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Was verängstigte Reisende für das Werk von barbarischen Germanenhorden halten mögen, kann die Boten und Händler, die regelmäßig die Eifel auf der Via Agrippa durchqueren, nicht schrecken. Hier wird Kalk für das Imperium gebrannt!

03 IVERSHEIM – STINKENDER RAUCH ZIEHT ÜBER DIE VIA

DEUTSCHLAND Nordrhein-Westfalen

Tief im Wald der Eifel auf der Höhe von Mechernich war es durchaus möglich, dass dem Reisenden des 2. und 3. Jhs. der Gestank von verbranntem Holz, Asche und nicht organischen Stoffen in die Nase drang, oder dass entfernte Rauchsäulen zwischen den Hügeln aufstiegen. Die Rede ist nicht von Brandschatzung, sondern von einem der größten Kalkabbaugebiete nördlich der Alpen, der 25 km langen Sötenicher Kalkgrube. Kalk- und Dolomitgestein wurde hier für die Kalkherstellung in Massen abgebaut, Spuren von antiken Steinbrüchen gibt es zu Hauf und auch mehrere Kalkbrennereien wurden entdeckt, eine davon in Iversheim, das ca. 10 km östlich der Via Agrippa liegt (Abb. 9).

Die 30 m lange Anlage am Hang der Erft, heute am Kalkarer Weg nahe den Gleisen gelegen, bestand aus vier, später sechs 4 m hohen Brennöfen, in denen bei einer Temperatur von bis zu 1.050 Grad Dolomit zu Kalk verbrannt wurde, welcher zur Herstellung von Mörtel diente. Dieser war auf den Baustellen der Provinz heiß begehrt, denn der nierdergermanische Limes musste mit Kastellen befestigt werden. Auch Straßen mussten gebaut und nach den ersten Germaneneinfällen um 270 n. Chr. Häuser und Abwehranlagen wiederaufgebaut und verstärkt werden.

Die Betreiber dieser Brennerei waren keineswegs Privatleute, sondern Legionäre, wie aus zwölf Weihesteinen hervorgeht, die in dieser und den nahegelegenen Brennereien gefunden wurden. Auf den ersten Blick ist die Vorstellung, dass Soldaten einen Brennofen betreiben, etwas merkwürdig, doch in Anbetracht der Tatsache, dass gerade in den Provinzen die Legionäre den größten Teil der Infrastruktur errichteten, weil es nicht genügend Personal gab, nicht unbedingt verwunderlich. Die Weihesteine sind an verschiedene Götter gerichtet, z. B. passenderweise an Minerva, die u. a. für das Handwerk zuständig war. Ihnen ist zu entnehmen, dass in der Brennerei Legionäre der 30. Legion Ulpia Victrix aus Xanten und der ersten Legion Minervia aus Bonn gearbeitet haben. Auch ein Legionär der dritten Legion Cyranaica, die in Arabien stationiert war, war – vielleicht als Experte – vor Ort. Die Arbeit war hart und erfolgte in Schichten. Zwei Öfen brannten gleichzeitig. Es dauerte ca. eine Woche, bis der Kalkstein in einem Ofen durchgebrannt war. Noch einmal zwei Tage, um ihn aus dem Ofen herauszuholen. Dann wurde er verladen – vermutlich auf Schiffe, die ihn über die damals noch tiefere und breitere Erft abtransportierten. Gleichzeitig musste massenweise Brennholz für die Öfen geschlagen werden, nicht zu vergessen Kalkstein geschlagen – direkt über der Brennerei befand sich ein Steinbruch. Dieser musste erst zur Brennerei hinuntergeschleift und dann noch in kleine Brocken, die in den Ofen passten, gebrochen werden. Eine nicht ganz ungefährliche Arbeit, bei der man durchaus die schützende Hand der Götter gebrauchen konnte.


Abb. 9 Zwei von ursprünglich sechs Brennöfen in der Kalkbrennerei Iversheim.

Drei der insgesamt sechs Brennöfen sind in einem Schutzbau zu besichtigen. Einer davon wurde nicht geleert und ermöglicht es somit, gebrannte Kalkreste zu sehen. Vor dem Schutzbau, am Eingang, steht ein weiterer Ofen, der für ein wagemutiges Experiment wieder funktionstüchtig gemacht wurde. Um herauszufinden, wie die Öfen genau funktionierten, haben die Archäologen dem Befund getreu und ohne moderne Hilfsmittel eine Woche lang Kalk in diesem Ofen gebrannt und bewiesen, dass die Öfen arbeiteten – ganz ohne die Kenntnis der einzelnen chemischen Zusammenhänge.

Literatur:

Sölter, W.: Römische Kalkbrenner im Rheinland. Rheinische Kunststätten. Köln 2005.

Die 40 bekanntesten archäologischen Stätten entlang der Via Agrippa in Deutschland, Luxemburg und Frankreich

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