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KAPITEL 4

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Lautes Glockenläuten weckte Alexia aus ihren Träumen, und sie erschrak. Als sie wieder zu sich gekommen war, fand sie sich gegen Jamie Maxwells Rücken gelehnt. Ihre Wange ruhte an seiner Schulter, und ihre Arme waren fest um seine Taille geschlungen. Entsetzt über sich selbst, gab sie sich einen Ruck und ließ ihn los. Ihr Pferd, müde von dem langen Ritt, stolperte, und sie glitt fast aus dem Sattel. Widerwillig legte sie wieder die Arme um ihn.

Er drehte sich mit einem Lächeln zu ihr um, und sie starrte wütend zurück. »Das sind nur die Glocken des Armstrong-Clans, die unsere Ankunft ankündigen«, erklärte er. Mit einer Hand drückte er ihre Hände fester gegen seine Taille. »Die Familie von Big Jock. Wir werden eine behagliche und trockene Unterkunft für die Nacht vorfinden.«

Alexia stieß seine Hand weg. Vor einer Stunde hatte es wieder angefangen zu nieseln. Sie wäre dankbar für ein warmes, trockenes Plätzchen, egal wo, denn sie war durchnäßt und hungrig und sehnte sich danach, auf einem schönen weichen Bett mit sauberen, frischen Laken und auf einer dicken Federmatratze auszuruhen.

Sie dachte an ein Bett und alles, was ein Bett bedeutete, auch an die intimen Dinge, und plötzlich wurde ihr Mund trocken. Er würde doch nicht erwarten ... Er würde nicht meinen, daß sie ... Das würde er nicht wagen!

»Warum knirschst du mit den Zähnen? Du klingst wie ein Hund, der einen Knochen anknurrt.«

»Das stimmt nicht. O Gott, ich hasse Euch, Jamie Maxwell!«

Er lachte. »Nein, du bist nur durcheinander, meine Süße. Was du da fühlst, ist Liebe.«

Alexia schloß die Augen und stellte sich ihn vor, wie er die Treppen zum Galgen hochging. Nur sie hatte die Macht, ihn zu begnadigen. Er betrachtet sie, und seine Augen flehen um Vergebung, aber leider wendet sie sich ab, und er senkt den Kopf, im vollen Bewußtsein ihrer Rache. Der Henker legt die Schlinge um seinen Hals, und die schreiende Menge ist plötzlich mucksmäuschenstill und wartet auf ihr Urteil. Sie hebt die Hand und ...

»Alexia«, sagte Jamie. »Hör auf, dahinten rumzurutschen, du fällst sonst runter.«

Am liebsten hätte sie ihn geschlagen. »Ich bin nicht herumgerutscht.«

Sie kamen auf eine Anhöhe, von der aus man einen Wehrturm erblickte, der den Eingang zu einem engen Tal bewachte.

Der Wehrturm war ein typisches Bauwerk des Grenzlandes, bei dessen Architektur auf Bequemlichkeit zugunsten von Sicherheit verzichtet worden war. Es war ein allein stehender, viereckiger Turm, drei bis vier Stockwerke hoch und von einer Vorwerksmauer umgeben. Vieh und Pferde konnte man im unteren Teil, genannt »Pend«, vor Räubern schützen. Die Quartiere darüber waren über eine enge, gewundene Treppe zu erreichen, die im Uhrzeigersinn aufwärts strebte, so daß der Schwertarm eines Verteidigers immer frei war, gegen jeden auszuholen, der versuchte, die Treppen hinaufzustürmen.

Das Pferd, das die Nähe von Nahrung und Stall spürte, fing an zu traben. Jemand am Ausguck schrie »Hallo«, winkte, und Jamie hob den Arm als Antwort.

Als sie durch das Tor in der Vorwerksmauer ritten, wurde ein Fensterladen im obersten Stockwerk des Turms aufgestoßen, und ein massiver Kopf voller verfilztem schwarzen Haar und einem wallenden Bart schrie zu ihnen hinunter.

»Jamie Maxwell, du Bastard und Hurensohn eines englischen Zuhälters! Sei bereit, deinem Schöpfer gegenüberzutreten!«

»Armstrong, du Waschlappen und Hohlkopf!« schrie Jamie zurück. »Du nennst dich einen Schotten? Du könntest nicht einmal einem Baby seine Klapper abringen!«

Jamie glitt vom Pferd. Der Kopf verschwand. Kurz darauf wurde die Tür des Wehrturms aufgestoßen, und ein riesiger Mann, der Zwilling von Big Jock, kam herausgeflogen wie eine Kanonenkugel.

Jamie stand da und hatte die Füße fest auf den Boden gestemmt. Er blickte ihm entgegen, die Hände in der klassischen Ringerpose ausgebreitet und hoch erhoben. Big Wat Armstrong kreiste vorsichtig um ihn herum, seine beiden Schultern bis unter die Ohren hochgezogen, seine Arme lose an den Seiten herunterhängend.

Dann sprang er vor. Jamie fing ihn mit der Leitschulter auf, wirbelte ihn durch die Luft, packte ihn im Flug an einer seiner Wamslaschen, hob ein Bein und stieß ihm seinen Fuß in den Leib. Damit schickte er den riesigen Mann durch die Luft in das Gelände hinter ihnen, wo er wie eine gefällte Eiche niederfiel. Jamie folgte mit einem anmutigen Purzelbaum und landete mit dem Knie auf Big Wats Hinterteil. Dann drückte er ihn so lange nieder, bis er keuchte.

Jamie drehte Wats Arm auf den Rücken, und der brüllte. »Himmel noch mal, Jamie, Junge. Du brichst mir den Arm.«

»Du hast meine Vorfahren beschimpft.« Jamie Maxwell war ganz lässig. »Ich will Satisfaktion. Sage jetzt: Meine Mutter war eine Engländerin.«

»Oh, du bist grausam, du ...« Big Wat schrie wieder auf, als Jamie ihm den Arm verdrehte. »Schon gut, schon gut! Mine Mudder war ’ne Engländerin ... die Hure.«

Jamie war schnell wieder auf den Beinen. Big Wat kam langsamer hoch und massierte seine Schulter. Er grinste Jamie an, dann sah er Alexia.

»Wer ist das Mädchen?«

»Eine Engländerin«, antwortete Jamie und lachte.

Alexia saß auf einer Bank vor dem aufgebockten Tisch in der großen Halle und tat so, als sähe sie nicht zu, wie ein Mädchen mit schwarzgelocktem Haar und einem frechen Lächeln in ihrem hübschen Grübchengesicht die Schnittwunde an Jamies Arm reinigte und einen Verband anlegte.

Da der kindische Unfug auf dem Hof dazu geführt hatte, daß die Wunde wieder blutete, hatte Alexia kein Mitleid mit ihm.

»Ihr müßt furchtbar stark sein, Mylord.« Das Mädchen himmelte Jamie an, und Alexia ließ einen undamenhaften Schnaufer hören. »Furchtbar stark. Was, wenn er mich so hingeworfen hätte?«

»Man muß sich nur der Hebelwirkung bedienen«, meinte Jamie und lächelte das Mädchen an. Es war das süßeste Lächeln, das Alexia je gesehen hatte. Sie funkelte beide an.

Das Mädchen ging mit einer Schale blutigen Wassers hinaus. Jamie saß ganz nahe bei Alexia auf der Bank, viel näher als nötig. Seinen Oberschenkel preßte er gegen den ihren, und sie nahm seinen scharfen männlichen Geruch wahr – eine Mischung aus Pferd und nassem Leder.

»Ich würde gerne lernen, einen Mann so hinzuwerfen«, sagte Alexia.

Jamie warf einen Blick hinüber zu Big Wat: »Das würde sie wirklich.«

Er legte eine Hand auf ihr Knie; sie schob sie weg. Um seine Mundwinkel zuckte es.

Big Wat schüttelte den Kopf. »Ich kanns nich glauben, daß Ihr Carletons Tochter gestohlen habt. Der König wird ...«

»Er wird nicht.« Das Mädchen hatte eine Holzschale mit Eintopf aus geschmortem Rindfleisch und Steckrüben vor Jamie hingestellt. Er schob sie zu Alexia hinüber. »Wo war ich letztes Jahr um diese Zeit, Wat?«

»Ihr wart ein gesetzloser Rebell, Ländereien und Titel abgenommen ... Und auf Euren Kopf stand ein Preis von hundert Pfund.«

»Und wo stehe ich jetzt?«

»Ihr seid jetzt Lord Maxwell, mit mehr Land, als Ihr am Anfang gehabt hattet. Ja, ja, Ihr habt’s geschafft, Jungejunge, kein Zweifel. Aber dieses Mal ...«

»Der König braucht die Maxwells viel mehr, als wir ihn brauchen. Mein Vater hat das letztes Jahr bewiesen, auch wenn er dabei umkam.«

Alexia erriet, daß Jamie mehr zu ihr als zu Big Wat sprach. Sie aß den Eintopf und tat so, als sei sie nicht im geringsten interessiert.

»Die Maxwells sind die stärkste Kraft an der Südwestgrenze«, fuhr er fort. »Stark genug, um die Engländer in Schach zu halten, und stark genug, um unabhängig von König James und seinem Kabinett von calvinistischen Schwatzbasen zu regieren. Die Maxwells kontrollieren die Grenzländer. Und ich kontrolliere die Maxwells.«

Big Wat leerte einen Bierkrug, dann wischte er sich mit dem Ärmel den Bart ab. »Ihr habt auch vier Brüder, denkt daran, und der junge Robin ist geil wie der Teufel auf Euren Platz.«

Alexia sah Jamie von der Seite an. Er schien überrascht und dann wütend.

»Nein. Du irrst dich in bezug auf Robin.«

Alexia griff nach dem Deckelkrug, der zwischen ihnen stand. Er enthielt eine stark riechende braune Flüssigkeit. Sie nahm einen langen Zug und verschluckte sich.

»Verdammt noch mal! Was ist das für ein scheußliches Zeug?«

»Aqua vita.« Jamie beugte sich über sie, seine Schulter eng an die ihre geschmiegt. »Davon wirst du betrunken, und dann kann ich mit dir machen, was ich will.«

Alexia lächelte ihn an und trank einen kleineren Schluck. Das zweite Mal brannte es nicht so sehr beim Runterschlucken, obwohl es noch immer scheußlich schmeckte. Sie bewegte ihren Fuß und ließ ihn absichtlich an seinem Bein reiben. Dabei sah sie Überraschung und Mißtrauen auf seinem Gesicht. Sie lachte vor sich hin. Zu zweit konnte man sein kokettes kleines Spielchen noch besser spielen.

»Ihr habt recht, Euch Sorgen um Lord Maxwell zu machen«, erklärte sie Big Wat, der zwischen den beiden hin und her sah, als ob sein Kopf auf einem Drehstock säße. »Mein Vater wird jetzt nicht länger ruhen, bis Lord Maxwell für seine Tat bezahlt hat.«

»Ja? Och, Jamie hat von Kindesbeinen an die Grenze unsicher gemacht, und bisher ist er noch nie gefangen worden. Erinnert Ihr Euch, Jamie, wie Ihr damals bei der Grenzland-Versammlung umgebracht worden seid?«

»Umgebracht?« Alexia betrachtete Jamie von unten herauf. »Wollt Ihr damit sagen, daß mich ein Geist entführt hat?« Sie langte nach ihrer Serviette und fuhr dabei mit der Hand an seinem Oberschenkel herauf.

Er neigte sich zu ihr und knurrte ihr ins Ohr. »Du spielst mit dem Feuer, meine Süße, und ich bin nicht ...« Aber sie hatte sich herumgedreht und wollte Big Wats Geschichte weiter hören.

»Der alte Lord, der wo Jamies Vater war, seht Ihr, hatte geschworen, Richie Armstrong bei der nächsten Grenzland-Versammlung vorzuführen oder dem Basta ..., äh, Sir Thomas Carleton statt Richie eine Geisel zu geben. Ja, und ’n Gauner von der schlimmsten Sorte war Richie Armstrong, auch wenn er mein Onkel war.«

»Ich sollte die Geisel sein«, sagte Jamie. Er hatte seinen Arm um Alexias Taille gelegt. Sie machte sich steif und beschloß dann, es dabei zu belassen. »Ich war zwölf, glaube ich. Vielleicht dreizehn.«

»Na ja, der Tag der Abrechnung kommt«, fuhr Big Wat fort. »Kein Zeichen von mein Onkel Richie, und Jamie hier hatte die Aussicht, sich eine Gefängniszelle im Turm von Carlisle von innen anzusehen. Wir versammeln uns am Esk-Fluß und die verdamm ... äh, Engländer wollen gerade übersetzen, als dieser dumme Junge seine Hände an die Brust schlägt und quiekt wie ein Schwein in einem Schlachthauspferch. Und ein großer Pfeil steckt zwischen seinen Rippen, und Blut fließt herunter wie ein Highland-Wasserfall. Dann fällt er vom Pferd... tot.«

Alexia schnaubte. »Den sind wir los, würden manche sagen.« Und sie lehnte ihren Rücken gegen Jamies Brust.

»Dein Vater hat nicht gewußt, was geschehen war«, sagte Jamie, und sie fühlte, wie sein Atem ihr Haar bewegte. »Aber er sah nur einmal hin und beschloß, so schnell wie möglich abzuhauen.«

»Ja ...« Big Wat lachte so sehr, daß sein Bauch den Tisch zum Wanken brachte. »Wir waren alle bereit, den englischen Bast ... äh, wir waren alle bereit zu folgen und hatten die Herzen voller Rachegefühle ... auf einmal setzt sich Jamie auf, lebendig und grinsend wie ein Pfarrer, wenn die Kirche voll ist.«

Alexia dachte, das war ein feiner Trick, auch wenn ihr Vater das Opfer war. Sie drehte sich um und lachte ihn an. »Also fand die Grenzland-Versammlung niemals statt, und Ihr mußtet nicht als Geisel Eures Vaters nach Carlisle gehen.«

»Jawohl«, sagte Big Wat und lachte noch immer stillvergnügt vor sich hin. »Der Anblick seines Sohnes und Erben als auferstandener Lazarus war zu viel für den alten Lord. Er fiel ohnmächtig um.«

Alexia lachte, und Jamies Arm legte sich fester um ihre Taille. »Dieser Teil war nicht so komisch«, sagte er. »Ich konnte eine Woche lang auf keinem Pferd sitzen, nachdem er mir sein Mißvergnügen hatte zuteil werden lassen.«

»Mißvergnügen!« trompetete Big Wat. »Lieber Himmel, er hätte vor Wut beinah seinen Hut gegessen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß noch immer nicht, wie Ihr das gemacht habt, Jamie-Junge.«

»Ein zerbrochener Pfeil, würde ich denken. Und eine Blase voll Schweine- oder Kuhblut«, meinte Alexia. »Außerdem eine Horde närrischer, einfältiger Männer.«

»Siehst du«, sagte Jamie zu Big Wat gewandt und sah dabei traurig aus. »Wäre sie dabeigewesen, müßte ich noch immer in einem Kerker von Carlisle schmachten.«

»Und genau dort werdet Ihr hinkommen ...«, begann Alexia, hielt dann aber inne, als Big Wats Tochter, eine Laute am Hals haltend, hereinkam.

Das Mädchen legte eine Hand auf Jamies Schulter. »Würdet Ihr ein wenig für uns spielen, Mylord?«

Jamie zögerte. »Nun ...«

»O bitte, versagt uns dieses Vergnügen nicht, Mylord«, fügte Alexia sarkastisch hinzu.

Jamie grinste sie schief an, stand auf und nahm die Laute. Er stellte ein Bein auf die Bank und legte das Instrument mit seinem birnenförmigen Kasten auf seinen Oberschenkel. Mit langen, schlanken Fingern zupfte er die Saiten, und er fing an, eine Grenzland-Ballade zu spielen. In der Halle, die voller lautem Gelächter und Geschwätz gewesen war, wurde es sofort still.

Das Mädchen sang mit belegter Altstimme:

Es kam ein Mann am Mittag

Er spionierte aus, was er brauchte, und ging fort

In der gleichen Nacht trug er es dem König zu

Der brach in mein Gemach und erschlug den Ritter mein.

Alexia war erstaunt, wie gut er spielte. Sie konnte ihn sich leicht bei Hofe vorstellen – sein geschmeidiger, athletischer Körper in Samt und Seide gekleidet, ein hoher Kragen mit Edelsteinen besetzt, der sein goldblondes Haar betonen würde –, wie er für die Königin spielte. Er würde alle übertreffen, dachte sie. Essex, Raleigh, Drake, sogar Seymour würde neben ihm blaß wirken. Sie merkte, daß sie im Begriff war, eine neue Dimension an Jamie Maxwell zu entdecken, die sie niemals erwartet hätte. Sie fragte sich, wie es möglich war, daß dieser Mann, der eine Liebesballade in so herzzerreißender Reinheit spielte, der gleiche war, der den Kopf eines Mannes aufgespießt seinem König schicken konnte.

Mehrere Leute hatten jetzt in den Gesang eingestimmt, auch Big Wat, der eine erstaunlich hohe Tenorstimme besaß. Alexia lauschte den Worten, und es wurde ihr eng um die Brust.

Wie traurig war da mein Herz,

Als ich den Kranz auf sein golden Haar gelegt.

Mein Herz, mein Herz, wo bist du jetzt

Wo geh ich hin, wo geh ich hin?

Keinen irdischen Mann mehr lieben will ich,

Jetzt da mein Ritter erschlagen ist,

Mit einer Locke von seinem golden Haar

Will ich mein Herz für immer ihm weihn.

Jamie hatte aufgehört zu spielen, seine Augen ruhten auf ihr. Sie starrte zurück, Tränen schimmerten auf ihren Wangen. Und sie machte sich nichts daraus, daß er sie sah.

Das Gesicht der Figur war in Todesqualen verzerrt, und große Tropfen hellroten Blutes rannen aus ihren vielen Wunden. Die Tür hinter ihr öffnete sich, und Alexia wandte sich von dem Kruzifix ab, das an der Wand über einem klapprigen, wurmstichigen Betstuhl hing.

»Diese Leute hier sind Papisten«, sagte sie zu Jamie gewandt, der die Tür hinter sich schloß. Er zog sein Wams aus und jammerte ein wenig, als er seinen verletzten Arm berührte.

»Ich dachte, die katholische Kirche sei in Schottland für ungesetzlich erklärt«, beharrte sie.

»Du kannst den Glauben eines Menschen nicht für ungesetzlich erklären«, sagte Jamie.

Alexia fragte sich, ob nicht vielleicht auch er zu diesen häretischen Katholiken gehörte, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht nahm ihr jeden Mut zu fragen.

Sie sah sich im Zimmer um. Es war ein Schlafzimmer neben dem großen Saal, und aus dem typisch männlichen, unordentlichen Zustand zu schließen, war es wahrscheinlich Big Wats eigenes. Das Bett war riesig unter seinem Himmel mit Damastvorhängen voller Mottenfraß. Es hatte eine altmodische Strohmatratze, aber das Bettzeug sah einigermaßen sauber aus. Jamie setzte sich auf die eine Ecke und fing an, seine Stiefel auszuziehen.

Alexia stemmte die Hände in die Hüften. »Ich werde nicht mit Euch in dieses Bett gehen.«

»Fein«, brummte er und zog an seinem Stiefelabsatz. »Du kannst auf dem Fußboden schlafen. Oder bei den anderen Männern im Saal.«

Als die Stiefel ausgezogen waren, stand er auf und schälte sich aus seinen Reithosen. Er warf sie über die Schulter auf einen Hocker, verfehlte ihn aber. Sein Hemd folgte, auch das fiel daneben. Mit einer Bewegung, die ihre Schwester Evie zu Tode erschreckt hätte, beugte sich Alexia vor und hob Jamies Kleider auf, faltete sie ordentlich zusammen und legte sie auf den Schemel.

Sie richtete sich auf. Seine Unterhose, die jetzt nicht mehr an die Hemdenecken geknöpft war, sackte auf seine Hüften herunter, und er zog sie lässig weiter aus. Sie starrte auf sein nacktes Gesäß, seine schlanken, muskulösen Oberschenkel und hielt den Atem an.

Er beugte sich vor, um die Bettdecke zurückzuschlagen, dann wandte er sich um. Sie sah schnell weg, konnte aber noch den vollen Beweis seiner Absichten erkennen.

Sie bekam hochrote Wangen, als er lauthals lachte.

»Ich kann nichts dafür«, sagte er. »Ich bin fast verrückt, weil ich dich so sehr haben möchte, Alexia. Und du willst mich auch ...«

»Ich will nicht. Ich hasse Euch, Jamie Maxwell!«

»Das hast du schon einmal gesagt. Eigentlich sogar mehrere Male.« Er machte die zwei Schritte, um sie in die Arme zu nehmen. »Wenn du nicht aufpaßt, wirst du mich noch überzeugen.«

Sie war sich seiner Nacktheit nur allzusehr bewußt. Seine Haut schien Hitze auszuströmen wie die Esse einer Schmiede. Er hielt sie gegen seine Brust gepreßt, seine Handflächen flach auf ihrem Rücken, und sie spürte, wie sehr er sie begehrte.

Er neigte den Kopf, seine Lippen berührten die ihren.

»Alexia, meine Geliebte ...«

»Laßt mich los!« forderte sie scharf und schlug gegen seine Brust. Er ließ sie los und trat einen Schritt zurück.

Sie stapfte hinüber zur Truhe, die an der Wand unter dem Fenster stand und hob ihren Mantel auf. Sie betrachtete die Truhe. Sie müßte lang genug sein, um auf ihr schlafen zu können, wenn sie die Knie anzog.

Sie hörte das Stroh rascheln, als Jamie sich ins Bett legte, und wußte, daß er leise über sie lachte, obwohl sie fest entschlossen war, ihn nicht anzusehen.

»Alexia, bist du sicher ...«

»Ja!«

Er löschte die Kerzen aus, und der Raum versank in Dunkelheit. Die Fensterläden waren geschlossen, so daß die Schwärze jetzt vollständig war, bis auf das rote Glühen des ausgehenden Feuers. Hinter ihnen im Pferch muhte eine Kuh. Alexia krümmte sich auf der Truhe zusammen. Das Möbelstück war mit Messingnägeln beschlagen, und darauf zu liegen war, als würde man sich auf einem Folterbett ausstrecken. Sie seufzte laut und krümmte sich noch etwas mehr.

Sie hörte, wie Jamie fluchte und ein Feuerstein angeritzt wurde. Um das große Bett war es plötzlich hell. Er stand auf und fing an, sich anzuziehen.

Sie spähte durch eine Falte ihres Mantels und betrachtete ihn. Nackte Männer hatte sie schon früher gesehen und ihren Anblick immer für leicht grotesk gehalten, aber sein Körper war schön. Sie liebte seine Bewegungen, die katzenartig waren und von einer schlanken, muskulösen Eleganz.

Und er begehrte sie noch immer. Das war ganz deutlich zu erkennen.

»Wohin geht Ihr?« fragte sie ihn, als sie überzeugt war, daß er sich vollständig angezogen hatte.

»Ich« – er funkelte sie an – »gehe in den Saal zu den Männern um das Feuer, wo ich zumindest sicher sein kann, etwas Ruhe zu finden!«

Die Tür fiel hinter ihm zu. Alexia wartete einen Augenblick, um sich zu vergewissern, daß es kein Trick war, dann stand sie auf, verließ die Truhe und nahm seinen Platz im Bett ein. Sie glitt mit der Hand über das Bettlaken. Es strahlte noch immer seine Körperwärme aus.

Die Gipfel des Ben Cruachen hoben sich hoch und majestätisch vor dem blauen Himmel ab. Die helle Sonne glitzerte auf dem Wasser des Loch Awe. Auf einer Insel am Ende des Lochs schien Kilchurn Castle auf einem See aus geschmolzenem Silber zu treiben.

»O Jamie, es ist wunderschön!« rief Alexia.

»Ja, das ist es«, antwortete Jamie, obwohl er die Landschaft überhaupt nicht betrachtete. »Wir werden noch zwei Stunden brauchen, bis wir dort sind. Wir müssen um den Loch herumreiten.«

Jamie betrachtete ihr Profil. Er wußte, sie begehrte ihn. Das spürte er an der Art, wie sie ihn ansah, wenn sie meinte, er würde es nicht bemerken. Wie sie zitterte, wenn er sie berührte, und wie sie sich nicht beherrschen konnte, sondern ihn immer wieder berühren mußte. Aber sie war so zimperlich. Hätte er nicht genau gewußt, daß sie bereits verheiratet gewesen war, würde er sie für eine Jungfrau halten.

Er nahm an, sie wollte ihrem Verlobten treu bleiben und bewunderte ihre Treue. Aber es wurde verdammt schwierig für ihn, mit seiner Begierde zu leben. Sie hatten sich beide in einen solchen Zustand sexueller Spannung gebracht, daß etwas geschehen mußte. Entweder würde sie nachgeben, oder er würde vollständig den Kopf verlieren und sie mit Gewalt nehmen. Bei manchen Frauen würde so etwas funktionieren, aber er dachte: nicht bei Alexia Carleton.

Er ließ sie an den felsigen Ufern des Lochs stehen und ging zu dem angebundenen Pferd. Nach einem Augenblick des Zögerns nahm er ein Blatt steifes Papier und ein Stück Holzkohle aus der Satteltasche. Er setzte sich auf einen Felsen und fing an, das Mädchen vor dem Hintergrund des Lochs, der Burg und des Berges zu zeichnen.

»Was tut Ihr da?« fragte sie.

»Zeichnen.«

Sie drehte sich zu ihm um. »Mich? Ihr zeichnet mich?«

»Ja. Wackle nicht hin und her. Und stell dich dahin, wo du vorher warst.«

Sie gehorchte. Sie versuchte zu sehen, was er da tat, ohne ihren Kopf zu wenden. Dadurch sah sie aus, als ob sie schielte, und er mußte sich das Lachen verkneifen.

Es war lange her, seit er das letzte Mal jemanden gezeichnet hatte. Sein Vater hatte es immer für unmännlich gehalten, wenn sein Sohn und Erbe seine Zeit mit so etwas vertat. John Maxwell war auch nicht mit dem Lautespiel und den Büchern seines Sohnes einverstanden gewesen. Schließlich hatte sich Jamie daran gewöhnt, diese Freuden heimlich zu genießen und seinem Vater gegenüber so zu tun, als ob er lieber auf Falkenjagd ginge oder Schießübungen machte, beziehungsweise sich lieber mit den Johnstones und den Carletons schlug. Die Ironie dabei war, daß er auch das mit der Zeit gern tat, weil er es gut konnte.

»Jamie?«

»Ja?«

»Warum habt Ihr mich entführt?«

»Ich habe es dir gesagt. Ich habe es allen gesagt. Für fünfhundert Pfund und das Schwert meines Großvaters. Meinst du, ich hätte noch weitere Motive, oder hoffst du nur? Runzle nicht die Stirn.«

»Ihr gebt wohl niemals auf, oder?«

»Nein. Und das willst du doch auch nicht.«

Sie seufzte. »Nein. Seid Ihr noch nicht fertig?«

»Komm her und sieh.«

Sie rannte herbei und blieb hinter ihm stehen. Dabei legte sie die Hände auf seine Schultern. Sie betrachteten beide das Mädchen auf der Zeichnung. Sie hatte ein starkes, auffallendes Gesicht, aus dem Humor um ihren breiten Mund und lebendige, intelligente Augen strahlten.

»Die ist aber schön«, sagte Alexia und errötete dann, wütend auf sich selbst.

Jamie lachte. Er warf die Zeichnung auf den Boden, nahm ihre Hände und drehte sie, bis sie auf seinem Schoß zu sitzen kam. »Soviel Bescheidenheit«, neckte er sie.

»Das ist es nicht, was ich gemeint habe, Jamie Maxwell, und Ihr ...«

Er zog ihren Kopf herunter und küßte sie fest. Einen Augenblick lang blieb sie steif, aber dann öffnete sie ihre Lippen gierig unter den seinen und schlang ihre Arme um seinen Hals.

Seine Hände glitten von ihren Hüften aufwärts über ihren Rücken, und seine Finger lösten fachmännisch die Haken an ihrem Mieder. Endlich lagen ihre Brüste frei vor ihm, und er zog seinen Mund von ihren Lippen ab, um seinen Kopf zwischen ihnen zu begraben. Als er ihre Brüste streichelte, wurden ihre Brustwarzen hart, und sie stöhnte. Sie bog ihren Kopf zurück, und ihr Haar fiel wie ein Wasserfall über seine Knie bis auf den Boden. Sie grub ihre Nägel in seine Schultern ...

Der Wald explodierte hinter ihnen. Äste krachten, und man hörte Wutgebrüll.

Jamie sprang auf, stieß Alexia von seinem Schoß und zog seinen Dolch. Es war ein wilder Eber, das gefährlichste dem Menschen bekannte Tier zu jener Zeit.

Schleim tropfte von der Schnauze des Keilers herab, und seine kleinen, runden Schweinsaugen glühten rot. Die Stoßzähne, die aus dem Maul aufwärts standen, waren dick, scharf und tödlich. Jamie hatte einmal gesehen, wie ein wilder Keiler einen Mann von unten bis oben aufschlitzte. Das war kein Tier, das man leicht töten konnte. Zumindest nicht mit einem Dolch. Was er jetzt brauchen könnte, wäre ein Speer, etwas Langes, Scharfes, was er dem Tier zwischen die breiten, höckerartigen Schultern stoßen konnte, solange er noch vor dem endgültigen Angriff weit genug entfernt stand.

Der Keiler senkte den Kopf und grunzte. Seine Hauer wühlten im Boden. Jamie fühlte, wie der Schweiß von seinem Handteller am Degengriff klebte. Er hörte, wie Alexia hinter ihm scharf den Atem einzog.

Dann drehte sich der Keiler schnell um und rannte zurück in den Wald.

Jamie blieb, mit dem Dolch in der Hand, angespannt stehen. Erst nach einer ganzen Weile drehte er sich zu Alexia um. Sie war dabei, in aller Ruhe ihr Mieder wieder zuzuhaken, und er sah an ihrem entschlossenen Gesichtsausdruck, daß das, was beinahe geschehen wäre, jetzt nicht mehr geschehen würde.

Er ging das Pferd holen, verfluchte die Götter und den Keiler und am meisten sich selbst. Sich in eine Engländerin zu verlieben war närrisch. Sich in eine Carleton zu verlieben war geisteskrank.

Im Herzen des Hochlandes

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