Читать книгу Captain Paul Watson Interview - Paul Watson, Michele Sciurba - Страница 16
ОглавлениеOperation Albacore, Gabun, ins Meer geworfener Haifischbeifang. © Simon Ager
Die Gesetze der Ökologie
In dem Film Seaspiracy erwähnst du, dass es unmöglich wäre, nachhaltige Fischerei zu betreiben. Glaubst du, dass die Anerkennung dieses Umstands dasjenige ist, was uns beim Schutz der Meeresgebiete voranbringen könnte?
Es gibt schon nachhaltige Fischerei, aber nur auf dem nichtindustriellen, lokalen Sektor. Die einheimischen Fischer in Afrika, Indien oder Lateinamerika arbeiten nachhaltig. Aber die sind ja nicht das Problem. Das Problem ist die kommerzielle, industrielle Fischerei. Riesige Supertrawler, hundert Meilen lange Kiemennetze, hundert Meilen lange Langleinen, riesige Ringwadennetze und Grundschleppnetze, das ist das Problem. Die Fischereiindustrie ist nirgendwo auf der Welt nachhaltig und wird es nie sein. Kann sie auch gar nicht. Und das hat einen einfachen Grund. Es gibt acht Milliarden Fisch und Fleisch essende Primaten auf unserem Planeten, die kann man nicht nachhaltig ernähren. Wenn man sich die Zahlen vor Augen führt, ist das einfach unfassbar. Auf die Viehwirtschaft entfallen 65 Milliarden Tiere, dann kommt noch der Fisch dazu. Das führt zu Grundwasserverschmutzung, Treibhausgasemissionen und Totwasserzonen im Meer. Ungefähr 30% aller gefangenen Fische werden gar nicht von Menschen gegessen, sondern werden zu Fischmehl verarbeitet und an Hühner, Schweine und Zuchtlachs verfüttert. Wir leben mittlerweile in einer Welt, in der Hühner mehr Fisch fressen als alle Albatrosse und Delfine auf der Welt zusammengenommen. Aus ökologischer Sicht ist das Wahnsinn. Hauskatzen fressen mehr Fisch als sämtliche Robben im Nordatlantik. 2,8 Millionen Tonnen Fisch werden allein zu Katzenfutter verarbeitet und das ist wohl kaum eine artgerechte Nahrung.
Es gibt ja auch so einige Halbwahrheiten über Aquakultur. Viele Leute kaufen lieber Fisch aus Aquakultur, weil sie glauben, das wäre nachhaltig. Aber wie wir aus Seaspiracy erfahren haben, ist sie nicht nur nicht nachhaltig, sondern trägt auch noch zur Verunreinigung der Meere bei.
Ja, das liegt an dem massenhaften Einsatz von Antibiotika und Chemikalien. Sie stecken die Fische einmal im Jahr in ein chemisches Bad, um die Seeläuse abzutöten. Seeläuse sind kleine Krebstiere. Und dieser Chemiecocktail gelangt ins Ökosystem und vernichtet Krebse und andere Meerestiere. Nicht nur, dass Antibiotika das Ökosystem verseuchen, sondern, was noch schlimmer ist, die durch die Massentierhaltung entstehenden Viren infizieren die lokalen Fischbestände. Und so ist die zoonotische Übertragung von Viren auf die Wildlachsbestände zu einem riesigen Problem geworden. Im Gegensatz zum Zuchtlachs bekommt der Wildlachs natürlich keine Antibiotika. Die Leute wissen auch nicht, dass ein Zuchtlachs, den man auf einer Fischfarm aufschneidet, kein orangerosa Fleisch hat. Es ist schmutzig-grau. Kein Mensch würde so etwas kaufen. Also setzen sie dem Futter Farbstoff zu. Die rosa Farbe des Wildlachses stammt vom Krill, von dem er sich im Meer ernährt. Und damit der Zuchtfisch genauso aussieht, muss man ihn künstlich färben.
Es ist schrecklich, diese eingesperrten, gestressten und leidenden Fische zu sehen, zu beobachten, wie sie von Seeläusen bei lebendigem Leibe aufgefressen werden.
Aquakultur ist extrem ungesund für die Fische und für die Menschen, die sie essen. Die fäkale Verschmutzung des Ökosystems ist hoch. Darüber hinaus braucht man etwa 70 Fische aus dem Meer, um einen einzigen Fisch zu züchten. Und dann werden jedes Jahr auf den Fischfarmen Raubtiere getötet, angefangen bei Adlern über Bären und Otter bis hin zu Robben und Seelöwen, weil man sie als Bedrohung für den Bestand ansieht. Trotzdem machen wir Fortschritte. Wir haben vor Vancouver Island und British Columbia 17 Fischfarmen stillgelegt. Gerade ist ein neues Buch von Richard Flanagan erschienen. Es heißt Toxic und deckt die Missstände auf tasmanischen Lachsfarmen auf. Don Staniford setzt sich für das Verbot von Fischfarmen in Schottland ein. Eine invasive Art wie der Atlantische Lachs hat im Pazifik einfach nichts zu suchen. Wenn man einen Piranha in einem Teich in Deutschland oder den USA aussetzt, ist das eine Straftat. Man darf keine räuberische Art in ein Ökosystem einführen. Und doch wird es gemacht und die Leute kommen damit durch, und der Staat unterstützt, ja subventioniert das sogar noch. Dabei gehört der Lachs da einfach nicht hin. Er ist eine invasive Art.
Es gibt eine Menge Beispiele für die Ansiedlung von räuberischen Arten in einheimischen Ökosystemen, beispielsweise der importierte Giftfrosch, der große Teile des australischen Ökosystems zerstört hat.
Ja, die Aga-Kröte. Jedes Mal, wenn der Mensch in natürliche Abläufe steuernd eingreift, hat das fatale Konsequenzen. Man nehme zum Beispiel Hawaii: Da sind Ratten von einem Schiff entkommen und haben die einheimischen Vögel gefressen. Und was hat man dagegen getan? Man hat Mungos angesiedelt, damit sie die Ratten fressen. Tja, das Problem ist nur, dass die Mungos tag- und die Ratten nachtaktiv sind, sodass jetzt sowohl die Mungos als auch die Ratten die Vögel fressen. Das läuft alles aufs Gleiche hinaus: den ökologischen Kollaps. Wie ich schon auf der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris sagte, müssen wir die Ozeane unbedingt erhalten, wenn wir den Klimawandel bekämpfen wollen. Die Meere tragen zur Regulierung des Klimas bei und wir müssen es ihnen ermöglichen, den Schaden, den wir angerichtet haben, zu reparieren. Ich bin sicher, die Gesetze der Ökologie werden greifen.