Читать книгу Die 40 bekanntesten archäologischen Stätten entlang der Via Agrippa in Deutschland, Luxemburg und Frankreich - Peggy Leiverkus - Страница 6
ОглавлениеDen Germanen am anderen Rheinufer war die mit hohen Mauern geschützte Hauptstadt der Provinz Germania Inferior ein Dorn im Auge. Schon allein, weil einer ihrer Stämme – die Ubier – abtrünnig geworden und zu den Römern übergelaufen war und nun die Reichsgrenze gegen ihre eigenen Verwandten schützte.
01 KÖLN – COLONIA CLAUDIA ARA AGRIPPINENSIUM: HAT AGRIPPA AUCH KÖLN GEGRÜNDET?
DEUTSCHLAND | Nordrhein-Westfalen |
Der Bau der Via Agrippa und die Gründung des antiken Köln sind eng miteinander verwoben. Wahrscheinlich siedelte Agrippa während seiner zweiten Statthalterschaft 20/19 v. Chr. den germanischen Stamm der Ubier aus dem rechtsrheinischen Germanengebiet in das römische Herrschaftsgebiet auf der linken Seite des Rheins über. Der Stamm war durch rege Beziehungen zu den Römern ins Visier seiner germanischen Nachbarn geraten und stand zwischen den Fronten. Die Umsiedlungsmaßnahme diente freilich nicht nur dem Schutz der Ubier, denn ihre Aufgabe bestand fortan darin, die Grenze des römischen Reiches – sprich den Rhein – gegen feindliche Germaneneinfälle zu sichern. Auf der linken römischen Rheinseite gründeten sie eine neue Hauptstadt nach römischem Vorbild, das oppidum Ubiorum, den ersten Vorläufer des heutigen Köln.
Zur gleichen Zeit begann Agrippa mit einem umfassenden Straßenbauprogramm, das die gallischen Provinzen besser an das Römische Imperium anbinden und damit ihre wirtschaftliche Entwicklung fördern sollte. Vom zentral gelegenen Lugdunum (Lyon) aus entstanden mehrere Straßen in verschiedene Richtungen, eine davon führte nach Norden bis in die neu gegründete Ubiersiedlung, die dank ihrer strategisch günstigen Lage an der Reichsgrenze und dazu am Fluss Rhenus (Rhein) prädestiniert war als Handelsumschlagsplatz. Außerdem konnte das Gebiet durch die Straßenanbindung schneller mit zusätzlichen Legionen versorgt werden, die die Grenzen zum barbarischen Germanien jenseits des Rheins bewachen sollten. Dies war in den folgenden Jahrzehnten auch nötig, da es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den Germanen kam. Diese konnten wahrscheinlich nur über den Altar lachen, den Kaiser Augustus im oppidum Ubiorum für die unterworfenen Germanen zur Ausübung des Kaiserkultes und Anbetung der Göttin Roma hatte errichten lassen. Dieses Heiligtum scheint allerdings eine so große und auch langjährige Bedeutung gehabt zu haben, dass es in den späteren Namen der Stadt aufgenommen wurde. Die Rede ist von dem Namen, der damals schon als so lang empfunden wurde, dass er auf Stadttoren und Inschriften gerne mit CCAA abgekürzt wurde: Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Claudische Kolonie und Opferstätte der Agrippinenser). Die 15 n. Chr. im oppidum Ubiorum geborene Agrippina führte im Jahr 50 diese Umbenennung der Stadt herbei, indem sie ihren Gatten, Kaiser Claudius, dazu brachte, ihre Heimatstadt zur Kolonie zu erheben und ihr damit die römischen Bürgerrechte einzuräumen. Agrippina, die als Ururenkelin Ausgustus’, Urenkelin Agrippas und Mutter von Kaiser Nero schon zu Lebzeiten eine berühmte Frau aus dem adligen Geschlecht der Iulier war, wird heute noch von manchen als eigentliche Gründerin der Stadt gesehen.
So wurde das antike Köln zu einer Stadt römischen Rechts „befördert“, was sie natürlich zu einem begehrten Anziehungspunkt im kalten Norden machte und ihr einen sagenhaften Aufschwung in den nächsten Jahrzehnten und folgenden zwei Jahrhunderten bescherte.
Stellen wir uns nun vor, ein Händler kommt im späten 2. Jh. mit seiner Ladung den Rhein hinauf, um von CCAA über die Via Agrippa in die Eifel zu gelangen. CCAA ist mittlerweile zur Hauptstadt der römischen Provinz Germania Inferior aufgestiegen und zählt 20.000 Einwohner. Von Weitem schon muss der Händler die mächtige Stadtmauer mit ihren zahlreichen Türmen und Toren gesehen haben, und vorgelagert die längliche Insel – die heute überbaut und nicht mehr sichtbar ist – auf der drei nagelneue große horrea (Lagerhallen) standen. Hier würde er an einem der Holzkais vor Anker gehen und überschüssige Ware verkaufen, bevor er die restliche Menge auf einen großen Ochsenkarren umladen ließ, der ihn auf dem Landwege – über die Via Agrippa – weiter in die Eifel bringen würde. Die Reste dieser Lagerhallen sind heute in einer Ausgrabung unter der Kirche Groß Sankt Martin zu besichtigen. Sie überlagern ältere Gebäudefundamente und ein Becken aus dem 1. Jh., die vermuten lassen, dass sich hier eine Art Sportanlage befunden haben könnte, bis das Areal wahrscheinlich im Zuge einer Hafenvergrößerung umstrukturiert und die Lagerhallen erbaut wurden.
Abb. 6 Der Römerturm in der Zeughausgasse ist das am besten erhaltene Stück der römischen Stadtmauer von Köln.
Nachdem unser Händler seine Geschäfte abgeschlossen und seine Waren umgeladen hatte, betrat er die Stadt durch eines der drei rheinseitigen Tore. Die im Durchschnitt 2,40 m dicke und 8 m hohe Stadtmauer mit ihren 19 Türmen muss sehr beeindruckend gewesen sein. Heute noch kann man an einigen Stellen Reste dieser Befestigungsanlage sehen. Am besten erhalten und gleichzeitig einzigartig in seiner künstlerischen Gestaltung ist der sog. Römerturm (Abb. 6), der die nordwestliche Ecke der ca. 4 km langen Stadtmauer bildete. Er befindet sich heute an der Zeughausstraße 13 und fällt sofort durch sein mehrfarbiges Natursteinmosaik auf. Die Tatsache, dass die Römer ihre Wehrtürme über die eigentliche Funktion hinaus auch noch künstlerisch verzierten, unterstrich ihre Macht und den Wohlstand der Stadt.
Eines der beeindruckendsten Gebäude, das sich gleich hinter der rheinseitigen Stadtmauer befand, war der Sitz des Stadthalters, das Praetorium, dessen mächtige Grundmauern heute unter der Budengasse 2 zu besichtigen sind. Wer hier vorgeladen wurde, hatte gewiss weiche Knie. Der Praetor (Stadthalter) hatte die militärische und zivile Obergewalt über die gesamte Provinz und unterstand direkt dem Kaiser. Diese Macht drückte sich auch in seiner Wohn- und Amtsresidenz aus. Der vorbeiziehende Händler dürfte zum Ende des 2. Jhs. eine Weile gebraucht haben, bis er das zu diesem Zeitpunkt vier insulae (Häuserblocks) umfassende Gebäude passiert hatte. Zu solch palastartigen Ausmaßen hatte der Stadthalter Didius Iulianus das Gebäude um das Jahr 183/184 n. Chr. ausbauen lassen.
Müde von der langen Reise und erschlagen von so viel Protz war bestimmt jedem Reisenden nach einer Erfrischung zumute. Für diese musste er wahrscheinlich nicht einmal ein Gasthaus aufsuchen, zumindest, wenn er nur etwas trinken wollte. CCAA war bestens versorgt mit frischem Quellwasser und die Stadt war durchzogen von einem dichten Netz an Wasserleitungen und Brunnen. Der Händler hatte schon befürchtet, schmuddeliges Rheinwasser trinken zu müssen, aber dieses Wasser aus einem öffentlichen Brunnen war klar und schmeckte hervorragend. Die Römer liebten das Wasser und waren sehr wählerisch, was Herkunft und Qualität desselben anging. Immerhin hatte man eine fast 100 km lange Wasserleitung bis in die Eifel gebaut, um das dort entspringende Quellwasser bis in die Provinzhauptstadt zu leiten. Und nicht nur das Frischwasser war sauber, nirgendwo sah oder roch man stinkende Rinnsale mit Fäkalien. Das lag daran, dass in CCAA im wahrsten Sinne alles im Fluss war. Wie auch das Frischwasser wurde das Abwasser über ein gut vernetztes unterirdisches Kanalsystem aus der Stadt geleitet. Was damals gut verborgen war, ist heute direkt von der Ausgrabung des Praetoriums aus begehbar, ein kleineres Teilstück ist auch über Tage hinter dem Praetorium am Theodor-Burauen-Platz ausgestellt. Der 1,20 m breite und bis zu 2,50 m hohe Kanal leitete die Abwässer in den Rhein. Die großzügigen Maße erleichterten die Wartung und Reinigung – entsprechende Zugänge sind ebenfalls noch sichtbar – machten diese aber sicherlich nicht zu einer beliebteren Aufgabe. Bei dem Gedanken, dass das gesamte Abwasser der Stadt in den Fluss geleitet wurde, kann man verstehen, dass sich ein Flussreisender auf frisches Quellwasser freute.
Nach erledigten Geschäften und einer Übernachtung gelangte unser Händler durch das südwestliche Stadttor auf die Via Agrippa, das sich auf der heutigen Clemensstraße 3 befunden hat und leider nicht mehr sichtbar ist. Wer sich dennoch ein Bild von Aussehen und Ausmaßen der römischen Stadttore in Köln machen will, sollte sich zum Dom begeben, genauer gesagt ins Dom-Parkhaus, denn hier sind die Reste des nördlichen Stadttores von CCAA konserviert (Abb. 7). Darüber, auf der nördlichen Domplatte, wurde ein Seitendurchgang des Tores wieder aufgestellt. Während das Tor zur Agrippa-Straße nur zwei Durchgänge hatte, hatte dieses hier drei, ein großes in der Mitte für Fuhrwerke und zwei Seitendurchgänge für Fußgänger. Allein die Höhe des mittleren Durchganges betrug ca. 8 m. Stellt man sich nun noch einen Überbau und zwei Türme vor, begreift man, welche Ausmaße ein solches Tor gehabt haben muss. Etwas bescheidener, da nicht an einer der Hauptachsen der Stadt gelegen, war das Tor, welches unser Händler nahm. Dennoch hat ihn beim Anblick der riesigen Bögen und ihrer verschließbaren Holztüren sowie der dicken Mauern mit Sicherheit das flaue Gefühl beschlichen, einen mit allen Mitteln gesicherten Ort zu verlassen.
Direkt hinter dem Tor schloss sich ein Gräberfeld an, das sich über mehrere Kilometer entlang des Weges – heute die Luxemburger Straße – hinzog. Unterschiedliche Grabsteine und Mausoleen säumten die Straße, die besonders aufwendigen waren mit bemalten Reliefs verziert. Einige waren rechteckig, andere hatten Giebel wie ein richtiges Haus – ein recht unterhaltsames Ensemble für den Durchreisenden, so makaber es klingt. Denn auf so einer römischen Gräberstraße hieß es: Auffallen um jeden Preis. Dazu muss man wissen, dass es für Menschen, die in der römischen Kultur lebten, sehr wichtig war, dass sich andere Menschen an die eigene Existenz auch über den Tod hinaus erinnerten. So konnte man sich durch das Verfassen von Büchern oder, wenn man über das nötige Kleingeld verfügte, durch Schenkungen von Gebäuden an eine Stadt in Erinnerung halten. Das letzte Denkmal, das man sich setzen konnte, war das Grabmonument. Daher befinden sich die römischen Friedhöfe direkt an den Ausfallstraßen der Siedlungen. Je wohlhabender der Bürger war, desto prominenter, d. h. näher an der Straße, desto größer und prächtiger konnte er sein Grabmonument errichten. Mehrere solch eindrucksvoller Grabsteine sind im Römisch-Germanischen Museum in Köln zu sehen.
Abb. 7 Der Seitenbogen des römischen Nordtores, wiederaufgestellt vor dem Kölner Dom.
Eines dieser Gräber – allerdings aus spätantiker Zeit, vielleicht aus dem 3. oder 4. Jh. – ist noch direkt an der Agrippastraße unter dem Wohnhaus in der Kaulardstraße 2 in Hürth-Efferen zu sehen. Leider ist es nicht von außen erhalten, sodass man über einen Überbau und dessen Verzierung nur mutmaßen kann. Dafür kann man durch einen steinernen Gang in die zum großen Teil erhaltene Grabkammer mit zwei Sarkophagen gelangen. Ihre Deckel sind nur noch etwa zur Hälfte vorhanden, was einen darüber spekulieren lässt, welche Kraft oder auch Hartnäckigkeit diesen soliden Stein zerstört haben mag. Deutlich sind am Eingang der Kammer noch Teile einer Türeinfassung sowie ein Loch, wo der Türriegel angebracht war, zu sehen. Für eine Besichtigung wendet man sich an die Stadtverwaltung Hürth.
Nun verlassen wir endgültig den Raum der Großstadt und begeben uns in die Provinz!
Literatur:
Fischer, T./Trier. M.: Das römische Köln. Der historische Stadtführer. Köln 2014.
Grewe, K.: Der Römerkanal-Wanderweg. Ein archäologischer Reiseführer. Düren 2005. 159 – 177.
Horn, H.G.: Agrippa Straße. Von Köln bis Dahlem in 4 Etappen und 8 Exkursen. Köln 2014. 35 – 70.
Schiffer, T.: Auf Römerwegen durch die Eifel. Rheinbach 2012. 67 – 72.