Читать книгу 11 knallharte Krimis: Krimi Paket - Pete Hackett - Страница 44

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Wir werden der Ehre teilhaftig, mit Chang Moo zu sprechen. Dem großen Maha Rah, wie ihn seine Anhänger nennen. Er sitzt, im Lotossitz natürlich, in einem großen Dachzimmer, dessen Wände goldgelb gestrichen sind. Ich glaube, ich bin in ein Omelett geraten.

Bastmatten bedecken den Boden, Tuschezeichnungen hängen an den Wänden. Von der Decke baumelt ein Mobile. Es riecht nach Räucherstäbchen. Ein bulliger, stiernackiger Typ mit zusammengewachsenen Augenbrauen schlägt einen Gong, als wir eintreten.

Hier gibt es auch Türen. Kein Wunder, das ist ja auch der Raum des Meisters. Als der Gongschlag verhallt ist, verschränkt der Stiernackige, der ebenfalls die hier übliche gelbe Kutte trägt, die Arme vor der Brust.

Die Kuttenärmel verrutschen, und ich sehe eine Tätowierung, die eine nackte Frau und einen Anker darstellt. Der Stiernackige hat Unterarme, wie sie der Würger von Boston auch nicht muskulöser besaß. Seinem Gesicht sieht man weniger die Erleuchtung an, als vielmehr die aktive Teilnahme an ein paar Dutzend wüsten Schlägereien.

Ich zeige meinen Dienstausweis und muss eine Weile warten, bis Chang Moo geruht, die Augen aufzuschlagen. Er betrachtet den Ausweis vor seiner Nase und gibt sich völlig versunken. Er ist siebenundzwanzig, das weiß ich noch von der Fernsehsendung, er kam vor drei Jahren aus Seoul in die Staaten, weil er in Korea keinen Blumentopf gewinnen konnte mit seinen Lehren.

Blumentöpfe hat er immer noch nicht gewonnen, aber immerhin ein paar fette Bankkonten im Ausland, ein Apartment in einem Hochhauspalast an der Fifth Avenue, dort wo sie am teuersten ist, einen Privatjet, einen Cadillac, einen Mercedes Roadster, einen Maserati Ghibli und noch ein paar andere Spielzeuge.

Das alles haben ihm seine Anhänger zusammengebettelt. Und sie betteln Tag für Tag weiter, hauptsächlich in Manhattan, aber auch im übrigen New York und außerhalb.

Chang Moo ist ziemlich fett, und wirkt ölig, obwohl er keine Haare auf dem Kopf hat. Seine Augen sind klein und funkeln schlau. Seine Ohren weisen die Größe von Topfhenkeln auf. Er erhebt sich nun, und ich stelle fest, dass ich ihn fast um einen Kopf überrage. Dafür misst er um die Leibesmitte herum wesentlich mehr als ich.

»Sie wünschen, Lieutenant?«, fragt er in akzentfreiem Englisch.

Ich erkläre es ihm knapp. Er versucht, ein bekümmertes Gesicht zu ziehen. Aber ich bin ein Fachmann, und ich merke meistens, wenn mir einer was vormachen will. Der Tod des Jungen berührt ihn innerlich nicht mehr, als mich die Wahl des Mister Schottenrock.

»Der arme Rando«, sagt er. »Er hatte gute Anlagen. Wäre er noch eine Weile auf dem Pfad der Erleuchtung vorangeschritten ...« Er seufzt schwer. »Haben Sie einen Verdacht, wer ihn ermordet haben könnte, Lieutenant?«

»Ich bin hier, um Sie zu fragen«, antworte ich. »Also, dann machen wir mal das Spielchen. Was hatte Tommy Donnell oder Connell im Central Park verloren, nach Mitternacht? Da hätte er doch hier seine Bastmatte abhorchen sollen. Haben Sie ihn hingeschickt, Chang Moo?«

»Ich? Nein. In den Veden steht, dass der Erleuchtungssuchende um diese Zeit ruhen soll. Wir gehen hier um halb neun zu Bett und stehen um vier Uhr morgens auf, manchmal schon bei Sonnenaufgang.«

»Pfui Teufel!«, fährt es mir heraus, denn ich bin kein Frühaufsteher. »Hatte dieser Junge Feinde? Haben Sie eine Ahnung, was er um diese Zeit im Central Park zu suchen hatte?«

»Von Feinden weiß ich nichts. Ich kann es mir nur so erklären, dass ihn sein Karma hingetrieben hat.«

»Sein ... was?«

Chang Moo erklärt mir, was ein Karma ist. Ich kann seinen Ausführungen nicht ganz folgen. Er erzählt mir, dass Tommy Donnell oder Connell in einem früheren Leben böse Taten begangen hat, und dass sein Geist daher nicht die Reinheit erlangen durfte. Deshalb ging er, so Chang Moo, in den Central Park und starb, beraubte sich der Chance, die Chang Moo’s Lehre ihm bot.

Eines ist mir klar. Dieser Komiker will mich auf den Arm nehmen. Ich hole einen Zigarillo aus dem Etui, aber da fängt er an zu zetern und ringt die Hände. Ich lasse den Zigarillo unangezündet im Mund, denn die Nerven, die mir Chang Moo mit seinem Theater raubt, kann mir das Nikotin nicht wiedergeben.

Nun werde ich dienstlich. Ich verlange, seinen Ausweis und seine Aufenthaltsbewilligung zu sehen. Er führt McLane und mich in ein Nebenzimmer. Der Urtyp mit den zusammengewachsenen Augenbrauen und dem Nussknackerkinn folgt uns auf dem Fuße.

Ich kann einen Gangster erkennen, wenn ich einen sehe, und wenn er sich als Osterhase verkleidet. Und der Vierschrötige ist ein Gangster, oder ich will wieder Streife gehen.

Chang Moo öffnet eine Schublade und zeigt uns seine Papiere. In der großen Truhenschublade liegen Ausweise in rauen Mengen. Von jungen Männern und Mädchen.

Ich frage ihn deshalb.

»Die Papiere meiner Anhänger«, sagt er. »Sie werden hier aufbewahrt.«

»Wie praktisch«, sage ich. »Wenn einer seinen Ausweis sucht, braucht er nur einen Bulldozer, um all das hier durchzuwühlen, und ein oder zwei Tage Geduld. Schon hat er ihn gefunden.«

»Um solch profane weltliche Dinge kümmern wir uns nicht«, sagt Chang Moo und winkt ab. Er öffnet eine andere Schublade, eine zweite, dritte. »Das hier sind Schreiben von allen möglichen Stellen, auch von Behörden.«

Die Schubladen sind vollgeschichtet mit Papieren. Aber nicht etwa gebündelt und geordnet, sondern alles liegt gerade so, wie es eben reingesteckt wurde. Der Papierwust auf meinem Schreibtisch ist ein Muster an Ordnung dagegen. So etwas wie das hier habe ich überhaupt noch nicht gesehen.

»Finden Sie da überhaupt noch durch?«, kann ich mir nicht verkneifen zu fragen.

»Wer wirklich etwas von uns will, meldet sich schon irgendwann persönlich«, antwortet Chang Moo.

Allmählich begreife ich, wie er seine Reichtümer ansammeln konnte. Das Finanzamt wird seine Freude an ihm haben. Allmählich begreife ich auch den Sinn der spärlichen Möblierung. Der gewiefteste Gerichtsvollzieher müsste hier mit Tränen in den Augen wieder abziehen.

Diesem Chang Moo kann man nicht einmal ein Haar ausrupfen.

Ich überlege mir, wie ich ihn kriege. Aber dazu bedarf es einiger Vorbereitungen. Wenn ich mit ihm herumschreie, zieht er nur ein dummes Gesicht, faselt seine Sprüche und grinst sich eins. Aber ich kriege ihn schon dahin, wo ich ihn haben will. Milo Baldy hat schon Burschen gefangen, die so glatt waren, dass sie an einem Fleischerhaken hinunterrutschen konnten.

Ich zeige mein schönstes Lächeln, während McLane konsterniert dreinschaut. Dann lasse ich Chang Moo den Ausweis des Toten aus dem Durcheinander heraussuchen, was seine Zeit dauert. Ich studiere den Ausweis. Der Knabe darauf hat langes Haar und überhaupt wenig Ähnlichkeit mit dem Toten im Central Park. Aber das ist nicht verwunderlich. Als Anschrift ist auf dem Ausweis eine Upper East Side Adresse angegeben.

Wohl die Wohnung der Eltern. Das wird zu überprüfen sein.

Der Junge auf dem Bild heißt Thomas Eugene Donnell und ist siebzehn Jahre alt. Viel zu jung, um zu sterben. Aber bei Chang Moo auf die Tränendrüsen zu drücken, ist sinnlos. Genauso gut könnte ich einer Steinfigur auf die Hühneraugen treten.

Ich stelle noch ein paar Routinefragen, die Chang Moo alle negativ beantwortet. Er weiß nichts Näheres über Tommy Donnell, von seinen Jüngern kann auch keiner was wissen. Über Donnells Familie, Bekanntschaften und mögliche Feinde ist er nicht informiert.

Als ich ihn noch einmal frage, ob er sich ein Motiv für den Mord vorstellen kann, erzählt er mir wieder vom Karma. McLane will etwas sagen, lässt es dann aber.

»Das Karma also«, spotte ich. »Das ist wohl kaum strafrechtlich zu belangen.«

»Bei manchen Menschen kann ich es erkennen«, murmelt Chang Moo.

»So? Bei mir etwa auch?«

In seinen Augen blitzt es auf, und ich merke, dass ich ihm in die Falle gegangen bin.

»Gerade bei Ihnen, Lieutenant. Ich weiß, was Sie in Ihrem früheren Leben waren.«

Ich frage ihn nicht. Den Gefallen tue ich ihm nicht. Aber es hilft nichts, er sagt es mir auch so.

»Sie müssen ein Bettelmönch gewesen sein, der vom rechten Weg abirrte und verschiedenen Lastern verfiel.«

Jetzt zünde ich mir doch mein Zigarillo an, und wenn es ihn zerreißt. Er verzieht aber nur das Gesicht und verdreht die Augen. Da öffnet sich die Tür zur Rechten, und ein berückendes weibliches Wesen tritt ins Zimmer.

Die Schöne trägt einen hautengen Hosenanzug, der sich an eine Figur schmiegt, die jeden Filmstar neidisch machen könnte. Sie hat wasserstoffblondes, toupiertes Haar und macarafarbenen Lidschatten. Ihr Gesicht ist geschminkt wie bei einer Diva der Dreißiger Jahre.

Aber sehr reizvoll, wenn man Blondinen mit Katzenblick mag.

Sie mustert uns, dann flötet sie: »Oh, Chang, Darling, ich wusste nicht, dass du Besuch hast. Willst du mich den Herren nicht vorstellen?«

Einen Büstenhalter trägt sie jedenfalls nicht, und ihre Oberweite übertrifft glatt doppelt D. Viel älter als Anfang Zwanzig kann der blonde Vamp nicht sein. Solche Frauen rangieren oberhalb meiner Gehaltsklasse, denn ich weiß, dass sie nur auf dicke Brieftaschen ansprechen.

»Das ist Susan Benton«, sagt Chang Moo unfreundlich. »Susan, Lieutenant Baldy vom Morddezernat und Detective ...«

»McLane«, sagt McLane. »Gehören Sie zu Chang Moos Anhängern?«

Bei Frauen kriegt er den Mund anscheinend doch auf.

»Oh nein«, flötet die blondierte Susan mit der großen Oberweite. »So weit habe ich es noch nicht gebracht. Aber ich studiere Changs Lehren eifrig. Er ist ja sooo ein interessanter Mann.«

»Zweifellos«, sage ich. »Kannten Sie vielleicht einen jungen Maha Rah namens Tommy Donnell?«

»Nein, jedenfalls nicht dem Namen nach.« Sie kichert. »Diese kahlköpfigen Jungens und Mädels sehen für mich alle gleich aus, das muss ich zu meiner Schande gestehen. Ist etwas nicht in Ordnung mit diesem Tommy Donnell?«

»Wie man’s nimmt. Er ist heute Nacht zwischen zwölf und ein Uhr im Central Park ermordet worden.«

»Oh, das ist ja ganz entsetzlich. Der arme Junge.«

Sie spitzt die Lippen zu einem Mündchen und macht Kulleraugen. Ich lächle und blase genüsslich eine Rauchwolke in Chang Moos Gesicht.

»Miss Benton«, sage ich, »Sie sollten zum Film gehen. Sie hätten eine große Karriere als Naive vor sich. Ich darf mich jetzt verabschieden. Sie hören noch von mir.«

Ich gehe, und McLane folgt mir wie ein Hündchen. So naiv, wie sich Susan Benton stellt, kann ein New Yorker Girl gar nicht sein. Bevor ich hinaus ins Treppenhaus gehe, werfe ich noch einmal einen Blick über die Schulter. Der Vierschrötige, der während der ganzen Zeit kein Wort gesagt hat, steht in der Verbindungstür zwischen den zwei Zimmern, die er so ziemlich ausfüllt.

Er grinst, so wie ein Gangster eben grinst, wenn er damit sagen will: Na, Bulle, dir haben wir es gegeben. Ich mache mich davon aus dem Bau, in dem jeder glaubt, dass er mich verschaukeln kann. Es gibt ein altes Sprichwort, das zwar nicht aus dem Griechischen stammt, aber trotzdem einen hohen Wahrheitsgehalt besitzt.

Es heißt: Die schlimmste Form des Hochmuts ist die Demut.

Daran denke ich jetzt.

11 knallharte Krimis: Krimi Paket

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