Читать книгу 30 tolle Western November 2021 - Pete Hackett - Страница 35

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Die Treppenstufen brachte ich mit wenigen Sätzen hinter mich.

Ein paar Augenblicke später befand ich mich vor Nummer fünf. Ich hörte Stimmen. Das eine war eine helle Frauenstimme, die andere war dunkel und gehörte niemand anderem als Wesley Carrington.

Ich zog den Colt und trat mit kurzem Anlauf die Tür ein.

Sie flog zur Seite und im nächsten Moment sah ich in Carringtons finsteres Gesicht, das jetzt für einen kurzen Augenblick von ungläubigem Erstaunen geprägt war.

Er stand am Fenster, neben einer Kommode, auf der er seine Satteltaschen angelegt hatte. Im linken Arm hielt er eine junge Frau

- unverkennbar eines jener grell geschminkten Freudenmädchen, die es hier zu Dutzenden auf den Straßen gab.

Er schien sie kurz zuvor in sein Zimmer geführt zu haben und wollte sich nun wohl die heißen Mittagsstunden vertreiben...

Ein Gringo mit Satteltaschen voller Dollars, das war es, wonach diese Girls sich die Finger leckten.

Ich blieb in der Tür, den Colt in der Faust.

"Hier ist Ihr Trail zu Ende, Carrington!", rief ich ihm entgegen.

Carrington reagierte mit genau jener Skrupellosigkeit, die ich schon bei ihm kennen gelernt hatte.

Mit einer blitzartigen Bewegung packte er das Girl und zerrte es roh vor sich, sodass es eine Art lebenden Schutzschild für ihn bildete.

Das Mädchen schrie.

Carringtons Hand war zu Waffe gegangen.

Ich sah auf das Aufblitzen der Revolvermündung dicht neben der Hüfte des Girls im letzten Moment. Sofort sprang ich zur Seite, nahm Deckung neben der Tür. Ich presste mich gegen die Wand, während Carringtons Bleiladung in den Türrahmen ging.

Das war schon verdammt knapp.

Wenn es nur um mich gegangen wäre, hätte ich mich nicht einen Zentimeter bewegt, sondern einfach zurückgeschossen. Aber das war ausgeschlossen. Die Gefahr, die junge Frau zu treffen, war zu groß. Sie hatte nichts mit der Sache zu tun. Ich konnte sie nicht die Zeche für etwas zahlen lassen, das allein Carrington zu verantworten hatte.

Ich tauchte kurz aus der Deckung hervor. Sah, wie die junge Frau jetzt zappelte und versuchte, Carrington in den Arm zu beißen, mit dem er sie in seinem eisernen, unbarmherzigen Griff hielt.

Panische Angst hatte von ihr Besitz ergriffen. Sie war völlig aufgelöst, schrie, schluchzte und schlug um sich. Carrington feuerte schlecht gezielt in meine Richtung. Der Schuss ging daneben.

Die junge Frau konnte einen Arm befreien.

Carrington stieß sie mir grob entgegen. Sie stolperte erst, blieb aber dann doch auf den Beinen und strauchelte auf mich zu.

Im selben Moment griff Carrington nach der Satteltasche mit dem Geld und stürzte sich durch das Fenster.

Glas splitterte, es gab einen Riesenkrach und unten auf der Straße kamen die Menschen aus ihren Häusern, um die Siesta für einen Moment zu unterbrechen.

Ich fing das Girl auf, schob es zur Seite, schnellte vor und sandte Carrington einen Schuss hinterher. Aber er war schon fort. Die Kugel ging ins Nichts. Dann hatte ich das Mädchen im Arm. Sie war völlig aufgelöst und schrie hysterisch herum. Es war Spanisch und ich verstand kaum etwas. Sie wusste wohl auch selbst nicht so recht, was es bedeuten sollte. Sie war einfach nur zu Tode erschrocken und außer sich vor Angst. "Ganz ruhig, Miss!", sagte ich. "Es ist alles vorbei!" Sie hörte jetzt auf zu schreien. Ihr Mund stand weit offen und sie schloss ihn mit ihrer Hand. Sie war noch ziemlich jung und hatte so etwas wohl zum ersten Mal erlebt. Ich schob sie etwas zur Seite und lief zum Fenster. Wertvolle Augenblicke waren verstrichen.

Ich sah Wesley Carrington über das Dach des Nachbarhauses flüchten. Er blickte sich kurz um und ballerte ein paar Mal in meine Richtung. Ich schoss ebenfalls, aber keiner von uns traf sein Ziel.

Er hetzte in geduckter Haltung weiter. Plötzlich verschwand er hinter dem großen Reklameschild eines Drugstore und war nicht mehr zu sehen. Ich verzichtete darauf, ihn über die Dächer zu verfolgen. Wahrscheinlich wollte er das auch nur, um mich dann vielleicht in aller Ruhe aus einer Deckung heraus abschießen zu können.

Ich ging vom Fenster weg, lief die Treppen hinunter und rannte ins Freie. An zwei Fingern konnte ich mir ausrechnen, was Carrington vorhatte.

Er würde versuchen, dass er irgendein Pferd unter den Hintern bekam und dann zusehen, dass er aus der Stadt kam.

Mein Blick fiel auf die Leute, die aus den Häusern gekommen waren. Ich sah ihre Gesichter und verstand, was in ihnen vorging.

Sie wussten ganz offensichtlich nicht, was sie von mir zu halten hatten. Für sie sah es zweifellos so aus, als ob ich der Straßenräuber war -—und nicht Carrington.

Ich hörte sie reden und ich verstand immerhin soviel, dass es um mich dabei ging. Einige der Männer hatten Waffen bei sich. Die Sache konnte brenzlig werden, selbst wenn diese Leute wahrscheinlich keine guten Schützen waren.

Sie waren viele, und das konnte sie gefährlich machen.

Die Meinungen gingen hin und her. Sie schienen sich nicht einig darüber zu sein, was zu geschehen hätte.

Ich ging die paar Schritte bis zu meinem Gaul und stieg in den Sattel. Am Ende der Straße hatte ich ein Gebäude gesehen, dass ganz wie ein Mietstall oder etwas Ähnliches ausgesehen hatte. Und genau in die Richtung hatte sich Carrington gewandt.

Das war kein Zufall, davon war ich überzeugt.

Ich lenkte das Pferd herum und blickte dann noch einmal hinter mich, um die Lage abzuschätzen. Die Leute hatten ihr Urteil über mich noch nicht gefällt und ich wollte auf keinen Fall warten, bis es soweit war.

Ich gab dem Pferd also die Sporen, preschte in scharfem Galopp voran.

Den Stall hatte ich schnell erreicht, aber ich kam zu spät. In einer Entfernung von mehreren hundert Yards sah ich eine kleine Staubwolke, die sich immer weiter entfernte und auf die nächste Hügelkette zusteuerte, hinter der sie dann in wenigen Augenblicken verschwinden würde.

Ich wollte hinterher.

In diesem Moment hatte ich nur einen einzigen Gedanken.

Carrington durfte mir nicht noch einmal entwischen.

Mein Blick fiel auf die Männer, die sich mir ganz offensichtlich in den Weg stellen wollten. Es waren allesamt Mexikaner und ich wusste, dass dieses Glitzern in ihren Augen nichts Gutes bedeuten konnte.

Ich zügelte mein Pferd.

Vier Mann standen jetzt da. Vermutlich handelte es sich um die Stallburschen.

Sie hatten allerdings keine Mistgabeln in den Händen, sondern Gewehre.

"Hola, Hombre!", rief einer von ihnen. "Du bist der Gringo, der Jim Burns heißt, nicht wahr?"

Ich blinzelte. Meine Augen wurden zu schmalen Schlitzen, ich ließ den Blick von einem zum anderen schweifen.

"Versuchen Sie nicht, weiterzureiten, Señor!", warnte mich ein anderer Sprecher. "Sonst sind Sie ein toter Mann! Comprendido?"

"Es muy claro", sagte ein anderer.

Ich begriff, was passiert war. Carrington hatte diesen Männern ein paar Dollars gegeben, damit sie mich aufhielten.

Seine Rechnung schien aufzugehen.

"Es ist für uns alle besser, wenn ihr mir aus dem Weg geht, Amigos!", meinte ich.

Ich war ziemlich ungeduldig, aber die Männer, die ich jetzt vor mir hatte, machten ganz den Eindruck, als wollten sie es wirklich auf ein Gefecht ankommen lassen.

Sie hoben jetzt die Gewehre.

"Absitzen, Hombre!"

Ich zog mir den Hut etwas tiefer ins Gesicht. Dann glitt meine Hand seitwärts. Die Männer, mit denen ich es hier zu tun hatte, waren keine Gunslinger oder Killer.

Vielleicht würde es genügen, sie ein wenig einzuschüchtern.

Zumindest hoffte ich das, denn ich war nicht darauf aus, einen oder mehrere von ihnen ins Jenseits zu befördern.

Ich wollte etwas sagen, aber dann sah ich, dass es dazu jetzt zu spät war.

Einer der Kerle schien seinen Augenblick für gekommen zu halten und riss seine Waffe hoch. Es handelte sich um einen altmodischen Hinterlader. Ich sah das Mündungsfeuer blitzen.

Aber die Kugel traf mich nicht.

Blitzschnell hatte ich mein Eisen herausgezogen und fast im gleichen Moment gefeuert wie mein Gegenüber.

Der Mexikaner schrie getroffen auf.

Ich hatte ihn am rechten Arm erwischt. Er wurde zur Seite gerissen und die Waffe fiel zu Boden.

Sein Gesicht war eine verzerrte Maske, halb vor Schmerz, halb vor unbändiger Wut. Aber er hatte es sich selbst zuzuschreiben und konnte von Glück sagen, dass ich ein guter Schütze war.

Ich hatte ganz bewusst auf seinen Arm gezielt.

Auf den Gesichtern der anderen sah ich das nackte Entsetzen.

Wahrscheinlich hatten sie es kaum je mit jemandem zu tun gehabt, der so schnell ziehen konnte.

Ich richtete die Waffe auf die anderen, die einen Augenblick lang wie erstarrt dastanden.

"Ich weiß nicht, wie viel man euch dafür gegeben hat, dass ihr mich aufhaltet, aber es ist ganz gewiss nicht genug, um dafür sein Leben zu riskieren, Hombres!" Ich hoffte, dass sie gut genug Englisch sprachen, um mich zu verstehen. "Der nächste Schuss geht nicht nur in den Arm...", kündigte ich noch an.

Sie schienen das zu begreifen.

Keiner von ihnen rührte sich. Die Männer wussten, dass ich in der Lage sein würde, mindestens noch zwei von ihnen mit in den Tod zu nehmen, bevor es mich selbst erwischen würde.

Das schien ihnen die Sache nicht wert zu sein. Offenbar hatten sie geglaubt, leichtes Spiel mit mir zu haben und mir einfach nur eine Flinte unter die Nase halten zu müssen, um mich aufhalten zu können.

Leicht verdiente Dollars...

Die Rechnung war nicht aufgegangen.

Ich sah in ihre rauen Gesichter und dann nickte einer von ihnen.

Sie senkten die Waffen, während jener, dem ich eine Kugel verpasst hatte auf Spanisch vor sich hin fluchte.

Es war sicher besser, dass ich ihn nicht verstand.

Ich lenkte mein Pferd an ihnen vorbei und sie ließen es geschehen. Aber ich blieb vorsichtig. Man konnte nicht wissen, ob diese Männer nicht doch noch ihre Chance suchen würden.

Schließlich wussten sie nicht, ob Carrington nicht eines Tages zurückkehrte und sie dann dafür zur Rechenschaft zog, dass sie seinen Auftrag nicht konsequent ausgeführt hatten.

Er hatte schließlich dafür bezahlt.

Ich behielt die Kerle die ganze Zeit über im Auge.

Die Waffe hielt ich noch immer in der Hand. Als ich dann ein paar Pferdelängen von ihnen entfernt war, gab ich meinem Gaul die Sporen und ließ ihn davon preschen.

Und genau das, womit ich gerechnet hatte, trat ein. In dem Moment, in dem ich ihnen den Rücken zuwandte, ballerten sie ihre Gewehre ab.

Sie waren allerdings lausige Schützen, die ihre Waffen wohl nicht allzu oft gebrauchten. Ich presste mich dicht an den Hals des Pferdes.

Mit dem Revolver gab ein paar mehr oder weniger ungezielte Schüsse nach hinten ab, die die Mexikaner etwas verunsicherten und sie etwas vorsichtiger machten.

Ich hoffte nur, dass sie den Gaul nicht trafen, denn dann wäre ich geliefert gewesen.

Ein paar Augenblicke lang stand es auf des Messers Schneide, aber dann hatte ich es geschafft.

Die Mexikaner ließen zwar immer noch ihre Gewehre krachen, aber ich hatte jetzt eine Entfernung zwischen mich und sie gelegt, die es selbst einem guten Schützen schwergemacht hätte, mich vom Pferd zu holen.

Ich saß nun wieder aufrecht im Sattel.

Was hinter mir geschah interessierte mich nun nicht mehr. Ich blickte nach vorn, dorthin, wo Carrington am Horizont verschwunden war.


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