Читать книгу 11 knallharte Krimis: Krimi Paket - Pete Hackett - Страница 53
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ОглавлениеBei dem schönen Wetter sind die Maha Rah anscheinend alle ausgeflogen. Sie tummeln sich in den Parks und in den Ausflugsgebieten nahe der Stadt, machen Katzenmusik und halten das Bettelhändchen offen. Die Einfahrt zum Hof des dreistöckigen Hauses, in dem das Gros der Maha-Rah-Anhänger wohnt, ist mit einem Gitter versperrt.
McLane und ich steigen aus, und ich läute am Vordereingang und betätige den Türklopfer. Ich imitiere das Seegefecht an der Skagerak, zumindest was die Artillerieschießerei angeht. Sperrfeuer - Bummbummbumm. Ein schweres Geschütz - Wumm! Dann Reihenfeuer, das ab und zu von schweren Kalibern übertönt wird.
Als ich einen Schlachtkreuzer und drei Zerstörer versenkt habe, wird im ersten Stock ein Fenster geöffnet. Das hübsche Spiegelköpfchen schaut heraus, sichtlich ungehalten über die Störung. Ich ziehe höflich den Hut und lasse meine Jackettkronen in der Sonne blitzen.
»Ah, Miss Cauley. Einen wunderschönen guten Tag. Ist der verehrte Meister wohl zu Hause und ansprechbar?«
»Chang Moo ist nicht hier. Ich bin allein.«
»Macht nichts, macht nichts. Ihre reizende Gegenwart genügt uns auch. Aber über eine Distanz von ein paar Metern Luftraum können wir schlecht plaudern.«
»Ich wüsste nicht, worüber wir zu reden hätten. Ich habe Ihnen nichts zu sagen.«
»Vielleicht doch. Sie wissen ja gar nicht, was ich will. Es sind Dinge vorgefallen, Dinge ... Sie werden staunen.«
»Worüber denn, zum Beispiel?«
Aber so dumm bin ich nicht, dass ich ihr hier im Freien, auf der Treppe stehend, von den Aktionen der Mafia gegen die Maha Rah erzähle. Ich spekuliere auf die weibliche Neugier, und ich behalte recht. Beatrice Cauleys hübscher Kahlkopf verschwindet, kurz darauf wird der Schlüssel im Schloss gedreht.
Sie öffnet uns und führt uns in den Empfangsraum der Sekte. Ein männlicher Kahlkopf ist damit beschäftigt, den Boden zu fegen.
»Ich denke, Sie wären allein?«, frage ich.
»Außer mir sind noch drei von den weniger Erleuchteten da«, antwortet sie. »Wir haben Arbeitsdienst. Ich war gerade dabei, unser Essen zuzubereiten.«
»Vielleicht können wir uns auch in der Küche unterhalten«, sage ich versöhnlich. »Wir möchten nicht, dass Ihr Essen kalt wird oder anbrennt.«
»Das ist nicht möglich. Wir leben streng vegetarisch. Heute Mittag gibt es das Lotosmenü.«
Das Lotosmenü ist eine Kaltmahlzeit, die aus Sojabohnen, ein paar Lotoskernen, allerlei Salaten und ein wenig Fruchtfleisch mit Curry besteht. Mein Gesicht wird lang, als ich das höre, und auch McLane schaut nicht gerade glücklich drein.
Wir erfahren, dass die Maha Rah sogar Salz und Zucker verabscheuen. Beatrice Cauley erzählt mir von Yin und Yang, den gegensätzlichen Bestandteilen des Essens, die ausgewogen sein müssen. Zu viel Yang verursacht Aufstoßen, Kopfschuppen und Hautjucken.
Ein paar Theorien der makrobiotischen Ernährung hat sich Chang Moo also auch zu eigen gemacht. Während wir im Empfangsraum herumstehen, dessen blau getünchte Wände unten mit Schilfmatten verkleidet sind, erzählt uns Miss Cauley noch allerlei.
Sie meint, Kriege und soziale Übelstände seien außer auf zu wenig Erleuchtung auch auf falsche Ernährung, insbesondere den Genuss von Fleisch zurückzuführen. Wenn die Politiker in Washington, in Moskau und in Peking auf Chang Moo hörten, wäre schon viel gewonnen.
»Wie halten die Maha Rah es denn mit Heroin und Marihuana?«, frage ich. »Im weiteren Sinne sind das doch auch pflanzliche Produkte.«
Diesen Verdacht weist sie entrüstet von sich. Rauschmittel jeglicher Art sind streng verboten. Schon der Genuss einer einzigen Zigarette zieht tagelange Reinigungszeremonien nach sich.
»Ich habe Hinweise erhalten, nach denen es Süchtige unter den Maha Rah geben soll«, sage ich und setzte mein Pokergesicht auf. »Oder halten Sie das für ausgeschlossen?«
Beatrice Cauley lächelte.
»Natürlich gibt es Süchtige unter den Maha Rah, sogar eine ganze Menge«, antwortet sie. »Aber es handelt sich um Süchtige, die geheilt oder auf dem Weg zur Heilung sind. Wir haben viel Zulauf von Fixern und Junkies, wie Sie sie nennen. Wenn sie sich erleuchten lassen und sich den Regeln zur Lebensführung unterwerfen, können wir ihnen helfen. Hundertprozentig. Andernfalls müssen wir sie leider wieder wegschicken.«
»Könnten sich unter den Maha Rah ein paar befinden, die sich hin und wieder eine Spritze setzen?«, frage ich. »Ich bin vielleicht nicht so erleuchtet wie Chang Moo, aber ich kenne die menschliche Natur und habe meine Erfahrungen mit Süchtigen. Ich kannte mal einen, der galt als geheilt und war ein großer Anhänger der Anti-Drogen-Organisation. Er hat sogar öffentliche Vorträge gehalten und andere bekehrt. Bis sich bei so einer Kampagne herausstellte, dass er selber heimlich spritzte.«
Beatrice Cauley seufzt bekümmert.
»Völlig auszuschließen ist es nicht, dass es Rückfälle gibt, wenn die Erleuchtung noch nicht weit genug fortgeschritten ist. Aber lange kann kein Maha Rah sein Laster verbergen. Wir schlafen nämlich alle zusammen in großen Schlafsälen und unternehmen alles gemeinsam. Nur beim Almosendienst sind manchmal welche von uns allein. Wir würden versuchen, einem Süchtigen zu helfen, und wenn es nicht gelingt, könnte er nicht bei uns bleiben.«
Wenn Beatrice Cauley mich anlügt, ist sie die beste Schauspielerin der Welt. Ich habe das Gefühl, sie glaubt wirklich, was sie mir da erzählt. Da ich ein neugieriger Mensch bin, frage ich, wie die >Goldene Lebensführung< der Maha Rah aussieht.
Was ich erfahre, lässt sogar mich staunen, und ich bin allerhand gewohnt. Um halb fünf steht der ganze Verein auf. Männlein und Weiblein schlafen in den Schlafsälen gemischt, aber Sex ist verpönt. Der existiert hier nicht. Die Maha Rah sind übrigens am ganzen Körper rasiert, wie ich nebenbei vernehme.
Bis sechs Uhr meditieren sie und leiern Veden herunter. Das sind Weihehymnen, die Chang Moo bei den Brahmanen und was weiß ich wo entlehnt und mit seinem eigenen Senf versehen hat. Die Maha Rah rutschen auf dem Boden herum und hüpfen bei diesen Morgenandachten.
Natürlich tragen sie dabei schon ihre Kutten.
Um sechs gibt es ein Schälchen mit Reis und Quellwasser zu trinken. Dann wird eine halbe Stunde aus dem Büchlein von Chang Moo vorgelesen, das jeder Maha Rah ständig in seinem Medizinbeutel mit sich führt. Danach finden sich bis acht Uhr Meditationsgruppen und andere Zirkel zusammen.
Um acht beginnt für die meisten der Almosendienst. Ihre Marschverpflegung, die nur aus Grünzeug besteht, nehmen die Maha Rah in Beuteln mit. Meines Erachtens wäre es einfacher, wenn sie im Central Park grasten. Aber ich verkneife mir diese Bemerkung, weil Miss Cauley sonst nicht mehr weitererzählen würde.
»Wollen Sie sich nicht setzen?«, fragt sie McLane und mich.
»Wo?«
»Auf die Matten natürlich.«
Sie nimmt den Lotossitz ein, und wir hocken uns nieder. Bequem ist es nicht und ziemlich hart obendrein. Ich fühle mich in die Kindheit zurückversetzt.
»Die Gruppen, die nicht am Almosendienst teilnehmen meditieren oder studieren die Veden und Weisheiten des Chang Moo und legen sie aus«, fährt Miss Cauley dann mit ihrer Erzählung über den Tagesablauf der Maha Rah fort. »Die Fortgeschrittenen, denen vom großen Maha Rah neue Namen verliehen wurden, führen die weniger Erleuchteten und stehen ihnen bei. Manchmal gibt der große Maha Rah selbst einer Gruppe die Ehre und verkündet weltbewegende Dinge, ach, was sage ich, Dinge von kosmischer Bedeutung. Die gesamte Wissenschaft der Welt ist nämlich nur Stückwerk. Chang Moo, der mit der Allseele eins ist, steht darüber.«
Dieser feiste Glatzkopf hat also den großen Durchblick. So glauben seine Anhänger wenigstens. Am Abend gibt es wieder ein vegetarisches Fräßchen, hören wir von Miss Cauley, und dann verzapft entweder Chang Moo, was ihm den Tag über an Weisheiten eingefallen ist, oder seine Anhänger üben Selbstkritik.
Anschließend machen alle konstruktive Vorschläge zur Verbesserung von Gott und der Welt, die von Chang Moo entweder anerkannt oder verworfen werden. Vor dem Schlafengehen gibt es eine halbe Stunde Freizeit, die von den meisten Maha Rah zum Meditieren und Diskutieren benutzt wird.
Um neun Uhr abends haut sich alles auf die Matte, und das Licht geht aus. Ein flottes Leben für junge Leute mitten in New York. Wenn mir einer, als ich Zwanzig war, erzählt hätte, ich sollte nur noch vegetarisch leben, den ganzen Tag dieses Vedenzeug lesen und kein Mädchen ansehen, dann hätte ich ihm beide Ohren abgerissen.
Ich frage Miss Cauley, was sie getrieben hat, bevor sie zu den Maha Rah stieß. Das College hat sie besucht und mit einer Abschlussnote von 1,8 beendet. Danach ein Semester Soziologie studiert. Dann fing sie an, am Sinn des menschlichen Lebens zu zweifeln, und jetzt ist sie hier bei Chang Moo.
Ich zweifle am Sinn des amerikanischen Colleges, wenn sie dort nicht mehr gelernt hat, als auf einen Windbeutel und Sprücheklopfer wie Chang Moo hereinzufallen.
»Dieser ermordete Junge, Tommy Donnell«, sage ich. »Warum, glauben Sie, musste er sterben?«
»Ich nehme an, er war noch nicht reif zur Erleuchtung. Sein Karma hat ihn in den Central Park geführt, wo sein Mörder lauerte.«
Gut, dass ich keine Haare mehr habe. Sie würden sich sonst aufstellen.
»Das sagt Chang Moo, ja?«
»Es sind die Worte des Meisters, und der Meister hat die Weisheit und das Wissen«, antwortet Beatrice Cauley ganz gelassen.
»Einen anderen Grund können Sie sich nicht vorstellen? Hatte Tommy Donnell enge Freunde unter den Maha Rah? Sie wollen doch bestimmt auch, dass sein Mörder gefasst und bestraft wird?«
»Es war Randos Schicksal.« Rando, das ist der Sektenname Tommy Donnells. »Wenn es seinem Mörder bestimmt ist, dass er gefasst und verurteilt wird, so wird es geschehen. Andernfalls können auch Sie es nicht ändern, Lieutenant.«
McLane hat einen Geistesblitz.
»Es kann uns doch bestimmt sein, dass wir ihn fassen«, sagte er. »Das können wir aber nicht, wenn wir keine Fragen stellen. Also, Miss Cauley?«
Beatrice Cauley zögert. Sie will etwas sagen. Da hören wir Stimmen an der Eingangstür. Sekunden später stürmt Andy Bullard herein, den Kopf gesenkt wie ein Stier beim Angriff. Er baut sich vor uns auf und blafft los.
»Habt ihr Bullen einen Haussuchungsbefehl?«
»Wir sind auch ohne hereingebeten worden«, antworte ich.
Bullard weist mit dem Daumen zur Tür.
»Raus!«, blafft er.
»Nicht so schnell, Freund Ando«, antworte ich. »Du hast ein viel zu langes Vorstrafenregister, um beim guten Lieutenant Baldy eine so dicke Lippe zu riskieren. Bei euch geht allerhand vor, Freunde. Die Mafia ist hinter euch her.« Ich zähle an den Fingern ab. »Der Tod von Tommy Donnell, die Schlägerei in der Grand Central und der Überfall in der »Alhambra Galerie«. Was treibt denn euer Verein, was der Mafia nicht passt?«
Bullard ist wütend. Für ihn bin ich das Gleiche, wie das rote Tuch für den Stier. Er mag keine Polizisten.
»Was geht mich die Mafia an?«, fragt er aggressiv. »Die Mafiakiller solltet ihr verhaften, statt unschuldige Maha Rah einzusperren. Aber das tut ihr nicht, weil ihr allesamt bestochen seid, ihr Bullen.«
Ich gehe zu ihm hin und tätschele ihm die Wange. Wenn er mir jetzt eine langt, ist das ein Fest für mich. Dann gebe ich sie ihm erst doppelt zurück, und dann loche ich ihn wegen Körperverletzung und Angriff auf einen Beamten im Dienst ein. Er ist dann aus dem Verkehr gezogen, und vielleicht kriegen wir etwas aus ihm heraus, wenn wir es richtig anfangen.
Kerle wie Bullard verplappern sich leicht, wenn man sie provoziert und wütend macht. Ich weiß, wie ich meine Kunden zu nehmen habe. Von mir aus könnte Bullard die Möbel im Verhörraum ruhig durcheinanderquirlen.
Aber er tut mir den Gefallen nicht. Nicht einmal mein Grinsen bringt ihn genügend in Rage. Es fällt ihm schwer; ich sehe, wie seine Schläfenadern schwellen. Er keucht wie nach einem Marathonlauf.
»Irgendwie müssen wir schließlich über die Runden kommen bei der schlechten Finanzlage der Stadt New York«, sage ich zu Andy Bullard. »Wenn du dich unbedingt mit der Mafia herumschlagen willst, von mir aus. Ich werde dir keine Träne nachweinen. Du kennst dich doch in Unterweltkreisen aus?«
Er antwortet nicht. Seine Pupillen starren, als wollte er damit hunderttausend Volt auf mich schleudern.
»Dann ist der Name Stiletto Scasi dir bestimmt ein Begriff«, fahre ich fort. »Stiletto ist auf die Maha Rah angesetzt. Einen Toten mit einem Stilettstich im Herzen habt ihr bereits. Willst du der nächste sein?«
»Stiletto soll mir nur nicht in die Quere kommen«, brummt er wütend. »Ich mach Kleinholz aus ihm. Diesem Schwein verpasse ich einen Kopfschuss.«
Er schweigt, als hätte er schon zu viel gesagt. Er gerät leicht durcheinander, macht Fehler.
Ein kleiner Trick aus Milo Baldys Kiste. »Wenn ich einen von der Mafia mit Kopfschuss finde, weiß ich, wo ich zu fragen habe«, sage ich. »Ciao, Andy. Wir sehen uns nochmal wieder. Präg dir nur all diese Erbauungs- und Meditationsübungen gut ein, damit du was zu tun hast in der Zelle.«
Er beißt sich auf die Unterlippe. Wenn er könnte, wie er wollte, hätte er mich schon am Kragen. Nicht, dass ich mich davor fürchte. Ich bin schon mit anderen fertiggeworden. Ich musste es, obwohl ich nie Streit gesucht habe.
Weggelaufen bin ich aber auch nie.
»Verdammter Glatzkopf!«, sagt er. »Du glaubst, du kannst mich reinlegen, was? Da hast du dich aber mächtig geschnitten. Du hast keinen Haussuchungsbefehl. Ich vertrete Chang Moo, wenn er nicht da ist, habe also das Hausrecht. Wenn du nicht sofort verschwindest mit dem blonden Käsegesicht da, reicht unser Anwalt eine Klage wegen Hausfriedensbruch ein.«
Das traue ich Andy Bullard und seinem Boss Chang Moo glatt zu. Erfahren kann ich hier ohnehin nichts mehr. Ich gebe McLane einen Wink und gehe zur Tür. Dort drehe ich mich noch einmal um und deute mit dem ausgestreckten Finger auf Bullard.
»Dein Kredit bei mir ist hiermit erschöpft, Bullard. Wir vom Morddezernat sind unbestechlich, schreib dir das hinter die Ohren. So viel Geld gibt es überhaupt nicht, dass uns einer dafür kaufen kann. Nicht die Mafia, nicht die Regierung, nicht einmal der liebe Gott. Unser Job ist es, Kapitalverbrechen aufzuklären, und das tun wir. Ohne Rücksicht auf die Person, auf Rang und Namen. Den Glatzkopf will ich für heute vergessen. Aber wenn du mir noch einmal auffällst, und wenn du nur auf die Straße spuckst, dann loche ich dich ein, klar?«
Er weicht meinem Blick aus. Mit Kerlen wie ihm muss man so reden. Wenn sie nicht straff an die Kette gelegt werden, trampeln sie bald auf einem herum.
Mein Abgang war bühnenreif. McLane folgt mir still und bescheiden.