Читать книгу Verlorene Todesreiter: Western Großband 7 Romane 5/2021 - Pete Hackett - Страница 9

Kapitel 3

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Etwa zwei Stunden später war die Kavallerie-Einheit zum Aufbruch bereit.

Blacksmith und seine Tochter Jane wandten sich noch einmal an Reilly.

"Sorgen Sie dafür, dass in diesem Land endlich Frieden einkehrt", meinte Blacksmith. "Der Südwesten von Kansas ist lange genug von skrupellosen Banditen beherrscht worden."

Reilly nickte leicht und rückte sich den sandfarbenen Army-Hut zurecht.

"Wir werden tun, was wir können."

"Von mir aus können Sie diese Mörder an Ort und Stelle aufknüpfen", sagte Jane bitter.

"Das würde nur neue Ungerechtigkeit bedeuten", erwiderte Reilly ruhig.

Ihrer beider Blicke trafen sich kurz. Reilly stellte fest, dass sie meergrüne Augen besaß. Ein verhaltenes Lächeln flog über ihr Gesicht als sie seine Hand nahm. "Hauptsache, Sie kehren wohlbehalten zurück, Captain."

"Ich werde mir Mühe geben."

"Auf Wiedersehen."

Einen Augenblick lang dachte Reilly darüber nach, dass er diese junge Frau tatsächlich gerne wiedersehen würde. Aber im Augenblick war jeder Gedanke daran sinnlos. Eine mehr als gefährliche Aufgabe lag vor ihm und seinen Männern. Ein Höllenjob, den viele andere an seiner Stelle als aussichtslos bezeichnet hätten.

Die Kavallerie-Abteilung stand in einer Zweierreihe zum Aufbruch bereit.

Reilly trieb sein Pferd etwas an und erreichte nach wenigen Augenblicken die Spitze des Verbandes.

Er wandte sich an Corporal Taggert.

"Alles bereit?"

"Alles bereit, Sir!"

"Ich hoffe, Sie haben sich einen guten Plan überlegt, wie wir die Bande aus ihrem Loch treiben können", meldete sich Lieutenant Ben McCall zu Wort.

Reilly grinste. "Ich dachte, in dieser Hinsicht könnte ich auf ihr militärisches Genie vertrauen, Lieutenant."

Taggart gab das Zeichen zum Aufbruch.

Die Blauröcke ritten die Main Street von Liberal entlang.

Inzwischen war schon ein beträchtlicher Teil der Stadtbewohner auf den Beinen. Passanten standen am Straßenrand und starrten die Truppe an. Andere standen an ihren Fenstern.

"Ich glaube nicht, dass uns alle Glück wünschen, deren Augen im Moment auf uns gerichtet sind, Captain!", raunte McCall seinem Kommandanten zu.

Reilly nickte. "Ich fürchte, da haben Sie Recht, Lieutenant."

*

Jeffrey Bridger trat auf die Veranda des Ranchhauses. Im Licht der Morgensonne kehrten die Willard-Brüder zusammen mit den anderen Männern zurück, die dem flüchtenden Blaurock gefolgt waren.

Die Reitergruppe kam näher. Die Männer zügelten die Pferde. Die ersten von ihnen stiegen aus dem Sattel.

"Was ist los?", wandte sich Bridger an Dan Willard.

"Wir haben den Kerl nicht gekriegt", berichtete der Ältere der beiden Willard-Brüder. "Drei unserer Leute hat er umgebracht. Wir haben sie in der Prärie gefunden. Der Blaurock hat offenbar ihre Pferde an sich gebracht."

Ed Willard mischte sich ein.

"Jetzt kann es heiß hier werden, Jeff!", meinte er. "Der Kerl wird zu seinem Kommandanten reiten und ihm brühwarm erzählen, wo wir untergekrochen sind!"

"Sie sind kaum halb so viele wie wir!", gab Jeff Bridger zu bedenken.

"Aber wollen wir uns wirklich blutige Nasen holen?", erwiderte Ed Willard. "Außerdem - was geschieht denn, wenn wir diese Gruppe über den Jordan geschickt haben? Die verdammte Yankee-Regierung wird eine weitere Schwadron losschicken, sobald sie genug Männer an anderen Orten frei bekommt."

"Willst du etwa vor den Blauröcken kneifen?", fragte Bridger.

Ed Willards Gesicht wurde finster.

"Wir können unsere Meinungsverschiedenheiten jederzeit mit dem Revolver austragen! Das weißt du!"

"Fangt nicht wieder mit dem Mist an!", mischte sich Dan Willard ein. Er klopfte seinem Bruder auf die Schulter. "Wir sind die Nacht über geritten. Ich schlage vor, wir hauen uns erst mal ein paar Stunden aufs Ohr."

Ed schluckte.

Sein Blick fixierte Bridger auf unangenehme Weise.

Ich werde nicht darum herumkommen, ihn zu töten!, ging es dem Bandenchef durch den Kopf. Aber so schnell, wie Ed Willard mit dem Revolver war, blieb Bridger wohl nur die Möglichkeit, den unliebsamen Rivalen im Schlaf abzuknallen.

Die Willards führte ihre Pferde in Richtung der Stallungen.

Bridgers Stimme ließ sie noch einmal anhalten.

"Ich werde mit dem Teil der Männer gleich losreiten, um das Passiergeld von der Treibmannschaft zu kassieren, die ihre Longhorns ein paar Meilen von hier entfernt Richtung Nordosten zu bringen versucht. Alle, die heute Nacht unterwegs waren, bleiben besser hier. Ich brauche nur ausgeschlafene Leute."

Dan runzelte die Stirn. "Du erwartest Ärger?"

Bridger zuckte die breiten Schultern. "Kann man nie wissen. Die Revolvermannschaft, die die Cowboys sehnsüchtig erwarten, dürfte eigentlich noch nicht eingetroffen sein, bis wir dort sind."

"Wir sollten von hier verschwinden, Jeff", meldete sich jetzt Ed Willard zu Wort. Seinen Worten fehlte der provozierende Unterton, der ansonsten für seine Äußerungen kennzeichnend war. Er schien tatsächlich in ernster Sorge zu sein. "Da die Blauröcke, dort die Revolvermänner, die irgendein Viehbaron angeheuert hat. Mir wird das zu gefährlich."

"Wohin und wann wir gehen ist meine Entscheidung", beharrte Bridger. "Jeder, der kalte Füße hat, kann gehen. Allerdings bekommt er dann auch nicht einen Cent vom Passiergeld der Treibmannschaft!"

Ed Willard spuckte aus.

"Hey, Jeff, warum bist du so verdammt dickköpfig? Lass uns über die Grenze ins Oklahoma Territory gehen! Da gibt es kein Gesetz! Und selbst wenn sich die Regierung große Mühe geben sollte, wird es noch Jahre dauern, bis..."

"Wie gesagt, Ed. Wenn du glaubst, alleine besser gegen die Blauröcke kämpfen zu können, steht dir das frei. Allerdings nützt dir deine Schnelligkeit mit dem Schießeisen auch nichts, wenn dich eine ganze Abteilung in die Mangel nimmt..."

Ed Willard lag eine Erwiderung auf der Zunge.

Er kam jedoch nicht dazu, auch nur ein einziges Wort herauszubringen. Sein Bruder kam ihm zuvor. "Gehen wir, Ed. Es ist alles gesagt."

"Damned!", knurrte Ed und drehte sich herum.

Jeff Bridger sah den beiden nach. Er atmete tief ein. Die Morgenluft war klar und kalt. Hinter sich hörte er Schritte. Bridger wandte leicht den Kopf zur Seite. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er den einarmigen Leslie Crown.

Er trat neben Bridger.

"Vielleicht hat Ed Willard Recht und wir sollten von hier verschwinden!", meinte Crown.

"Auf wessen Seite bist du jetzt eigentlich, Les?"

"Darum geht es nicht."

"Ach - dann sag mir mal, worum es geht."

Die Blicke der beiden Männer trafen sich. Leslie Crown hob die Augenbrauen. "Der kleine Willard hat Recht, wir sollten uns vom Acker machen!"

Bridger schüttelte den Kopf. "Ich bin eher dafür, den Blauröcken eine Falle zu stellen und sie aufzureiben, Leslie. Sie sind uns unterlegen, wir kennen das Gelände..."

Leslie Crowns Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen. "Du redest wie ein verdammter Offizier, Jeff."

"Na, und?"

"Wo willst du die Falle denn aufbauen?"

"Hier, bei der Ranch natürlich. Der zweite Blaurock ist entkommen. Das ist ärgerlich, aber nicht mehr zu ändern. Wir müssen versuchen, diese Tatsache zu unserem Vorteil zu nutzen." Bridger deutete auf den Boden zu seinen Füßen. "Dieser Ort wird die Yankee-Ratten magisch anziehen. Wie das Licht die Motten. Und genau so werden sie sich daran verbrennen, Les!" Ein geradezu fanatischer Glanz stand jetzt in Bridgers Augen. Er ballte die Hände zu Fäusten. "Ich sehe es schon genau vor mir! Sie werden her kommen, glauben, die Ranch wäre schon verlassen... Aber unsere Leute lauern in den Häusern. Sie eröffnen das Feuer in dem Moment, in dem die Blauröcke sich ganz sicher sind, dass niemand von uns noch hier ist! Die Hälfte von ihnen ist innerhalb von Augenblicken niedergemacht. Der Rest versucht zu flüchten. Aber auch sie reiten in eine Falle, denn ein Teil unserer Leute hat die Ranch eingekreist und kommt nun aus den Verstecken."

"Du hast dir alles genau überlegt, was?", meinte Leslie Crown mit einem leicht spöttischen Unterton, der Jeff Bridger jedoch offenbar entging.

"Wir werden sie abknallen wie die Hasen. Quantrill würde stolz auf uns sein, Les! Verdammt stolz!"

Leslie Crown lachte heiser. "Du willst mir doch nicht im Ernst erzählen, dass du diesen idealistischen Quatsch jemals geglaubt hast, den Quantrill ab und zu von sich gab!"

Bridger verzog verächtlich das Gesicht.

"So redest du erst, seit du deinen Arm verloren hast, Les!"

"Und wenn schon!"

Leslie Crown wandte sich zum Gehen. Bridger fasste ihn bei der Schulter. "Nun sag schon, was hältst du wirklich von meinem Plan?"

"Ist genial. Aber wahrscheinlich wirst du Ed Willard erschießen müssen, um ihn durchführen zu können."

"Red keinen Quatsch."

"Jetzt hör mir mal zu, Jeff. Ich mach dir einen Vorschlag. Gib mir zehn Mann, dann übernehme ich die Sache mit der Treibmannschaft."

"Zehn Mann sind zu wenig!"

"Glaube ich nicht."

"Ich dachte, dass wir diese Kuhhirten mit der dreifachen Anzahl einschüchtern, Les! Die Blauröcke können kaum vor heute Abend hier sein. Wir wären auf jeden Fall pünktlich zurück!"

Leslie Crown schüttelte entschieden den Kopf. "Du wirst die Männer nur dann dazu bewegen können, hier die Stellung zu halten, wenn du auf der Ranch bleibst und die Falle für die Blauröcke koordinierst. Die Bastarde laufen dir sonst von der Fahne..."

Jeffrey Bridger atmete tief durch. Er kratzte sich am Kinn und machte ein nachdenkliches Gesicht. "Vielleicht ist was dran an dem, was du sagst!"

"Ganz bestimmt!"

Bridger sah Crown geradewegs in die Augen. Ein Blick, der durch Mark und Bein ging. Aber Crown hielt ihm stand.

"Ich vertraue dir, Les."

"Dann machen wir es so, wie ich gesagt habe?"

"Ja."

"Ich möchte mir gerne aussuchen, wer mit mir reitet."

"All right."

"Und pass auf die Willards auf. Ich sag's dir nicht zum ersten Mal."

*

Glühend heiß brannte die Sonne auf die Prärie hernieder. Seit ein paar Stunden waren die Männer von Captain Reillys Abteilung bereits unterwegs. Kaum einer von ihnen sagte ein Wort. Die Hitze machte den Ritt zur Qual. Schweiß perlte von den Gesichtern der Soldaten. Am Himmel türmten sich inzwischen dunkle Wolkengebirge auf.

"Es ist noch nicht einmal Mittag und schon verdammt drückend", wandte sich Tom White Feather an seinen Kommandanten.

Reilly konnte dem Halbblut nur Recht geben.

"Sieht nach Gewitter aus", meinte der Captain.

"In dieser Jahreszeit eigentlich nichts Ungewöhnliches", sagte Tom. "Wir werden uns auf einen wolkenbruchartigen Regen einstellen müssen. So mancher Creek wird dann zum reißenden Strom."

"Sehen wir zu, dass wir bis dahin so weit wie möglich kommen", mischte sich Lieutenant Ben McCall in das Gespräch ein. "Aber wahrscheinlich werden wir in keinem Fall schnell genug sein..."

John Reilly hob die Augenbrauen und wandte sich zu McCall herum. "Das klingt ganz danach, als würden Sie unserer Mission keine großen Erfolgsaussichten zubilligen, Lieutenant."

McCall zuckte die breiten Schultern. "Darf ich offen sprechen, Sir?"

"Ich bitte darum!"

"Die Banditen sind doch längst über alle Berge, wenn sie auch nur einen Funken Verstand haben. Möglicherweise hat sich die Bande für eine gewisse Zeit einfach aufgelöst und zerstreut. Was machen wir dann? Die andere Möglichkeit ist, dass sie ins Indianerterritorium geflüchtet sind. Sie dort aufzuspüren dürfte auch alles andere als vergnüglich werden!"

"Wir sind auch nicht auf einer Vergnügungsreise, Lieutenant!", erwiderte Captain Reilly.

Am Horizont tauchte ein Farmgebäude auf.

Etwa eine Stunde später erreichten Reillys Männer das Haus. Es war halb verfallen. Ein Teil des Daches hatte der letzte Sturm davon geweht. Offenbar lebte hier schon seit einigen Jahren niemand mehr.

Reilly wandte sich an Corporal Taggert.

"Lassen Sie die Männer kurz rasten", wies er ihn an. "Zwei Mann sollen sich den Brunnen da vorne mal ansehen. Wenn wir Glück haben, gibt es in ihm noch Wasser und wir können die Pferde tränken.

"Wenn es wirklich zu einem Wolkenbruch kommt, dann werden wir mehr Wasserlöcher haben, als uns lieb sein kann", knurrte Tom White Feather.

Corporal Taggert gab die Befehle an die Männer weiter.

Die Kavallerie-Abteilung stoppte. Die Männer stiegen aus den Sätteln.

Zwei Soldaten gingen zum Brunnen, wie Reilly befohlen hatte.

Reilly und Tom waren ebenfalls von den Pferden gestiegen. Sie sahen sich um.

Tom blickte auf den Boden.

"Es ist noch nicht lange her, da waren hier Reiter. Reiter, deren Pferde beschlagene Hufe hatten."

"Also keine Indianer", schloss Reilly.

Der Halb-Cherokee kniete nieder.

Seine Hand glitt tastend über die Abdrücke. Der Blick seiner dunklen Augen wirkte alarmiert.

"Was ist los?", fragte Captain Reilly.

"Einen Augenblick", murmelte Tom zwischen den Zähnen hindurch.

Er hatte die Hand am Revolver und ging auf das Farmhaus zu.

Die Tür stand halb offen. Tom White Feather stieß sie mit dem Stiefel auf, riss den Colt heraus und trat in das Halbdunkel, das innen herrschte. Reilly war ihm auf den Fersen. In der guten Stube des Farmhauses befand sich niemand. Licht fiel durch ein Loch im Dach. Reilly fielen frische Flecke auf den Fußbodenbohlen auf. Der Captain der US-Kavallerie kniete nieder, berührte die Stelle mit der Kuppe des rechten Zeigefingers.

"Frisches Blut", murmelte er.

Eine schattenhafte Bewegung an der Tür zur Abstellkammer ließ beide Männer herumfahren. Ein Mann stand im Türrahmen. Er hatte die Hände gehoben.

"Nicht schießen!", rief er.

Er war klein und hager, sein Leinenhemd blutdurchtränkt. Sein Gesicht wies zahlreiche Schürfwunden auf, ein Auge war beinahe zugeschwollen.

Der Mann war offensichtlich unbewaffnet. Tom steckte daher sein Eisen zurück ins Holster.

"Ich bin Captain Reilly von der Kavallerie der US-Army. Und wer sind Sie?"

Der Mann wankte in den Raum, ließ sich auf einem Stuhl nieder. "Ich heiße Moss Johnson", erklärte er. "Mir gehört diese Farm." Er atmete tief durch und schluckte. Seine Augen wirkten glasig. "Ich glaube kaum, dass meine Geschichte einen Yankee-Offizier interessiert!"

"Warum versuchen Sie es nicht einfach?", fragte Reilly. "Mich interessiert, wer das mit Ihnen gemacht hat..."

"Ach, wirklich? Ich dachte, Sie wären hier, um mir den Rest zu geben! Halb totgeschlagen haben mich diese Bastarde!"

"Erzählen Sie", forderte Reilly.

Moss Johnson hielt sich das Bein, verzog vor Schmerz das Gesicht. "Ich war drei Jahre in der Armee der Konföderierten Staaten von Amerika. Als ich vor ein paar Monaten aus der Gefangenschaft im Norden entlassen wurde, hörte ich vom Tod meines Bruders, der diese Farm aufgebaut hat. Ich bin der einzige Verwandte und damit sein Erbe. So kam ich hier her, um alles wieder aufzubauen. Letzte Nacht kamen ein paar Reiter hier her. Sie überfielen mich, prügelten mich halb tot."

"Was waren das für Leute?"

"Keine Ahnung. Sie suchten einen Yankee-Blaurock, hinter dem sie offenbar her waren!"

"Bridgers Leute!", stellte Tom White Feather mit geballter Faust fest.

"Ich sagte Ihnen, dass ich keine Ahnung hätte, wo ihr Mann zu finden ist. Sie wollten mir nicht glauben, ließen mich bewusstlos zurück und nahmen mir mein Pferd und mein Maultier mit dem Gepäck weg. Das Saatgut, mit dem ich die Farm wieder aufbauen wollte war auch dabei!"

"Wir haben ein paar überzählige Pferde bei uns", erklärte Reilly. "Wenn Sie wollen, stellen wir Ihnen eines davon zur Verfügung, damit Sie nach Liberal zum Doc reiten können."

Aber Moss Johnson schüttelte den Kopf.

"Ich werde hier bleiben. Schließlich habe ich schon Schlimmeres durchgestanden. Außerdem..."

"Was?", hakte Reilly nach.

"Von einem Yankee würde ich keine Hilfe annehmen. Mag sein, dass wir den Krieg verloren haben - aber unsere Ehre nicht!"

"Der Krieg ist vorbei", meinte Tom White Feather. "Auch wenn sich noch nicht alle an den Gedanken gewöhnt zu haben scheinen..."

Moss Johnsons Erwiderung klang ziemlich unversöhnlich.

"Wie auch immer. Ich hoffe, Sie bleiben nicht allzu lange hier auf meiner Farm."

"Wir jagen die Männer, die Sie so zugerichtet haben, Mr. Johnson", erklärte Captain Reilly sachlich. "Männer übrigens, die vorgeben für die Sache des Südens zu kämpfen, obwohl sie von Anfang an wohl nichts anderes als gewöhnliche Verbrecher waren."

Johnson spuckte aus.

Sein Gesicht blieb eine verächtliche Maske.

"Sie können mir viel erzählen, Yankee!"

Tom wandte sich an Reilly.

"Es hat keinen Sinn, Sir", erklärte er. Der Halb-Cherokee wandte sich zum Gehen und verließ das Farmhaus. Reilly nickte leicht. Der Scout hatte vermutlich Recht. Gegen so viel Bitterkeit gab es einfach kein Argument. Wieder einmal wurde Reilly bewusst, wie weit der Weg noch war, den sein Land zurückzulegen hatte, ehe eine Chance zur Versöhnung bestand. Noch rann Blut aus den klaffenden Wunden...

"Ich wünsche Ihnen trotz allem alles Gute, Mr. Johnson", erklärte der Captain schließlich, bevor auch er ins Freie zu seinen Leuten zurückkehrte.

*

Leslie Crown zügelte sein Pferd. Zehn Mann aus Bridgers Bande ritten in seinem Gefolge. Ein zynisches Lächeln glitt über das Gesicht des Einarmigen.

Von einer Anhöhe aus sahen die Männer auf die gewaltige Rinderherde hinab, die sich recht träge durch die Mittagshitze quälte. Am Himmel hatten sich bereits gewaltige Wolkengebirge aufgetürmt. Es war drückend schwül geworden. Kein Wind blies. Es sah nach Gewitter aus und die Tiere waren entsprechend unruhig. Immer wieder gab es einzelne Longhorns, die aus dem Verband ausbrachen.

Nicht mehr als ein Dutzend Cowboys gehörten zur Treibmannschaft.

Der Chuck-Waggon befand sich am Schluss des langen Zuges.

"Holen wir uns das Passiergeld, Männer!", rief Crown.

Der Einarmige und seine Leute preschten den Hang hinunter.

Einige der Viehtreiber wurden jetzt auf die Gruppe aufmerksam. Sie sammelten sich. Ein grauhaariger Mann mit braungebranntem, wettergegerbtem Gesicht schien der Anführer zu sein. Drei seiner Leute kümmerten sich weiter um die Herde, die anderen hatten sich um ihren Boss geschart. Sie ritten Crown und seinen Leuten entgegen. Zwei etwa gleich starke Reitergruppen trafen am Rand der großen Herde aufeinander.

"Wem gehört diese Herde?", rief Crown.

Der Grauhaarige ließ seinen Gaul einen paar Schritte nach vorn gehen.

"Mir! Mein Name ist Rick Jessup, wir kommen aus Texas und wollen nach Abilene. Und wer sind Sie?"

"Tut nichts zur Sache", sagte Crown.

"Da bin ich anderer Meinung", erklärte Jessup. Seine Hand wanderte in die Nähe des Revolvers, der ihm am Gürtel hing. "Was wollen Sie von mir?"

"Wir sind hier, um eine Gebühr für eine sichere Passage zu kassieren", sagte Crown.

"Dann ist das Ihr Land, durch das wir ziehen?", fragte Jessup.

Crown grinste. "Kann man so sagen."

"Ich habe noch nie jemandem Wegzoll für das Passieren einer Rinderherde gezahlt!", meinte Jessup und schob sich den Hut in den Nacken.

"Dann werden wir eben die ersten sein, die bei Ihnen abkassieren!", mischte sich einer der anderen Männer aus Crowns Meute ein.

Unterhalb von Jessups linkem Auge zuckte nervös ein Muskel. In der Ferne war inzwischen erstes Donnergrollen zu hören. Blitze zuckten aus den düsteren Wolkengebirgen heraus.

Leslie Crown deutete gen Himmel. "Schlechtes Wetter kündigt sich an. Es wird schon schwer genug für Sie und Ihre Leute werden, die Herde beieinander zu halten. Wenn es zu einer Stampede kommt, dann dauert es Tage, bis Sie die Tiere wieder eingefangen haben." Crown grinste hässlich. "Ich weiß ja nicht, wie geduldig Ihr Kunde in Abilene ist..."

Jessups Geduld schien am Ende zu sein. "Jetzt hören Sie mir mal zu! Ich habe nicht einmal an die Indianer Passiergeld bezahlt - dann werde ich es bei ein paar dahergelaufenen Halunken kaum anders halten!"

Er riss den Colt heraus.

Leslie Crown hatte das voraus gesehen. Um den Bruchteil einer Sekunde feuerte der Einarmige eher als sein Kontrahent. Jessup kippte getroffen aus dem Sattel. Crown hatte sein Pferd so dressiert, dass er es notfalls durch Druck der Schenkel zu lenken vermochte, wenn er eine Waffe in der Hand hielt und nicht in der Lage war, die Zügel zu halten.

Jessup lebte noch. Er rappelte sich am Boden auf, zielte erneut.

Leslie Crowns Schuss hatte ihn an der Seite schwer verletzt. Die Kleidung war blutrot durchtränkt.

Für alle anderen war der Schusswechsel zwischen Crown und Jessup nur das Signal zum Losschlagen gewesen. Auf beiden Seiten wurden die Colts herausgerissen. Kugeln zischten durch die Luft, Pferde stellten sich wiehernd auf die Hinterbeine.

Todesschreie gellten.

Jessups zweiter Schuss war vollkommen ungezielt. Sein Körper zuckte unter einer Reihe weiterer Treffer, die ihm endgültig den Garaus machten.

Drei weitere Männer der Treibmannschaft wurden von Kugeln aus dem Sattel gerissen. Leslie Crowns Leute eröffneten einen wahren Geschosshagel auf ihre Gegner, bei denen es sich um einfache Cowboys handelte. Keiner von ihnen war ein Revolvermann. Einige starben, noch ehe sie ihre Waffen aus den Holstern reißen konnten. Es war ein Gemetzel. Diejenigen, die zu fliehen versuchten, bekamen eine Kugel in den Rücken.

Die Herde geriet durch die Schießerei in Unruhe. Einige Leittiere stampften in wildem, panischem Lauf davon. Das war der Beginn einer Stampede. Nichts fürchtete eine Treibmannschaft mehr, als wenn die Longhorns wie von Sinnen davonpreschten.

Die wenigen Cowboys, die bei der Herde waren, konnten nichts ausrichten.

Einer von ihnen schaffte es nicht schnell genug, aus dem Gedränge der Herde herauszukommen. Longhorns bohrten ihre spitzen, weit ausladenden Hörner in die Flanken seines Pferdes, das markerschütternd wieherte. Ein grauenhafter Laut, der sogar durch das immer mehr anschwellende Donnern der Hufen hindurchdrang. Wie auch der Todesschrei des Cowboys, als der Gaul zu Boden ging und es gemeinsam mit seinem Reiter durch Hunderte von Hufen buchstäblich in den weichen Prärieboden hineingepflügt wurde.

Jessup und die Männer, die sich in seiner Nähe befunden hatten, waren tot.

Und das Pferd des Ranchers jagte herrenlos davon.

Leslie Crown riss sein Pferd herum, wandte sich an einen der Männer.

"Hey, Perry! Nimm dein Gewehr und knall Jessups Gaul ab!"

"Aber.."

"Frag nicht! Tu, was ich sage, verdammt noch mal!"

Der Mann, der Perry genannt worden war, griff zum Scubbard, zog das Gewehr heraus und legte an. Ein zielsicherer Schuss und Jessups Pferd geriet ins Straucheln. Ein zweiter Treffer gab dem Tier den Rest.

Vom Chuck-Waggon aus wurde inzwischen auf Crowns Leute geschossen. Einer der Banditen wurde aus dem Sattel geholt, bevor ein wahrer Geschosshagel den beiden Männern auf dem Wagen antwortete. Nicht lange und sie sanken getroffen vom Bock, während das Gespann durchging.

Leslie Crown hatte nur ein einziges Ziel. Er gab seinem Pferd die Sporen, steckte den Colt ein und ritt zu dem abgeschossenen Pferd es Ranchers.

Mit einer Behändigkeit, die bei einem Einarmigen überraschte, sprang er aus dem Sattel. Er durchsuchte Jessups Satteltaschen und fand schließlich, wonach er suchte.

Bargeld.

Perry folgte dem Einarmigen.

Er zügelte sein Pferd.

Mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck hob Leslie Crown die Satteltaschen empor und hängte sie seinem eigenen Gaul vorne über den Rücken. Anschließend stieg er wieder auf.

"Ich habe es gewusst!", rief er mit einem wölfischen Gesichtsausdruck. Er bleckte dabei die Zähne wie ein Raubtier. "Der Treckführer musste Bargeld bei sich haben! Cowboys kann man notfalls bezahlen, wenn die Herde verkauft ist! Aber nicht die Revolverleute, die Jessup entgegenreiten sollten!"

"Wie viel ist es?", fragte Perry.

"Etwa tausend Dollar."

"Nicht schlecht."

"Sag ich doch!", grinste Crown. "Und jetzt nichts wie weg!"

Perry nickte.

"Jessup, dieser verdammte Narr! Er hätte uns das Geld freiwillig geben sollen! Bei einem Preis von mindestens drei Dollar pro Longhorn hätte er in Abilene schätzungsweise zehntausend Dollar für die Herde gekriegt! Da wäre immer noch genug für ihn übrig geblieben!"

"Lass dir das eine Lehre sein, Perry!"

"In wie fern?"

"Man soll nie zu gierig werden!" Crown riss sein Pferd herum, gab ihm die Sporen. "Folgt mir!", rief er.

Er preschte mit seinem Gaul den Hang einer Anhöhe hinauf, nach und nach fand sich dort auch der Rest der Männer ein.

"Worauf warten wir noch? Reiten wir zurück zur Ranch!", meinte jemand, während Leslie Crowns nachdenklicher Blick noch an der sich entfernenden und immer mehr auseinanderstrebenden Herde hing. Regen setzte ein. Blitze zuckten aus dem dunkelgrau gewordenen Himmel. In Kürze würde aus der staubtrockenen Prärie eine einzige große Schlammpfütze werden.

"Eigentlich schade um die Longhorn", fand Perry.

"Willst du sie vielleicht einfangen und nach Abilene bringen?", gab Leslie Crown mit einem zynischen Lächeln zurück. Gelächter brach unter den Männern aus. "Mal abgesehen davon, dass du damit selbst mit einer gut eingespielten Treibmannschaft tagelang beschäftigt wärst - in Abilene würde man dich vielleicht fragen, was das für ein Brandzeichen ist, das man auf dem Fell der Tiere sehen kann!"

"Man wird ja wohl mal träumen dürfen!", erwiderte Perry etwas beleidigt.

Crown nickte.

"Sicher darf man das. Nur nicht zu lange." Er blickte in die Runde, fixierte nacheinander die Gesichter der Männer. "Ich bin Jeffrey Bridger immer gefolgt und habe bei allem, was er befahl, zu ihm gestanden", begann er. Die Männer sahen ihn schweigend an, hingen förmlich an seinen Lippen. "Jeder von euch weiß, dass ich die Wahrheit spreche. Ich habe immer loyal zu Bridger gestanden. Aber jetzt ist Schluss."

"Was soll das heißen?", fragte einer der Männer. Ein dunkelhaariger Lockenkopf mit unrasierten Wangen und tief ins Gesicht gezogenem Texas-Hut.

"Ich werde nicht zurück zur Ranch reiten", erklärte Crown. "Und wer von euch einen Funken Verstand hast, der folgt mir ins Oklahoma-Territorium. Dort werden wir eine Weile Ruhe haben. Die tausend Dollar von dem Kuhtreiber sind ein gutes Startkapital, würde ich sagen!"

"Und was ist mit Bridger und den anderen?", hakte der Lockenkopf nach. Sein Tonfall klang deutlich gereizt.

Crown fixierte ihn mit seinem Blick.

"Bridgers Plan ist es, die Blauröcke bei der Ranch zu stellen. Er ist ganz besessen von dem Gedanken, die verdammten Yankees in eine Falle zu locken und bis auf den letzten Mann niederzumachen."

"Verdient hätten sie es!", warf der Lockenkopf ein.

"Es geht um unsere Zukunft, Männer. Es macht keinen Sinn, die Schlacht von Gettysburg im kleinen Rahmen revidieren zu wollen, wie Bridger das offenbar vorschwebt. Dieser Schwadron Blauröcke werden weitere folgen. Ich habe einen Arm für die Sache des Südens geopfert. Das ist genug. Ich töte nur noch auf eigene Rechnung. Und wer von euch nicht lebensmüde ist, handelt genau so."

"Das ist nicht dein Ernst, Leslie!", knurrte der Lockenkopf.

"Du kannst ja zurückreiten, wenn du so darauf erpicht bist, Yankees zu töten!", erwiderte Crown.

"Und was ist mit der Beute?"

"Davon kriegst du nur etwas ab, wenn du mit mir reitest!"

"Bridger wird dich dafür töten, Leslie!"

"Dazu wird er keine Gelegenheit bekommen!"

Der Lockenkopf lenkte sein Pferd zur Seite, sodass Leslie Crown die Revolverhand seines Gegenübers nicht sehen konnte. Crown ahnte im Voraus, was der Lockenkopf beabsichtigte. Der Einarmige zog den Revolver. Noch bevor der Lockenkopf seine Waffe richtig aus dem Holster gerissen hatte, traf ihn bereits Crowns Kugel.

Das Schussgeräusch vermischte sich mit dem Donnergrollen. Der Regen wurde heftiger.

Der Einarmige sah gelassen zu, wie sein Gegner aus dem Sattel rutschte und mit einem dumpfen Geräusch in das feucht gewordene Präriegras fiel.

"Ist noch jemand anderer Meinung von euch?", rief Crown.

Keiner der Männer sagte ein Wort.

Crown musterte sie kurz einen nach dem anderen.

Wir hätten uns längst in kleinere Gruppen aufteilen und untertauchen sollen!, ging es dem Einarmigen durch den Kopf. Aber dafür hätte Jeffrey Bridger niemals ein offenes Ohr gehabt. Dazu gefiel es ihm einfach zu gut, Boss einer großen Bande zu sein.

Aber diese Zeit ist wohl vorbei, ging es Crown durch den Kopf.

"Reiten wir!", rief Perry. "Auf nach Oklahoma - oder wollt ihr hier wie angewurzelt stehen bleiben und euch nass regnen lassen?"

*

Auf breiter Front zogen die Gewitterwolken heran. In der Ferne hatten Captain Reilly und seine Leute immer wieder das dumpfe Grollen des Donners gehört. Blitze zuckten hinter dem Horizont und wirkten wie Leuchtfeuer.

"Wir reiten direkt in dieses Unwetter hinein", stellte Tom White Feather fest.

"Soweit ich weiß, ist keiner der Männer aus Zucker!", erwiderte Reilly. "Wir werden schon nicht gleich zerfließen, wenn sich hier die Himmelsschleusen öffnen..."

Das Donnergrollen kam näher und wurde lauter.

Blitze zuckten in immer rascherer Folge.

Der Regen setzte ein und Wind kam auf.

Es dauerte nicht lange und die Kavalleristen waren vollkommen durchnässt. Schweigend ritt die Kolonne weiter. So schnell wie möglich wollte Reilly die Ranch erreichen, auf der sich nach den Angaben von Private Hughes die Bridger-Bande verschanzt hatte.

Reilly glaubte nicht daran, noch einen von Bridgers Leuten dort anzutreffen. Aber er hatte nicht umsonst einen der besten Fährtenleser und Scouts für diese Mission angefordert. Unter normalen Umständen wäre die Spur der Bande nicht zu übersehen gewesen. Aber der sintflutartige Regen, der abwechselnd heftiger und wieder schwächer wurde, spülte wahrscheinlich das meiste davon einfach weg.

Auch das war ein Grund für Reilly, seine Soldaten immer wieder zur Eile anzutreiben.

Reilly wandte sich an Corporal Taggert.

"Corporal!"

"Ja, Sir?"

"Beordern Sie Private Hughes her!"

"Aye, Sir!"

Corporal Taggert scherte aus der Formation aus und ließ sich etwas zurückfallen.

Wenig später kehrte er gemeinsam mit Jim Hughes an die Spitze des Zuges zurück.

"Ich möchte, dass Sie und Tom White Feather uns anführen", erklärte Reilly. Er lächelte verhalten. "Schließlich kennen Sie das Gelände von uns am besten."

"Es war dunkel, als ich nach Liberal geritten bin!"

"Und es war eine Meisterleistung, die Stadt überhaupt zu finden! Da wäre so mancher im großen Bogen vorbeigeritten!"

"Danke, Sir!"

"Sobald Ihnen das Gelände irgendwie bekannt vorkommt, sagen Sie mir bitte sofort Bescheid."

"In Ordnung, Sir."

*

Etwa eine Stunde tobte das Gewitter. Dann schien die Kraft des Unwetters langsam zu erlahmen. Blitze wurden immer seltener am Himmel sichtbar. In der Ferne hörte man jedoch noch immer Donnergrollen. Der Regen ließ etwas nach und verebbte schließlich ganz.

Die Pferdehufe sanken mitunter zentimetertief in den aufgeweichten Boden ein.

Die Kavallerie-Abteilung wurde deutlich langsamer.

Schließlich erreichten Reilly und seine Männer ein Gebiet, das Jim Hughes wiederzuerkennen glaubte.

"Sind Sie sicher?", vergewisserte sich Reilly.

"Ziemlich, Sir", bestätigte Hughes. "Darf ich einen Vorschlag machen, Captain?"

"Nur zu!"

"Ich würde es für das Beste halten, wenn zunächst eine kleine Vorhut die Lage auf der Ranch erkundet, während der Rest der Truppe in einiger Entfernung lagert."

"Ich gehe davon aus, dass wir keinen der Bridger-Leute mehr antreffen, Hughes. Die Banditen wissen schließlich, dass Sie entkommen sind."

"Und wenn sie uns eine Falle stellen? In meinen Augen liegt der Gedanke nahe. Schließlich sind sie uns zahlenmäßig überlegen. Wahrscheinlich auch von der Bewaffnung her. Soweit ich bisher mitbekommen habe, sind die meisten Bridger-Leute mit Winchester-Gewehren ausgerüstet, während wir nur über Sharps-Karabiner verfügen."

Reilly machte ein nachdenkliches Gesicht. Schließlich wandte er sich an Ben McCall.

"Was ist Ihre Meinung, McCall?"

"Darüber, dass Sie Ihre Pläne neuerdings mit Mannschaftsdienstgraden diskutieren, Captain?" Eine Pause des Schweigens folgte. Schließlich fügte McCall hinzu: "Wie auch immer, Hughes Vorschlag ist gut."

Die Abteilung setzte ihren Weg fort.

Als in der Nähe einer Anhöhe am Horizont Geier kreisten, zügelte Hughes sein Pferd.

"Was ist los?", erkundigte sich Reilly.

Hughes streckte den Arm aus und deutete in Richtung der Geier. "Wir sind ganz in der Nähe der Ranch. Dort, wo die Geier kreisen, starb O'Mara."

"Sieht ganz danach aus, als hätten sie die Leiche einfach liegen gelassen", mischte sich Tom White Feather ein.

Hughes nickte. Sein Gesicht wirkte düster. Unwillkürlich ballte er die Hände zu Fäusten. "Nicht einmal vor den Toten haben diese Verbrecher Respekt", zischte er grimmig zwischen den Zähnen hindurch. Er wandte sich an seinen Kommandanten. "Captain, ich möchte unbedingt zu der Vorhut gehören, die sich bei der Ranch umsieht."

"In Ordnung, Hughes", gewährte Captain Reilly dem Kavalleristen diesen Wunsch. "Außerdem werden noch Tom und ich dabei sein."

McCall meldete sich zu Wort. "Das ist nicht Ihr Ernst, Captain!"

"Warum nicht? Mehr Männer mitzunehmen wäre zu auffällig. Hughes kennt sich am Besten aus, Tom White Feather kann durch seine Fähigkeit, Spuren zu lesen uns vielleicht etwas darüber sagen, was sich ereignet hat und..."

"...und Sie, Captain?!"

"Ich muss mir ein eigenes Bild der Lage machen. Sie übernehmen das Kommando. Wo ist die Trompete?"

"Die hat Corporal Taggert in seinem Gepäck, seit der Trompeter gefallen ist", berichtete McCall, dem anzusehen war, dass er sich so die Umsetzung von Hughes' Plan nicht vorgestellt hatte.

"Gibt es noch jemanden in der Truppe, der das Ding blasen kann?"

"Ich fürchte nicht, Sir."

"Dann werden wir ein Signal durch Revolverschüsse geben", sagte Reilly. "Für den Fall, dass wir Ihre Hilfe brauchen, Lieutenant!"

*

Reilly, Hughes und Tom White Feather ritten auf die Anhöhe am Horizont zu, während der Rest der Truppe aus den Sätteln stieg.

Die drei Reiter ritten in gemäßigtem Galopp. Allzu viel konnten sie ihren Pferden nach dem, was die Tiere hinter sich hatten, nicht mehr zumuten.

Hughes allerdings war kaum zu bremsen.

Er brannte darauf, an jenen Ort zurückzukehren, an dem Sam O'Mara gestorben war. Und vor allem dürstete es ihn danach, die Mörder seines Kameraden vor die Mündung des Navy-Colts zu bekommen.

Sie erreichten schließlich die Stelle, an der Sam O'Mara von einem der Bridger-Leute kaltblütig erschossen worden war.

Die Geier kreischten.

"Offenbar überlassen diese Hunde sogar ihre eigenen Leute einfach den Aasfressern!", stieß Reilly mit einer Mischung aus Bestürzung und Grimm hervor.

Zwei Tote lagen im nassen, hohen Gras.

O'Mara und der Bärtige.

Hughes stieg aus dem Sattel. Er machte sein Pferd an einem Strauch fest und kniete neben O'Maras Leichnam nieder. Reilly und Tom stiegen ebenfalls aus den Sätteln. Der Captain trat an Hughes heran, dessen Gesicht vollkommen starr geworden war. Für einen Augenblick glaubte Reilly, in den Augen des degradierten Hughes etwas glitzern zu sehen. Tränen des Zorns.

"Wir werden uns später um O'Maras Leiche kümmern", versprach Reilly mit tonloser Stimme.

Hughes nickte knapp.

Er deutete den Hang hinauf. "Folgen Sie mir. Und nehmen Sie den Feldstecher mit, Sir!"

Hughes erhob sich und ging voran.

Tom White Feather hatte sich in der Zwischenzeit am Ort des Geschehens etwas umgesehen, bevor er zusammen mit Reilly Hughes folgte.

"Der Regen hat vieles von den Spuren getilgt", raunte er John Reilly zu. "Erwarten Sie also keine Wunder von mir!"

"Genau deswegen habe ich Sie dabei haben wollen, White Feather. Aber vielleicht ist ja hier und jetzt bereits der Augenblick der Entscheidung gekommen..."

Wenig später befanden sich alle drei genau an der Stelle, von der aus Hughes und O'Mara schon einmal die Ranch der Bridger-Banditen beobachtet hatten.

Man hatte einen guten Überblick über das gesamte Tal, ein Landstrich so saftig und grün, dass man ihn für ein verkleinertes Abbild des Paradieses halten konnte.

Der Creek, der das Tal durchschlängelte, war durch den Regen zu einem beachtlichen Fluss von vier- bis fünffacher Breite angeschwollen, dessen Fließgeschwindigkeit enorm zugenommen hatte. Ein leichtes Rauschen war bis zu den Anhöhen hörbar.

"Wer immer diese Ranch errichtet haben mag - er wusste ganz genau, warum er sich ausgerechnet hier und nirgendwo sonst ansiedelte!", stellte Tom White Feather fest.

Auch Reilly war beeindruckt.

Auf der Ranch selbst herrschte Stille.

Die Fensterläden waren geschlossen. Kein Laut drang von den Gebäuden zu den Beobachtern hinüber. Auch kein Tierlaut. Die Pferdeställe waren genauso geschlossen wie die Eingangstüren der Häuser. Nirgends war ein lebendes Wesen zu sehen. Weder Mensch noch Tier.

"Ich habe es befürchtet", murmelte Reilly. "Die Halunken sind über alle Berge." Reilly zog seinen Revolver aus dem Army-Holster, richtete ihn in die Luft, um das Signal für seine Leute zu geben.

Tom drehte sich zu ihm um.

"Nein, noch nicht, Captain!"

"Wieso nicht?"

"Wir sollten uns die Ranch erst in Ruhe ansehen. Ich kann nicht sagen warum, aber irgendetwas stimmt hier nicht..."

Reilly zuckte die Achseln. "Wie Sie wollen."

Nach einem letzten Blick durch den Feldstecher kehrten sie zu den Pferden zurück, schwangen sich in die Sättel und ritten auf die Ranch zu.

"Na, was sagt Ihr sechster Sinn, Mr. White Feather?", hakte Reilly nach, als sie das Anwesen erreicht hatten. Sie zügelten ihre Pferde.

Tom ging auf die Bemerkung seines Kommandanten nicht weiter ein. Er wirkte angestrengt und blickte sich aufmerksam um. Sein Gesicht bekam dabei etwas Falkenhaftes.

"Sieht wirklich sehr verlassen aus", murmelte das Halbblut vor sich hin. Mehr zu sich selbst als zu den anderen.

Er stieg vom Pferd, führte es zu einer Tränke.

Dabei ließ er den Blick über den Boden streifen. Als das Pferd getrunken hatte, schwang er sich wieder in den Sattel, ließ das Tier bis zu einem der leeren Pferde-Corralls traben. Die ganze Zeit über beugte er sich nach unten, stierte wie gebannt auf den Boden.

"Alles verrammelt", stellte Hughes inzwischen fest. "Sieht für mich fast so aus, als hätte die Bande die Absicht, hier her zurückzukehren."

"Vielleicht sollten wir uns mal im Inneren der Gebäude umsehen", schlug Reilly vor. "Kann ja sein, dass wir irgendwelche Hinweise darauf finden, wohin die Bande verschwunden ist."

Reilly griff zum Revolver, richtete den Lauf der Waffe in die Luft und drückte zweimal ab, um die Truppe herbeizurufen.

Hughes stieg vom Pferd.

Er ging auf die Veranda des Ranchhauses zu, nahm die erste der drei Stufen, die dorthin hinaufführten.

Auf den Bodenbrettern waren Stiefelabdrücke zu sehen, die zur Tür führten.

Schlamm-Abdrücke.

Offenbar waren die Banditen doch nicht gleich geflüchtet, sondern noch nach Einsetzen des Gewitters ins Haus gegangen...

Er zog den Revolver, wollte die Tür öffnen, als ihn ein Geräusch ablenkte. Das Stampfen von Hufen. Er wandte sich herum und sah Lieutenant McCall und den Rest der Abteilung den Hang hinabreiten.

Tom umrundete inzwischen die Ranch in leichtem Galopp und gelangte schließlich wieder an den Ausgangspunkt zurück.

"Hughes! Reilly! Kommen Sie, ich möchte Ihnen etwas zeigen!", rief das Halbblut.

Tom wirkte ziemlich angespannt. Es war eigenartig, dass er Captain Reilly ansprach, ohne ihn bei seinem militärischen Rang zu nennen.

Hughes war unschlüssig.

"Los, Hughes! Sie haben gehört, was Tom gesagt hat!", hörte er Reillys Stimme. Der Kommandant der Kavallerie-Abteilung hatte sofort begriffen, dass es für Tom White Feathers eigenartiges Verhalten einen handfesten Grund geben musste.

Hughes sah den Captain verwundert an, gehorchte aber.

Er kehrte zu seinem Pferd zurück, das er am Hitchrack vor dem Ranchhaus festgebunden hatte und schwang sich auf dessen Rücken.

Reilly und Hughes ritten zu Tom.

"Bleiben Sie ruhig, wenn Sie keine Kugel in den Kopf wollen", raunte der Halb-Cherokee. "Es wurden Pferde ohne Reiter von hier fortgebracht."

"Dann stecken Bridgers Leute in den Häusern?"

"Nur ein Teil, wenn ich richtig gerechnet habe. Sie warten darauf, dass der Rest unserer Truppe hier her kommt..."

"...um sie abzuknallen wie die Hasen", vollendete Reilly.

McCall und der Rest der Blauröcke preschten heran.

Kaum hundert Yards lagen noch zwischen den Soldaten und der Ranch.

"Auf mein Zeichen reiten wir los!", murmelte Reilly. Er griff nach dem Revolver. Hughes ebenfalls. "Jetzt!", schrie der Kommandant.

Hughes, Tom und Reilly gaben ihren Pferden die Sporen.

"Zurück, Männer!", rief Reilly den Kavalleristen entgegen.

Türen und Fensterläden wurden aufgestoßen. Ein wahrer Geschosshagel krachte los. Überall blitzten Mündungsfeuer auf.

Tom spürte, dass sein Pferd getroffen worden war. Das Tier wieherte, strauchelte und der Halb-Cherokee sprang in letzter Sekunde ab.

Er rollte sich am Boden herum, riss den Colt heraus und feuerte in Richtung des Ranchhauses. An der geöffneten Tür sank einer der Bridger-Leute schreiend zu Boden. Einen anderen erwischte er nahe des Fensters.

Das Halbblut sprang auf, rannte in geduckter Haltung und schießend los. Nach ein paar Yards hechtete er sich hinter eine der Pferdetränken. Ein Bleihagel regnete in seine Richtung. Tom White Feather presste sich an den Boden. Aus Dutzenden von Löchern schoss das Wasser aus der Tränke.

Hughes und Reilly waren schon ein Stück weiter geritten.

Reilly sah sofort, dass er Tom im Augenblick am besten half, wenn er den Angriff ordnete.

McCall hatte inzwischen den Befehl zum Absitzen gegeben. Die Soldaten nahmen die Gewehre aus den Scubbards. Das Gelände bot kaum Deckung. Sie knieten nieder, duckten sich ins hohe Gras und erwiderten das Feuer.

Die Pferde wurden an einem der äußeren Corralls der Ranch festgemacht.

"Wir holen diese Hunde aus ihren Löchern!", versprach McCall an Reilly gewandt.

"Tun Sie das! Aber Sie müssen mit der Hälfte der Männer auskommen!", erwiderte Reilly.

"Was?"

"Der Rest der Bande lauert irgendwo in der Nähe und wartet nur darauf, uns von hinten über den Haufen zu schießen..."

"Woher wissen Sie das?"

Doch Reilly nahm sich nicht die Zeit, seinem Lieutenant diese Frage zu beantworten. Er wandte sich an Corporal Taggert. "Lassen Sie die halbe Abteilung aufsitzen! Sofort!"

"Ja, Sir!", stotterte Taggert verwirrt.

Augenblicke später preschte Reilly an der Spitze seiner halben Abteilung davon. Schnell entfernte sich die Reitergruppe im scharfen Galopp von der Ranch.

Plötzlich zügelte Reilly sein Pferd. Die anderen folgten seinem Beispiel.

Hinter der nächsten Hügelkuppe tauchten Reiter auf und eröffneten das Feuer, noch bevor sie sich in Schussweite befanden.

"Gentlemen - dort ist unser Feind!", verkündete Reilly und zog dabei den Colt aus der Revolvertasche. Tom White Feather hatte mit seiner Vermutung recht gehabt. Der größere Teil der Bridger-Bande hatte sich irgendwo in der Nähe verborgen gehalten und geduldig darauf gewartet, dass die Kavalleristen in die Falle liefen.

Die Blauröcke feuerten zurück.

Auf beiden Seiten gab es die ersten Toten.

Verlorene Todesreiter: Western Großband 7 Romane 5/2021

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