Читать книгу 11 knallharte Krimis: Krimi Paket - Pete Hackett - Страница 48
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In der Galerie geht es hoch her. Gekreische, Flüche, Schmerzensschreie. Ich sage McLane, er soll nach rechts laufen und gehe selber nach links. Wenn die Mafia etwas gegen die Maha-Rah-Sekte hat, dann müssen wir mit Profis rechnen. Wenn wir einfach anstürmen, laufen wir womöglich in ein offenes Messer.
Ich pirsche mich zwischen den Ständen oder Abteilungen hindurch und laufe gegen ein in Kopfhöhe aufgehängtes kugelförmiges Mobile. Die Kugeln bestehen aus reinem Stahl, wie meine Birne beim Auftreffen signalisiert.
Fluchend eile ich weiter. Und dann kann ich, in der Sichtdeckung einer Leichtbauwand, einen Blick in die Eingangshalle werfen. Gerade eilen die letzten Villagetypen aus der Galerie, von einem Zwei-Meter-Hünen mit dunklem Hemd und senffarbener Hose ermuntert. Die Ermunterungen sehen zum Beispiel so aus, dass er einem Girl mit Poncho in den Hintern tritt.
In der Ecke stehen sechs Maha-Rah-Anhänger, die Hände hochgereckt, so krampfhaft, dass es ihre Angst verrät. Ein adretter südländischer Typ mit hellem Anzug hält eine Pistole auf sie gerichtet. Ein anderer, ein Schlanker mit spärlichem Haar, fast weißem Jackett, grünem Hemd, ockergelber Krawatte und einer Sonnenbrille mit runden Gläsern durchsucht sie.
Manchmal schlägt er einem der Maha-Rah-Leutchen in die Nieren oder gibt ihm eine Kopfnuss. Seitlich von mir höre ich ein ratschendes Geräusch, wie es entsteht, wenn jemand eine scharfe Messerklinge durch straffe Bilderleinwand zieht.
»Sie sind sauber«, sagt der Sonnenbrillenträger in meine Richtung.
Eine Stimme, die mir bekannt erscheint, gibt Antwort.
»Frag sie, wo das Zeug ist, zum Teufel. Wenn sie nicht reden wollen, dann hilf nach. Mit dem Schlagring. Oder dem Rasiermesser. Frag doch mal die beiden Girls, ob sie gern in Horrorfilmen mitspielen wollen. Sie brauchen dann nicht mal mehr einen Maskenbildner.«
»Aber klar doch, Stiletto«, sagt der adrette Südländer mit der Pistole und zieht ein Rasiermesser aus der Tasche. Eins von den altmodischen, wie mein Vater es noch benutzte. »Mit dem allergrößten Vergnügen.«
Der Zwei-Meter-Mann hat sich am Eingang aufgebaut. Er wirkt so massiv und schwergewichtig wie ein Schlachtschiff. Seine Fäuste sind mit 120-Millimeter-Maschinenkanonen zu vergleichen. Wo sie treffen, bleibt nichts mehr heil.
Jetzt weiß ich auch, warum mir die Stimme vorhin so bekannt erschien. Und jetzt geht mir nicht nur eine Glühbirne auf, sondern ein ganzer Christbaum. Plötzlich addiert mein Gehirn zwei und zwei, und ein paar Unbekannte verschwinden aus der Gleichung, die ich zu lösen habe.
Ich ziehe meinen Dienstrevolver aus dem Schulterholster und trete zwei Schritte vor. McLane müsste bald auftauchen. Wenn nicht, muss ich es eben ohne ihn schaffen.
»Hände hoch, Polizei!«, sage ich.
Der Mann zu meiner Rechten, der mit seinem Stilett gerade ein pseudosurrealistisches Farbgekleckse zerschneiden will, wendet sich mir ruckhaft zu. Der Pistolen und Rasiermessermann, der Sonnenbrillenträger, der einen Schlagring über die Rechte gestreift hat, und der Zwei-Meter-Hüne an der Tür schauen ebenfalls reflexartig zu mir her.
Ich ziele mit dem .38er auf niemand Bestimmten, aber ich unterstütze die rechte Pistolenhand mit der Linken und visiere über den gestreckten Arm. Meine Beine sind leicht gespreizt, ich weiß, dass ich auf diese Art eine huschende Maus treffe, auf zwanzig Meter Entfernung.
Vielleicht haben Sie im Fernsehen oder im Film mal Witzbolde gesehen, die von der Hüfte aus schießen. Vergessen Sie das im Ernstfall aber bloß, sonst werden Sie nur der zweite Sieger, der im Krankenbett oder im Sarg landet.
Was ich hier treibe, ist kein Witz. Der Mann zu meiner Rechten, der Hobby Bilderstürmer, heißt Antonio Scasi, ist ein Mafioso und in einschlägigen Kreisen als »Stiletto« bestens bekannt. Er gehört zum engeren Kreis um Sergio Corluzzi, einen der großen Mafia-Dons von New York City.
Stiletto Scasi und Sergio Corluzzi. Nach den beiden lecke ich mir schon seit mindestens viereinhalb Jahren die Finger bis hoch zum Ellbogen. Einmal glaubte ich, ich hätte Scasi festgenagelt, und zweimal meinte ich sogar, ich könnte Corluzzi etwas am Zeug flicken.
Top-Anwälte belehrten mich eines Besseren. Ich weiß noch gut, dass einer dieser Mafia-Starverteidiger mich beim letzten Mal im Gerichtssaal herunterputzte wie einen Anfänger.
»Was treibt ihr denn da, Freunde?«, frage ich, und ich bin so freundlich, wie der Wolf zum Geißlein. »Ist das denn nicht verboten? Ich meine fast, da gäbe es ein paar Paragraphen des Strafgesetzbuches. Hausfriedensbruch, Nötigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Bedrohung mit einer Waffe.«
»Ah, Baldy«, sagt Scasi, »gehören Sie etwa auch zu den Glatzköpfen da? Wollen Sie Ihre Birne erleuchten lassen?«
Scasi ist groß und schlank, er kleidet sich leger, aber sehr teuer. Dieser dreckige Stilett-Killer kauft seine Kleidung in einer First-Class-Boutique, besucht einen teuren Coiffeur und lässt sich regelmäßig maniküren, pediküren und massieren. Er hat ein Raubvogelgesicht. Man könnte ihn sich gut als Kaperkapitän in einem Hollywoodschinken vorstellen.
»Lieutenant«, sage ich, und ich betone das Wort. »Ich habe lange gebraucht, um diesen Rang zu erreichen, und jetzt kann ich gar nicht oft genug hören, dass ich damit angesprochen werde. Wenn Sie wieder mit mir reden, dann nennen Sie mich Lieutenant, Scasi. Und falls Sie eine weitere Bemerkung über meine Birne oder dergleichen machen, kriegen Sie eine drauf wegen Beamtenbeleidigung. Capisce, Signore?«
Der Adrette mit der Pistole und dem Rasiermesser schaut mich an, als sei er geneigt, es zu versuchen. Da tritt McLane endlich aus den Kulissen, den Revolver im Anschlag. Er steht hinter dem Pistolenmann und seitlich von den Maha Rah.
»Hände hoch, Polizei!«, ruft auch er.
»Das sagte ich schon einmal«, meine ich freundlich. »Wird’s bald, Freunde?«
Zögernd werfen sie die Waffen weg, auch der Sonnenbrillenträger mit dem grünen Hemd und der ockerfarbenen Krawatte den Schlagring, den er aus der Tasche seines hellen Jacketts gezogen hat. Ich lasse alle vier sich an die Wand stellen. McLane postiert sich am Eingang und lässt niemanden herein.
Ich durchsuche die vier Helden von der Mafia. Bei Stiletto Scasi finde ich zwei weitere Stilette. Eine Schusswaffe hat er nicht. Aber er wirft mit diesen Dingern besser und zielgenauer als ein Messerwerfer im Zirkus. Er heißt nicht umsonst Stiletto. Er ist Anfang Dreißig, und wir haben ihm seit sieben oder acht Jahren nicht das Geringste mehr nachweisen können. Aber ich weiß, wer den Mafia-Boss Petrocelli, der abgesägt werden sollte, und seine beiden Leibwächter vor vier Jahren bei helllichtem Tag in einem belebten Korridor des Rockefeller Centers erstach.
Vor Zeugen. Es ging so schnell, dass nicht einmal die Ermordeten selbst merkten, dass sie tot waren.
Oder wer vor zwei Jahren die drei Kronzeugen aus dem Weg räumte, die gegen die Mafia-Oberen von New York City aussagen wollten. Trotz schärfster Sicherheitsmaßnahmen. Das FBI stand damals Kopf.
Das sind nicht Stilettos einzige Opfer.
Bei dem geschniegelten Südländer finde ich noch ein Klappmesser, bei dem Zwei-Meter-Hünen, einen Totschläger. Ich lege alles auf einen Stuhl.
»Ei, ei, was haben wir denn da?«, frage ich. »Jetzt sagt nur nicht, ihr habt das alles zum Nägelmaniküren gebraucht.«
Ich drohe den Vieren an der Wand scherzhaft mit dem Finger. Von den sechs Maha Rah wollen jetzt zwei aus Büchsen. Ein junger Mann und ein Mädchen. Normalerweise nennt man bei Mädchen die Haarfarbe. Bei diesem ist das unmöglich, weil die Haare auf ihrem Kopf wegrasiert sind.
McLane hält die Ganz-oben-ohne-Lady und ihren kahlköpfigen Boyfriend auf. Sie zetern und protestieren. Jason H. Brown und die dünne Miss Ackroyd erscheinen jetzt endlich, und ich sage ihnen, dass sie das Dezernat verständigen sollen. Die ganze Corona soll abtransportiert werden.
Drei Glöckchen und ein Tamburin, die den Maha Rah gehören, liegen verloren beim Gummibaum am Boden. Ich nehme ein Glöckchen und schlage es an. Ein silberheller Ton erklingt. Und nicht nur das, ich sehe jetzt auch einen Silberstreif am Horizont.
Ich bin ein ganzes Stück weitergekommen.