Читать книгу Verlorene Todesreiter: Western Großband 7 Romane 5/2021 - Pete Hackett - Страница 8
Kapitel 2
ОглавлениеBlacksmith, der Mietstallbesitzer, hatte Tom White Feather und Captain Reilly in sein Haus geladen. Blacksmith kannte sich gut in der Gegend aus, wie sich herausstellte. Später stieß noch Lieutenant Ben McCall dazu, sodass in Blacksmiths Stube so etwas wie eine improvisierte Lagebesprechung stattfinden konnte.
Reilly breitete die Karten aus, die seine Einheit für diesen Einsatz zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Blacksmith besaß ebenfalls Landkarten der Umgebung, die sich in einigen Details allerdings von denen unterschieden, die den Blauröcken zur Verfügung standen.
"Im Zweifelsfall würde ich an Ihrer Stelle auf meine Karten vertrauen, Captain Reilly", sagte der Mietstallbesitzer mit aller Entschiedenheit. "Schließlich waren fast fünf Jahre lang keine Blauröcke in dieser Gegend."
"Sie glauben also, unser Material ist veraltet", schloss Reilly.
"Genau! Die Karte des Westens wimmelt doch nur so von weißen Flecken. Aber es werden täglich weniger! Seit Inkrafttreten des Heimstätten-Gesetzes drängen Hunderttausende von Siedlern in Gebiete, in denen es zuvor allenfalls Indianer oder Trapper gab." Blacksmith atmete tief durch. "Fünf Jahre sind unter solchen Bedingungen eine lange Zeit..."
"Ja", nickte Reilly düster.
Die letzten fünf Jahre waren besonders lang gewesen. Jahre des Krieges und des Hasses, in dem sich Angehörige ein- und derselben Nation in blutigen Schlachten buchstäblich zerfleischt hatten. Eine Zeit, deren schlimmste Folgen wohl erst in einigen Jahren beseitigt sein würden. Über hundert Jahre sollte es noch dauern, bis mit Jimmy Carter der erste aus dem Süden stammende US-Präsident gewählt wurde...
"Wie lange wollen Sie denn in der Stadt bleiben?", fragte Blacksmith an Reilly gewandt.
"Wir warten nur noch auf unsere Kundschafter. Treffen sie morgen nicht ein, dann brechen wir ohne sie auf. Sie werden es schon schaffen, unserer Spur zu folgen."
"Davon abgesehen können wir nicht ausschließen, dass sie Bridgers Leuten zum Opfer gefallen sind", gab Lieutenant Ben McCall zu bedenken.
John Reilly seufzte hörbar.
"Daran möchte ich lieber gar nicht denken", meinte er. "Schließlich haben wir schon genug Leute verloren..."
"Einige der Verletzten werden bis morgen noch nicht wieder einsatzfähig sein", gab McCall zu bedenken.
Reillys Blick wurde finster. "Ich glaube nicht einmal, dass sie alle überleben werden. Wir müssen sie hier in Liberal zurücklassen." Sein Blick wanderte über die Karten. "Wenn ich in Bridgers Haut steckte, würde ich so schnell wie möglich ins Indianergebiet verschwinden und dort mein Hauptquartier errichten."
"Ich glaube eher, dass Bridgers Truppe hier in der Nähe ist. Irgendwo im südwestlichen Kansas", war Tom White Feather überzeugt.
Reilly hob die Augenbrauen. "Und? Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?"
"Nach allem was ich weiß, tauchen die Brüder einfach zu häufig hier in Liberal auf, als dass sie jedes Mal einen mehrtägigen Höllenritt hinter sich haben könnten."
"Mr. White Feather hat recht!", mischte sich Blacksmith ein. "Fragen Sie die Huren im Drunken Indian. Die werden doch regelmäßig von Bridgers Leuten besucht."
"Was glauben Sie, wo sich Bridger mit seiner Meute versteckt haben könnte?", fragte Reilly.
Blacksmith machte mit dem Zeigefinger eine kreisende Bewegung auf der Karte. "Es gibt hier einige verlassene Ranches und Farmen. Wenn ich an Bridgers Stelle wäre, würde ich dort irgendwo unterkriechen."
"Was wäre unter diesen verlassenen Anwesen die erste Adresse?", hakte Reilly nach.
Blacksmith zuckte die Achseln. "Schwer zu sagen. Wissen Sie, ich steige nur noch in den Sattel, wenn es unbedingt sein muss. Meine Knochen machen das einfach nicht mehr so mit wie früher... Ich kann Ihnen wirklich nicht sagen, welche dieser Ranches in den letzten Jahren durch die marodierenden Banden der Konföderierten..."
"...oder unsere eigenen Leute!", ergänzte Tom White Feather.
"...dem Erdboden gleich gemacht wurden und in welchen es sich immer noch ganz gut leben lässt."
"Unglücklicherweise liegen diese Ranches ziemlich weit verstreut", stellte Lieutenant McCall fest.
"Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als sie der Reihe nach abzuklappern", entschied Captain Reilly. "Jedenfalls macht es keinen Sinn, auch nur einen Tag länger als unbedingt nötig in Liberal zu bleiben. In der Stadt sind wir nur eine Zielscheibe für Anhänger der Bridger-Banditen!"
Blacksmith war derselben Ansicht. Er kratzte sich am Kinn und machte ein nachdenkliches Gesicht. "Ich fürchte, da haben Sie leider den Nagel auf den Kopf getroffen, Captain. Es ist schon absurd, Sie befinden sich hier in Ihrem eigenen Land und müssen trotz allem auf der Hut sein, als wären Sie in feindlichem Gebiet!"
"Viele hier sehen das so", sagte Tom. Er wandte sich an Reilly. "Wie lange wollen wir Hughes und O'Mara geben?"
"Bis morgen Mittag."
"Okay. Es muss jemand von unseren Leuten in der Stadt bleiben. Wegen den Verletzten."
"Um deren Belange werde ich mich kümmern", versprach Blacksmith. "Dann verlieren Sie dadurch keinen einsatzfähigen Mann."
Reilly bedachte den Mietstallbesitzer mit einem nachdenklichen Blick. Schließlich nickte der Captain. "Okay, ich verlasse mich auf Sie, Mr. Blacksmith."
"Das können Sie auch. Ich bin es meinem Sohn einfach schuldig."
"Was ist mit Ihrem Sohn?", fragte Reilly.
Blacksmith kam nicht dazu zu antworten.
Eine weibliche Stimme kam ihm zuvor. "Er trug die gleiche Uniform wie Sie!"
Reilly drehte sich herum.
Eine junge Frau war durch die Tür getreten. Das leicht gelockte Haar fiel ihr bis weit über die Schultern.
"Das ist meine Tochter Jane", stellte Blacksmith die junge Frau vor. "Ich bin froh, dass sie sich nicht freiwillig bei den Unionstruppen melden konnte - sonst wäre sie vielleicht ebenfalls in einem konföderierten Gefangenenlager verreckt."
Jane Blacksmith musterte Reilly einige Augenblicke lang, dann wanderten ihre Blicke weiter.
"Ich hoffe, dass Sie diese unverbesserlichen Sklavenhalter-Banditen stellen und wie räudige Hunde abknallen", sagte sie. "Sie haben es nicht anders verdient."
"Wir werden uns an die Gesetze und unsere Befehle halten, Miss", erwiderte Reilly gelassen.
"Haben sich denn Leute wie Jeff Bridger je daran gehalten?"
"Irgendwann muss Ruhe in dieses Land kommen", sagte Reilly.
"Und was ist mit Gerechtigkeit? Diejenigen, die dafür verantwortlich sind, dass mein Bruder jämmerlich in einem Lager verhungerte, werden wahrscheinlich nie zur Rechenschaft gezogen werden."
"Für jemand, der so jung ist, wirken Sie ziemlich bitter."
Sie hob kurz die Schultern. "Tut mir leid, das war nicht meine Absicht. Eigentlich bin ich nur hier, um Sie zu fragen, ob jemand von Ihnen etwas trinken möchte."
"Ich glaube, da wird niemand von Ihnen nein sagen, oder?", meldete sich Blacksmith zu Wort.
Die Augen von Lieutenant McCall waren auf ihren Kommandanten gerichtet. Reilly nickte schließlich.
"Ein Drink wird uns wahrscheinlich allen gut tun."
"Ich verzichte", erklärte Tom. "Nichts gegen Ihre Gastfreundschaft, Mr. Blacksmith, aber ich trinke grundsätzlich kein Feuerwasser."
Blacksmith lachte heiser. "Zu dieser Haltung hat mir leider immer die innere Stärke gefehlt", bekannte er.
*
Die Dämmerung brach herein. Jim Hughes war ziemlich lange in scharfem Galopp geritten. Von den Verfolgern war nichts zu sehen. Offenbar hatte er sie fürs Erste abgeschüttelt.
Hughes war in südliche Richtung geritten, sodass er einen Bogen schlagen musste, wenn er nach Liberal kommen wollte. Der Grund für diesen Umweg lag auf der Hand. Das Gelände war dort bergiger. Es war leichter sich zu verstecken.
Hughes sehnte die Nacht herbei.
In der Dunkelheit hatte er eine weitaus bessere Chance, sich vor den Bridger-Leuten verborgen zu halten.
Allerdings war ihm auch klar, dass die Bande alles daran setzen würde, ihn zur Strecke zu bringen.
Er trieb das Pferd weiter vorwärts. Es scheute leicht, wieherte. Irgendetwas stimmte mit dem Tier nicht. Hughes spürte das instinktiv. Aber er konnte jetzt keine Rücksicht darauf nehmen. Bridgers Leute durchstreifte das Land und so lange es hell genug war, um die Umgebung im meilenweiten Umkreis überblicken zu können, konnte selbst ein relativ großes Gebiet von wenigen Männern durchsucht werden.
"Vorwärts, mein Guter!", murmelte er dem Tier ins Ohr.
Schon seit einer ganzen Weile hatte er das Gefühl, dass der Gaul immer langsamer wurde. Zunächst schob Hughes diesen Umstand der Erschöpfung zu, die man nach einem derart scharfen Ritt annehmen musste.
Inzwischen stieg jedoch ein anderer Verdacht in dem Kavalleristen auf.
Als er einen fast ausgetrockneten Creek erreichte, wurde er zur Gewissheit.
Das Tier begann zu lahmen.
Hughes stieg aus dem Sattel, ließ das Pferd anschließend erst einmal ausgiebig trinken. Der Kavallerist beobachtete dabei aufmerksam die Umgebung. Der Wind frischte auf und strich über die umliegenden Hügel und Berge.
Hughes holte ein Taschenmesser aus der Hosentasche und griff nach dem lahmenden Fuß. Wenn er Glück hatte, ließ sich die Ursache leicht beheben. Der Gaul hatte sich einen Stein in den Huf getreten, den Jim mit dem Messer entfernte. Aber das allein sorgte nicht dafür, dass das Tier wieder einsatzfähig wurde.
Hughes zog es hinter sich her.
Er führte es eine Anhöhe hinauf. Unten im Tal befand sich eine Gruppe knorriger und halb vertrockneter Bäume. Dort gab es immerhin Deckung und etwas Sichtschutz. Ein Platz für die Nacht, dachte Hughes.
Er hatte die Baumgruppe fast erreicht, da ließ ihn Hufgetrappel aufhorchen.
Er drehte sich halb herum.
Auf den nahen Anhöhen hoben sich drei Reiter dunkel gegen die tiefstehende Sonne ab.
Sie rissen ihre Gewehre aus den Scubbards und feuerten.
Es waren gute Schützen.
Ein Schuss zischte nur Millimeter an Hughes' Kopf vorbei. Das Pferd riss sich los, machte einen Satz zur Seite.
Hughes warf sich auf den Boden. Das hohe Gras gab ihm nicht viel Deckung.
Die Reiter feuerten in rascher Folge ihre Winchester-Gewehre ab. Hughes zweifelte keinen Augenblick daran, dass es sich um Bridgers Leute handelte. Offenbar hatten sie sich in kleinere Gruppen aufgeteilt, um die Verfolgung effektiver zu machen.
Hughes zog seinen Revolver. Aber er erkannte sofort, dass es sinnlos war, zurückzufeuern. Die Gewehre seiner Gegner hatten eine größere Reichweite als der Navy-Colt in seiner Faust. Für Hughes befanden sich die Kerle außer Schussweite. Und an sein Sattelgewehr konnte er nicht heran, ohne eine willkommene Zielscheibe abzugeben.
Hughes presste sich an den Boden, rollte sich im hohen Gras herum.
Der Geschosshagel, der in seine Richtung geprasselt war, verebbte.
Der Kavallerist wartete ab. Zunächst erwartete er, dass die Angreifer heranritten. Aber das taten sie nicht.
Ihnen war der Vorteil offenbar bewusst, den die größere Reichweite ihrer Gewehre darstellte. Im hohen Gras konnten sie den Soldaten jetzt offenbar schlecht ausmachen.
Sie standen auf dem Hügelkamm und warteten einfach ein Lebenszeichen ihres Opfers. Zum Beispiel einen sinnlosen Schuss mit dem Revolver, der auf diese Entfernung selbst beim besten Meisterschützen nicht zu treffen vermochte. Oder darauf, dass Hughes die Nerven verlor, aufsprang und entweder sein Sattelgewehr oder den Schutz der nahen Bäume zu erreichen versuchte.
Jim Hughes hob leicht den Kopf.
Wie Geier wirkten die drei oben auf dem Hügel. Geier, die darauf warteten, dass ihr Opfer verendete und zu einem Stück Aas wurde. In aller Seelenruhe luden sie ihre Gewehre nach.
Jim Hughes pfiff.
Er hoffte, dass sein Pferd darauf hörte. Auch wenn es lahmte - die paar Dutzend Schritte bis zu ihm musste es doch eigentlich schaffen können.
Das Tier hob den Kopf, blickte in Hughes' Richtung.
Aber es bewegte sich kaum. Einen Schritt nur. Es setzte den lahmenden linken Vorderhufen kurz auf den Boden und zuckte zurück. Na komm schon!, durchzuckte es Jim Hughes. Hast du verdammter Gaul denn alles vergessen, was dir mal beigebracht wurde?
Der Kavallerist pfiff erneut.
Das Pferd humpelte ein paar Schritte näher, zögerte anschließend.
Die menschlichen Geier auf dem Hügelkamm warteten weiter ab, was geschah. Hughes pfiff zum drittenmal. Das Pferd kam zögernd näher. Bis auf ein paar Yards. Hughes setzte alles auf eine Karte. Er wusste, dass ein einziger Schuss genügte, um den Gaul wieder davonzujagen. Gleichzeitig war ihm aber auch klar, dass seine Gegner nur darauf warteten, dass er sich aus dem Gras erhob und ein Ziel für ihre Kugeln bot.
Ein Ziel, dass sie allerdings nicht unbedingt treffen mussten. Vorausgesetzt, er war schnell genug.
Hughes steckte den Revolver zurück ins Army-Holster. Die Waffe konnte ihm jetzt ohnehin nicht helfen. Er musste die Hände frei haben. Der Kavallerist schnellte blitzartig hoch, fasste nach dem Zügel des Pferdes, damit es nicht sofort wegsprang, sobald die Ballerei losging.
Im selben Moment begannen die Angreifer wieder zu feuern.
Hughes benutzte das sich sofort aufbäumende Pferd als Deckung, bekam den Gewehrgriff zu fassen, der aus dem Scubbard herausragte.
Er riss daran, verlor die Zügel.
Das Pferd wurde durch mehrere Kugeln getroffen und sank mit einem markerschütternden Wiehern zu Boden.
Jim Hughes feuerte zweimal kurz hintereinander mit dem Gewehr auf die Reiter. Die Kerle merkten, dass ihnen die Kugeln jetzt dicht um die Ohren flogen. Einer von ihnen bekam Mühe, sein Pferd unter Kontrolle zu halten.
Hughes rannte in Richtung der Bäume, drehte sich zwischendurch noch einmal um, lud das Gewehr durch und schoss erneut.
Einen der Kerle holte er aus dem Sattel.
Mit einem Schrei sank er selbst in der nächsten Sekunde ins hohe Gras.
Kein Schuss war noch zu hören.
Die beiden noch lebenden Angreifer warteten einige Augenblicke ab. Einer von ihnen stieg vom Pferd, drehte den reglos am Boden liegenden Komplizen herum. Ihm war nicht mehr zu helfen.
"Ich hoffe, dass dieser Blaurock das wert war", knurrte er.
"Wir müssen uns noch davon überzeugen, dass der verdammte Yankee wirklich über den Jordan geschickt wurde", sagte der Andere.
"Ich habe ihn erwischt, da bin ich mir sicher."
"All right. Fragt sich nur wie schwer."
Der Bridger-Mann schwang sich wieder in den Sattel und steckte sein Gewehr in den Scubbard. "Wir sollten ihm die Uniform abnehmen."
"Wozu das?"
"Weiß man doch nie, wofür man die mal gebrauchen könnte!" Er grinste dreckig und gab seinem Gaul die Sporen.
Die beiden Reiter ritten den Hang hinunter auf die Baumgruppe zu. Das Pferd ihres toten Komplizen führten sie am Zügel mit sich. Es war ein gut trainiertes Tier, mindestens 200 Dollar wert. Ein Betrag, der etwa dem Jahressold eines Unionssoldaten entsprach.
Die beiden Reiter näherten sich rasch der Baumgruppe. Sie blickten sich im hohen Gras um und erwartete, irgendwo den reglosen Körper des Blaurocks zu finden.
Aber da war nichts.
An manchen Stellen war das hohe Präriegras platt gelegen. Dort hatte der Kerl sich offenbar verborgen.
Einer der Kerle stieg vom Pferd.
Er zog den Colt.
Hinter einem Baum fand er den Kavalleristen. Er lag auf dem Bauch und bewegte sich nicht. Sein Gewehr lag neben ihm. Offenbar hatte er es noch geschafft, in Deckung zu robben. "Hier ist er!", rief der Bridger-Mann. "Anscheinend hat es ihn tatsächlich erwischt!"
"Verpass ihm zur Sicherheit noch 'ne Kugel in den Schädel!", meinte der Andere.
Es machte "klick", als der Revolverhahn gespannt wurde.
Der Lauf der Waffe zeigte auf den vollkommen reglos daliegenden Kavalleristen Jim Hughes.
Ein Schuss krachte.
Gleichzeitig rollte Hughes zur Seite. Der Navy-Colt hatte sich die ganze Zeit über in seiner Hand befunden - verborgen unter seinem Oberkörper.
Der Schuss des Bridger-Manns ging dicht neben Hughes in den Boden und fetzte in die knorrigen Ausläufer einer Baumwurzel hinein.
Hughes feuerte einen Augenaufschlag später.
Und traf.
Der Bridger-Mann krümmte sich, wankte noch einen Schritt nach vorn. Währenddessen löste sich ein ungezielter Schuss aus seinem Revolver, der ins Nichts ging. Mit einem dumpfen Geräusch fiel der Kerl zu Boden.
Hughes war sofort auf den Beinen.
Er hatte seine einzige Chance darin gesehen, toter Mann zu spielen. Ein einzelner Mann ohne Pferd - da hätten seine Überlebenschancen in diesem Kampf ansonsten nicht gut gestanden.
Hughes schnellte voran. Mit ein paar Sätzen hatte er einen der knorrigen Bäume erreicht.
Der zweite Bridger-Bandit hatte die Zügel des überzähligen Pferdes losgelassen und zum Colt gegriffen.
Wie wild ballerte er in Hughes' Richtung.
Zwei Kugeln gingen dicht neben dem Kavalleristen in das weiche Holz des knorrigen Baumstamms hinein und fetzten daumengroße Löcher hinein.
Hughes feuerte ebenfalls.
Seine erste Kugel traf den Reiter an der Schulter. Sein Pferd stellte sich auf die Hinterbeine. Der Kerl zielte erneut auf Hughes und ließ dem Soldaten keine andere Wahl. Hughes' zweiter Schuss durchdrang die Schläfe und riss den Bridger-Mann aus dem Sattel. Das Pferd stob davon.
Hughes trat ein paar Schritte vor.
Sein Blick wanderte den Horizont entlang. Wie weit die anderen Verfolger entfernt waren, konnte er nur vermuten. Aber er musste damit rechnen, dass zumindest ein Teil von ihnen die Schüsse gehört hatte und jetzt alarmiert war.
Hughes spurtete los, erreichte eines der Pferde, das ein paar Dutzend Yards entfernt graste und schwang sich in den Sattel. Im Scubbard steckte eine Winchester. Die war sogar besser als der Sharps-Karabiner der Army. Kein schlechter Tausch, dachte er.
Er blickte zum Himmel.
Der Mond war inzwischen als weiße Kugel zu sehen, während die Sonne ihre letzten Strahlen glutrot über den hügeligen Horizont schickte.
Keine halbe Stunde mehr und die Nacht brach herein.
*
Captain John Reilly war der Erste, der am Morgen auf den Beinen war.
Er machte sich fertig und trat aus dem Mietstall heraus.
Thompson, einer der Soldaten, hatte eigentlich Wache gehabt. Er saß in sich zusammengesunken da, hielt den Sharps-Karabiner wie ein Baby im Arm und schnarchte.
Um diese frühe Stunde war die Stadt Liberal noch wie ausgestorben.
Reilly blickte die schnurgerade Main Street entlang.
Ein paar einsame Pferde standen vor den Saloons. Gäule, die Zechern gehörten, die den Weg nach Hause in dieser Nacht wohl nicht gefunden hatten.
John Reilly ging zu einer Pferdetränke und wusch sich den Kopf. Das kalte Wasser sorgte dafür, dass der letzte Rest an Müdigkeit verschwand.
Das Geräusch stampfender Hufe ließ Reilly aufhorchen.
Es waren die Hufe von zwei Pferden.
Sie jagten in wildem Galopp die Main Street entlang. Aber nur auf einem der Gäule saß ein Reiter.
Der Mann trug die blaue Uniform der US-Kavallerie.
Das Licht der Morgensonne beschien Jim Hughes' Gesicht. Der Kavallerist bremste sein Pferd. Den zweiten Gaul führte er am Zügel hinter sich her.
Er sprang aus dem Sattel, stand stramm und grüßte militärisch.
"Ich melde mich vom Erkundungsritt zurück, Sir!", sagte er.
Reilly nickte. "Stehen Sie bequem, Hughes."
"Danke, Sir."
"Wo ist O'Mara?"
In knappen Sätzen berichtete Jim Hughes anschließend, was geschehen war. "Tut mir leid, Sir, für O'Mara konnte ich leider nichts tun."
"Macht Ihnen auch niemand einen Vorwurf, Private Hughes. Ich bin froh, dass Sie zurück sind."
"Ich bin die Nacht durchgeritten und habe abwechselnd auf einem dieser beiden Tiere gesessen."
Die beiden Gäule drängten sich um die Tränke und soffen, als hätten sie einen Wüstenritt hinter sich.
"Wir werden heute Morgen aufbrechen", erklärte Reilly. "Vielleicht wollen Sie sich noch eine Stunde oder so aufs Ohr hauen."
"Aye, Sir."
"Aber vorher zeigen Sie mir die Ranch, auf der die Bridger-Meute untergekrochen ist, hier auf der Karte!", verlangte der Kommandant der Einheit.
Die Landkarte steckte zusammengefaltet hinter seinem Gürtel. Reilly zog sie hervor, faltete sie auseinander. "Wenn Sie sich das mal ansehen würden... Hier gibt es nämlich mehrere in Frage kommende Ranches..."
Hughes brauchte nicht lange zu überlegen.
Er deutete zielsicher mit dem Zeigefinger auf eine bestimmte Stelle auf der Karte.
"Hier - das muss es gewesen sein. Der Verlauf des Creeks lässt keine Zweifel zu...."
"Die Double-Cross-Ranch", murmelte Reilly. "Sie können gehen, Hughes."
"Die Pferde..."
"Um die kann sich jemand anderes kümmern."
Hughes zuckte die Achseln, ging auf die Stalltür zu. Kurz bevor er eintrat, ließ Reillys Stimme ihn sich noch einmal herumdrehen.
"Private Hughes..."
"Ja?"
"Ich gehe davon aus, dass Ihre Degradierung nach Beendigung dieser Mission sofort rückgängig gemacht wird. Das haben Sie sich nach dem Höllenritt, der hinter Ihnen liegt, redlich verdient!"
Jim Hughes atmete tief durch. Sein Gesicht wirkte müde. Gezeichnet von den Strapazen, die hinter ihm lagen.
Er lockerte das Halstuch. "Ich wünschte, O'Mara wäre mit mir zurückgekehrt", sagte er fast tonlos.