Читать книгу Das Tao der Gefühle - Pete Walker - Страница 28
Ganzheitlichkeit
ОглавлениеDie Emotionen fühlen sich nicht wie Stiefkinder an, von denen nur die wohlerzogensten angenommen werden – sie brauchen nicht zu schreien, um sich Gehör zu verschaffen, denn sie werden vollständig als Familienmitglieder des Selbst zugelassen.
— Jane Roberts
Wir alle sind außergewöhnlich komplexe Geschöpfe und tun uns einen Gefallen, wenn wir uns als komplex betrachten. Ansonsten leben wir in einer Traumwelt aus nicht existenten, vereinfachenden Schwarz-Weiß-Vorstellungen, die für das menschliche Leben einfach nicht zutreffen. Keiner von uns ist nur gut, schlecht, weise, dumm oder überhaupt irgendetwas. Wir sind unendliche Kombinationen aller möglichen Eigenschaften … und die Welt, auf die wir einwirken, ist ebenfalls voller subtiler und eklatanter Unstimmigkeiten und komplexer Schattierungen.
— Theodore Rubin
Ganzheitlichkeit bezieht sich auf die Tatsache, dass die emotionale Natur nicht in einzelne, voneinander unabhängige Gefühle zerlegt werden kann. Das Fühlen ist mehr an Ganzheitlichkeit gebunden als das Denken. Wir haben in der Regel wesentlich mehr Wahlmöglichkeiten (wenn auch sicher nicht die völlige Freiheit) in Bezug auf unsere Gedanken. Wir können Gedanken kategorisieren und im Gedächtnis speichern, sie gezielt abrufen und – je nach unserer Fähigkeit zur Konzentration – im Bewusstsein behalten, wenn wir es wollen. Wir können sogar in Bibliotheken und Buchläden gehen und Gedanken und Ideen »erwerben«, über die wir gerne nachdenken möchten.
Diesen Luxus haben wir nicht für unsere Gefühle. Ich kann beschließen, glücklich zu sein. Ich kann jedem, den ich kenne, sagen: »Ich bin glücklich.« Ich kann es sogar in goldenen Buchstaben auf Pergament schreiben, um es mir selbst zu beweisen. Aber wenn ich mich nicht wirklich glücklich fühle, dann hat mein verkündetes Gefühl ungefähr so viel Gewicht wie das gedruckte Wort »glücklich«.
Das Wesen des Fühlens ist nicht wie ein Supermarkt, in dem man aus einer größeren Anzahl von verfügbaren Produkten nur die Lieblingsmarken der Emotionen auswählen kann. Der Einkaufswagen der Psyche kann nicht mit angenehmen Emotionen gefüllt werden, während die unangenehmen im Regal liegen bleiben.
Ganz gleich, wie raffiniert die Werbung uns weismachen will, dass das, was sie verkaufen, wünschenswerte Emotionen erzeugt, ihre Produkte werden eher Ausschläge und Magen-Darm-Beschwerden hervorrufen, als dass sie uns Liebe und Glück bringen.
Echte Freude kann nicht ohne das nötige Maß an Trauer erworben werden, so wie es Liebe nicht ohne Streit gibt, oder Vergebung ohne Schuldzuweisung. Zorn, Angst und Traurigkeit sind für den ganzheitlich fühlenden Menschen ebenso unersetzlich wie Liebe, Vertrauen und Freude. Unser Leben wird strahlender, wenn wir den gesamten Vorrat an emotionalen Farben nutzen, nicht nur Rosa, Glitzer und Babyblau.
Menschen, die sich nur mit »positiven« Gefühlen identifizieren, werden oft fad, abgestumpft und distanziert und leben in einer gefühllosen Wüste, einem wahren Niemandsland. In der psychischen Wüste der verleugneten Gefühle lässt die glühende Hitze der unterdrückten Wut unsere Gefühle von Liebe und Zuneigung verdampfen und uns emotional dehydrieren. Emotionen abzulehnen, weil sie manchmal unangenehm sind, ist, als würde man einzelne Körperteile abschneiden, weil sie nicht schön sind. Es gibt ein altes Sprichwort:
Für den klugen Menschen sind Glück und Pech wie seine rechte und linke Hand – er nutzt beide zu seinem Vorteil.
Dasselbe gilt auch für die »guten« und »schlechten« Emotionen. Das »Auswählen« nur der bevorzugten Gefühle ist wie die Entscheidung zu essen, ohne die Notwendigkeit der Ausscheidung zu akzeptieren. Kein Wunder, dass die Menschen der westlichen Welt von allen Gesellschaften die körperlich und emotional verstopftesten Menschen sind.