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4.6 Beringung und andere Markierungsverfahren
ОглавлениеDie Vogelberingung hat der Vogelzugforschung im Freiland bisher die größten Fortschritte gebracht. Die massenhafte Kennzeichnung von Zugvögeln in den nunmehr fast hundert Jahren ihrer Geschichte in den meisten Gebieten der Erde (Kap. 3) hat Wanderwege und Winterquartiere, Zugzeiten und Zugformen aufgedeckt und viele weitere Daten geliefert wie keine andere Methode.
Abb. 6: Die derzeit im Arbeitsbereich der Vogelwarte Radolfzell verwendeten Ringtypen, in Ansicht am Lauf von Vögeln, in Aufsicht geschlossen, und in Ansicht bandförmig geöffnet. Links (am Lauf eines Storches) und unten rechts so genannte Ableseringe (mit großen Ziffern, Kerben und Lochmarkierungen zum individuellen Erkennen), in den mittleren Reihen die verschiedenen Ringgrößen für unterschiedlich große Vogelarten, für Vögel mit kräftigen Schnäbeln mit Schlaufe verschließbar, rechts oben ein stark abgenutzter, an einer Stelle fast durchgewetzter Ring nach langer Tragedauer, darunter Plastikringe zur Farbmarkierung an den Läufen von Singvögeln. Über Halsmanschetten, die ähnlich aussehen wie Ableseringe, siehe Text und Berthold (1996).
Vögel kann man auf verschiedene Weise individuell kennzeichnen, z.B. durch Färben ihres Gefieders, etwa mit Pikrinsäure, durch Flügel-, Bein-, Rücken- und Schnabelmarken, Halsmanschetten, in Federspulen eingesetzte farbige Schwanzfedern u.a. Die besondere Ausbildung ihrer Beine, nämlich der Besitz eines so genannten Laufes – dem mit Hornschildern bedeckten Teil zwischen dem Fersengelenk und der Fußwurzel (Abb. 6) –, ermöglicht das Anlegen von dauerhaften Metallringen. Solche Ringe werden von den Beringungszentralen (Kap. 3) jeweils für bestimmte Länder bereitgestellt, und zwar in einer Serie von Größen für verschiedene Größenklassen von Vögeln, wofür von EURING (Kap. 3) spezielle Richtlinien erarbeitet wurden. Abb. 6 zeigt die derzeit im Zuständigkeitsbereich der Vogelwarte Radolfzell verwendeten 18 Ringtypen. Die meisten dieser Ringe werden aus Aluminium gefertigt, für besonders langfristige Studien an sehr langlebigen Arten sind Stahlringe oder Ringe aus Legierungen (vor allem Nickel-Chrom-Stahl) erforderlich, da sich Aluminiumringe mit den Jahren am Vogellauf durchscheuern können (Abb. 6). Die kleinsten Ringe wiegen etwa 0,04 g und liegen damit etwas unter einem Prozent des Körpergewichts der kleinsten europäischen Singvögel – der Goldhähnchen.
Die Metallringe der Beringungsstationen kennzeichnen den beringten Vogel auf Dauer individuell, auch, wenn ein Ringfund einer Station erst nach vielen Jahren zur Kenntnis gelangt. Die Ringe der Vogelwarte Radolf zell z.B. tragen als Institutskennzeichen die Prägung „Radolfzell Germania“ sowie Kennbuchstaben und (maximal sechsstellige) Kennzahlen (Abb. 6). Die individuelle Kennzeichnung erfolgt also nach einem System der Buchstaben- und Zahlenkombination, wie sie zur Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland verwendet wird. Wann ein Vogel welcher Art (und, wenn bestimmbar, welchen Alters und Geschlechts) wo beringt wurde, wird in den Archiven und EDV-Anlagen der Beringungszentralen festgehalten. Im Falle eines Ringfundes und einer Rückmeldung lässt sich durch geradlinige Verbindung von Beringungs- und Fundort („Idealzugrichtung“, Schüz et al. 1971) und durch die Differenz zwischen Beringungs- und Funddatum eine minimale theoretische Zugstrecke und eine maximale Zeit für die Bewältigung dieser Strecke ableiten. Häufig werden durch Beringung ermittelte Zugrichtungen auch in Winkelgraden (Zugwinkeln) des Himmelsrichtungen-Kreises angegeben.
Für die Beringung müssen die zu kennzeichnenden Vögel gefangen werden, was vielfach schwierig, aufwendig und z.T. auch für die Vogelwelt und ihre Lebensräume störend sein kann. Seit alters her sind jedoch zahlreiche Fangverfahren entwickelt worden, und davon stehen unbedenkliche, sorgfältig geprüfte Fangmethoden zur Verfügung (z.B. Bub 1977). Die ursprünglich dem in Rossitten eingeführten Beringungsexperiment entgegengestellte Meinung, die Beringung würde der Vogelwelt schweren Schaden zufügen, ist längst widerlegt. Im Gegenteil, heute ist kaum ein größeres Vogelschutzvorhaben möglich, ohne dass Beringungsergebnisse herangezogen oder beschafft werden müssen.
Von den verschiedenen Möglichkeiten der Beringung und dem sich anschließend stellenden Problem, Näheres über den Verbleib der beringten Vögel zu erfahren, seien kurz die wichtigsten skizziert. Die Beringung von flugunfähigen Jungvögeln in ihren Nestern erübrigt den oft mühseligen Fang, macht aber die oft schwierige Nestersuche erforderlich. Da die Nester vielfach Verlustquoten von 50 % und mehr aufweisen, ist der Aufwand der Nestlingsberingung häufig vergeblich. Ringfunde von Nestlingen sind jedoch, wenn sie erzielt werden, besonders wertvoll, da der Neststandort die genaue Brutheimat einer Population kennzeichnet. Mit der Fänglingsberingung (4.7) kann man leichter große Beringungszahlen erreichen, aber in vielen Fällen bleibt offen, woher die beringten Vögel genau stammen.
Leider sind die Wiederfundraten beringter Vögel recht gering. Sie erreichen zwar bei einigen größeren Arten, vor allem solchen, die bejagt werden, etwa 15–30 %, liegen aber bei vielen Kleinvögeln weit unter 1 %. Der U.S. Fish and Wildlife Service hat die Melderate beringter geschossener Entenvögel durch Rücksendeprämien für die Ringe beträchtlich erhöht. Für einige große Arten wie den Weißstorch hat man Ableseringe entwickelt (Abb. 6), deren Prägung oder Aufschrift am lebenden Vogel (mit einem Fernrohr) abgelesen werden kann. In ähnlicher Weise lassen sich farbig beringte Vögel identifizieren. Legt man außer dem Aluminiumring an beiden Läufen (insgesamt bis maximal sechs) leichte farbige Plastikringe in systematischer Kombination an, so lassen sich Hunderte von Vögeln einer Population individuell markieren und wieder erkennen (Abb. 6). Bei einer Reihe von Arten (vor allem Schwänen, Gänsen) hat man auch gute Erfolge mit Halsmanschetten oder Anhängern mit ablesbarer Aufschrift erzielt (Mathiasson 1976). In den letzten Jahren werden zur individuellen Markierung von Tieren zunehmend elektronische Identifizierungs-Kennzeichen verwendet. Derartige Transponder, also Antwortsender, nur wenige Millimeter groß und unter einem Gramm leicht, können unter die Haut transplantiert und mit Lesegeräten identifiziert werden. Sie beginnen auch bei längerfristigen Zugvogelstudien eine Rolle zu spielen (Michard et al. 1995).