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1 Performance Management und Performance-Steigerung 1.1 Ein Fallbeispiel und allgemeine Betrachtungen

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Fallbeispiel

Eine 89-jährige multimorbide, seit vielen Jahren an einem Diabetes mellitus Typ 2 mit Endorganschäden erkrankte, alleinstehende Patientin wird von ihrem Hausarzt aufgrund deutlicher Verschlechterung des Allgemeinzustandes, Fieber und Schüttelfrost auf die Notfallstation zugewiesen. Es ist bereits die dritte Zuweisung und Hospitalisation in den letzten 5 Monaten. Aufgrund der bereits durchgeführten Anamnese mit produktivem Husten seit drei Tagen und der klinischen Untersuchung besteht klar der Verdacht auf eine Lungenentzündung.

Die Vitalparameter bei Aufnahme auf die Notfallstation werden wie folgt dokumentiert:

Temperatur 39,2 Grad C, Blutdruck 105/59 mmHg, Puls 99/min., Sauerstoffsättigung 86% unter Raumluft. Die auf der Notfallstation durchgeführte Blutentnahme zeigt eine signifikante Erhöhung der Entzündungsparameter (Leukozyten 15,5 giga/l, CRP 250 mg/l). Das Kreatinin ist mit 312 umol/l deutlich erhöht, einem Akuten Nierenversagen im AKIN-Stadium III entsprechend bei normalen Vorwerten vor ca. 4 Monaten. In der durchgeführten Arteriellen Blutgasanalyse (= ABGA) zeigt sich ein deutlich erniedrigter Sauerstoffwert (= Akute Respiratorische Partialinsuffizienz, pO2 von 7,5 kPa, Normwert ab 9,5 kPa). Im durchgeführten Röntgenbild bestätigt sich der geäusserte Verdacht einer Lungenentzündung rechtsseitig.

Die Patientin erhält eine antibiotische Therapie mit Amoxicillin/Clavulansäure 1,2 g i.v. alle 8 Stunden gemäss hausinternen Guidelines und wird zur weiteren Behandlung stationär aufgenommen. Die für den nächsten Tag verordnete Blutentnahme zeigt erfreulicherweise bereits einen Rückgang der Leukozytose bei noch unverändert bleibendem CRP. Die Blutkulturen zeigen kein Wachstum. Am 4. Tag nach Aufnahme wird die Antibiotikatherapie nach deutlichem Rückgang des CRP auf Tabletten umgestellt.

Im weiteren Verlauf stellt sich allerdings nach Rücksprache mit dem Hausarzt und mehreren Angehörigen heraus, dass eine Entlassung in die häuslichen Verhältnisse aufgrund nicht mehr gewährleisteter Versorgung daheim nicht infrage kommt. Der Sozialdienst wird eingeschaltet, und für die Patientin wird ein Platz in einem Alterspflegeheim gesucht. Die Entlassung der Patientin erfolgt am 13. Tag nach Aufnahme.

6 Wochen später – der beschriebene Fall ist in der Zwischenzeit kodiert und abgeschlossen – fällt den Kollegen im Medizin-Controlling auf, dass dieser Fall bei weitem nicht kostendeckend abgebildet werden konnte. Einem Ertrag von ca. 6.028 CHF stehen Kosten von ca. 12.500 CHF gegenüber.

An dieser Stelle kann man sich natürlich viele Dinge fragen, einige davon sollten sein:

Wurde der der Klinik effektiv zustehende, bestmögliche Ertrag für die Behandlung dieses Falles wirklich erwirtschaftet? Und wie wird überhaupt dieser Ertrag generiert? Wurde in diesem konkreten Fallbeispiel der Entlassungsbericht so geschrieben, dass die Kodierung den geleisteten Aufwand – dem Schweregrad der Erkrankung entsprechend – abbilden konnte?

Kann das täglich am Patientenbett tätige medizinische Personal (insbesondere hier Ärzte und Pflegende) einen substanziellen Beitrag leisten, um Erträge zu sichern und Kosten zu senken? Oder liegen die Sicherung von Erträgen und die Reduktion von Kosten einzig und allein im Einfluss- und Verantwortungsbereich der Betriebsökonomen?

Wurden in diesem konkreten Fallbeispiel unnötige Kosten verursacht? Falls ja – welche? Falls ja – gibt es Möglichkeiten, bei ähnlichen Fällen in der Zukunft allenfalls Kosten zu reduzieren? Falls ja, auf welche Weise? Ist eine Verweildauerreduktion als wichtiger Stellhebel einer Kostenreduktion realistisch? Falls ja, wie kann eine solche erreicht werden? Können der Personalaufwand der Pflege, allenfalls vielleicht sogar Material- und Medikamentenkosten reduziert werden?

Können angesichts der oben geschilderten Kosten, welche den Ertrag bei weitem überschreiten, kostensenkende Massnahmen in den klinischen Alltag implementiert werden ohne Verschlechterung der Behandlungsqualität? Oder gibt es vielleicht sogar Massnahmen, welche zusätzlich zu einem positiven ökonomischen Einfluss sowohl die Behandlungsqualität als auch die Patientenzufriedenheit erhöhen können? Welchen Einfluss nehmen solch optimierende Massnahmen auf die seit vielen Jahren häufig zitierte Formel der „Value-based Healthcare“, also auf das Verhältnis von Qualität zu aufgewendeten Mitteln resp. den Kosten?

Gibt es vielleicht Mittel und Wege, nicht nur bei oben im Fallbeispiel erwähnter Patientin mit einer Lungenentzündung, sondern vielleicht auch bei Patienten mit einem schweren Harnwegsinfekt, einem Weichteilinfekt, einer im Rückenbereich durchgeführten Wirbelkörperversteifung (= Spondylodese) oder einer Herzkatheteruntersuchung (= Koronarangiographie) Massnahmen zu implementieren, die die Leistungserbringung am Patienten optimieren?

Wie setzt man derartige Massnahmen und Projekte eigentlich am besten in die Praxis um? Welche Hindernisse gilt es zu überwinden? Eignet sich hier am besten die Durchsetzung in einem „Top-down“-Verfahren oder braucht es besser einen konstruktiven Dialog? Falls ja, warum eigentlich und mit wem?

Wie viel Zeit benötigt man für das Umsetzen dieser Massnahmen resp. Projekte? Und wie sollte sich das zuständige Projektteam am besten personell zusammensetzen?

Und schlussendlich: Warum eigentlich sollten wir diese Anstrengungen und die nötige Mehrarbeit überhaupt unternehmen?

All diese Fragen, und vermutlich noch einige mehr, stellen sich unweigerlich, wenn man über ökonomische Kennzahlen einer Klinik, einer Abteilung wie eine Notfallstation oder Innere Medizin spricht und diese Zahlen positiv zu beeinflussen versucht. Wir werden im Laufe des Buches auf diese Fragen detaillierter eingehen, jedoch bereits hier die letzte der oben genannten Fragen diskutieren: Warum eigentlich?

Dem Leser ist sicherlich bewusst, dass das gesundheitsökonomische Umfeld immer herausfordernder wird. Die Erträge im stationären und ambulanten Bereich der Patientenversorgung stehen deutlich unter Druck. Bekanntermassen sinken die Kostengewichte gängiger Erkrankungsbilder im stationären Bereich eher, als dass sie steigen, wie Abbildung 1.1 am Beispiel eines Falles mit einer Lungenentzündung, einer Chronischen Nierenerkrankung im CKD-Stadium III und Akuter Respiratorischer Insuffizienz eindrucksvoll zeigt. Die Tatsache, dass in vielen Ländern mittlerweile Pauschalsysteme für die Abgeltung von erbrachten Leistungen eingeführt wurden, bedeutet, dass Kliniken ein und dieselbe Leistung bei tendenziell sinkenden Erträgen in sehr guter Qualität anbieten müssen. Dies bedeutet ebenfalls, dass Kliniken bei der Abgeltung ihrer Leistungen im Pauschalsystem sehr sorgfältig mit ihren Ressourcen umgehen sollten. Ausserdem führen Entwicklungen wie z.B. die zunehmende Ambulantisierung zu einer zusätzlichen Erhöhung des wirtschaftlichen Drucks. Die Kosten im Gesundheitswesen sind dagegen offenbar nur schwer zu reduzieren. So führen z.B. auch viele Innovationen im Gesundheitswesen zusätzlich zu steigenden Kosten.

Abb. 1.1Entwicklung der Kostengewichte im SwissDRG-System am Beispiel einer Lungenentzündung mit Chronischer Nierenerkrankung im CKD-Stadium III und Akuter Respiratorischer Insuffizienz in der ABGA bei Aufnahme.

Die in Abbildung 1.2 gezeigte Schere von tendenziell sinkenden Erträgen und steigenden Kosten führt ab einem bestimmen Zeitpunkt unweigerlich zu einer ökonomischen Bedrohungslage für jede Klinik, zu finanziellen Schwierigkeiten bei notwendigen Investitionen und auch zu Unsicherheiten bei Mitarbeitern, Patienten und der Bevölkerung.

Es spielen jedoch nicht nur rein ökonomische Überlegungen eine Rolle. Bereits in der Einleitung haben wir unsere Grundhaltung formuliert:

Als im Gesundheitswesen und in der täglichen Patientenversorgung Tätige sollten wir den Anspruch haben und das Ziel verfolgen, zugunsten unserer Patienten eine qualitativ hochstehende Patientenversorgung zu akzeptablen Kosten anbieten zu können. Dieses Idealbild einer guten, zweckmässigen und bezahlbaren Medizin sollte uns antreiben.

Auch als Arbeitgeber hat eine Klinik eine grosse Verantwortung. Eine im schlimmsten Fall aufgrund einer finanziellen Schieflage von einer Schliessung betroffene Klinik stellt ein Bedrohungsszenario dar für Arbeitsplätze, Einkommen, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten und jegliche berufliche Zukunft seiner Mitarbeiter.

Des Weiteren stellt eine Klinik, die eine kosteneffiziente und qualitativ hochstehende Medizin anbieten kann, einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen dar: Es ist zweifelsohne für die Bevölkerung von grosser Bedeutung, wenn eine/ „ihre“ Klinik auch noch in 10 oder 20 Jahren die medizinische Versorgung für diese sicherstellen kann.

Abb. 1.2Wie dem interessierten Leser bekannt ist, sinken die Erträge im Gesundheitssystem durch diverse Einflussgrössen. Gleichzeitig steigende oder auch nur gleichbleibende Kosten führen ab einem bestimmten Zeitpunkt im Pauschalsystem dazu, dass die Erträge nicht mehr grösser sind als die Kosten, sondern umgekehrt. Also was tun?

Es ist somit unmissverständlich klar, dass eine Klinik – wie jedes Unternehmen auch – sich um ihre Performance, also um die Leistungsfähigkeit, Gedanken machen sollte. Es braucht grosse Anstrengungen, eine Vielzahl von Massnahmen, neue Ideen und Projekte, um den geschilderten Herausforderungen im Gesundheitssystem zu begegnen.

Wie wir in Kapitel 1.2 übersichtsartig beschreiben werden, sind Gedanken zur Performance-Steigerung nicht neu und in der Geschichte anhand von vielen Beispielen zu finden.

Performance-Steigerung Krankenhaus

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