Читать книгу 11 knallharte Krimis: Krimi Paket - Pete Hackett - Страница 42
Оглавление2
Der Wind versucht mir meinen Hut abspenstig zu machen. Ich drücke ihn etwas fester auf den kahlen Kopf. Einen schönen Menschen kann nichts entstellen. Das sagte ich mir schon damals, als mir die Haare ausgingen und ich mir meinen Totalscheitel zulegte.
Ich bin nun einmal kein Buchhaltertyp, der die letzten Strähnen sorgfältig scheitelt, ölt, fettet und pflegt. Der jeden Morgen eine halbe Stunde vor dem Spiegel herumprobiert, ob es besser aussieht, wenn er die letzten Skalplocken nach links, nach rechts, nach vom oder nach hinten kämmt.
Oder mit raffinierten Spiralen arbeitet.
Der Leichenwagen rückt an.
Meine Gedanken sind bei dem Ermordeten. Ich bin ziemlich sicher, dass er an Ort und Stelle umgebracht wurde, denn Reifenspuren habe ich vorhin auf dem Kiesweg keine entdeckt. Wenn sie ihn nachträglich dorthin geschleppt hätten, wären tausend Stellen besser gewesen, ihn zu deponieren, als direkt am Weg.
Der Tote wird aufgehoben und in einen Zinksarg gelegt. Die Reporter knipsen ihn mit einer Vehemenz, die jeden Filmstar vor Neid erblassen lassen würde. Die Leichenstarre ist noch nicht eingetreten.
In seiner gelben Kutte, in der Umgebung der leuchtenden Frühlingsfarben, sieht der blasse Junge sehr tot aus. Ja, ein Junge ist es, nicht älter als siebzehn, achtzehn.
Kennan, der Leiter des Spurensicherungsteams, kommt zu mir. Er trägt einen uralten Einreiher, für den kein Pfandleiher bei klarem Verstand mehr als fünfzig Cents geben würde.
Neidisch mustert er meinen hellen Frühlingsanzug mit den dunklen Nadelstreifen, das Einstecktuch, das lila Hemd und die gepunktete Krawatte.
»Keine Spuren, Milo«, murmelt er. »Die Identität des Toten ist nicht bekannt. Ein paar Zigarettenkippen und ein alter Kaugummi liegen herum. Wir haben sie eingesammelt, aber ich wette tausend gegen eins, dass nicht der Killer sie zurückgelassen hat. Der Boden ist zu hart für Fußabdrücke.«
Das habe ich auch schon gemerkt. Routinemäßig, nicht, weil ich ernsthaft glauben würde, dass Kennan und sein Team etwas übersehen haben, betrachte ich mir den Tatort und die Leiche aus nächster Nähe. Detective third grade McLane ist an meiner Seite und sagt nicht mehr, als die Auster zum Perlenfischer.
Kennan gibt mir den Medizinbeutel des Toten; ich werfe einen Blick hinein. Zwei zerknüllte Papiertaschentücher, ein alter Schlüssel, ein Federmesser. Und eines dieser winzigen Büchelchen, aus denen ich früher in der Schule immer die Vokabeln abgespickt habe.
In diesem hier stehen keine Vokabeln, sondern die »Veden und Weisheiten des großen Guru Chang Moo«. Laut Titeldruck. Während ich das Büchlein durchblättere, fällt mir ein, dass Chang Moo der Boss dieser Kahlköpfe ist. Ein mondgesichtiges Schlitzauge und sicher auch ein Schlitzohr, das von der Transzendenz des Universums und vom wahren Sinn des Seins faselt. Ich habe den Typ mal im Fernsehen erlebt.
Kennan bekommt den Medizinbeutel zurück. Die Zuschauermenge ist inzwischen beträchtlich angewachsen. Die Reporter schreien nach mir.
»Was werden Sie jetzt tun, Milo?«, fragt Kennan, während der Tote von zwei Weißkitteln zum Leichenwagen getragen wird.
»Zu den Maha-Rah-Burschen fahren, zu denen er gehört hat«, beantworte ich Kennans Frage. »Sie als gut informierter Mann wissen doch sicher, wo sie ihr Hauptquartier haben?«
»Irgendwo im Village.«
Das habe ich auch gewusst. Ich rufe noch einmal Terry Gallagher herbei. Die Reporter haben ihn schon in die Mangel genommen. Terry hat keine feste Adresse. Mal hier, mal da, sagt er, als ich ihn frage.
Gehört und gesehen hat er in der Nacht auch nichts. Er ist morgens gegen zwei Uhr zu seiner Schlafbank gewankt, benebelt bis unter die Haarspitzen. Terry riecht jetzt noch wie eine Fuselfabrik, sein Atem könnte einen Aasgeier vom Ast werfen.
Ich stelle mich so zu ihm, dass ich den Wind im Rücken habe, und halte zwei Yards Abstand. Terry ist also nichts aufgefallen, bis ihn am Morgen die Blase drückte. Er hat auch zum ersten Mal auf dieser Bank geschlafen, auf der noch seine alten Zeitungen umherliegen, und weiß von nichts.
Ich glaube ihm, denn zu mehr, als von den Reportern ein paar Dollar für Schnaps zu schnorren, reicht es bei ihm nicht. Seine Hände flattern, in seinem Bart zuckt es.
Wenn er nicht bald etwas Hochprozentiges trinken kann, wird er eine Gratisvorstellung mit weißen Mäusen und blauen Elefanten und ähnlichen Erscheinungen erleben. Ich sage ihm, er soll seine Aussagen in unserem Einsatzwagen - der auch ein Kleinbüro enthält - zu Protokoll geben und hinterlassen, wo man ihn auftreiben kann.
»Aber nur bei offener Tür und laufendem Ventilator«, sagt Detective Riley, der mit seinem Kollegen Einsatz macht.
Der Wagen enthält das Kleinbüro mit Schreibmaschine, ein Funktelefon. Ein Minilabor, in dem meistens gerade das fehlt, was man am dringendsten braucht, und eine Menge Werkzeuge in Koffern und Kästen. Ferner Scheinwerfer, die ihren Strom von einem Generator erhalten, den der Motor antreiben kann, und etliche andere Gerätschaften.
Alles fein säuberlich und platzsparend verstaut.
Ich tippe an die Hutkrempe und will zu meinem Wagen gehen. Aber die Reporter hängen an mir wie die Kletten. Sie bombardieren mich mit Fragen. Ob ich den Fall selbst bearbeite, ob ich einen Verdacht habe, was ich davon halte und so weiter und so fort.
»Gentlemen«, sage ich freundlich, »warten Sie auf das nächste Pressebulletin des Morddezernats. Oder gehen Sie einfach zu einem Hellseher. Er kann Ihnen mehr sagen als ich.«
Ich zwänge mich in meinen Buick. McLane, der hinter mir hergetrabt ist, spielt den Taubstummen, als die Reporter ihn fragen. Er steigt auf der Beifahrerseite ein, und ich starte und fahre auf die Transverse Road, die quer durch den Park führt.
Zweihundert Yards weiter stoppe ich in einer Parkbucht. Vögel zwitschern, überall sehe ich frisches Grün. Auf dem See, der The Lake heißt, schwimmen Schwäne. Alte Leute füttern sie. Um diese Zeit wirkt der Central Park so friedlich, dass man gar nicht glauben kann, dass hier nach Einbruch der Dunkelheit böse Buben lauern, die schon für fünf Dollar bereit sind, einem Passanten den Schädel einzuschlagen.
Der Central Park gehört noch zu meinem Bezirk. Ich weiß, was hier alles vorgeht. Ich nehme das Funkmikro aus der Halterung und rufe die Zentrale. Zwei Minuten später weiß ich, wo sich das Hauptquartier der Maha-Rah-Sekte befindet.