Читать книгу Aus dem Tagebuch eines Hundes - Peter Eckhart Reichel - Страница 7
Der erste Tagebucheintrag
ОглавлениеHabe heute Morgen auch eine Wurst geschenkt bekommen, zum Geburtstag, aber ich musste sie selbst suchen, denn Frauchen und Herrchen hatten sie, wie sie meinten, gut versteckt. Habe sie aber trotzdem gleich mit Hilfe meiner Nase aufgespürt. Sie lag in Herrchens Hausschuh direkt neben dem Sofa. Sockenduft und Wurstaroma. Das war eine große Freude. Warum darf ich als Hund eigentlich nicht jeden Sonntag Geburtstag feiern?
Das Leben macht mir so großen Spaß. Es ist Frühling. Draußen wird alles grün und es duftet nach Blumen, Leberwurst und Socken.
Aber heute ist noch viel mehr passiert.
Wisangtschin, was für ein wahnsinniger Sonnentag! Herrchens Frauchen hat heute versucht einen Kuchen zu backen, einen Pflaumenkuchen. Weil sie die Backform aus dem obersten Regalfach des Küchenschranks herausholen wollte, ist sie auf einen der wackligen Küchenstühle gestiegen, um so besser an das Ding heranzukommen. Ich lag alldieweil auf dem Sofa im Arbeitszimmer von Frauchens Herrchen und döste so vor mich hin. Mein Herrchen schrieb gerade an einer Kurzgeschichte, Herrchen ist nämlich Schriftsteller, und ich wollte deshalb nicht stören, lag also nur ganz still da. Plötzlich hörten wir beide ein Getöse aus der Küche, dann ein Wehgeschrei. Herrchen und ich sind so gleich aufgesprungen und in die Küche geeilt. Da entdeckten wir Frauchen rücklings auf dem Fußboden liegend. Wie ein umgefallener Käfer, so zappelte sie hilflos mit Armen und Beinen herum, hielt sich dabei ein Bein und jaulte vor Schmerz. Die Kuchenbackform lag neben ihr. Fast wäre das Ding in meinen Fressnapf gefallen. Manchmal hilft eben auch nicht das beste Feng Shui in der Wohnung, wenn ein wackliger Küchenstuhl als Trittleiter benutzt wird. Ohje. Herrchen hat dann jedenfalls Frauchen schnell hochgehievt und wieder auf die Beine gestellt. Zum Glück hatte sich Frauchen nichts gebrochen, nur ein paar blaue Flecke und ein geschwollenes Kniegelenk, aber der Schreck, wisangtschin, der saß uns allen noch den ganzen Tag lang in den Gliedern.
Frauchens Herrchen meinte: „Der Sturz vom Stuhl gehört mit zu den Unfall-Klassikern. Die meisten tödlichen Unfälle passieren im Haushalt!“ Herrchens Frauchen war von dieser nüchternen Feststellung alles andere als begeistert, sie meinte nur: „Na, vielen Dank auch! Das hättest Du Dir wohl gewünscht, was?“ Dann haben sich die beiden heftig gezankt und der Haussegen hing schief.
Sowas kann ich nun mal überhaupt nicht vertragen und bin in mein Hundenest geflüchtet, doch nach einer Stunde konnte Frauchen wieder einigermaßen stehen und laufen und so hat sie dann doch noch mit saurer Miene den Kuchen gebacken. Ich habe dabei vor dem Backofen gesessen und die ganze Zeit über in die Röhre geguckt. In die Backröhre gucken ist wie Fernsehen für Hunde, ein sehr spannendes Programm, weil es die Phantasie anregt – und natürlich auch den Appetit und den Speichelfluss. Nur kommt man als Hund an die Leckereien, die dieses Programm zu bieten hat, leider nicht ran. Unsereins würde sich ganz fürchterlich die Nase verbrennen, da die Backröhre sehr heiß ist. Dieser Duft hat meinen Appetit natürlich ganz erheblich angefacht, wie ihr euch sicher denken könnt.
Na ja. Vom frischgebackenen Kuchen habe ich am Nachmittag jedenfalls doch noch ein paar Krümel abbekommen. Hätte ich ein ganzes Stück gefressen, wäre mir das sicher nicht bekommen. Wisangtschin! – wenn ihr versteht. Wir Hunde bekommen von Menschenfutter manchmal ganz mächtigen Durchfall, daher gibt es extra für uns gebackenen Hundekuchen zu kaufen. Den fresse ich übrigens auch sehr gern, auch wenn er natürlich nicht so lecker schmeckt wie der Pflaumenkuchen aus dem Hundefernseher.