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Kapitel 5
Оглавление„Siehst du den Lockenkopf!“
„Den Dicken dort am Tisch?“
„Nein! Den Jungen, der bedient.“
„Ach der! Hübscher Kerl, die Mädchen werden sich um ihn zanken.“
„Ja, so ebenmäßige Züge, mit welcher Anmut er sich bewegt.“
„Heh! Du bist verliebt in einen Knaben.“
„Und wenn? Schau da stehen seine Eltern.“
„Was eine schöne Frau!“
„Zügle deine Augen!“
„Na, die Locken hat er vom Vater, die Anmut von der Mutter.“
„Und seine Geschwister sind auch nicht gerade hässlich.“
Maryam trug ein kleines Kind auf der Hüfte, ein anderes hielt sie an der Hand. Neben Jausef stand ein weiterer Junge, etwa acht Jahre alt.
„Er ist halt der Erstgeborene. Weißt du, was man über ihn erzählt?“
„Nun sag' schon! Aber erst nehmen wir noch einen Schluck Wein.“
„Zum Wohl! – Jetzt zum Frühlingsfest waren die Eltern mit ihm in Jeruschalajim. Dort haben sie ihn aus den Augen verloren. Sie haben ihn überall gesucht. Bei Freunden, bei Verwandten, überall. Nichts!“
„Und?“
„Zuletzt haben sie ihn gefunden im Tempel.“
„Ja und, was ist daran besonderes? Jeden Tag gehen viele Menschen in den Tempel.“
„Bewahre! Ein Zwölfjähriger, der freiwillig in den Tempel geht!?“
„Warum nicht? Er hatte seine Eltern verloren. Vielleicht hatte er Angst und suchte ein Zuhause.“
„Ha, jetzt kommt's! Er saß unter den Gelehrten und redete mit ihnen, als ob er ein Alter wäre.“
„Hmm?“
„Und weißt du, was er sagte, als sein Eltern kamen?“
„Nun sag' schon!“
„Was sucht ihr mich? Ich bin am Leben und bin bei uns bis zum Ende aller Tage.“
„Was soll das heißen?“
Bislang hatte die Musik im Hintergrund gespielt. Jetzt tanzte eine Frau mit Schellen an den Knöcheln in die Mitte des Hofes. Lachend spielte sie mit ihren Zimbeln und forderte die anderen Frauen auf, sich ihr anzuschließen. Schrille Schreie ertönten, die Stunde der Frauen war gekommen. Mehr und mehr strömten in die Mitte, bogen ihre Leiber stampften mit ihren Füßen auf den lehmigen Boden. Unter sich ließen sie sich gehen, reckten ihre Arme in die Höhe, wiegten ihre Köpfe mit geschlossenen Augen. Sollten die Männer sehen, dass sie schön waren, schön und begehrenswert.
Und die Männer klatschten, hüpften auf ihren Bänken, einige jauchzten, manche brummten wie Bären. Als alle im gleichen Rhythmus schrien und klatschten, sprangen die Männer auf und mischten sich unter die Frauen. Diese zogen sich zurück und überließen ihnen den Platz. Schnell bildeten die Männer einen Kreis und feuerten sich an. Immer einer tanzte in die Mitte und zeigte wie er Arme und Beine verrenken konnte, wie schnell er mit den Füßen tippeln konnte, wie tief er sich beugen konnte, ohne zu fallen. Dann traten zwei in den Kreis und umtanzten sich wie Hähne, balzten und drohten voreinander, bis sie sich lachend umarmten.
Die Trommeln wogten hin und her wie die Wellen im Meer, die Flöten segelten darüber wie Möwen im Wind. Inzwischen hatten sich die Frauen zu den Männern gesellt. Dunkel war es geworden, die Fackeln warfen flackerndes Licht auf die glücklichen Gesichter. Ein Tanz folgte dem anderen, immer im Kreis wie schon bei den Vätern und Großvätern. Der Kreis umfasste alle, die Lebenden und die Toten. Den Stamm. Das Volk. Das Land. Den Erdkreis, den Kreis der Sonne, wenn sie morgen aufgehen würde.
„Yeshu, verdammt, der Wein geht zur Neige. Was tun wir? Das Fest, das schöne Fest, es wird plötzlich zu Ende sein. Enttäuscht werden die Menschen nach Hause gehen und mir fluchen.
Nur noch zwei Krüge. Wir können doch kein Wasser in den Wein schütten!“
„Aber wir können Wein in das Wasser tun.“
„Sie werden es schmecken.“
„Wir machen das Wasser zu Wein.“
„Wie meinst du?“
„Hier! Nimm dieses Wasser! Schau dir an, wie klar es ist!“
„Ja, klar.“
„Nun riech' es! Sag mir, wie es riecht!“
„Nch! Wie Wasser halt.“
„Jetzt schmeck' es! Nein, nicht einfach trinken wie ein Ziege, du sollst es kosten! Schlürf' es! Nimm einen kleinen Schluck, lass ihn über die Zunge fließen.“
„Hmm! Ich wusste gar nicht, das Wasser so gut schmeckt! Hmm, noch einen. Das tut gut. Ich werde wieder nüchtern.“
„Willst du Wein?“
„Nein, nein.“
Yeshu nahm einen Ledersack mit frischem Quellwasser und mischte sich unter die Tänzer. Erst tanzte er in der Mitte, wog seinen Sack im Arm wie die Liebste. Die Menschen wieherten vor Lachen. Dann staunten sie. Er hielt den Sack zum Himmel, als wollte er ihn weihen wie ein Lamm. Schwindelig war ihnen, überhitzt und durstig. Mit weitem Strahl goss er sich selbst in den Mund und drehte sich majestätisch. Jetzt hatten sie verstanden, was er vorhatte. Einer nach dem anderen kamen sie heran und beugten sich hinab und ließen sich das kostbare Nass in den Mund spritzen, ließen es über Lippen und Kehle rinnen. Die Gesichter glänzten nass und glücklich, als sie wieder aufstanden, gekühlt und gelabt.
„Das Wasser des Lebens“, sagte Yeshu jedes Mal. Ob es die Tänzer hörten? Die Schalmeien bliesen sehr laut.