Читать книгу 11 knallharte Krimis: Krimi Paket - Pete Hackett - Страница 45
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Wir fahren zum Dezernat zurück, in mein Büro. Hier fange ich an, die Fäden zu ziehen. Halten Sie mich nicht für zu abgebrüht, aber Mordfälle sind für mich Routine. In New York haben wir jedes Jahr über tausend Morde. Zirka zweihundertfünfzig davon entfallen auf Manhattan. Und mehr als die Hälfte davon habe ich am Hals.
Dazu noch Selbstmorde, zweifelhafte Todesfälle und Unfälle. Überhaupt jedes unnatürliche Ableben. Wir können nicht über Beschäftigungsmangel klagen. Außerdem bearbeitet mein Dezernat noch andere Fälle von Kapitalverbrechen.
Manchmal geht es bei uns zu, wie in einem Taubenschlag oder in der Kommandozentrale der Alliierten am Tag der Invasion an der Normandie. Nur mit dem Unterschied, dass die Alliierten ein Ende absehen konnte, wenn die Operation erst einmal gelaufen war.
Bei uns gibt es ständig neue Fälle.
Einige dreißig Detectives habe ich zur Verfügung. Hundert wären noch zu wenig.
Ich rufe den Ermittlungsdienst an und gebe Tommy Donnells Personalien und seine Beschreibung durch. Dann rufe ich McLane und Firestone, der inzwischen im Squad Room eingetroffen ist, herein. Während ich ungeduldig auf den Bescheid vom Ermittlungsdienst warte, frage ich McLane nach seiner Meinung zu dem Fall.
Ganz sauber seien die Kutten der Maha Rahs nicht, meint er. Da ist er der gleichen Meinung wie ich. Der Ermittlungsdienst meldet sich und teilt mir mit, dass Tommy Donnell vor einem Dreivierteljahr wegen der Teilnahme an einer ungenehmigten Demonstration verhaftet worden sei.
Vorübergehend natürlich nur, eine Lappalie. Ich sage dem Heini vom Ermittlungsdienst, er soll mir sämtliche Unterlagen über die Maha-Rah-Sekte, über Chang Moo und eine gewisse Susan Benton schicken, die ich ihm nach der Erinnerung beschreibe. Dann gebe ich McLane eine Denkaufgabe: Er soll mir den Affen beschreiben, den wir bei Chang Moo sahen. Siehe da, die Beschreibung stimmt bis auf’s i-Tüpfelchen. Ich muss nur ein paar unbedeutende Einzelheiten korrigieren.
Ich beauftrage unser Küken, sich zur Verbrecherkartei zu trollen und zuzusehen, dass er den Vierschrot herausfindet. Ich will nicht Baldy heißen, wenn der Bursche nicht ein paar Vorstrafen auf der Latte hat.
McLane geht; ich telefoniere rasch noch mit Kennan vom Erkennungsdienst, bevor ich mich an Firestone wende. Kennan weiß noch nichts Neues, er glaubt auch nicht, dass er viel herauskriegt. Ein Profi hinterlässt keine Spuren.
Firestone hat seinen üblichen schläfrigen Gesichtsausdruck. Aber das täuscht, er kann ein fähiger Detektiv sein, wenn er will. Er will bloß selten.
»Was hat ein Maha-Rah-Anhänger um Mitternacht im Central Park zu suchen?«, frage ich Firestone. »Und wer hätte einen Grund, ihn zu erstechen? Mit einem Profistich ins Herz? Mit einem einzigen Stilettstich?«
Firestone könnte mehrere Gründe nennen. Aber er entschließt sich für ein mattes Grinsen und einen Kalauer.
»Vielleicht hat er einen Messerkiller angebettelt und zu ihm gesagt: Doppelt gibt, wer schnell gibt.« Darüber kann ich gar nicht lachen. Firestone fährt gleich fort. »Diese Maha Rah sind eine unverschämte Bande. Neulich gehe ich an meinem freien Tag zum United Nations Headquarters, weil ich mir eine Debatte anhören will. Vor der Tür steht so ein Gelbkittel und verteilt Traktate. Ich nehme eins, nur so, um eben mal reinzuschauen, nachdem ich gefragt habe, wie viel es kostet. >Es kostet nichts<, sagt er, >aber Sie können uns geben, was Sie für richtig halten<. Mehr als zehn Cents ist das Ding nicht wert. Ich hole also einen Dime aus der Tasche.«
»Na und? Bisher weiß ich nur, dass du zu viel Freizeit hast, wenn du dich in der Quasselbude am East River herumdrücken kannst, und zu viel Geld offenbar auch.«
»Der Kerl guckt mir doch glatt ins Portemonnaie und sagt: >Sie haben doch noch mehr Geld einstecken. Warum geben Sie mir keine fünf Dollar? Oder wenigstens zwei? Vorher war einer da, der hat mir zehn Dollar gegeben<.«
»Und? Was hast du geantwortet?«
»Dass ich nur belämmert aussehe, es aber nicht bin. Etwas Besseres fiel mir im Moment nicht ein.«
Die Rohrpostanlage schießt eine Kapsel hoch. Ich angele sie ans dem Kasten und hole den Inhalt heraus. Es sind die Informationen über die Maha Rah und ihren Boss. Ich überlese sie flüchtig. Danach gibt es in Manhattan weit über dreihundert Maha Rah. Sie wohnen in dem Haus, in dem ich gerade mit McLane war, und auch in der Umgebung davon.
Bei den Behörden sind die Maha Rah schon verschiedene Male angeeckt. Eltern haben Anzeige erstattet und behauptet, ihre Kinder würden von der Sekte einer Gehirnwäsche unterzogen und unter Druck gesetzt. Aber die Maha Rah, deren Hirn und Seele der schlitzäugige und -ohrige Chang Moo ist, haben gute Anwälte.
Sie berufen sich auf die Religionsfreiheit. Den Betteleiparagraphen umgehen sie, indem sie behaupten, dass das zu ihrer Religionsausübung gehört. Außerdem wollen sie angeblich sehr aktiv an der Bekämpfung des Rauschgiftunwesens arbeiten.
Sie geben an, schon zahlreiche Junkies von der Spritze abgebracht zu haben. Ob das stimmt, kann niemand sagen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft verliefen bisher negativ; ein Ende ist noch nicht abzusehen.
Chang Moo, der Sektenboss, könnte sein Apartment mit Strafmandaten für Falschparken tapezieren, wie ich seinen Unterlagen entnehme. An seiner Aufenthaltsgenehmigung gibt es nichts zu rütteln. Er hat einen festen Wohnsitz und ist nicht unvermögend. Außerdem, man höre und staune, hat er sogar einen Job. Er ist in einer Galerie im Village als Kunstpfleger angestellt.
Ich notiere mir die Anschrift der Galerie, als deren Eigentümer ein Mr. Jason H. Brown figuriert. Ich lasse Firestone die Papiere einsehen und gebe ihm dann seine Order. Er soll die Eltern des ermordeten Tommy Donnell aufsuchen, die wahrscheinlich an der Adresse in der Upper East Side wohnen, einem teuren Wohnviertel.
Firestone schiebt los, und ich überlege mir gerade, dass ich auf dem Weg zum Mittagessen auch bei unserem Public-Relations-Mann vorbeischauen kann. Ich will nämlich den Fall mit dem ermordeten Maha Rah in Presse, Rundfunk und Fernsehen lancieren, aber nicht nur als Sensationsmache, sondern so, dass die Ermittlungen auch wirklich davon profitieren.
So ein Maha-Rah-Anhänger ist auffällig. Leute müssen ihn gesehen haben, als er in den Central Park ging. Vielleicht hat ihn ein Taxifahrer hingebracht. Wir werden die Bevölkerung um Hinweise und Mitwirkung bitten.
Lustlos betrachte ich den Papierstapel auf meinem Schreibtisch, während mein Magen hörbar knurrt. Dann erhalte ich kurz nacheinander zwei Nachrichten, die auf mich wirken wie Doping.
Die erste Neuigkeit stammt von Kostas. Er hat den Polizeifunk gehört, die laufenden Meldungen. Er weiß, dass ich in der Maha-Rah-Sache tätig bin, und so teilt er mir mit, dass es in der Grand Central Station gerade eine größere Keilerei gegeben hat. Zwischen ein paar Schlägern und einer Gruppe von Maha-Rah-Anhängern.
Als Kostas hinausgeht, gibt er McLane die Klinke in die Hand. Der Junge hat in fabelhaft kurzer Zeit Erfolg gehabt. Er präsentiert mir die Akten des Vierschrots, der so einen verdächtigen Eindruck machte.
Auf den Polizeifotos hat er noch langes schwarzes Haar, ziemlich zerzaust und fettig, und einen über die Mundwinkel herabgezogenen Schnurrbart. Er sieht aus, wie der Milchbruder von Attila dem Hunnenkönig.
Er heißt Andy Bullard, und er war früher mal Mitglied einer der berüchtigsten Straßengangs, die wir je in Manhattan hatten, der »Bloody Tigers« von der Lower East Side. Später fuhr Bullard zur See, dann verschlug es ihn für zwei Jahre zu den Ledernacken.
Wegen Vergewaltigung und schwerer Körperverletzung wurde er unehrenhaft entlassen. Körperverletzung scheint überhaupt eine Spezialität von Bullard zu sein. Nicht weniger als vierzehn Anklagen, von denen vier zu einer Verurteilung führten. Außerdem zwei weitere Sittlichkeitsdelikte und eine Anklage wegen bewaffneten Raubüberfalls auf eine Tankstelle.
Deswegen wurde er aber nicht verurteilt. Der Tankwart, der Bullard bei der ersten Gegenüberstellung einwandfrei identifiziert hatte, konnte sich bei der Verhandlung nicht mehr erinnern. Ich kann mir vorstellen, wie es zu diesem Gedächtnisschwund gekommen ist.
Ich grinse wie ein Honigkuchenpferd und bin überzeugt davon, dass sogar meine Glatze meine Zufriedenheit widerspiegelt. Chang Moo hat einen einschlägig vorbestraften Schläger und Gangster unter seinen Anhängern. Und seine Anhänger, diese angeblich so friedliebenden Turteltauben, prügeln sich in der Grand Central Station herum.
Da ist nicht nur einiges faul, da ist sogar vieles oberfaul. Diese Spiegelköpfchen sind keineswegs die harmlosen Weltbeglücker, als die sie sich ausgeben. Tommy Donnells Tod scheint mir einen sehr triftigen Hintergrund zu haben.
Ich glaube jetzt nicht mehr, dass er rein zufällig ermordet wurde. Es hätte immerhin sein können, dass er aus irgendwelchen obskuren Gründen im Central Park herumspukte; weil er dort Erleuchtung suchte oder sein Karma verloren hatte, oder was weiß ich.
Dabei war er einem Messerstecher in die Quere geraten, der sich mal testen oder ein paar Fans beweisen wollte, wie gut er mit der Klinge umgehen konnte. Das gibt es in New York.
Ich betrachte die Polizeifotos von Andy Bullard noch einmal. Kein Zweifel, das ist unser kahlköpfiger King Kong, auch wenn er auf den Bildern Haar und Bart trägt. Gewisse unveränderliche Kennzeichen im Gesicht sagen es mir.
Nicht nur die vernarbte Augenbrauenpartie und die Boxernase.
Da sind die Gesichtsproportionen, der Augenabstand, die Kinnlinie, die Mundform und ein paar andere Merkmale. Aber es ist nicht leicht, Andy Bullard nach seinem Polizeifoto zu identifizieren. Ich kenne ein paar ältere und erfahrenere Detectives als McLane, die da Schwierigkeiten gehabt hätten.
»Nicht übel«, sage ich. »Jetzt werden wir gleich ein paar Bissen zwischen die Beißerchen schieben. Aber vorher muss Onkel Milo noch zwei Dinge erledigen.«
McLane staunt, denn so aufgeräumt hat er mich noch nicht erlebt. Ich will mich mit unserem Public-Relations-Mann in Verbindung setzen. Dann habe ich vor, mich wegen der Schlägerei in der Grand Central zu erkundigen. Mich interessiert, wer da alles mitmischte und warum. Die Namen und die Gründe.
Wenn es geht, will ich mir auch die Leutchen vorknöpfen, zu denen die Namen gehören.