Читать книгу Marshal ohne Erbarmen: Glorreiche Western Sammelband 7 Romane - Pete Hackett - Страница 14
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ОглавлениеClomstock ließ das Wagenpferd außerhalb von El Paso einfach frei. Innerhalb von Minuten würde sich jemand finden, der für das Tier Verwendung hatte. In dieser Stadt klauten sie wie die Raben. El Paso war von einem bunten Rassengemisch bevölkert. Diebe scherten sich nicht um Hautfarben.
Es ging auf den späten Nachmittag zu. Wolken waren aufgezogen. Der Rio Bravo wälzte sich bleiern durch sein Bett. Kein Sonnenstrahl verirrte sich mehr auf die Erde. Der Verkehr auf der hölzernen Brücke hinüber nach Ciudad Juarez erlahmte. Die Fahrer der Fuhrwerke suchten Zuflucht vor dem herannahenden Gewitter. Die ersten Blitze zuckten vom Himmel. Fernes Donner grollen folgte.
Clomstock hatte sich soweit erholt, dass er wieder gerade laufen konnte. Er verfügte über eine Bärennatur.
Er blieb in einer verwinkelten Seitenstraße vor einer weiß gestrichenen Hausfront stehen. Neben einem mit reichen Schnitzereien verzierten Portal gab es einen Klingelzug. Unter dem Griff war ein unscheinbares Messingschild angebracht:
»Dr. Miguel Gomez Advocato«
Clomstock läutete Sturm. Es wurde sofort geöffnet.
Ein Mexikaner mit nacktem Oberkörper und breitrandigem Sombrero musterte den Besucher, erkannte ihn trotz seiner zahlreichen entstellenden Blessuren.
»Oh? Mister Clomstock! Sie wurden schon früher erwartet.«
Der Bandit warf noch einen Blick die Gasse hinauf und hinunter, ehe er den Mozo mit einer forschen Handbewegung beiseite schob. Er landete in einem grottenähnlichen Gang, von dem sich auf beiden Seiten dunkel die Aufgänge von Steintreppen abhoben. Es roch intensiv nach exotischen Blüten.
»Du brauchst mich nicht zu führen«, herrschte Clomstock den jungen Mexikaner an. »Ich bin schließlich nicht das erste Mal hier.«
»Ich weiß, Señor.«
»Dann scher dich weg, Greaser. Ich erwarte Don Gomez hinten im Garten.«
»Sehr wohl.« Der Diener verschwand die rechte Treppe hoch. Jeff Clomstock ging weiter.
Düsteres Grün umfing ihn. Der Blumenduft wurde atemberaubend. Irgendwo plätscherte ein Springbrunnen, doch das Sprudeln machte die Schwüle vor dem Gewitter nicht erträglicher. Der Desperado mit dem schwarzen Schlapphut schwitzte. Er machte einige rosarote Flamingos aus, die in einem gekachelten Wasserbecken standen und die Köpfe unter dem Flügelgefieder versteckten. Die Gehwege waren mit Marmorplatten belegt. Bänke aus demselben Material luden zur Rast ein.
Gerade die hatte Jeff Clomstock nach seinem jüngsten Abenteuer bitter nötig. Er nahm Platz und streckte die Beine weit von sich. Die Vorfälle der letzten Stunden passierten nochmal Revue vor seinen vor Müdigkeit geschlossenen Augen. Er fühlte sich immer noch, als wäre er zwischen Amboss und Schmiedehammer geraten. Dann döste er ein.
»Señor Clomstock? Sie sind einige Stunden zu spät dran. Nach den Mädchen brauch ich wohl erst gar nicht zu fragen. Wurden Sie in jüngster Zeit durch einen Fleischwolf gedreht?«
Jeff Clomstock setzte sich augenblicklich kerzengerade, als hätte er einen Spazierstock verschluckt. Don Gomez war äußerst empfindlich, was die Ehrerbietung anlangte. Dafür zahlte er gut.
Doch nie und nimmer würde Clomstock sich an den Anblick dieses Mannes gewöhnen, der mit fistelnder Falsettstimme sprach. Wie ein fetter Eunuch sah er aus. Er hatte seine drei Zentner Lebendgewicht in einen weißen Anzug gezwängt. Dabei wirkte er mehr breit als hoch. Er reichte Jeff Clomstock kaum bis zu den Brustwarzen.
Don Gomez‘ Totalglatze spiegelte trotz des wolkenverhangenen Himmels. Die Form seines Schädels hatte eine verzweifelte Ähnlichkeit mit einem Straußenei, das besonders groß geraten war. Die Spitze lag oben.
Kaum zu sehen waren die Augen zwischen überhängenden Speckfalten. Ab und zu war ein düsteres, schwarzes Schimmern zu ahnen. Die Pupillen konnten kaum größer als Stecknadelköpfe sein. Wie ein Fettauge schwamm der kleine, lippenlose Mund inmitten dieses breiigen, konturenlosen Gesichts. Eine Nase schien nicht vorhanden. Nur zwei dunkle kleine Löcher taten sich auf inmitten dieser glänzenden Fettschichten.
Jeff Clomstock blieb für ein paar Sekunden stumm. Wenn einer ihm zugemutet hätte, eine Qualle zu verschlucken, hätte er gewiss dasselbe Gesicht gezogen.
»Sie haben also Pech gehabt, Clomstock. Berichten Sie. Sie haben – wie abgesprochen – Ihren letzten Transport über Mister O'Haras Land geführt? Das sehe ich Ihnen an. Sie sind dabei in Schwierigkeiten geraten. Ich werde Ihnen fünfhundert Dollar extra dafür auszahlen lassen. Doch jetzt erzählen Sie endlich.«
Don Gomez setzte sich nicht. Die Marmorbänke waren zu schmal für ihn.
Und Jeff Clomstock berichtete. Er beschönigte nichts, weil er aus Erfahrung wusste, dass Dr. Miguel Gomez sich nicht belügen ließ. Nur die Rolle, die er selbst gespielt hatte, frisierte er ein wenig zu seinen Gunsten, aber dabei brauchte er keine allzu dicken Lügen aufzutragen. Besonders nicht am Schluss seiner Schilderung. Der einzige Fehler, der ihm unterlief: Er behauptete, Buck Mercer, den Vormann der Hazienda, erdolcht zu haben, räumte jedoch ein, dass dieser »Strolch« möglicherweise überlebt habe, so gering er diese Chance auch einschätze. Jedenfalls habe er nicht kontrolliert, ob der Tod auch wirklich eingetreten sei.
Gomez schien sich über den Hergang der letzten Nacht trotzdem zu freuen, auch wenn seinem Gesicht nie anzusehen war, wann er lächelte. Die Fettwülste erlaubten kein Mienenspiel.
»Gar nicht so schlecht«, murmelte er wiederholt. »Überhaupt nicht schlecht. Und Saltillo hat all diese Mädchen auf seine Hazienda geholt?«
»Si, Señor.«
»Maria Leto auch?«
»Anzunehmen.«
Dr. Miguel Gomez, der Advokat mit dem Hang zum Größenwahn, rieb die fleischigen Hände.
»Sie war doch euer Lockvogel, nicht wahr?«
Jeff Clomstock nickte.
»Ja. Sie haben wir zuerst geködert. Sie sollte den anderen Gören vormachen, wie gut sie es doch getroffen hätten, wenn sie mit uns nach Texas reisen. Sie hat ihre Sache ordentlich gemacht. Hätte der Transport geklappt, wäre sie nochmals zum Einsatz gekommen. Sie hat was drauf, wenn‘s drum geht, ‘ner standhaften Jungfrau einzureden, dass das Leben einer Hure besser ist als alles andere, was einem jungen Mädchen widerfahren kann.«
Dass er und seine Helfer noch auf dem Trail zur Grenze diese Illusion gründlich zerstört hatten, verschwieg Clomstock geflissentlich.
Doch diesmal fiel die Unterschlagung eines Teils der Wahrheit dem fetten Advokaten nicht auf. Er war völlig in Gedanken versunken.
Dann schaute er plötzlich auf. Sein Dreifachkinn schwabbelte erregt.
»Ich hab ‘ne Idee, Clomstock«, schnaufte er. »Wo sind die Mädchen jetzt?«
»Saltillo hat sie mit auf die Hazienda genommen, aber das hab ich doch schon gesagt.«
»Ich wollte nur sichergehen. Dich werden sie natürlich wiedererkennen. Dagegen müssen wir was unternehmen.«
»Hä?«
Jeff Clomstock schaute seinen Boss entgeistert an.
»Dein Bart«, meinte der, »muss weg. Dann erkennt dich keiner mehr so leicht. Ich werde dich auch neu einkleiden lassen. Danach hab ich ein paar Aufträge für dich.«
Das Gewitter hatte El Paso inzwischen erreicht. Es goss wie aus Kübeln. Blitze tauchten die Stadt in grelles Licht.