Читать книгу 11 knallharte Krimis: Krimi Paket - Pete Hackett - Страница 46
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Wir fahren zur Grand Central Station, McLane sitzt neben mir in der Spesenkutsche, wie ich meinen Wagen manchmal nenne. Das Radio dudelt den neuesten Hit dieser grünäugigen, rothaarigen Katze, die sich Samantha nennt. Ihre Stimme hat ein Timbre, das mir in die Poren eindringt.
McLane schaut eher kläglich drein. Aber das kann am Essen im Variety Luncheonette liegen, dem Stammimbiss unseres Dezernats. Weshalb wir dort eigentlich essen, weiß ich nicht genau. Vielleicht, weil das Essen im Luncheonette immer wieder ein Gesprächsthema hergibt.
Wenn jemand Potter fragt, wie es dort schmeckt, antwortet er treuherzig: »Übergeben habe ich mich bisher noch nicht.«
Die Straßen Manhattans fangen an, verstopft zu werden, denn viele Arbeiter und Angestellte haben am Freitag schon um die Mittagszeit Schluss. Was zur Rushhour los sein wird, daran mag ich gar nicht denken.
Bei der Grand Central Station stelle ich meinen Buick auf den Parkplatz, der den Angestellten der U-Bahn-Linien vorbehalten ist, und dort auf die reservierte Parkfläche eines hohen Tieres aus der Verwaltung. Der Parkplatzwächter schießt heran, um mich auf meinen Frevel aufmerksam zu machen.
Freundlich lächelnd zeige ich ihm meinen Dienstausweis. Missbilligend schniefend zieht er ab. Die Sonne strahlt noch immer vom Himmel, an dem nur einige weiße Wattebauschwolken dahintreiben.
In der Grand Central Station geht es schon turbulent her. Jährlich werden hier mehr Passagiere durchgeschleust, als die USA Einwohner haben. Ich gehe schnurstracks zur Wache der Transit Authority, der U-Bahn-Polizei.
Die drei großen U-Bahn-Gesellschaften IRT, IND und BMT unterhalten eine eigene Polizeitruppe, die auf den Bahnhöfen und in den Zügen für Ordnung sorgen soll. Die Transit Authority besteht zum großen Teil aus pensionierten Polizisten und Ex-Soldaten. Diese Leute sind keineswegs so alt, wie sich das vielleicht anhört.
Mit siebzehn Jahren kann sich ein Junge zur Army melden. Wenn er als Berufssoldat zwanzig Jahre hinter sich hat, mit siebenunddreißig also, kriegt er eine ganz ordentliche Pension. Als Polizist ist er vielleicht zwei Jahre später dran, weil die Zeit der Ausbildung nicht mitgerechnet wird bei den aktiven Dienstjahren.
Wir erscheinen gerade rechtzeitig in der Station, um ein tolles Spektakel mitzuerleben. Sechs Maha-Rah-Anhänger mit gelben Kutten, alle mehr oder minder lädiert und verpflastert, und zwei bullige Schlägertypen müssen von den Subway Cops auseinandergehalten werden.
Sie waren alle beim Notarzt, der eine Weile brauchte, um sie zu verpflastern. Jetzt soll ein Protokoll aufgenommen werden. Auf den Wartebänken sitzen noch weitere Aspiranten, die aber mit der Schlägerei nichts zu tun haben. Ein paar davon tragen Handschellen.
In der Station der Subway Cops trifft man alle möglichen Typen. Vom geschniegelten schwarzen Zuhälter mit lila Samtjackett und Schuhen mit zehn Zentimeter Plateausohlen bis zum verkommenen alten Tramp im löchrigen Mantel reicht die Skala, von der Zwei-Dollar-Nutte bis zum nerzmanteltragenden Lockvogel eines Trickdiebs.
Heute bestreiten die Maha Rahs die Show. Sie tragen Tamburine, Glöckchen und kleine Flöten bei sich. Vier haben große Beulen auf den kahlen Köpfchen, zwei blaue Augen, zwei andere dicke Lippen und einer eine Platzwunde, die genäht werden musste.
Die Schläger haben weniger abgekriegt, sie sind schließlich Profis. Einen von ihnen kenne ich. Es ist Pinkus Marston, der Kleine Pinkus, wie er von seinen Bekannten genannt wird. Pinkus ist einsfünfundfünfzig groß und fast ebenso breit. Er hat krauses schwarzes Haar, eine platte Nase und Unterarme wie Keulen.
Er hat mal geboxt, ist aber nie über die drittklassigen Klubs hinausgelangt. Jetzt lebt er von Gelegenheitsarbeiten, ab und zu mal einen Tag Arbeit in den Großmarkthallen und dergleichen. Wenn man ihm zehn Dollar gibt, schlägt Pinkus sogar dem Bürgermeister von New York eine rein.
Das bisschen Hirn, das ihm nach seiner >Boxkarriere< geblieben ist, hat er längst in Schnaps ersäuft.
Pinkus gebärdet sich wild und will über die Barriere klettern, die ihn von den Kuttenkahlköpfen trennt. Ich begrüße kurz den Sergeanten der Subway Cops, der hier die Leitung hat, und wende mich dann an Pinkus.
»Hallo, Pinkus«, sage ich. »Weshalb bist du denn hier? Du wirst doch nicht diese netten Spiegelköpfchen da verprügelt haben? Pinkus, Pinkus, das sind Friedenstauben. Und wer tut denn einer Friedenstaube etwas?«
»Hinterhältige Scheißer sind das!«, schreit er und spuckt auf den Boden.
Mit vereinten Kräften gelingt es uns, ihn etwas zu beruhigen und in ein Nebenzimmer zu bugsieren. Ich will mich mit ihm unterhalten. McLane, der Schweigsame, ist bei mir. Pinkus sitzt auf einem Stuhl und schnauft durch die platt geschlagene Nase. Ich hocke mich auf die Schreibtischkante.
Durch einen Lüftungsschacht dringt der Lärm von an- und abfahrenden Zügen. Hundertzwanzig Gleise hat Grand Central, auf zwei unterirdischen Etagen verteilt. Es dröhnt, rauscht und zischt, manchmal müssen wir fast schreien.
»Also, Pinkus, heraus mit der Sprache!«, sage ich. »Wer hat dich angestiftet, die Spiegelköpfe zu verdreschen? Und wie viel hast du dafür erhalten?«
»Keiner«, brummt er und schaut auf einen Fleck an der Wand. »Weiß nischt. Ich kann diese gelben Kutten nun mal nicht leiden. Die wirken auf mich, wie das rote Tuch auf den Stier.«
»Und du hattest fünf Gleichgesinnte bei dir, die ebenfalls von der gelben Farbe gereizt werden? Rein zufällig?« Ich habe den Hut abgesetzt, und ich klopfe auf meinen kahlen Schädel. »Was glaubst du, was ich hier drinnen habe? Ein feuchtes Käsebrötchen?«
Er sagt nichts und stiert vor sich hin.
»Hör mal, Pinkus«, sage ich, »an dir bin ich nicht interessiert. Wenn du deinen Mund aufmachst, lege ich ein Wort für dich ein, und du erhältst vom Schnellrichter nicht allzu viel aufgebrummt. Dass du genug Vorstrafen auf der Latte hast, weißt du ja. Und du weißt auch, dass du bei deinen einschlägigen Vorstrafen wegen Schlägereien leicht für ein paar Monate in den Knast wandern kannst.«
Er brummt etwas Unverständliches. Ich zeige ihm mein Chronometer mit Stoppuhr und drücke deren Knopf.
»Du hast zwei Minuten, Pinkus. Die Zeit läuft. Wenn du nicht reden willst, frage ich deinen Kumpel. Und wenn er auch den Stummen spielt, erfahre ich irgendwo anders, was ich wissen will. Du kannst also nur gewinnen. Aber wenn du reden willst, lüg mich nicht an. Bei dir merke ich das nämlich.«
Pinkus glaubt mir. Er leckt sich ein paarmal über die Lippen, polkt in der Nase und zupft an seinem rechten Blumenkohlohr. Endlich bringt er es doch heraus.
»Du sagst aber nicht, dass du es von mir weißt, Baldy, verstanden? Lass dir irgendetwas anderes einfallen.«
»Ehrensache, Pinkus.«
Der kleine bullige Schläger fletscht die miserablen Zähne, die ihm die Wohlfahrt gestiftet hat. Sie sehen aus, als stammten sie vom Schrotthändler.
»Da war ’ne Type von der Mafia«, sagt er. »Gab uns Geld und sagte, wir sollten die Gelbfräcke verkloppen, die sich immer hier in der Grand Central rumtreiben und die Leute anbetteln. Das gehört sich nicht, hat er gesagt, und muss unterbunden werden.«
»Wie rücksichtsvoll von der Mafia!«, spotte ich. »Daraus wird noch eine gemeinnützige Organisation. Kennst du den Namen des Mannes, der euch angeheuert hat, Pinkus? Und wo lief das überhaupt?«
»Weiß nich, wie er heißt. Quatschte Bullfrog Fred und mich in Sollys Kneipe an.«
Sollys Kneipe ist ein Bums, in den ich, wenn überhaupt, nur mit zehn Mann Begleitung und einer Maschinenpistole reingehe. Nicht, weil ich feige bin. Aber ein vernünftiger Mensch springt ja auch nicht in einen Swimmingpool voller Piranhas, um seinen Mut zu beweisen.
Oder gurgelt mit Salzsäure.
In dieser Stadt gibt es nun mal Orte, die ein Cop allein nicht aufsuchen kann, wenn er am Leben und gesund bleiben will.
In Sollys Kneipe erfahre ich nichts, so viel ist klar. Ich frage Pinkus, wie der Mafia-Mann aussah. Er erzählt mir, dass er einen cremefarbenen Anzug und einen hellen Hut mit schwarzem Band trug. Und spitze Slipper, hellbeige und grau.
Pinkus sagt, er habe diesen Mann zum ersten Mal gesehen. Es kann sogar stimmen. Um den Schlägertyp anzuheuern, hat die Mafia gewiss keinen geschickt, der in Sollys Kneipe bekannt ist. Ich weiß auch, dass es keinen Zweck hat, nach diesem Modelaffen zu fahnden.
Selbst wenn wir ihn wider Erwarten fänden, würde ihn keiner identifizieren. Pinkus am allerwenigsten. Immerhin weiß ich jetzt, dass die Mafia etwas gegen die Maha-Rah-Anhänger hat. Fragt sich nur, welche Familie oder Abteilung der Mafia, und aus welchem Grund.
Je tiefer ich in diesen Fall eindringe, umso fauler wird die ganze Sache. Weil sie sich durch das Betteln gestört fühlt, ist die Mafia bestimmt nicht sauer auf die Maha Rah. Da muss es andere, triftigere Gründe geben.
Eine Frage habe ich noch an Pinkus.
»Woher weißt du eigentlich, dass der Mann, der euch anheuerte, zur Mafia gehörte, wenn du ihn nie zuvor gesehen hast und seinen Namen nicht kennst? Hatte er vielleicht ein Schild um den Hals oder einen Mitgliedsausweis?«
Pinkus schaut mich an, wie der schlaue alte Hecht den Plastikwurm.
»Ehrlich, Baldy, hältst du mich für blöd oder was? Ich sah doch, wie dieser pomadige Knilch in Sollys Kneipe behandelt wurde, sogar von Solly selbst. Es spurteten alle nur so um ihn rum. Er war angemeldet worden, sie wussten, wen sie vor sich hatten. Außerdem deutete er selber an, dass wir der Ehrenwerten Gesellschaft einen Gefallen täten. Ich verkehre jetzt seit beinahe dreißig Jahren in diesen Kreisen. Glaubst du, ich kenne einen Mafioso nicht, wenn ich einen sehe?«
Pinkus ist ernsthaft beleidigt. Dass er so etwas wie Andeutungen überhaupt noch registriert, wundert mich. Er scheint doch noch etwas anderes als Rührei im Kopf zu haben. McLane hält mir die Tür auf, als wir das Zimmer verlassen. Das muss ich ihm auch noch abgewöhnen.