Читать книгу Langeooger Dampfer - Peter Gerdes - Страница 6
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Оглавление»He, nein! Hör auf, ich bitte dich. Nein, Schluss jetzt. Lass das!«
Sie schlug seine Hand beiseite. Es war mehr ein Klaps als ein Schlag. Sie wollte ja nicht, dass er es wirklich sein ließ … nein, ganz und gar nicht. Nur eben jetzt und hier, da passte es nicht.
Schon wieder waren seine Hände überall. Verdammt, wie viele Hände hatte denn so ein Mann? Sie lachte kehlig. »Lass das, hab ich gesagt! Guck doch, die ganzen Leute.«
»Na und? Lass sie doch gucken, die ganzen Leute.« Seine Pranken lagen jetzt auf ihren Hüften, tasteten durch das locker geschlungene Seidentuch nach dem Gummibund ihres Bikinihöschens und zogen sie gleichzeitig näher an sich heran. Regte sich da etwa schon was in seinen Badeshorts? Der Bursche hatte auch überhaupt kein Timing!
Von oben stießen seine gespitzten Lippen herab wie der Schnabel einer Raubmöwe. Geschickt bog sie sich rückwärts, ließ ihn ins Leere schmatzen. »Echt jetzt mal. Doch nicht hier!«
»Was hast du denn?« Seine gerunzelte Stirn ließ vermuten, dass diese Frage ernst gemeint war. »Alle kleinen Kinder sind doch schon im Bett. Glaub nicht, dass hier irgendjemand schockiert ist! Höchstens neidisch.«
Sie entwand sich seinem Griff, hielt ihn mit dem Hüftknochen seitlich auf Distanz. Warum gab es nie einen Wasserschlauch, wenn man dringend einen brauchte!
Wenigstens stellte sie dabei fest, dass das da in seinen Badeshorts nicht das war, was sie befürchtet hatte. Sondern bloß seine E-Zigarette. Vielmehr seine Dampfe, wie jetzt alle sagten. Oder sein Dampfer.
Dieser Typ war ja ein ganz leckeres Kerlchen, fand sie. Recht groß, feste Disco-Muskeln, nicht allzu geschmacklos tätowiert. Alle Haare ab, soweit sie sehen konnte. Gefiel ihr gut. Konnte man direkt mal antesten.
»Komm, lass uns von der Höhenpromenade runter«, sagte sie. »Zu viele Spaziergänger, das kann noch stundenlag so gehen.« Sie griff nach seinem Handgelenk, zog ihn mit wie ein Riesenkind. »Gehen wir runter an den Strand, ja? Da ist jetzt nichts mehr los.«
»Du willst doch wohl jetzt nicht mehr schwimmen gehen?«, maulte er. »Wird schon dunkel, die Badeaufsicht ist längst weg.«
»Wer redet denn von schwimmen?«, erwiderte sie gurrend.
Sie dirigierte ihn den Strandzugang hinab, erst über die sandigen Planken, dann durch den feinen, tiefen Sand, der die Wärme des vergangenen Tages in sich trug. Ein herrlich heißer Sommertag war das gewesen; im Frühstücksfernsehen hatten sie Festländer gezeigt, die in den aufgeheizten Städten nach Kühlung lechzten. Hier an der Küste, auf der Insel, gab es Wasser und Wind, hier war alles wunderbar. Vor allem am Strand.
Das sahen auch andere so, stellte die Frau fest, als sie unterhalb der Randdünen angelangt waren. Überraschend viele Menschen trieben sich um diese Zeit hier herum, plaudernd, lachend, Frisbees werfend. Hier waren sie zu dicht am Ort, es war eindeutig zu viel los für das, wonach ihnen beiden der Sinn stand.
»Komm!« Sie dirigierte ihn nach Osten, weiter weg von den ortsnahen Gefilden. Sie kannte sich aus auf Langeoog, sie lebte schon eine Weile hier und wusste, dass es jenseits des Pirolatals am Strand deutlich ruhiger zuging, selbst tagsüber, wenn alle Strandkörbe besetzt und alle Beachvolleyballnetze umlagert waren. Noch ein paar Minuten Fußmarsch, schätzte sie, dann konnten sie ungestört zur Sache kommen.
»Wo willst du hin?« Der Typ schritt nicht so willig aus, wie sie sich das vorgestellt hatte. Wie hieß er überhaupt? Sie konnte sich gar nicht erinnern, ob er sich vorgestellt hatte. Dabei war er doch ziemlich flink mit der Zunge.
»Weiter da hinten hin.« Sie legte ihren Arm um seinen Oberkörper, schmiegte ihre Taille an seine Hüfte. Fühlte sich gut an, fand sie, und so ließ er sich noch besser dirigieren.
»Da hinten ist aber gesperrt«, wandte er ein. »Da sind Aufspülungen. Diese und nächste Woche noch, heißt es. Weil so viel Sand weggerissen worden ist letzten Winter. Da darf keiner hin, bis sich der neue Sand gesetzt hat. Ist viel zu weich im Moment.«
»Na und? Umso besser!« Sie schob und drängte ihn weiter. »Wenn da keiner hin darf, dann ist da wohl auch keiner. Und weich ist doch gut, oder?«
Der Osthimmel, auf den sie zugingen, war fast vollkommen dunkel; kein Mond, und aufziehende Wolken verhüllten mehr und mehr Sterne. Sie orientierten sich am Glitzern des Brandungssaums und an den tiefschwarzen Kernschatten der Dünen. Dann tauchten ebenso schwarze, bizarre Monster vor ihnen auf. Ehe sie erschrecken konnte, lief sie in eine weiche Sperre aus Flatterband.
»Ab hier ist Baustelle«, sagte der Mann, die Stimme unwillkürlich gedämpft. »Das da sind Baumaschinen. Komisch, so etwas auf einer autofreien Insel.« Er war wirklich gut informiert für einen Festländer.
Sie hob das Absperrband, lenkte ihn zum Fuß der Dünen. »Siehst du«, hauchte sie, »kein Mensch da.« Sie schob und drehte ihn sich zurecht, ließ ihre Finger über seine Haut, seine Muskeln wandern. Die Vorfreude ließ sie nach Luft schnappen.
Auch seine Hände waren wieder da, waren überall. Weg war das Tuch, das sie sich umgeschlungen hatte, um ihre Oberschenkel vor der Sonne zu schützen, weg war ihr Top. Und im nächsten Moment auch ihr Bikini. Himmel, wie viele Hände hatte dieser Mann?
Sie ließ sich in den Sand sinken, der so weich war wie vermutet, ahnte den Mann mehr über sich, als dass sie ihn sah. Wieder waren seine Hände überall. Oh, er kannte sich aus, er wusste, wie das ging!
Aber nein. So ging das nicht, das war zu schnell, das war noch nicht dran. Und außerdem – warum so kalt?
»Lass das!«, zischte sie. »Nimm deine Hand da weg!«
»Was? Wieso?« Er verharrte, die eine Hand auf ihrem Bauch, die andere an ihrer linken Brust.
Und die dritte, die eiskalte, an der Innenseite ihres Oberschenkels.
Verdammt, wie viele Hände …
Ihr schriller Schrei hallte von den Dünen wider. Er wollte kein Ende nehmen.