Читать книгу Captain Paul Watson Interview - Paul Watson, Michele Sciurba - Страница 14

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Wir sind gespannt darauf, zu erfahren, wie es dir seit unserem letzten Treffen in Paris ergangen ist.

Das war 2016, als du noch in Frankreich gelebt hast. Wir hatten uns mit dir und deiner Frau Yana getroffen, die damals schwanger war. Wie kam es denn, dass du wieder in die USA zurückkehren durftest? Ich durfte wieder einreisen, weil sich der amerikanische Außenminister John Kerry für mich eingesetzt hatte. 2012 konnte ich noch nicht zurück, weil Außenministerin Hillary Clinton klargestellt hatte, dass sie mich an Japan ausliefern würde. Und so ist es John Kerry zu verdanken, dass ich wieder in den USA bin.

Es überrascht uns, dass Hillary Clinton so etwas gesagt hat.

Mich überrascht es nicht.

Du galtest noch als jemand, der sich der Justiz in Japan und Costa Rica entzogen hatte. Warum dauerte es so lange, bis Costa Rica schließlich alle Anschuldigungen gegen dich fallenließ?

Na ja, das war erst möglich, nachdem eine andere Regierung ans Ruder gekommen war, was nur beweist, wie politisch die ganze Sache war. Die Justiz konnte das jetzt neu entscheiden. Nach dem Regierungswechsel habe ich einen Anruf vom neuen Umweltminister bekommen, der sich für alles, was passiert war, quasi entschuldigt hat. Das hat sich also erledigt, aber Japan weigert sich nach wie vor, seine Anschuldigungen fallenzulassen. Allerdings haben sie weder in Frankreich noch in den USA einen Auslieferungsantrag gestellt. Deshalb glaube ich nicht, dass sie mich in Japan wirklich haben wollen. Sie wollen mich einfach nur am Reisen hindern. Wir haben Interpol eine Stellungnahme geschickt und man hat uns in allen Punkten recht gegeben, aber man hat uns auch gesagt, dass es letztlich darauf ankäme, ob Japan die Macht hat, das durchzuziehen. Das zeigt, wie so eine Wirtschaftsmacht ihren ganzen Einfluss einsetzen kann, um ihre politischen Interessen durchzusetzen.


Ein erwachsener und ein jüngerer Zwergwal werden an Bord des japanischen Walfangschiffs NISSHIN MARU geschleppt. Die Wunde, die an der Seite des Kalbes zu sehen ist, wurde Berichten zufolge durch eine mit Sprengstoff gefüllte Harpune verursacht. Dieses Bild wurde 2008 von australischen Zollbeamten im Rahmen einer Überwachungsaktion aufgenommen, um Beweise für den willkürlichen Walfang zu sammeln, der im Widerspruch zu Japans Behauptung steht, die Wale würden zu wissenschaftlichen Forschungszwecken gefangen.

Wir haben uns mit vielen ähnlichen Fällen beschäftigt, in denen Interpol Red Notices herausgegeben hat. Es ist klar, dass Japans politisch motivierte Red Notices inakzeptabel sind, weil sie mit den Statuten von Interpol unvereinbar sind. Solche Fälle von Machtmissbrauch gibt es ja auch in der Fischereiindustrie, zum Beispiel, wenn Japan seine Walfangflotte kurzerhand als Forschungsschiffe deklariert.

Das Ganze ist sogar noch absurder, wenn man bedenkt, dass Sea Shepherd eng mit Interpol zusammenarbeitet, um die Wilderei in afrikanischen Gewässern zu stoppen. Also auf der einen Seite arbeiten wir mit ihnen zusammen und auf der anderen … (lacht) Als einer von den Interpol-Leuten seinen Ruhestand feierte und ich ihn anrief, um ihm zu gratulieren, sagte er: „Das ist wohl das erste Mal in der Geschichte, dass einer von uns von jemandem beglückwünscht wird, der auf der Red-Notice-Liste steht.“ Und es ist sogar noch absurder, wenn man sich klarmacht, was eine Red Notice eigentlich ist. Das ist normalerweise eine Maßnahme, um nach Serienmördern, Kriegsverbrechern und Drogenbossen zu fahnden. Niemand landet wegen des unerlaubten Eindringens in fremdes Hoheitsgewässer auf dieser Liste, schon gar nicht wegen der Planung unerlaubten Eindringens.

Die Bedeutung von Seaspiracy

Wir haben die Debatte über den Dokumentarfilm Seaspiracy auf Netflix in den internationalen Medien verfolgt. Wie denkst du darüber? Wie war es für dich, an dem Film mitzuwirken?

Genau genommen waren wir sogar Koproduzenten. Wir haben ungefähr 50.000 US-Dollar in den Film investiert. Lucy und Ali Tabrizi haben rund fünf Jahre daran gearbeitet. Sie haben also viel Arbeit in das Projekt gesteckt. Es ist schwierig, die ganze Geschichte in einem 90-Minuten-Beitrag unterzubringen, aber sie haben ihr Bestes getan, finde ich. Natürlich haben wir damit gerechnet, dass die Fischereiindustrie den Film in der Luft zerreißt, und das haben sie dann ja auch. Sie kritisierten ihn, bevor sie ihn überhaupt gesehen hatten. Es ist doch interessant, dass sie uns vorwerfen, der Film wäre voller falscher Behauptungen und verdrehe die Tatsachen, ohne das irgendwie zu beweisen. Sie wiederholen immer nur, dass der Film nicht „wissenschaftlich fundiert“ wäre. Aber wenn man die Wissenschaftler, die den Film schlechtmachen, mal genauer unter die Lupe nimmt, stellt sich heraus, dass sie alle für die Fischereiindustrie arbeiten. Das bestätigt nur die Botschaft des Films: Folge der Spur des Geldes und dann weißt du, wer hinter allem steckt. Ich bezeichne diese Art von Wissenschaftlern gern als „Biostituierte“.

Ein Kritikpunkt war, dass die Prognose einer im Film zitierten Studie, wonach die Fischbestände in den Weltmeeren durch industrielle Überfischung bis 2048 erschöpft seien, falsch wäre. Aber wie Ali Tabrizi feststellte, geht es doch weniger um die Frage, ob es nun 2048 oder 2078 so weit ist, sondern darum, welcher Trend sich da abzeichnet. Also darum, ob die Entwicklung in die richtige oder in die falsche Richtung geht.


Walfänger-Fabrikschiff NISSHIN MARU schießt mit Wasserwerfern auf die Sea Shepherd Crew.


SHONAN MARU 2 schießt mit Wasserwerfern auf die Sea Shepherd Crew.

Damals trafen die Ergebnisse von Boris Worms’ Studie zu. Später aktualisierte er sie dahingehend, dass nur 88% und nicht 100% der Fischbestände aufgrund der Überfischung aufgebraucht wären. Aber spielt es eine Rolle, ob die Weltmeere 2048 oder erst 2078 leergefischt sind? Das ist doch lächerlich.

Es spielt natürlich keine Rolle. Das ist nur eine polemische Kritik an dem Film. Wir finden es übrigens sehr interessant, dass die Covid-19-Pandemie zu einem drastischen Rückgang des Reise- und Luftverkehrs, der in Frankfurt praktisch zum Erliegen kam, geführt hat, sodass Frankfurt in ökologischer Hinsicht heute eine höhere Lebensqualität hat als vor Corona.

Die industrielle Fischerei ist nur um 10% zurückgegangen, aber die Wilderei hat zugenommen, weil infolge von Corona die Strafverfolgung nachlässiger gehandhabt wurde. Die Pandemie hat uns vor einige Probleme gestellt, aber wir haben sie in den Griff bekommen. Unsere Schiffe machen weiterhin Patrouillenfahrten und führen Operationen durch, aber die Crews müssen zwei Wochen in Quarantäne, ehe sie auf unsere Schiffe dürfen. Eins unserer Schiffe, die Ocean Warrior, saß sechs Monate in Singapur fest, ist jetzt aber vor Peru im Einsatz. Das war natürlich lästig, aber wir waren darauf vorbereitet und werden es auch in Zukunft sein, denn Pandemien wie Corona werden schon seit Langem vorhergesagt. Laurie Garret hat das alles bereits 1995 in ihrem Buch Die kommenden Plagen prophezeit. Wir haben diese ganzen neuen, von Tieren übertragenen Viren größtenteils ignoriert – das Hantavirus, MERS, SARS, das West-Nil-Virus. Warum? Weil die westliche Welt nicht davon betroffen war. Weil weiße Menschen nicht davon betroffen waren. Aber dann gibt es die erste weltweite Pandemie seit 1918 und plötzlich fühlen sich die Leute betroffen und sind alarmiert, aber das ist nur ein Vorbote dessen, was uns noch blüht. Impfungen sind nur ein Notbehelf. Sie lösen nicht das eigentliche Problem. Das eigentliche Problem ist der Rückgang der Ökosysteme und der Artenvielfalt, was wiederum für die zoonotische Übertragung von Viren verantwortlich ist. Und in Zukunft wird es nur noch schlimmer werden. Infolge des schmelzenden Permafrosts werden neue Krankheitserreger auftreten und durch Pilze ausgelöste Infektionen werden zunehmen. Wir werden in Zukunft mit selbstverursachten biologischen Problemen konfrontiert sein, weil wir nicht bereit waren, im Einklang mit den Gesetzen ökologischer Vielfalt, wechselseitiger Abhängigkeit und begrenzter Ressourcen zu leben. Je mehr wir die Ökosysteme schwächen, desto mehr Probleme schaffen wir.

Inwieweit hat die Regierung Trump dir oder Sea Shepherd Schwierigkeiten gemacht?

Eigentlich gar nicht, weil wir in den Vereinigten Staaten nicht so aktiv sind. Tatsache ist, dass die USA in ihren Hoheitsgewässern recht gute Überwachungssysteme haben. Meiner Erfahrung nach ist die Jagd- und Fischereiaufsicht in den einzelnen Bundesstaaten ziemlich effizient. Deshalb müssen wir dort selten eingreifen. Wir haben uns allerdings gegen Pläne gestellt, in den Gewässern vor dem Bundesstaat Washington Wale zu jagen, und bisher konnten wir das auch ganz erfolgreich verhindern. Seit 20 Jahren wurden dort keine Wale mehr getötet und doch wird es immer wieder versucht. Aber wir geben nicht auf. Wir arbeiten jetzt hauptsächlich mit Ländern in Afrika und Lateinamerika zusammen. Wir haben stabile Partnerschaften mit Namibia, Tansania, São Tomé und Príncipe, Kap Verde, Liberia, Sierra Leone, Gabun und Gambia aufgebaut. Die funktionieren sehr gut. In Lateinamerika kooperieren wir mit Peru, Kolumbien, Panama und Mexiko.

Wir waren beeindruckt von Sea Shepherds Zusammenarbeit mit Gabun und São Tomé und Príncipe und haben atemlos verfolgt, wie zwei deiner Schiffe Jagd auf ein illegales Fischereischiff machten.

Es war die Thunder, die sich in der Nähe von São Tomé und Príncipe aufhielt. Das war wirklich eine unglaubliche Verfolgungsjagd.

Unsere Aufklärungsarbeit besteht vor allem darin, Dokumentarfilme zu drehen. Entweder übernehmen wir das selbst oder wir arbeiten mit Leuten zusammen, die sie für uns produzieren. Wir haben 2007 mit Shark Water [dt. Titel: Shark Water – Wenn Haie sterben] angefangen, dann kam 2009 The Cove [Die Bucht], später Chasing the Thunder und dann natürlich die Whale Wars-Serie [Whale Wars – Krieg den Walfängern!]. Außerdem gab es noch einen Film über mich mit dem Titel Watson [Paul Watson – Bekenntnisse eines Öko-Terroristen] und dieses Jahr ist der Dokumentarfilm Seaspiracy herausgekommen. Wir haben festgestellt, dass das am besten funktioniert. Die Schwierigkeit besteht darin, einen Dokumentarfilm zu machen, der das aufgeklärte Publikum nicht langweilt, aber gleichzeitig Menschen erreicht, die sich der Problematik noch nicht bewusst sind. Ich glaube, dass wir auf diese Weise zu den Leuten durchdringen. In Whale Wars haben wir das zum ersten Mal versucht und haben viele Leute angesprochen, die die Tragweite des Problems sonst nicht erfasst hätten. Bei Seaspiracy war nicht nur die Botschaft, sondern auch das Medium wichtig. Da er auf Netflix lief, schaffte er es auf die Top-10-Liste der beliebtesten Filme, in vielen Ländern war er sogar auf Platz 1. Ich glaube, das Geheimnis besteht darin, das richtige Medium zu finden. Der Film Blackfish [Der Killerwal] zum Beispiel wäre niemals so erfolgreich gewesen, wenn CNN ihn nicht über 30 Mal wiederholt hätte. Das muss also unser Schwerpunkt sein.

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