Читать книгу Trevellian und die Mörder unter Wasser: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 7
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ОглавлениеEs war später Nachmittag, als wir am Yachthafen von Nassau County ankamen. Mit einem Motorboot wurden wir zur » Komet« geschippert. Eine rote Markierungsboje schwamm auf dem Wasser. Boote dümpelten rund um diese Boje und die Komet. Wir stiegen über eine Eisenleiter an Bord. Die Komet war ein an die dreißig Meter langes Schiff und hatte sogar einen fest montierten Kran an Bord. Ein Polizist geleitete uns in den Rumpf, wo wir in der Messe auf den Leiter des Einsatzteams des Police Department trafen. Sein Name war Noble Berlinger. Bei ihm befanden sich einige Männer. Wir stellten uns vor. Man nannte uns Namen; Jeff Sheldon, Jack Wellman, Arthur Riggs … Nach zwei Minuten wusste ich die Namen schon nicht mehr genau zuzuordnen.
»Was haben Sie herausgefunden?« So wandte ich mich an Captain Berlinger.
»Es war Mord«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Und es müssen mehrere Mörder am Werk gewesen sein. Sie kamen wahrscheinlich unter Wasser von Nassau County herüber. Ein Boot wurde weit und breit nicht gesichtet. Es muss hinter der nördlichen Küstenspitze geankert haben.«
Einer der Männer, die uns vorgestellt worden waren, ergriff das Wort. »John Dreager und Dan Mason sollten herausfinden, ob das Schiff genug an archäologischem Material bietet, um eventuell vor Ort eine Bergungsplattform zu verankern. Ich sprach noch mit Dreager, als er plötzlich abbrach und ich nur noch ein Stöhnen vernahm.«
»Sie sind …«
»Jeff Sheldon. Ich bin der Kapitän der Komet und Leiter des Bergungsteams. Das Boot gehört der Firma Sea Explorer Ltd., die ihren Sitz in Florida hat.«
Das war auch der Grund, weshalb wir mit den Ermittlungen betraut worden waren. Immer, wenn sich ein Verbrechen gegen jemand aus einem anderen Staat richtete, waren wir gefordert. So auch in diesem Fall.
»Wir haben vor einigen Wochen das Wrack geortet«, sagte ein anderer der Männer, und wenn ich mich richtig erinnerte, war sein Name Wellman. »Es handelt sich um einen gewiss sehr wichtigen und vielleicht auch spektakulären archäologischen Fund. Nachdem wir die erforderlichen Genehmigungen eingeholt hatten, haben wir die Firma Sea Explorer beauftragt, die notwendigen Vorbereitungen zur Bergung zu treffen.«
»Was gedenken Sie denn auf dem Schiff zu finden?«
Wellman hob die Hände. »Waffen, Porzellan, Gegenstände des täglichen Lebens im siebzehnten oder achtzehnten Jahrhundert, vielleicht auch Gold.« Seine Hände sanken wieder nach unten.
Mir entging nicht, dass Sheldon die Lippen zusammenpresste. Seine Backenknochen mahlten. »Wollen Sie etwas sagen, Mr. Sheldon?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Ich bin noch immer völlig erschüttert. Dreager hat noch mit mir telefoniert. Es ist verstandesmäßig kaum zu erfassen. Jetzt sind die beiden tot – ermordet. Und ihre Mörder scheinen sich in Luft aufgelöst zu haben.«
»Gibt es schon konkrete Feststellungen, was sich an Bord des Wracks befindet?«
»Es ist voll Sand«, erwiderte Sheldon. »Nach den beiden Morden werden die Arbeiten wohl erst einmal ruhen, nehme ich an.« Er schaute mich fragend an.
Ich wandte mich an Berlinger. Der zuckte mit den Schultern. »Wenn die Spurensicherung fertig ist, gibt es keinen Grund für mich, die Arbeiten an dem Wrack aufzuhalten.«
Wir begaben uns an Deck. Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft, der ebenfalls anwesend war, hatte die beiden Leichen beschlagnahmt. Sie lagen in Leichensäcken verpackt auf Deck, und der Coroner würde sie in die Pathologie transportieren.
Ich wandte mich an Jack Wellman. »Sie und Ihr Team haben das Wrack gefunden?«
»Ja, mittels Protonenmagnetometer.«
Ich wollte nicht wissen, um welche Art von Technik es sich hierbei handelte. Ich hatte mal von Sidescan Sonar gehört, das per Schallwellen den Meeresgrund abtastet. Aber es spielte in unserem Fall keine Rolle, auf welche Art und Weise das Wrack geortet wurde. Und so fragte ich auch nicht nach.
Dafür formulierte ich eine andere Frage. »Sollten sich irgendwelche wertvollen Dinge an Bord befinden, wem würden Sie gehören, wenn sie geborgen werden? Dem Finder, dem Staat? Zum Teil vielleicht dem, der die Wertsachen birgt?«
»Der Staat New York hat Eigentumsvorbehalte angemeldet«, erklärte Wellman. »Natürlich müsste er in diesem Fall die Kosten für die Bergung und eventuelle Finderlöhne abziehen.«
»Wenn es sich um einen archäologischen Fund handelt, dürfte wahrscheinlich der Staat zu Recht Besitzansprüche geltend machen«, sagte Milo. »Aber ich will mich nicht festlegen. Mit dieser Materie habe ich mich noch nicht allzu ausführlich befasst.«
Meine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, denn ein Taucher durchbrach die Wasseroberfläche und hielt etwas in die Höhe. Es glitzerte im Tageslicht, und mir wurde schlagartig klar, dass es sich um einen Goldbarren handelte. Der Taucher schwamm zu einem der Boote und stieg hinein. Die Besatzung des Bootes half ihm. Wenig später war er an Bord.
Er nahm seine Maske ab, nickte uns zu und sagte: »Sieht aus, als befände sich ein Goldschatz an Bord des Wracks. Aufschluss allerdings werden wir erst bekommen, wenn der Sand abgesaugt ist. Es ist nur noch der untere Teil des Rumpfs übrig. Das Holz löst sich in Nichts auf, wenn man es in die Hände nimmt.«
Ich schaute mir den Goldbarren an. Er war rechteckig, etwa sechs Zoll lang, vier Zoll breit und zwei Zoll hoch.
»Wenn wir Glück haben, liegt da unten Gold im Wert von mehreren Millionen Dollar!«, rief ein Mann.
Ich schaute zufällig Sheldon an und sah es in seinen Augen aufblitzen. Es mutete an wie ein Signal. Sekundenlang hatte ich das Gefühl, einen Ausdruck von Habgier bei ihm wahrzunehmen. Schließlich aber sagte er: »Kein noch so großer Schatz kann den Tod meiner beiden Männer rechtfertigen. Was sind das bloß für Menschen?« Er schaute mich an, als suchte er die Antwort auf seine Frage in meinem Gesicht. Unsere Blicke kreuzten sich. Plötzlich schüttelte er den Kopf und verbesserte sich: »Es sind keine Menschen – es sind Teufel.«
Ich hatte mich wohl geirrt. Es war der ohnmächtige Zorn, den ich auf dem Grund seiner Augen gesehen hatte. Ich wandte mich an Berlinger und sagte: »Mein Kollege und ich können hier nichts tun. Sobald die Berichte der Spurensicherung und der Gerichtsmedizin vorliegen, setzen Sie uns bitte in Kenntnis.« Ich wandte mich noch einmal an Wellman. »Mit wem haben Sie über Ihren Fund gesprochen?«
»Nur mit dem Innenministerium, das wir bezüglich des Fundes in Kenntnis setzen mussten und bei dem wir die erforderlichen Genehmigungen wegen der Bergung beantragten, und natürlich mit dem Eigner des Bergungsschiffes. Wir wollten die Sache nicht an die große Glocke hängen. Allerdings schickte man uns ein Filmteam auf den Hals, und es gab bereits eine erste Reportage im Fernsehen. Der Mann, der Regie führt, heißt Hal Walker. Er ließ nicht locker, bis wir zustimmten, dass er an Bord der Komet gehen durfte. Ich denke, der ist auf Brunots Mist gewachsen.«
»Wer ist Brunot?«
»Stan Brunot. Er ist Hauptgesellschafter der Firma Sea Explorer, und will natürlich Publicity für seine Firma machen. Es gibt immer wieder etwas vom Meeresgrund heraufzuholen, und warum sollte es nicht seine Firma sein, die dies bewerkstelligt? Je mehr Aufträge er bekommt, umso mehr verdient er. Vielleicht tue ich ihm auch Unrecht, und Walker hat von anderer Seite Wind von der Sache bekommen. Es spielt im Endeffekt ja auch keine Rolle.«
Milo und ich fuhren zurück nach Manhattan.
»Wir haben einige Namen«, sagte Milo. »Außerdem haben wir zwei Tote, und es gibt womöglich einen Goldschatz auf dem Grund des Long Island Sound. Jetzt gilt es nur noch, das, was wir haben, in die richtige Reihenfolge zu bringen, und schon sind wir einen Schritt weiter.«
»Galgenhumor, wie?« Ich schielte zu Milo hinüber. Er hatte es sich auf dem Beifahrersitz bequem gemacht und die Beine weit in den Fußraum des Wagens gestreckt. Die Hände lagen in seinem Schoß.
Jetzt nickte Milo. »Es ist oft schon schwer, Verbrechern das Handwerk zu legen, die sich auf festem Boden bewegen. Mehr als zwanzig Yards unter dem Wasser aber …« Milo brach ab. »Wir können nicht vor Ort ermitteln. Das müssen andere für uns tun. Wobei ich nichts gegen einen Tauchkurs hätte.«
»Selbst mit einem Tauchkurs würde niemand das Risiko eingehen, uns auf den Grund des Long Island Sound zu schicken. Dafür gibt es Spezialisten. Wir werden eng mit der Küstenwache zusammenarbeiten. Und man wird uns Ergebnisse liefern.«
Es erfolgte ein öffentlicher Aufruf. Personen, die an der Küste von Nassau County ein Boot mit Tauchern beobachtet hatten, sollten sich beim Police Department oder beim FBI New York melden und über ihre Beobachtungen berichten.
Ein Mann meldete sich noch am selben Tag, an dem New York One, der größte lokale Fernsehsender, den Aufruf brachte. Schließlich hatte ich ihn an der Strippe. Er sagte: »Na endlich ein kompetenter Mann. Ich wurde mindestens fünf Mal verbunden.« Die Stimme klang ärgerlich.
Ich entschuldigte mich bei dem Mann. Dann hörte ich mir an, was er zu berichten hatte. Er wohnte in der Sunset Road in Nassau County und sei begeisterter Angler. Sein bevorzugter Platz befinde sich an der Nordspitze der Halbinsel, und da habe er vor zwei Tagen in der Manhasset Bay eine Yacht beobachtet, von der aus drei Taucher ins Wasser gegangen waren. Er habe sich nichts dabei gedacht, und nachdem er genug Fische gefangen hatte, war er nach Hause gefahren.
Vor zwei Tagen waren Dreager und Mason auf dem Grund des Long Island Sound ermordet worden.
»Um welche Zeit war das?«
»Nachmittags, etwa fünfzehn Uhr.«
Auch die Zeit passte. Die beiden Morde waren etwa um fünfzehn Uhr zwanzig geschehen.
»Hatte die Yacht einen Namen?«, fragte ich.
»Ja. Es ist ein Frauenname. Virginia.«
»Eine große Yacht?«
»Nicht sehr groß. Vielleicht zehn Yards. Ein älteres Modell schon. Zwei Mann blieben auf dem Boot zurück.«
Ich schrieb mir noch den Namen, die Adresse und die Telefonnummer des Mannes auf, dann bedankte ich mich und wies darauf hin, dass wir uns wahrscheinlich noch einmal bei ihm melden würden, dann ging ich – nachdem ich den Hörer auf den Apparat drapiert hatte – zu der Stadtkarte an der Wand und deutete auf einen Punkt nördlich von Nassau County.
»Hier muss die Virginia die drei Taucher ins Wasser gelassen haben«, sagte ich. »Und zwar östlich der Stadtgrenze, die hier verläuft.« Ich folgte mit dem Zeigefinger meiner Rechten der rosaroten, etwa einen halben Zoll dicken, schraffierten Linie, die auf der Karte die Stadtgrenze des Big Apple darstellte, und fuhr fort: »Und südlich von Manor Haven am Beginn der Manhasset Bay.«
»Das heißt«, sagte Milo, der über den Lautsprecher hören konnte, was mir der Anrufer erzählte, »dass die drei Taucher sich wohl eine gute halbe Meile unter Wasser bewegt haben mussten, um zu der Stelle zu gelangen, an der das Wrack liegt. Sie konnten sich leicht an der Komet und an der Markierungsboje orientieren. Bei dem Wrack sind sie auf die beiden Taucher des Bergungsteams gestoßen. Das blutige Ergebnis dieses Treffens kennen wir.«
»Es muss also noch jemand über das Wrack Bescheid wissen«, murmelte ich. »Jemand, der fest davon überzeugt ist, dass sich dort unten etwas befindet, wofür es sich lohnt, über Leichen zu gehen.«
»Treffend ausgedrückt«, befand Milo, dann sprach er sofort weiter: »Wir müssen herausfinden, wer noch eingeweiht war. Das heißt, wir werden jeden Mann der Crew vernehmen müssen, die Angehörigen des Filmteams, und eventuell sogar die Bediensteten des Ministeriums, von dem das Okay zur Bergung gegeben wurde.« Er seufzte ergeben. »Vor dem Gedanken, in den nächsten Tagen nur noch irgendwelche Leute verhören zu müssen, graut es mir.«
»Das wird uns wohl nicht erspart bleiben«, versetzte ich und grinste. »In diesem Fall wird uns auch gar nicht viel mehr bleiben. Die Arbeit vor Ort müssen andere verrichten.«
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung, dass wir durchs Fegefeuer gehen mussten. Der Fall sollte uns wieder einmal an unsere physischen und psychischen Grenzen heranführen.