Читать книгу 11 knallharte Krimis: Krimi Paket - Pete Hackett - Страница 43
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Greenwich Village ist aus einem Dorf entstanden, und in mancher Hinsicht hat es sich seinen dörflichen Charakter erhalten. Hier gibt es nur vereinzelt Hochhäuser - im Kern des Village gar keine - und zumeist zwei und dreistöckige Backsteinbauten. Das Village ist das Eldorado der Künstler, der Individualisten und der Ausgeflippten.
Das Hauptquartier der Maha-Rah-Anhänger befindet sich in der 11th Street. Ich manövriere den Wagen durch die winkligen Gassen, die noch genauso verlaufen, wie damals die Grenzen zwischen den Bauernhöfen und zwischen Äckern und Gärten. Die Maha Rah wohnen in einem alten Herrschaftshaus mit einer schönen Torbogeneinfahrt. Im Hof vor dem großen dreistöckigen Backsteinhaus stehen zwei Kastanienbäume, jetzt in voller Blüte.
Unter diesen Bäumen haben sich weit über hundert kahlköpfige junge Leute in gelben Kutten versammelt. Sie hocken auf den Fersen am Boden, haben den Oberkörper zurückgelegt und schauen aus, als wollten sie die Wolken am Himmel verschlucken.
Jedenfalls sehen sie hinauf und saugen gewaltig die Luft ein. Ich lasse den Wagen kurz hinter der Einfahrt stehen und steige aus. McLane folgt mir. Wenn er mit mir zurechtkommen will, muss er sich seine schweigsame Art abgewöhnen. Ich habe immer das Gefühl, als hätte er seine Zunge verschluckt.
Vor den Gelbkitteln hockt ein Kahlkopf, der offenbar der Eintänzer ist. Oder der Übungsleiter, um es vornehmer auszudrücken. Jedenfalls demonstriert er, wie die andern zu atmen haben. Dabei gibt er langgezogene Laute von sich, die sich wie aaaaatmaaaannnn anhören.
Ich sehe mir das eine Weile an und tippe dem Spiegelköpfchen dann auf die Schulter. Es wendet den Kopf, und ich sehe, dass das Spiegelköpfchen eine Sie ist. Ein junges, zierliches, blauäugiges Mädchen.
Einen Moment bin ich geschockt, denn diese Art von oben ohne habe ich bisher noch bei keinem Girl gesehen.
Dann zeige ich meinen Dienstausweis.
»Ich bin Soma«, sagt das Girl, das immer noch im Lotossitz vor mir hockt. »Hat das nicht Zeit, Lieutenant? Ich leite eine Übungsgruppe.«
»Aha. Und was üben Sie, wenn ich fragen darf?«
»Wir versenken uns ins Nirwana. Wer diese Technik völlig beherrscht, kann genügend Kraft schöpfen, um aus dem Kreislauf der Wiedergeburten auszubrechen.«
Ich nicke.
»Leider muss ich aber trotzdem stören. Einem Maha Rah, den ich gerade im Central Park besichtigt habe, steht die nächste Wiedergeburt nämlich unmittelbar bevor. Oder auch nicht, je nachdem, wie weit seine Atemtechnik fortgeschritten war. Ich konnte es nicht feststellen, er atmete nämlich nicht mehr.«
Ihre blauen Augen werden groß und rund. Sie steht auf, während die anderen weiter ihre Zwerchfellatmung in Gruppen durchführen. Etwas außer Takt jetzt.
»Wie soll ich das verstehen?«, fragt das Girl, das bestimmt nicht mit seinem richtigen Namen Soma heißt.
»Er ist tot«, sage ich. »Ermordet. Der Doc sagt, es ist zwischen Mitternacht und ein Uhr früh passiert. Der Killer hat ihm ein Messer ins Herz gestoßen. Einmal. Profiarbeit.«
»Nein!«
»Doch!«
Ihr linkes Augenlid flattert. Einen Augenblick glaube ich, sie dreht durch. Aber dann bestimmt sie ganz ruhig einen Stellvertreter, der die Meditationsstunde weiterleiten soll. Sie führt uns zum Hintereingang des großen Hauses.
Es hat drei Stockwerke, ist würfelförmig und hat eine Länge von fast zwanzig Yards. In dem Walmdach gibt es an jeder Seite drei Gauben.
»Es muss Rando sein«, sagt sie, und es ist klar, dass sie von dem Toten spricht. »Ist er wirklich tot?«
Ich nicke.
»Hat dieser Rando auch einen bürgerlichen Namen?«, frage ich.
»Tommy«, antwortet sie. »Tommy Connell. Oder war es Donnell? Der große Maha Rah wird es wissen.« Sie mustert mich. Mein Tirolerhut sitzt keck auf dem Hinterkopf. Sie kann sehen, dass ich nicht mehr als eine Skalplocke darunter verbergen kann. »Meditieren Sie, Lieutenant?«, fragt sie.
Wegen meiner Glatze hält sie mich für einen Seelenverwandten. Ich muss sie enttäuschen.
»Nein«, sage ich. »Mir sind die Haare von selbst ausgegangen.«
Das Interesse in ihren Augen erlischt. Aber ein wenig Hoffnung ist da doch noch.
»Immerhin müssten Sie klüger und fortgeschrittener sein als der Durchschnitt«, sagt sie. »Die kosmischen Strahlen können direkt auf Ihr Gehirn einwirken. Sie sind nicht so, wie die anderen Cops und Detectives, die manchmal hier aufkreuzen. Oder wie die Leute von den Behörden. Gesundheitsamt, Finanzamt, was weiß ich noch alles. Sie stecken ihre Nasen in alles. Ob wir niemanden mit Gewalt hier festhalten, wollen sie wissen, ob die sanitären Einrichtungen den Vorschriften entsprechen, ob Steuern bezahlt werden. Als ob das für die geistige Erleuchtung maßgeblich wäre.«
»Auch der geistig Erleuchtete muss ab und zu auf den Lokus gehen«, sage ich. Da kann er sich anstellen, wie er will.« Sie zuckt so heftig zusammen, als hätte ich sie geschlagen. Mir wird dieses Spiel nun zu dumm. »Woher wissen Sie, dass der Tote dieser Tommy Connell oder Donnell ist?«, frage ich. »Und wie ist Ihr richtiger Name?«
»Tommy war der Einzige, der die Nacht nicht in unserem Heim verbracht hat!«, sagt sie. »Wir waren schon in Sorge. Ich hieß Beatrice Cauley, bevor ich erleuchtet wurde.«
»Schön, Miss Cauley. Ist der Boss zu Hause? Der Sektenhäuptling oder Oberon? Sie wissen schon, wen ich meine.« Jetzt bin ich ihr unsympathisch. Ihr Rückgrat wird so steif wie ein Ladebock.
»Der große Maha Rah hält Zwiesprache mit der Allseele«, sagt sie. »Ich weiß nicht, ob ich es verantworten kann, ihn zu stören.«
Jetzt ist es mir endgültig zu viel. Ich bin Lieutenant des Morddezernats und nicht hierhergefahren, um mir dieses Erleuchtungsgewäsch anzuhören. Ich will meinen Mordfall klären, und das möglichst schnell. Es liegen nämlich auch noch eine Menge anderer Fälle an. Ganz zu schweigen von dem Papierberg auf meinem Schreibtisch, der abgetragen werden muss. Sir Edmond Hilary hatte es gut. Er hat den Mount Everest einmal bezwungen, und damit war Ruhe, ich aber ärgere mich mit dem Papierberg alle paar Tage herum, und ich ernte keinen Ruhm dabei.
»Ich verantworte die Störung«, sage ich. »Holen Sie mir den großen Maha Rah, aber schnell. Sonst wird er bei uns im Dezernat Zwiesprache halten müssen, aber nicht mit der Allseele!«
Sie führt uns ins Haus in einen Warteraum mit kahlen weißen Wänden. Auf dem Boden liegen ein paar Strohmatten. »Sie können sich setzen«, sagt das hübsche Spiegelköpfchen und geht raus.
Eine Tür braucht sie nicht zu öffnen oder zu schließen. Es gibt nämlich keine. In diesem Haus existieren gar keine Türen, und die Flure und Wände sind in verschiedenen blassen Farben gehalten. So gut wie keine Einrichtung. Außer der Erleuchtung scheinen die Maha Rah nicht viel ihr eigen zu nennen.
Ich sehe McLane an, der mich anschaut, wie der ABC-Schütze die Lehrerin mit der Warze auf der Nase am ersten Schultag. Kostas, wie ich griechischer Abstammung, hätte jetzt eine sarkastische Bemerkung parat.
Bei Bobby Potter könnte ich mit einem faulen Witz rechnen. Selbst Firestone wüsste noch etwas. Aber McLane schweigt und schweigt. Armer McLane, du wirst es nicht leicht haben bei uns.