Читать книгу Sechsmal Mord für den Strand: Sechs Kriminalromane - Pete Hackett - Страница 46
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Es war klar, wohin uns unser nächster Weg führen würde. Direkt in die Höhle des Löwen.
Und der hieß in diesem Fall Ray Tarantino.
Orry und Clive blieben am Tatort zurück, um die dortigen Ermittlungen zu leiten. Vielleicht bekam ja die Hafenpolizei das flüchtige Boot noch in die Finger, wenn auch die Chance nicht gut stand.
Immerhin hatte es einen der Kerle erwischt. Und der war sich seiner Sache so sicher gewesen, dass er sogar seinen Führerschein dabeigehabt hatte.
Name: Zachary Marcos.
Es kostete uns einen Anruf in der Zentrale, um herauszufinden, dass Marcos erstens mehrfach einschlägig vorbestraft war und zweitens zuletzt für niemand anderen als Ray Tarantino gearbeitet hatte. Vermutlich als eine Art Handlanger für besonders schmutzige Arbeiten...
Das Magic lag in der 12th Avenue und hatte die Hausnummer 1234. Als Milo und ich dort eintrafen, herrschte bereits Hochbetrieb. Die erste Hürde war der Wächter am Eingang, der darauf achtete, dass nur in seinen Augen passendes Publikum das Magic betrat.
Leute, die richtig gestylt waren.
Der Türsteher war ein Riese.
Er überragte mich um gut einen Kopf und seine Schultern wirkten gewaltig. Allein durch seine körperliche Erscheinung war er schon respekteinflößend. Vermutlich war das der Hauptgrund dafür, dass er diesen Job bekommen hatte. Sein kantiges Gesicht wirkte etwas stumpfsinnig. Die wässrig blauen Augen waren kaum mehr als schmale Schlitze. Und die Nase sah aus, als hätte ihr jemand mit einem Vorschlaghammer die endgültige Form geben wollen.
Er hob abweisend die Hand.
"Ich glaube, ihr zwei seid hier falsch", meinte er.
"Zu bieder für euren Laden?", fragte ich mit ironischem Unterton. Mein Gegenüber hatte dafür allerdings keinen Sinn.
"Deine Nase gefällt mir nicht!"
"Ach!"
"Komm schon, mach keine Schwierigkeiten und schwirr ab!"
"Hier ist meine Eintrittskarte", sagte ich dann und hielt ihm den FBI-Dienstausweis unter die Nase.
Der Türsteher erbleichte.
Sein Gesicht gefror zu einer Maske. Dabei entblößte er zwei Reihen so makelloser Zähne, dass es sich dabei wohl nur um ein künstliches Gebiss handeln konnte.
Jedenfalls wurde er dann ziemlich kleinlaut.
"Na, wenn das so ist...", presste er zwischen den Zähnen hindurch. Milo schob sich schonmal an ihm vorbei auf die Tür zu. Ich blieb noch einen Augenblick vor dem Riesenkerl stehen und tickte mit dem Finger gegen das Walkie-Talkie, das aus seiner Jackentasche herausragte.
"Mir ist schon klar, dass du gleich zum Funkgerät greifen wirst, um deinem Boss Bescheid zu sagen. Bestelle Mister Tarantino schöne Grüße von mir. Sag ihm, Special Agent Jesse Trevellian möchte ihn sprechen!"
Er war so verdutzt, dass er einen Augenblick lang vergaß, den Mund wieder zu schließen.
Er stierte uns noch nach, als wir durch die Tür verschwanden.
Drinnen herrschte ohrenbetäubender Lärm. Das Magic war ein ultramoderner Laden. Laserlicht flackerte von der Decke, holographische Projektionen tanzten scheinbar schwerelos durch den Raum. Alles im stampfenden Rhythmus der Musik.
Die Leute, die hier her kamen waren jung und schön und gewillt, ihr Geld um jeden Preis auszugeben. Ein Kurzurlaub für gestresste Yuppies.
Milo und ich drängten uns durch die Menge.
Eine ziemlich aufgekratzte Blondine in einem knappen Strickkleid fiel mir beinahe in den Arm. An den großen Pupillen sah ich, dass sie irgendetwas genommen haben musste.
Sie kicherte die ganze Zeit. Ich verstand nicht, was sie sagte. Sie verfolgte uns noch bis zur Bar, dann verloren wir sie in der Menge.
"Wirklich viel Betrieb hier", raunte Milo mir zu. "Ich frage mich, wie viele der Leute hier vollgedröhnt sind..."
"Fun um jeden Preis", erwiderte ich. "So ist das eben! Und nachher endet das dann an der Dialyse oder im Irrenhaus!"
Mit den Pillen, die hier kursierten, war wirklich nicht zu spaßen.
Wir ließen uns einen Drink geben und fragten den Barmixer nach Tarantino. Er zuckte die Schultern. "Ich bin nur aushilfsweise hier", gab er an. Eine Lüge. Es stand ihm im Gesicht geschrieben.
Milos Ausweis ließ ihn erbleichen.
"FBI?", fragte er. "Verdammt..."
Milo griff in die Innentasche seines Jacketts und schob ihm ein Polaroid hin, das am Tatort von George Kalman gemacht worden war.
"Kennen Sie den Mann?", fragte ich.
"Nein!"
Die Antwort kam viel zu schnell, um überzeugend zu wirken.
"Ein Kollege von Ihnen. Er hat auch hier gearbeitet..."
"Wie gesagt..."
"Ja, ja, Sie sind aushilfsweise hier!", schnitt Milo ihm grob das Wort ab.
Und ich setzte hinzu: "Ich hoffe nur, dass sich nicht etwas anderes herausstellt, wenn Sie vor Gericht als Zeuge berufen werden. Falschaussagen sind strafbar, falls Sie das noch nicht wissen sollten."
Der Barmixer schwitzte. Mit einer nervösen Geste strich er sich das pomadige Haar zurück. Er wirkte unruhig. Er blickte sich kurz um, dann schien er etwas sagen zu wollen, aber...
In diesem Moment tauchte ein Mann in einem grauen Seidenanzug bei uns an der Bar auf. Er trug eine Brille mit Spiegelgläsern, die ihm einen seelenlosen, fast roboterhaften Ausdruck verliehen. Mitten in seinem Gesicht war ein dichter Schnurrbart, daneben eine hakenförmige Narbe.
"Sie beide wollen mit Mister Tarantino sprechen?"
"Ja", sagte ich. Ich hielt ihm den Ausweis hin, den er eingehend prüfte.
Er grinste.
"Scheint echt zu sein."
Ich sagte: "Wie schön, dass Sie das trotz Ihrer Brille sehen können!"
Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
"Und wie schön, dass Sie trotz des miesen Jobs, den Sie machen, immer noch Humor haben, G-man!" Er bewegte den Kopf mit einem Ruck seitwärts. "Kommen Sie!"
"Geh du schon mal vor, Jesse! Ich komme gleich nach", wandte sich Milo an mich. Er deutete auf den Barmixer. "Ich möchte mich mit dem Kerl da ganz gerne noch etwas intensiver unterhalten - und zwar bevor er genauere Instruktionen bekommen hat!"
Ich nickte.
"Okay, Milo!"