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Wie alles begann

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Frauchens Herrchen und Herrchens Frauchen nennen mich seit wir uns das erste Mal begegnet sind „Soso“. Ich bin jetzt schon 2 ½ Jahre alt und ich lebe in der größten Hundestadt, die es überhaupt in Deutschland gibt. 110.000 meiner Artgenossen hat man hier jüngst gezählt, also kann man einigermaßen mit Fug und Recht behaupten: Berlin ist eindeutig die Hundehauptstadt von Deutschland. Warum das so ist, wissen nicht einmal die ganz klugen Leute.

Aber ich habe natürlich nicht immer hier gelebt. Geboren wurde ich in einem kleinen Kaff in Norddeutschland, dessen Namen ich leider vergessen habe. Meine Mama war eine reinrassige Brandlbracke und sehr adlig, also mit Stammbaum. Meinen Vater kenne ich nur oberflächlich. Aber wie ich herausgefunden habe, war er ein ausgebüchster Dorfköter, ein Schäferhundmix, und er verkehrte nur kurzfristig in unserem Hause. Soweit ich mich daran erinnern kann, sprach meine Mama nur sehr selten über ihn. Er muss wohl ein ziemlicher Hallodri gewesen sein. Ich bin also nicht unbedingt das Ergebnis einer dauerhaften Liebesbeziehung.

Die Verbindung meiner Eltern war auf jeden Fall nicht arrangiert und deshalb auch vom Herrchen meiner Mama, der ein strenger Brandlbrackenzüchter war, ganz und gar nicht gewollt. Aber so was kommt ja bei Adeligen auch hin und wieder mal vor, nicht wahr. Ich jedenfalls hatte noch weitere sechs Geschwister, alles kleine und niedliche Brandlbracken-von-feinster-abstammung-mit-dahergelaufenen-straßenköter-schäferhund-mixturen, die gerade an jenem Tag, an dem mein Leben sich grundlegend verändern sollte, als Annonce angeboten in der Ortszeitung standen: Gesunde Mixwelpen kostengünstig abzugeben. Interessenten melden sich bitte beim Wirt des Gasthauses „Sonne“.

An diesem denkwürdigen Tag, es war obendrein ein Sonntag, unternahmen zwei Menschen aus der großen Stadt Berlin mit ihrem Auto einen Ausflug quer durchs Land. Sie waren bereits schon auf der Heimreise, als sie plötzlich einen knurrenden Magen verspürten, der sie auf den Einfall brachte, das nächstbeste Gasthaus aufzusuchen. Ich weiß das natürlich alles von Frauchens Herrchen und Herrchens Frauchen. Sie haben es mir schließlich oft genug erzählt. Ich selbst war ja damals noch viel zu jung, um mich an alle wichtigen Details erinnern zu können, war ja gerade erst acht Wochen alt. Jedenfalls fuhren die beiden damals vor zwei Jahren mit knurrendem Magen zufällig durch unser kleines norddeutsche Kaff und lasen plötzlich am Straßenrand ein Hinweisschild mit der Aufschrift: Gasthaus „Sonne“ – gutbürgerliche Küche.

Wir kleinen Welpen spielten und tobten gerade auf dem Hof herum, als das Auto aus Berlin vor unserem Gasthaus anhielt. Herrchens Frauchen muss uns sogleich bemerkt haben, denn sie fragte einen aus dem Gasthaus heraus stolpernden, nicht mehr ganz nüchternen Herrn, wem wohl diese süßen Welpen gehören.

Dieser sagte nur: „Ach, die stehen heut in der Zeit-tung. Fragen Sie doch einfach mal - hick - den Wirt.“ Dann stolperte er weiter und bekam einen heftigen Schluckauf. Frauchen und Herrchen betraten daraufhin unser Gasthaus und beide müssen wahrscheinlich auf der Stelle ihren Verstand verloren haben bei unserem Anblick. Sie vergaßen sofort ihren leeren Magen, tollten dann eine Weile mit uns Welpen auf dem Hof herum und nahmen schließlich mich in ihre Arme. Wir machten wohl alle drei ein reichlich verklärtes Gesicht dabei.

Ich weiß natürlich heute, genau so sehen Menschen aus, die dem Charme eines Welpen nicht widerstehen können. Was ja nichts weiter zu bedeuten hat, denn die Menschen verlieren ja fast immer ihren Verstand, wenn sie die Empfindung spüren glücklich zu sein. Der Wirt jedenfalls, der gleichzeitig auch Jägermeister und unser strenger Brandlbrackenzüchter in einer Person war, steckte bald darauf einen Geldschein in seine Hosentasche und war zufrieden - und mir blieb nur noch sehr wenig Zeit, um mich von meiner Mama und meinen Geschwistern verabschieden zu können. Eine halbe Stunde später wurde ich auch schon auf den Rücksitz des Autos auf eine Decke gesetzt und trat meine erste lange Reise an, an die ich mich sogar heute noch nur mit unangenehmen Schauder erinnern kann. Mir wurde nämlich sehr bald speiübel. Alles roch so fremd und schaukelte unentwegt hin und her. Ich glaube, ich hab sogar auf die Decke gepinkelt, die extra für mich auf dem Rücksitz ausgebreitet war. Aber die beiden Menschen, die seit dieser Stunde mein Frauchens Herrchen und mein Herrchens Frauchen waren, zeigten sich sehr freundlich und gaben mir schon bald was zu fressen und zu saufen, obwohl sie ja selbst Hunger hatten. Eine sehr noble Geste, wie ich finde. Vor lauter Aufregung und Glückseligkeit hatten sie nämlich ganz und gar vergessen im Gasthaus „Sonne“ zu essen und so brausten wir nun gen Berlin, der Hundehauptstadt entgegen.

Wir waren noch nicht lange unterwegs, da kamen Frauchen und Herrchen bereits auf die glorreiche Idee für mich einen Namen auszudenken. „Bienchen“ sollte ich zunächst heißen, dann plötzlich „Paulemann“, doch das war wohl alles nix. Ein Rufname wäre doch auch abhängig, ob ich ein Weibchen wäre oder ein Rüde. Ich wusste damals allerdings selbst noch gar nicht genau, was ich bin. Ich war einfach nur da auf dieser schönen Welt. Da sich die beiden Menschen jedoch ganz sicher waren, das ich ein Rüde sei, wäre „Bienchen“ für mich als Name nicht geeignet. Herrchens Frauchen hatte schließlich einen genialen Einfall. Sie sagte plötzlich: „So-so - Soso ist der richtige Name!“ Denn alles geschah an einem Sonntag und in einem Gasthaus welches „Sonne“ hieß. So – wie Sonntag – und So – wie Sonne, also zweimal s und zweimal o.

So bin ich zu meinem Namen gekommen, und er gefiel mir gut. Trotzdem, mir war während der ganzen Autofahrt bis nach Berlin kotzübel. Daran erinnere ich mich noch heute sehr genau. Es war die Reise in mein neues Leben. Ich hatte damals allerdings nicht die geringste Ahnung, was mich in meinem neuen Zuhause so alles erwarten würde.


Aus dem Tagebuch eines Hundes

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