Читать книгу Die 40 bekanntesten archäologischen Stätten entlang der Via Agrippa in Deutschland, Luxemburg und Frankreich - Peggy Leiverkus - Страница 11
Оглавление66 Räume, 14 Mosaike, drei Bäder, ein eigener Tempel und vier Ecktürmchen statt der üblichen zwei. Wer hier gewohnt hat, besaß eine Menge Geld und wollte das auch zeigen. Vielleicht traf sich hier die Trierer High Society, um Geschäfte zu machen und ausschweifende Partys zu feiern.
06 RÖMISCHE VILLA OTRANG BEI FLIESSEM – WER HAT DIE SCHÖNSTE VILLA?
DEUTSCHLAND | Rheinland-Pfalz |
Nur 800 m östlich der Via Agrippa befand sich, einen Tagesmarsch nördlich von Augusta Treverorum, ein prunkvolles Anwesen von enormem Ausmaß: die Villa Otrang bei Fließem. Noch heute liegt sie außerordentlich malerisch und einsam an einem seichten zum Kylltal hin abfallenden Hang und ist über die Via Agrippa, auf deren Trasse die B51 gebaut ist, zu erreichen.
Die villa rustica wurde wahrscheinlich im 1. Jh. n. Chr. erbaut und anschließend immer wieder erweitert, bis sie im 5. Jh. vermutlich im Zuge des Germaneneinfalls zerstört wurde.
Ihre Grundform entspricht dem im nördlichen Gallien verbreiteten Typ der Eckrisalitvilla. Sie bestand aus einem langgezogenen rechteckigen Haupthaus, das von einem vorgelagerten Säulengang (Portikus) und zwei an den Enden vorspringenden Eckräumen, den sog. Risaliten, gesäumt wurde. Allerdings verfügte das Haupthaus noch über zwei weitere Risaliten an der Rückseite und umfasste somit eine Fläche von 360 m2, auf der sich im 3. Jh. 66 Zimmer befanden, von denen 14 mit einem Mosaikfußboden ausgestattet waren. Noch dazu verfügte die Villa über drei Bäder und einen eigenen kleinen Tempelbezirk südlich des Geländes, der heute leider nicht mehr sichtbar ist (Abb. 14).
Wer könnte in so einem luxuriösen Anwesen gewohnt haben? Die Ausstattung lässt vermuten, dass die Anlage nicht allein als wirtschaftliches Gut genutzt wurde, sondern die Sommerresidenz einer reichen Persönlichkeit aus der römischen Oberschicht war, vielleicht aus dem 40 km entfernten Augusta Treverorum. Die vielen Trakte und Zimmer wurden vielleicht auch als Gästewohnungen genutzt, so kann man sich gut vorstellen, dass in manch lauer Sommernacht Gesang und Musik bis zur Via hinüberdrang, wenn der Hausherr mit seinen Gästen aus der Stadt ein ausschweifendes Fest feierte. Dabei gab er sich sicherlich nicht bescheiden, denn immerhin hatte er die besonders weitläufige Konstruktion seines Hauses und die zahlreichen Mosaike mit ihren geometrischen und floralen Mustern nicht nur für sein eigenes Vergnügen oder gar für seine Dienerschaft anlegen lassen. Sie dienten vor allem auch der Repräsentation. Man kann sich gut vorstellen, dass die vielen reichen Großgrundbesitzer im südlichen Germanien um die aufwendigste und kreativste Ausstattung ihrer Gutshäuser konkurrierten. Man denke z. B. an das sagenhafte Mosaik in der nahe gelegenen Villa Nennig (siehe 14, S. 64) oder den repräsentativen Innenhof und das Bad in der Villa Borg (siehe 13, S. 58).
Abb. 14 Doppelter Denkmalschutz: Reste der Villa Otrang und Schutzhäuschen aus dem 19. Jh.
Wer die Villa heute besichtigt, wird anstatt von einem prächtigen Herrenhaus von lauter kleinen, z. T. hübsch im Fachwerkstil errichteten Hütten und einigen römischen Säulenresten auf dem Hof empfangen. Diese Schutzhütten stehen ebenso wie die unter ihnen verborgenen Mosaike und Bäderreste unter Denkmalschutz. Wilhelm IV. ließ sie noch als Kronprinz errichten, nachdem er 1833 die Ausgrabung besichtigt hatte und der Schönheit der gefundenen Mosaike verfallen war. In einer dieser Hütten ist heute ein kleines Restaurant untergebracht, in dem man römische Speisen und Getränke wie Fladenbrot mit Moretum (eine Käsepaste mit viel Knoblauch) oder Mulsum (süßer Honigwein) genießen kann.
Literatur:
Rheinisches Landesmuseum Trier (Hrsg.): Führer zu archäologischen Denkmälern des Trierer Landes. Trier 2008. 106 f.