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Die Ökonomie der Ausrottung
ОглавлениеWenn Schiffe in einen Hafen in Spanien, Italien oder Deutschland einlaufen, könnte man sie doch fragen, wo und wie sie ihren Fisch gefangen haben und wie ihre Fangmethoden aussehen. Es ist alles eine Frage des politischen Willens. Regierungen könnten die illegale Fischerei sanktionieren, wenn sie wollten. Aber eine gut funktionierende Fischereiindustrie ist ihnen wichtiger.
Seht euch nur die Niederlande an. Sie gelten als progressives Land, aber trotzdem ist die holländische Flotte mit ihren riesigen Supertrawlern vor der irischen und afrikanischen Küste im Einsatz. Und diese gigantischen Schiffe werden auch noch staatlich subventioniert.
Welchen Schaden richten denn diese Supertrawler an? Und kann sich der Meeresboden von diesen Schäden wieder erholen?
Wenn man einem Ökosystem genügend Zeit lässt, kann es sich auch wieder erholen. Wir müssen es nur zulassen. Schiffe, die mit riesigen Fangnetzen ausgestattet sind, kosten bis zu 100 oder sogar 200 Millionen Dollar und natürlich wollen die Betreiber ihre Investitionen wieder reinholen. Mit einem Supertrawlernetz kann man mit einem einzigen Fang so viele Fische fangen, wie in drei Busse passen. Grundschleppnetze, die den Meeresboden umpflügen, zerstören die Lebensgrundlage der Fische. Das ist, als würde man einen Wald in eine Wüste verwandeln. Genau das tun wir auf dem Meeresboden: Wir verwandeln ihn in eine lebensfeindliche Wüste. Aus reiner Habgier. Nur um schnelles Geld zu machen. Den Unternehmen, die diese Schiffe betreiben, ist es egal, ob die Fischgründe überleben oder nicht; sie streichen ihre Gewinne ein und investieren sie in ein anderes lukratives Geschäft. Es ist eine Ökonomie der Vernichtung. Knappheit führt zu mehr Nachfrage, was wiederum zu größeren Profiten führt. Also, je knapper der Fisch, desto höher die Gewinne der Fischereiindustrie. Mitsubishi hat momentan einen Bestand an Blauflossen-Thunfisch in japanischen Lagerhallen, der den Markt 10 bis 15 Jahre versorgen könnte. So groß ist ihr Vorrat. Sie könnten also sofort mit dem Fischen aufhören und trotzdem den Markt weiter versorgen. Sie haben nur ein Problem: Wenn sich die Fischpopulation im Meer wieder erholt, nimmt der Wert ihrer Ware in den Lagerhallen ab und damit fallen die Preise. Geht jedoch das Angebot gegen null, was der Fall wäre, wenn der Blauflossen-Thunfisch aussterben würde, wäre ihr gehorteter Bestand ein Vermögen wert. Sie könnten jeden Preis dafür verlangen.
Das ist ja furchtbar!
Nach dem Motto: Nach mir die Sintflut. Sie investieren ihre Profite in Computer oder Düsenjets oder Waffen oder was auch immer. Als Unternehmen haben sie keinerlei Verluste, im Gegensatz zu den Menschen in Sierra Leone, im Senegal oder in Indien. Seit etwa 30 Jahren fischen die Norweger in indischen Gewässern und haben in diesem Zeitraum wahrscheinlich eine Million Fischer und ihre Familien arbeitslos gemacht und ihnen damit ihre Lebensgrundlage entzogen. Darüber redet niemand. Es wird immer nur betont, wie viele Arbeitsplätze die Fischereiindustrie geschaffen hat, aber es ist keine Rede davon, wie viele sie vernichtet hat. Wenn man die Zahlen vergleicht, dann wurden viel mehr Menschen um ihr Einkommen gebracht als Arbeitsplätze geschaffen. Da klafft eine gewaltige Lücke.
Stimmt es, dass traditionelles Fischen inzwischen einer der gefährlichsten Berufe überhaupt ist? Ein einfaches Fischerkanu, das aufs Meer rausfährt, kann es schlichtweg nicht mit großen Schiffen aufnehmen. Die Boote müssen in tiefere Gewässer ausweichen, weil ihre ursprünglichen Fischgründe von Trawlern leergefischt wurden.
Das habe ich 1969 mit eigenen Augen gesehen. Damals arbeitete ich auf einem norwegischen Stückgutfrachter. Wir hatten den Indischen Ozean überquert und waren etwa 10 Meilen südlich von Sri Lanka, als plötzlich die Lichter von den Laternen vieler kleiner Fischerkanus vor uns auftauchten. Sie waren vielleicht 10 bis 20 Meilen von der sri-lankischen Küste entfernt. Die Boote signalisierten unserem Schiff, dass wir Abstand halten sollten. Aber unser Schiff war ein 30.000-Tonner und die Antwort des Kapitäns lautete: „Volle Kraft voraus! Sollen sie doch Platz machen.“ Wahrscheinlich haben wir sie zum Kentern gebracht. Keine Ahnung, wir konnten es nicht sehen. Unser Schiff wich jedenfalls nicht wegen ein paar Kanus von seinem Kurs ab. Erst kürzlich haben wir ein paar Fischer in Sierra Leone interviewt, die erzählten, dass sie mit einem Schiff kollidierten und von einem anderen Boot gerettet werden mussten. Sie erzählten uns auch, dass ständig Fischer umkommen, weil sie von großen Schiffen einfach umgemäht werden, vor allem von Supertrawlern, die sie als Konkurrenz ansehen. Es ist eine gefährliche Welt da draußen.
Grüne Rückenschildkröte, die sich beim Einholen im Ringwadennetz verfangen hat.