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Eins

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Der erste August im Jahre des Herrn 1492.

Im Hafen von Palos.

Ich sehe meinen Freund Kolumbus wieder.

Ich stellte die Reisetasche ab und wedelte mir mit der Mönchskutte ein bisschen frische Luft zu.

Wenn ich tief einatmete, tat mir der Hals weh.

Zu meinen Füßen lag Palos.

Neugierig betrachtete ich das Häusergewimmel, das die Mündung des Flusses Rio Tinto umgab. Die Dächer leuchteten golden in der stechenden Mittagssonne. Die Kirche San Jorge erkannte ich aus den Büchern der Mönche wieder. Der schmale, hohe Glockenturm überragte alles.

Und in der Ferne: Das Meer, wie ein länglicher, glitzernder Streifen.

Ich wandte meinen Blick den Bergen zu. In der Ferne verschwand der Weg zwischen Orangenfeldern und Olivenhainen. Die Berge, in denen ich so oft mit López gespielt hatte und die mir so groß erschienen waren, sahen wie kleine Zacken aus. Ich strich mir den Schweiß aus der Stirn und nahm die Reisetasche.

Seit zwei Tagen und Nächten war ich unterwegs.

Ich musste noch ein Stück weiter.

Das milde Licht in den Gassen tat meinen Augen gut.

Der Duft war immer stärker geworden und meine Spannung wuchs mit jedem Schritt. Als ich um eine Hausecke bog und plötzlich das Meer erblickte, hüpfte mein Herz vor Freude.

Wie schön!

Das blaue Meer schien mit dem Himmel zu verschmelzen. Wie ein riesiger, funkelnder Edelstein. Man hörte Rufe und Hammerschläge, und ich sah zu den drei großen Karavellen hinüber, die am Kai lagen. Ein paar Männer luden gerade einige Holzfässer von einem Eselskarren und trugen sie an Bord. Es hatten sich so viele Menschen um die Schiffe versammelt, dass sie wie das Zentrum allen Lebens wirkten: Junge, Alte, Frauen und Männer, ja ganz Palos schien sich vor den Holzschiffen zusammenzudrängen.

Vor dem größten Schiff standen zwei Männer an einem Tisch. Der eine trug einfache Alltagskleidung und eine rote Wöllmütze und hielt ein Buch unter dem Arm. Der andere war wie ein Edelmann angezogen, hin und wieder trocknete er sich das Gesicht mit einem Taschentuch ab.

Als ich näher kam, legte der Seemann das Buch auf den Tisch und schrieb mit einem Federkiel etwas hinein. Vor ihm stand ein Tintenfässchen. Ich hörte, wie er zu dem Edelmann, der ihm den Rücken zuwandte, sagte: »Aber wir brauchen mehr, Señor Pinzón. Mindestens drei weitere Böttcher und einen Schmied, zusätzlich zu den normalen Seeleuten!«

Der Edelmann zuckte bloß mit den Schultern.

Als ich mich bis zum Tisch vorgedrängt hatte, sah mich der Schreiber mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Und wer bist du?«

Ich nannte meinen Namen: »Bruder Pedro Gucci aus dem Franziskanerkloster La Rábida.«

»Aha, du bist also Bruder Pedro.« Er lächelte. »Ich heiße Miguel. Wir werden Schiffskameraden auf der Santa Maria sein. Dort liegt sie.« Er zeigte auf das größte Schiff am Kai. Ein paar Seevögel flatterten gerade vom Mast auf und stürzten sich kreischend auf die Fischreste, die an der Meeresoberfläche schwammen. »Kapitän, der Mönch ist gekommen«, sagte er mit lauter Stimme.

Das kantige Gesicht des Edelmannes war unbeweglich, als er mich grüßte. Er nickte und wandte sich ab. Miguel lehnte sich vor, seine Augen funkelten. »Sieh dich vor Kapitän Vincente Pinzon vor. Er ist heute nicht bester Laune.« Miguel verbarg seine Neugier nicht. »Ist das deine erste Seereise?«

»Ich habe noch nie ein Schiff betreten«, antwortete ich.

Als wir in diesem Augenblick weit entfernte Schreie hörten, drehten wir uns um. Ein Trupp Soldaten kam aus einer Gasse. Sie trieben ein paar zerlumpte Kerle vor sich her, die mit einem langen Seil aneinander gebunden waren. Ihnen folgte eine pfeifende und johlende Menschenmenge. Hinter mir rief Miguel: »Die Gefangenen sind da, Señor Pinzon!«

Einer der Gefesselten musste gestolpert sein. Ich sah einen Soldaten, der seine Peitsche hob und senkte. Auf den scharfen Knall folgte ein Schrei. Einige in der Menschenmenge hoben Steine hoch und begannen, sie auf die Soldaten zu werfen, die mit ihren Waffen auf die Massen einschlugen.

»Die Helden von Granada!«

»Gebt Königin Isabella einen Kuss von mir!«

Es war bedrückend.

Irgendwo jenseits des Lärms hörte man Hufgeklapper. Ein geschlossener Wagen rollte näher. Von innen rief jemand etwas, worauf der Kutscher sich vorbeugte, seine Peitsche schwang und die Menschenmenge zu meiner Erleichterung auseinander trieb.

Ich erkannte die Stimme sofort.

In der Kutsche saß der Mann, den Königin Isabella und König Ferdinand von Spanien unter ihren persönlichen Schutz gestellt hatten. Der Mann, der mehr als jeder andere mein Leben beeinflusst hatte.

Christoph Kolumbus.

Sein grimmiges Gesicht erstrahlte, als er mich sah.

»Pedro! Bist du es wirklich?«

Mir wurde warm ums Herz und ich hob die Hand zum Gruß.

So trafen wir uns wieder.

In Gedanken kehrte ich zu dem Abend zurück, als wir uns das allererste Mal begegnet waren, er und ich.

1492 - das geheime Manuskript

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