog das Gesicht. Alle stellten es so dar, als wäre er der Nette der beiden Geschwister. Ein Gerücht! Er log nur besser.

Sie zog ihr Smartphone aus der Tasche und wählte den Chat von Simon. Sie tippte: Wollen wir heute Abend etwas unternehmen?

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Ich habe keine Zeit.

Zoe verdrehte die Augen: Für mich hast du immer Zeit. Ich brauche jemanden zum Reden. Bros before hoes gilt auch für weibliche Freunde!

Sie hielt die Luft an. Hoffentlich funktionierte das, denn sonst würde es sehr peinlich werden. Doch heute war mal wieder ein guter Tag nach den schrecklichen Wochen, denn Simon schrieb: Gut, wir treffen uns um acht im Club!

Zoe lächelte breit. Es ging bergauf. Ihr Erpresser hatte sich seit einer Woche nicht mehr bei ihr gemeldet. Sie hatte Hoffnung!

Plötzlich tauchte Elenor in der Tür auf. Sie wirkte etwas schüchtern, als sie auf Zoe zutippelte. »Zoe, hast du mal Zeit?«, fragte sie mit ihrer hohen Kinderstimme.

Zoe lachte und erwiderte: »Ich helfe dir nicht bei den Hausaufgaben. Ich mach ja nicht mal meine eigenen.«

Elenor schüttelte wild mit dem Kopf, sodass ihre zwei Zöpfchen wild um ihren Kopf flogen. »Ich habe eine Frage wegen Fiona.« Sie wirkte traurig.

»Also, was willst du wissen?« Zoe bedeutete ihr, sich zu setzen.

Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um mehrere Fragen handelte, die Elenor prompt stellte: »Wo ist sie? Wann kommt sie wieder? Geht es ihr gut?«

Zoe atmete tief durch. Elenor hatte sich keine leichten Fragen ausgedacht, vor allem, weil Zoe die Antworten nicht kannte und eigentlich auch nicht erfahren wollte. Dennoch bemühte sie sich, sie so gut wie möglich zu beantworten: »Ich weiß nicht so genau, wo sie ist. Sie ist zu den Männern gezogen, die auf Paiges Geburtstagsfeier waren.«

»Aber die waren doch böse, oder?«, hakte Elenor nach. »Ich habe sie nicht gesehen, aber Papa hat das gesagt.« Ihre Augen waren weit aufgerissen. Kleine Kinder waren so naiv und niedlich.

»Ja, das ist der Grund, warum Fiona nicht mehr nach Hause kommt. Zumindest sicher nicht so bald. Ich denke, dass es ihr gut geht. Das hoffe ich für sie, aber ich glaube, irgendwann wird sie es bereuen.«

»Kommt sie dann wieder nach Hause?«, fragte Elenor glücklich.

Zoe nickte traurig und log: »Bestimmt!« Sie konnte einem achtjährigen Mädchen schließlich nicht sagen, dass ihre Schwester bei den ersten Widerworten ermordet werden würde. Dafür war sie noch zu klein.

»Ich hoffe, sie sind bald keine Freunde mehr. Dann ist Fiona wieder zu Hause«, freute Elenor sich.

Zoe stimmte einfach zu und sie saßen schweigend nebeneinander, bis Elenor sich die nächste Frage überlegt hatte: »Ist Fiona jetzt auch böse wie ihre Freunde?«

»So böse wie ihre Freunde ist sie ganz sicher nicht, aber sie ist nicht mehr so nett wie früher«, stellte Zoe klar. Die Frage hatte sie sich noch nie gestellt. Wie lange würde es dauern, bis Fiona ihren ersten Mord beging?

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