Читать книгу Muzungu Facetten zentralafrikanischer Jahre - Peter Kunkel - Страница 9
ОглавлениеDie Anreise oder wie man es nicht machen soll
Der Neuling hat es nicht leicht, besonders wenn er sich auf dem Weg zum Kongo bereits siebzig Kilometer vor Nairobi mit seinem Kombi (für solche, die den Wagen unter dieser Bezeichnung nicht mehr kennen: ein Minibus von VW) überschlägt und unterhalb der Straße in weichem Schlamm wieder auf die Räder zu stehen kommt.
Zum Glück war ich allein. Meine Frau und mein Söhnchen sollten in einigen Monaten mit dem Flugzeug nachkommen, was sie ohne weitere Vorkommnisse auch taten. Ich war mit dem Schiff von Triest nach Mombasa vorausgefahren. Man hat Zeit, sich an die immer dunkler werdende Menschheit zu gewöhnen. Natürlich hat man schon vorher Schwarze gesehen, aber in Mengen waren sie schon beeindruckend, besonders wenn man auf dem Weg in ein Land war, das sich wegen seiner katastrophalen Zustände einer traurigen Berühmtheit erfreute.
Die Straße von Mombasa ins Hochland hinauf wurde gerade asphaltiert. Mehr als dreihundert Kilometer waren noch Erdstraße und nicht allzu breit. Sie lief eher wie ein Fußpfad durch die herrliche wilde Vegetation des Tsavoparks, der damals noch voll großer Baobabbäume war, die inzwischen einer Elefantenüberpopulation zum Opfer gefallen sind. Immer wieder standen Schilder am Weg, die vor überquerenden Elefanten warnten, aber es kam nie einer. Die Fahrbahn war voller Löcher und führte, wie die Erdstraßen im früheren britischen Ostafrika oft, ohne Rücksicht auf das Gelände schnurgerade durch das Land. Immer wieder ging es schwindel-erregend hinunter, und unten im Tal hatte man das Gefühl, gegen eine Wand zu fahren, so steil führte die Straße wieder nach oben. Nach kurzer Visite eines winzigen Stücks Tsavopark, wo mir die Fülle der Antilopen, Vögel, Elefanten und gigantischen Mistkäfer den Atem verschlagen hatte, war ich erst mittags von Voi aufgebrochen. Ich war müde und abgehetzt, als ich siebzig Kilometer vor Nairobi auf den Asphalt kam – wenige Augenblicke später war ich wieder hellwach und mein Wagen nach allen Himmelsrichtungen verbeult und ge-faltet.
Ich darf mich nicht beklagen. Ich war unverletzt. Mein Umzugsgepäck war zwar durcheinandergewirbelt, aber offensichtlich unbeschädigt. Selbst die Kameraausrüstung, die auf dem Sitz neben mir ausge-breitet gewesen war, war zwar überall hingeflogen, aber noch intakt. Und der Motor sprang an, als ich den Zündschlüssel drehte.
Trotzdem ist es kein gutes Gefühl, in einem neuen Kontinent gleich am ersten Tag neben seinem zerbeulten Auto im Schlamm zu stehen und nicht zu wissen, ob es noch weiterführe, wenn man es nur erst wieder oben auf der Straße hätte. Inzwischen war es stockfinstere Nacht, so schwarz, wie es sie in unserem lichterreichen Europa über-haupt nicht mehr gibt. Nur eine einsame Birne leuchtete irgendwo weit weg, über einer Stalltür vielleicht, denn im Licht meiner Schein-werfer sah ich, daß ich an einem Stacheldrahtzaun stand, und im Dunkel konnte ich die Umrisse einiger Kühe wahrnehmen.
Erleichtert sah ich nach einiger Zeit die Lichter eines anderen Fahrzeugs aufleuchten. Es hielt auf mein Winken auch wirklich an. Der arabische Chauffeur verstand zum Glück Englisch und besah sich meinen Kombi. Dann drehte er sich um und fragte in aggressivem Ton:
„Liebst du Nasser?“
Es wäre unhöflich und unter den gegebenen Umständen auch unklug gewesen, Nasser nicht zu lieben.
„Da hast du Glück. Wenn du Nasser nicht geliebt hättest, hätte ich dir jetzt nicht geholfen.“
Er ließ von seiner Ladefläche eine erstaunliche Menge fröhlicher Schwarzer herunterspringen, die erregt in Kiswaheli auf mich einre-deten. Ich antwortete ihnen auf Italienisch, weil das von den mir geläufigen Sprachen klanglich noch am ähnlichsten war, eine ebenso sinnlose wie unwillkürliche Reaktion. Aber sie waren damit zufrieden. Mit Hilfe eines Seils und viel Gelärme stand mein Wagen bald wieder auf der Straße.
Der Araber hätte gern mehr für mich getan und drängte mich, doch mit nach Nairobi zu kommen. Am nächsten Morgen könne ich Wagen und Gepäck holen. Da aber alle Türen des Kombis verbogen und nicht mehr verschließbar waren, wollte ich lieber selbst mit meinem Auto nach Nairobi zu hoppeln versuchen. Verstimmt fuhr der freundliche Mann davon.
Mit dem Ersatzkeilriemen band ich die widerspenstige Tür neben dem Führersitz fest und fuhr los. Die rechte Hinterachse war verbo-gen. Das Auto hoppelte in der Tat, und der Reifen rieb sich an der Karosserie. Nach fünf Kilometern war er so heiß, daß er mit lautem Knall seinen Geist aufgab. Unter der Lampe über dem Führersitz – der einzigen, die von der Innenbeleuchtung noch funktionierte - las ich die Gebrauchsanweisung für den Radwechsel, den ersten meines Lebens, und brachte tatsächlich im Finstern rein taktil das Ersatzrad dorthin, wo es hinmußte. Mit ihm fuhr ich vorsichtiger. Ich ließ es alle Viertelstunde abkühlen, was es mit leisem, manchmal mehrstim-migen Singen tat.
Kalt, eiskalt ist das Hochland von Kenya, besonders um Mitternacht und wenn der Fahrwind zu verbogenen Türen und zerbrochenen Fenstern hereinzieht. Durchgefroren kam ich schließlich um drei Uhr morgens in Nairobi an. Es war wie ausgestorben. Ich fuhr mit meinem bemerkenswerten Wagen kreuz und quer durch die Stadt. Kein Hotel mehr offen, nirgends jemand, der sich über meinen Kombi hätte wundern und mir hätte Auskunft geben können.
Ich geriet wieder aus dem Stadtkern heraus in eine Villengegend, mit Universität und Museum, als ich endlich ein kleines Hotel fand, in dem der Portier noch wach war und Zeitung las. Die zerfetzten und unwahrscheinlich in die Länge gezogenen Ohrläppchen, Erinnerung an längst abgelegten schweren Stammesschmuck, wiesen ihn als Kikuyu aus und bildeten einen seltsamen Kontrast zu seinem würdevollen schwarzen Anzug. Er brach beim Anblick meines Wagens in laute Lobpreisungen Gottes aus, der mich so wohl bewahrt habe – wohl wahr. Meine eigene Dankbarkeit war allerdings im Strudel der Ereignisse etwas auf der Strecke geblieben.
Es war keins der großen Hotels, durch die schon damals die Touristenströme geschleust wurden. Es war durch und durch englisch, ein wenig altmodisch mit seinen hohen Zimmern und den in dieser Höhe eigentlich überflüssigen Moskitonetzen über den Betten, mit dem Rasen, um den die Zimmer lagen, mit dem strikten Einhalten britischer Sitten und dem leisen, stirnrunzelnden Befremden, wenn man aus ihnen auszubrechen versuchte. Jeden Morgen klopfte ein Boy leise, beharrlich an der Tür, bis er seinen early morging tea losgeworden war. Der sonst so scheue Weißbrauenrötel3 suchte ungeniert vor den Füßen der Gäste seine Nahrung im Gras, und die Blumenrabatten verrieten die unnachahmliche englische Garten-hand. Es wurde mein Stammhotel für die nächsten zehn Jahre, und jedes Mal, wenn ich wieder nach Nairobi kam, versammelte sich schwarzes und weißes Personal, um mich zu begrüßen und zu sagen:
„Was haben Sie doch damals für ein Glück gehabt!“
Einstweilen fühlte ich mich gut aufgehoben nach dem Desaster. Ich wurde wieder etwas optimistischer, was meine Weiterfahrt in den Kongo anging. Zunächst schienen sich ihr allerdings unüberwindliche Hindernisse in den Weg zu stellen. Ich hatte mein ganzes Geld in Kongofranken bei mir. Meine ostafrikanischen Schillinge reichten nicht einmal für die Fahrt mit der Bahn bis zum letzten Bahnhof dicht an der kongolesischen Grenze. Ich lief ein Dutzend Banken ab, um einen Teil meiner Kongofranken umzutauschen, auch zu miserablem Kurs – die indischen Angestellten wiesen sie mit verhangenen Augen und dezenter Verachtung ab. Schließlich war ich so verzweifelt, daß ich tat, was man in solcher Lage niemals tun sollte: Ich ging zur deutschen Botschaft. Vielleicht konnte man mir einen guten Rat oder mir sogar bis zu kongolesischen Grenze weiterhelfen. Ich war bereit, jeden Betrag in Kongofranken und deutschen Schecks zu hinterlegen.
Was der Attaché mir anbot, war eine Flugkarte nach Deutschland. Dort umgehend zurückzuvergüten, sonst Strafverfolgung. In Richtung kongolesischer Grenze konnte man nichts für mich tun, obwohl das nur ein Zehntel der Flugkarte gekostet hätte und ich nachweisen konnte, daß man mich dort erwartete. Vorschrift ist Vorschrift, und wo man Kongofranken wechseln könnte, wußte der Attaché auch nicht. Er wollte nur gern von mir wissen, wie es denn heutzutage im Kongo sei. Darüber konnte ich ihm nun wirklich keine aufschluß-reichen Mitteilungen machen. Er entließ mich mit den allerbesten Wünschen für die Weiterreise und glückliche Ankunft im Kongo.
Was blieb mir übrig, als trotz der demütigenden Mienen der indi-schen Kassierer weitere Banken abzuklappern? Mein Durchhalten wurde schließlich in einer türkischen Bank belohnt: Der Angestellte warf mißtrauische Blicke um sich, zog mich in ein Hinterkämmerchen, und bald darauf erschien ein anderer Inder und wechselte mir einen Teil meiner Kongofranken zum halben Preis dessen, was ich dafür in Deutschland bezahlt hatte. Er erschien mir trotzdem wie ein Engel.
Aber nicht lange. Noch am selben Nachmittag entdeckte ich in der Stadt eine Reihe von Wechselbuden, in denen man ohne Schwierig-keit jede Währung in beliebiger Menge umtauschen konnte, auch Kongofranken, und natürlich zu einem besseren Kurs. Ob das wirklich keiner der Befragten gewußt hat?
Ich brachte meinen Wagen zur Garage, wo man bereit war, ihn innerhalb der nächsten drei Monate zum Zweidrittelpreis eines Neuwagens wiederherzustellen. Mein Gepäck gab ich als Bahnfracht auf und fuhr am nächsten Tag ebenfalls mit der Bahn gen Westen, nicht ganz vierundzwanzig Stunden bis Kampala und dann noch einmal eine Nacht bis Kasese, dem Endpunkt der ostafrikanischen Bahn am Fuß des Rwenzori. Von dort aus, sagte ich mir, mußte es doch irgendein öffentliches Verkehrsmittel nach Bukavu am Südende des Kivusees geben, der Stadt, in deren Nähe das Institut lag, wo man mich erwartete. Bukavu war immerhin die bedeutendste Stadt im ganzen mittleren Bereich des Ostkongo.
Die ostafrikanische Bahn ist einst unter großen Opfern von indischen Kulis gebaut worden und war eine Pioniertat ersten Ranges. Sie hat das ostafrikanische Hinterland erst richtig erschlossen Damals, im letzten Jahr der Kolonie, war sie ein Nostalgiebähnchen, das gemüt-lich durchs Land zuckelte und in jedem Bahnhof eine halbe bis dreiviertel Stunde stehen blieb. Schnell fahren konnte sie nicht mehr. Im Abteil merkte man nicht so sehr, warum, wohl aber im längeren Speisewagen: Die Wagen kippten beunruhigend hin und her, beson-ders wenn der Zug wieder einmal eine der vielen Kurven nehmen mußte. Das Bähnchen trug durchaus noch den Stempel der dahin-sterbenden Rassentrennungspolitik. Es gab sogar zwei Klotypen: European Type und Non-European Type. Die Non-Europeans mußten sich mit dem begnügen, was man bereits in Italien antreffen konnte: mit Trittflächen und Griffen an der Wand. Bei der Reservierung achtete man streng darauf, nur Sortengleiche in den Abteilungen der Liegewagen zusammenzubringen: Briten, nicht-britische Weiße, Asia-ten, Afrikaner. Ich zog einen Korsen, der als Lektor für Französisch nach Kampala fuhr.
Kasese erwies sich als ein ‚Posten‘, der aus Bahnhof, Lagerhallen, einer Handvoll Häuser in europäischen Stil und ein paar Hütten bestand. Ringsumher dehnte sich endloses Grasland aus, auch in die Vorberge des Rwenzori hinein. Meine Frage nach einer Verbindung nach Bukavu stieß auf allgemeines Verwundern. Alle Welt war entsetzt, daß ein Weißer da überhaupt noch hinfahren wollte. Ein eiserner Vorhang schien zwischen Uganda und dem Kongo zu laufen, und, aber nein, was da drüben passiert, ist gar nicht zu beschreiben.
Schließlich wies man mich an einen Schotten, einen Transport-unternehmer, der häufig Transporte auch auf die andere Seite, sogar bis Bukavu schicke. Er nahm nicht nur willig mein Gepäck in Aufbe-wahrung, sondern bot mir auch an, mit einem Transport nach Bukavu zu fahren, der in ungefähr einer Woche abginge. Eine Woche! An solche Zeitdimensionen war ich noch nicht gewöhnt, und außerdem schmolzen meine Schillinge zusammen wie Butter an der Sonne. So machten wir aus, daß ich mich am nächsten Morgen mit meinem Koffer bei ihm einfinden und mit einem anderen Transport nach Beni fahren solle. Das ist eine Stadt am Westfuß des Rwenzori, sozusagen das Gegenstück zu Kasese. Es lag zwar etwas aus meiner Richtung, aber vielleicht fände ich dort schneller Gelegenheit, nach Bukavu zu gelangen.
Am nächsten Morgen verließen also zwei Laster Kasese in süd-westlicher Richtung, wo die Straße um das Südende des Rwenzori herum in den Kongo führte. Ich saß neben dem Fahrer des ersten Wagens und war bereits etwas mitgenommen durch das allgemeine Gruseln, das ich mit dem Wort ‚Kongo‘ in Kasese ausgelöst hatte. Besonders gut vorbereitet war ich auf dieses grausige Land nicht. Mein Französisch war mehr als kümmerlich (mit dem Korsen hatte ich Italienisch gesprochen), und mein Kiswaheli bestand aus einem Dutzend Wörtern (es sollte sich herausstellen, daß die Hälfte davon im Kiswaheli des Kongo ungebräuchlich, wenn nicht überhaupt unbekannt war).
Kaum war nach einer Straßenkurve Kasese außer Sicht, als die schwarzen Fahrer anhielten und erst einmal ausgiebig Brotzeit machten. Bis zur Grenze sei es nicht weit, und die Grenze schließe erst um sechs Uhr abends. Diese Art der Betrachtung war mir neu. Ich lehnte ihre freundliche Einladung empört ab und rannte wie ein eingesperrter Wolf mit wachsender Verbitterung am Straßenrand auf und ab, ringsum Savanne und flammend heiße Luft. Um die Mittags-stunde fanden die Fahrer, man müsse doch allmählich aufbrechen. Wenn nämlich der ugandesische Zoll Schwierigkeiten mache, sei nachher der kongolesische vielleicht schon geschlossen.
Man meine nur ja nicht, daß dies besonders nachlässige Fahrer gewesen seien. Viele Jahre später warteten wir einmal auf einen Transport empfindlicher geophysikalischer Geräte, die eine unter Zeitdruck stehende amerikanische Wissenschaftlergruppe dringend brauchte. Nach vierzehn Tagen brach der Leiter der Gruppe zusam-men mit dem (belgischen) Transportunternehmer nach Bujumbura auf, wo der Laster zuletzt gesehen worden war. Sie fanden ihn auch. Er hatte die ganzen vierzehn Tage hindurch Trockenfisch oben auf den Gerätekisten von einem Fischerdorf in die Stadt Bujumbura transportiert und seinem Fahrer ein kleines Taschengeld eingebracht, auf einer halsbrecherischen Straße, wo er nur so von einem Loch ins andere flog.
Meine Fahrer waren also im Grunde brave Leute, wenn es mir auch damals nicht so schien. Sie kamen immerhin schon um vier am ugandesischen Zoll an. Er bestand aus einem winzigen Häuschen mitten in den endlosen Grasflächen des nördlichen Queen-Elisabeth-Parks und einem vergrämten indischen Zollbeamten, der übertrieben höflich, fast kriecherisch freundlich zu den Fahrern war (die Unab-hängigkeit stand vor der Tür, und das Schicksal der asiatischen Staats-beamten war ungewiß). Er mußte sie aber doch nach Kasese zurück-schicken, weil irgendein wichtiges Papier fehlte. Sie nahmen es mit Fassung hin, richtiger, mit heiterer Gleichgültigkeit. Ich aber wollte lieber per Autostop weiterfahren als am nächsten Tag noch eine Brotzeit miterleben. Ich ließ also meinen Koffer abladen und nahm Abschied von den Leuten. Fröhlich winkend fuhren sie davon.
Mit dem Zollbeamten waren bald keine Gesprächsthemen mehr zu finden. Die Straße lag weithin sichtbar, weiß, unbefahren und fried-lich in der Sonne. Manchmal käme auch am Nachmittag noch jemand vorbei, versuchte der Inder mich zu trösten. Der Nachmittag verrann, zäh und unendlich langsam. Es wurde sechs Uhr. Das sei nicht schlimm, meinte der Zollbeamte, die Kongozeit sei um eine Stunde zurück, so daß der kongolesische Zoll erst um sieben Uhr ugandesischer Zeit schließe.
In letzter Minute fuhr ein großer amerikanischer Wagen vor. Die Pracht war etwas angerostet, zwar an vielen Stellen, aber doch noch ganz passabel. Am Steuer saß ein dicker Mulatte. Hinten drückte sich ein kleines, dürres schwarzes Männchen in die Ecke, in ein Jackett gehüllt, dem überall das Futter entquoll, und mit einer Hose angetan, deren Beine schon mehrere Verkürzungen hinter sich gebracht haben mußten. Es war, wie sich später herausstellte, der Boy. Der Mulatte stellte sich als Grieche aus Beni vor. Das konnte, was seinen Volksstamm anging, meiner Meinung nach nur zur Hälfte wahr sein; aber er nach freundlicher Intervention des indischen Zollbeamten bereit, mich mitzunehmen. Und nun ging es dem schrecklichen Land zu, aus dem die Belgier zu Tausenden geflohen waren, in dem totales Chaos herrschte und die Weißen von der Bevölkerung mit Haß verfolgt und verabscheut wurden. So wenigstens stellte es sich in deutschen Zeitungen dar.
Was erwartete mich am kongolesischen Zoll?
Auch dort war es wieder ein solches Häuschen, allerdings lange nicht so sauber und ordentlich wie der Zoll auf der ugandesischen Seite. Es stand zehn Kilometer weiter ebenso einsam in der Savanne; aber in ihm ging es geräuschvoller und heiterer zu. Vier Zollbeamte saßen adrett gekleidet um einen Tisch, auf dem mehrere Bierflaschen und –gläser zu sehen waren. Sie begrüßten den Mulatten fröhlich wie einen alten Bekannten. Dann kamen sie heran und studierten meinen Paß und meine Bescheinigung, daß ich einen Arbeitsplatz am IRSAC in Bukavu hätte. Ihre Gesichter strahlten: ein Weißer, der in den Kongo kam, um sich niederzulassen und zu arbeiten. Meinen Koffer wollten sie erst gar nicht sehen. Der Mulatte drängte zwar heftig, wenigstens die Kamera zu plombieren; das sei doch Vorschrift. Aber sie meinten, wenn sich jemand im Kongo niederlassen wolle, müsse man freund-lich zu ihm sein. Sie kannten das Institut und schienen eine gewisse Hochachtung vor ihm zu hegen, wenigstens taten sie so. Ich verstand nicht alles, was verhandelt wurde. Aber ich war unendlich erleichtert, als ich zu dem Mulatten ins Auto stieg und die Zollbeamten zu ihren Biergläsern zurückkehrten.
Das nächste für mich erstaunliche Erlebnis war ein Lastwagen, gestopft voll mit Kongolesen und gesteuert von einem jungen Belgier, der uns entgegenkam und neben uns anhielt. Nach unseren Medien hatte ich mir vorgestellt, daß es Belgier im Kongo sozusagen nicht mehr gäbe, und nun fuhr hier einer in dieser Einöde herum! Er stieg sogar aus und begann ein längeres Gespräch mit dem Mulatten. Ich erwartete jeden Augenblick, daß die Volksseele auf dem Wagen überkoche und man ihn zur Weiterfahrt auffordere. Aber nichts der-gleichen geschah. Die Menge sah stumpf und ergeben zu, wie die beiden ohne Hast miteinander schwätzten, und als der Lastwagen weiterfuhr und der Mulatte mir mitteilte, das seien alles Arbeiter des jungen Belgiers gewesen, dämmerte mir, daß es im Kongo doch recht anders aussehen müsse, als man es sich selbst in Kasese vorstellte.
Es wurde Nacht, wieder tiefschwarze Nacht. Plötzlich röchelte das Auto, verstummte und stand.
„Panne d’essence“, erklärte der Mulatte.
Es war das erste Mal, daß ich mit dieser merkwürdigen panne Bekanntschaft machte: kein Benzin mehr. Ob ich noch ans Institut gelange, bevor mein Stipendium abgelaufen ist? Der Mulatte schnaufte verärgert. Er zog einen leeren Kanister aus dem Koffer-raum und schickte den Boy damit los. Zu seinem Freund in Beni, erklärte er, denn die Tankstelle sei ja jetzt wohl schon geschlossen. Es sei nicht mehr weit bis Beni, nur noch so etwas wie zehn Kilometer, und wenn der Freund selbst nicht kommen könne, könne der Boy ja allein mit dem Benzin zurückkommen.
Daß ein solches Kümmermännchen in pechschwarzer Nacht mutter-seelenallein zehn Kilometer zu Fuß nach Beni laufen sollte und wo-möglich mit dem vollen Kanister den ganzen Weg wieder zurück, verschlug mir die Sprache. Ich fand das unglaublich roh und herzlos, besonders von jemand, der selbst so fett war, daß er schon auf dem Weg zum Kofferraum zu schnaufen anfing wie eine Dampfmaschine. Aber der Boy verschwand ohne Widerrede in der Finsternis.
Wieder warten. Warten ins Ungewisse hinein. Wenn nun der Boy den Freund nicht antraf und auch sonst niemand, der ihm Benzin gab? Der Mulatte hatte die Unterhaltung mit mir in kurzer Zeit aufgegeben, weil mein dürftiges Französisch jedes flüssige Gespräch unmöglich machte. Er vertiefte sich in eine griechische Zeitung. Zwischendurch nickte er auch einmal ein.
Ich stieg aus, und nach all dem Ringen mit Widerwärtigkeiten, mit Brotzeiten, lärmenden Zollbeamten, plombierter Kamera, verges-senen Zollpapieren, mißbrauchten Boys, pannes d’essence, überfiel mich die afrikanische Nacht mit voller Wucht, nichts weiter als das Zirpen von Millionen von Grillen im Gras der Savanne und das Gefunkel von Tausenden von Glühwürmchen , die anders als unsere deutschen immer nur kurz aufblinkten. So taten auch ihre Damen im Grase.
Die Ruhe und Reinheit dieser Nacht stand in schroffem Gegensatz zu dem Schlamassel, in das ich mich augenblicklich verstrickt hatte. Hier stand ich irgendwo in Afrika, wo ich von Rechts wegen nichts zu tun und nichts zu suchen hatte, auf Leute angewiesen, die ich weder sprachlich noch in ihrer Motivation verstand. Mein Eigentum war über Ostafrika verstreut. Weniger denn je war gewiß, wann ich nun eigentlich mit dem beginnen könne, dessentwegen ich nach Afrika gekommen war. Mir war, als täte ich etwas Verbotenes, wenn ich mich auch nur einen Augenblick von der nächtlichen Schönheit gefangen nehmen ließ, als müsse ich mich auch in dieser Hinsicht an die anpassen, unter denen ich nun einmal gelandet war, und daß der hinter seiner Zeitung schnarchende Mulatte nichts, aber auch gar nichts für den Zauber der Tropennacht übrig hatte, war unschwer zu erkennen. Noch Jahre später überkamen mich sofort Unruhe und diffuse Schuldgefühle, wenn ich Glühwürmchen durch die Nacht fliegen sah und die Grillen dazu zirpten…
Nach drei Stunden kam der Freund tatsächlich. Den Boy hatte er wieder mitgebracht, damit er das Benzin aus dem Kanister in den Tank füllte. Vielleicht hatte der Boy auch darauf bestanden, es zu tun.
In Beni setzte mich der Mulatte in einem kleinen griechischen Hotel ab, dessen Besitzern er auf Griechisch noch einige Kommentare zu seinem seltsamen Mitbringsel gab. Ich bekam etwas zu essen und ein einfaches sauberes Zimmer für die Nacht.
Griechen waren damals vielerorts eine ausländische Mittelklasse in Zentralafrika. Sie teilten diese Rolle mit den Indern einschließlich der Pakistani. Griechen fand man als Kaufleute, kleine und mittlere Unternehmer und Hotelbesitzer bis in die kleinsten Posten hinein. Sie waren bewundernswert. Sie hatten den Auftrieb, aber nicht die Ansprüche des Westeuropäers und waren fähig, es auch unter primitiven Verhältnissen zu etwas zu bringen. Sie hatten einen klaren Blick für die Qualitäten und Fehler der anderen Nationaltäten im Land und wahrscheinlich von allen Minoritäten die geringsten Vorurteile. Sie mochten nur die Inder nicht. Es waren ihre stärksten Konkurrenten, und Zentralafrika war geradezu in Flecken aufgeteilt, in denen entweder die Griechen oder die Inder den Handel in der Hand hatten. Selten hatte einmal ein Inder in einer ‚griechischen‘ Kleinstadt ein Geschäft oder umgekehrt. Beni war, wie viele Posten im Nordkivu, griechisch.
In meinem Hotel machte ich die erste Bekanntschaft mit einer Einrichtung, der ich bis heute nichts habe abgewinnen können: dem zamu oder Nachtwächter. Als ich in mein Zimmer gehen wollte, fiel ich vor der Tür über eine armselige Gestalt, die in einen alten Militärmantel gehüllt vor einem Feuerchen hockte, neben sich ein ‚Bett‘ aus Resten alter Pappkartons, auf denen sie sich später zur Ruhe legte.
Daß dieses Wesen die ganze Nacht vor meiner Tür meinen Schlaf – und die anderen Hotelzimmer – bewachen und an seinem lächer-lichen Feuer frieren sollte, schien mir ein ungeheuerlicher Mißbrauch eines Homo sapiens zu sein. Allerdings landesüblich. Ich brauchte nur auf die Straße hinauszuschauen. Vor jedem Geschäft saß eine dunkle Gestalt neben ein paar glimmenden Holzstückchen, die manchmal hell aufflackerten und kurz ihr Gesicht oder ihren Umriß sichtbar werden ließen. Wie diese Wächter Häuser und Geschäfte wirksam beschützen sollten, falls nun wirklich Diebe kämen, begriff ich nicht: Es schien eine Auswahl der kümmerlichsten Männchen des Landes zu sein, und die Jüngsten waren sie meistens auch nicht mehr.
Der Neuling verkennt eben das Wesen des zamusystems. Er weiß nicht, daß ein zamu zwar das niedrigste aller Minimalgehälter bezieht (auf dem schwarzen Markt bekam man damals gerade für den Gegenwert von etwa zweieinhalb Euro ein zamumonatsgehalt), daß er aber davon noch ungefähr die Hälfte an potentielle Diebe abgeben muß und daß das die eigentliche Schutzwirkung ist, wenn man einen Nachtwächter anstellt. Nament-lich in größeren Städten ist das System gut ausgearbeitet. Auch die Polizei figuriert unter den Endempfängern. Es ist also gar nicht nötig, starke Männer wachen zu lassen. Es ist eine Arbeit für Schwache und Alte, die bereit sind, für das Taschengeld, das nach den Schröpfun-gen verbleibt, die Nacht im Freien zu verbringen.
So genial dieses System auch sein mag, wenigstens ein Quäntchen der Gewinne ausländischer Geschäftemacher und der Gehälter der Experten der Entwicklungshilfe auf einen größeren einheimischen Personenkreis zu verteilen, so genierlich ist es für mich, jemand draußen in der Kälte bibbern zu lassen, damit ich mich sorglos im warmen Bett zusammenrollen kann. Lieber stelle ich mir einen Speer neben den Nachttisch. Das hat mir später viele Zusammenstöße eingebracht. „Du hast Arbeit, aber du willst sie nicht geben“, hieß es, wenn ich keinen Nachtwächter einstellen wollte.
Soweit war ich noch lange nicht. Verzagt wachte ich am nächsten Morgen auf. Wenn ich in dem Stil weiterreiste, wie ich von Kasese nach Beni gelangt war (ohne Bukavu auch nur einen Kilometer näher gekommen zu sein), konnte das noch heiter werden. Aber es erwies sich, daß mein Mulatte ein viel freundlicherer Charakter war, als ich gedacht hatte: Der Hotelbesitzer erzählte mir, daß sein Freund bereits einen Lastwagen aufgetan hatte, der seine Fracht nach Goma bringen sollte, am Nordende des Kivusees. Von dort gäbe es eine Schiffslinie nach Bukavu. Noch war der Lastwagen nicht vorgefahren. Von der Terrasse vor dem Hotel aus betrachtete ich die kurze Geschäftsstraße von Beni und die Volksmenge, die vorbeiströmte, bemerkenswert abgerissene Gestalten verschiedensten Typs, darunter auch winzige, die deutlich als Pygmäen zu erkennen waren.
Kaum aber hatten sie mein Interesse wachgerufen, so gab es, wie stets auf dieser Reise, keinen Augenblick mehr, sich ihnen zu widmen. Der Wagen erschien, mit einem ugandesischen Fahrer, der zum Glück ein bißchen Englisch sprach. Meine Griechen handelten einen Fahrpreis aus (wie freundlich und nützlich das war, begriff ich erst viele Monate später) und wieder ging‘s auf die Straße. Ich hoffte, diesmal bis zum Abend wenigstens in Goma zu sein. Die fünfhundert Kilometer bis dorthin mußte man doch an einem Tag schaffen kön-nen. Der ugandesische Fahrer stimmte meinen Berechnungen zu, wenn auch mit einer gewissen Zurückhaltung.
Es wurden drei volle Tage. Gleich hinter Beni erhielt mein Opti-mismus den ersten Stoß. Die Erdstraße erklomm den steilen Abfall eines Hochplateaus. Sie war nicht nur voller Löcher, sondern auch glatt wie Schmierseife. Ein ganzer Konvoi von Lastern kroch im Schrittempo empor, darunter auch der meine. An mehreren Stellen war die Straße zur Hälfte abgebrochen und in der Tiefe ver-schwunden. Handbreite Risse zeigten an, daß der Rest bald folgen würde. Schräg über den Abbruch geneigt, passierten die Lastwagen, was von der Fahrbahn übriggeblieben war.
Ich will den Leser diese drei Tage nicht im Einzelnen nacherleben lassen, das ständige Anhalten, weil Leute mitfahren wollten und der Preis dafür diskutiert werden mußte (meistens konnte man sich nicht einig werden) oder weil der Fahrer Gemüse, Hühner oder Bananen einkaufte, was ebenfalls nicht ohne langwierige Preisverhandlungen abging, oder weil der Fahrer sich absentierte, um für ein halbes Stündchen mit einer Schönen der Liebe zu pflegen. Auch darüber schienen erregte Preisdebatten stattzufinden, von denen ich leider so gut wie nichts verstand. Wo ich gern angehalten hätte, fuhren wir so schnell vorüber, wie es auf dieser Straße eben ging: an den großen Grasflächen des Albertparks (heute Virungapark), die von Büffeln und Antilopen übersät waren, oder am Rutshurufluß, in dem ich graue Tupfen gerade noch als Flußpferde identifizieren konnte. Nie gesehene Schönheiten, die ich mit Grimm an mir vorübergleiten sah. Wie leicht hätte ich das ändern können! Mit Vergnügen hätte der Fahrer für den verrückten muzungu überall beliebig lange ange-halten, wenn ich ihm dafür die nächsten Liebesfreuden finanziert hätte. Aber das wußte ich eben einfach nicht.
Endlich tauchte die blaue Fläche des Kivusees vor uns auf. Ich konnte es kaum noch glauben. Langsam kroch der Laster auf den Hängen des Nyiragongovulkans zum Seeufer hinab. Der See hat es mir sofort angetan, in dessen Dunstkreis ich von jetzt an leben sollte. Wenn ich allerdings gewußt hätte, daß es fast zehn Jahre werden würden, wäre ich sicher nicht schlecht erschrocken.
Noch war die Irrfahrt nicht zu Ende: Drei Tage versuchte ich in Goma zu ergründen, wann und wo das reguläre Passagierschiff nach Bukavu abginge, das erstaunlicherweise alle Wirren der Unabhängigkeit überlebt hatte. Es gab zwei Parteien in Goma. Die eine war für Diens-tag und Donnerstag, die andere für Mittwoch und Freitag. Am Sams-tagabend kam ich zur Überzeugung, daß ich das Boot für diese Woche versäumt hatte. Ich hatte übergenug von den Auskünften der schwar-zen und weißen Bewohner Gomas und mietete mich auf einem Lastkahn ein, der die Nacht über fahren und am Morgen in der Nähe des Instituts anlegen sollte.
Der Kapitän lud mich auf den Schlepper ein, der verhältnismäßig frisch gestrichen und ganz adrett anzusehen war. Ich wollte aber nicht schon wieder als Weißer behandelt werden und stieg mit einer großen Volksmenge auf den Lastkahn. Nie zuvor noch jemals später habe ich soviel Rost auf einmal gesehen. Als es zu regnen anfing, wurde eine Plane über den ganzen Kahn gespannt, unter der sich das Volk verkroch, auch ich. Nun verschmierte der Rost nicht nur von unten Hose, Hemd und Schuhe, sondern rieselte bei jedem Wellen-schlag auch aus offenbar unerschöpflichem Vorrat von der Plane herab, in die Haare, in die Augen, ins Hemd. Reumütig verließ ich meine Leidensgenossen beim nächsten Halt, als Kaffeesäcke einge-laden wurden, und nahm doch die Einladung des Kapitäns an.
Auf dem Schlepper ging es die ganze Nacht fröhlich zu. Kapitän und Steuermann hatten sich ein Mädchen mitgebracht, das mir unter Gackern und Kichern half, wenigstens die gröbsten Rostflecken aus Hemd und Hose zu entfernen. Es kochte Abendessen und benutzte jeden Vorwand, um immer wieder kreischend loszulachen. Als sich der Kapitän ihm zuliebe (vielleicht auch, um dem muzungu zu imponieren) in der Pose des fliegenden Holländers vor die Steuer-kabine stellte und ein Brecher ihn von oben bis unten durchnäßte, wollte das Gekreisch und Gegickel kein Ende mehr nehmen.
Im Morgengrauen legten wir an einem dunstverhängten grünen Ufer an. Der Kapitän deutete in die Nebelschwaden hinein: Dort oben in den Bergen liege das Institut. Ich lief mit meinem Koffer los, auf die Berge zu und befand mich bald in einer ausgedehnten Kaffee-plantage. Ich ging weiter und traf auf ein kleines Häuschen, in dem zwei Leute offenbar mit Papieren beschäftigt waren. Sie liehen mir einen Lastwagen mit Chauffeur aus, und eine Stunde später stand ich tatsächlich unter den Bogengängen zwischen den Laborgebäuden, die ich von Fotos her kannte. Es war Sonntagmorgen. Kein Mensch war zu sehen.
Hier mußte irgendwo Urs, der Schweizer Zoologe, zu finden sein, der das Institut leitete. Mit ihm und seiner Frau hatten wir ausgiebig korrespondiert, und jetzt hatte ich den dringenden Wunsch, wieder in eine mitteleuropäische Atmosphäre zu tauchen und mich vom Trommelfeuer der Eindrücke zu erholen, mit denen ich vor allem von Kasese ab so reich gesegnet worden war. Ohne Zweifel hatte ich Zentralafrika hautnäher erlebt, als es manchem anderen in Jahren beschieden ist. Aber begriffen hatte ich eigentlich nur, daß alles, was man in der Bundesrepublik über den Kongo zu hören und zu lesen bekam, falsch oder doch wenigstens schief und mißverständlich war.
Durch die Bogengänge kommt eine Frau gelaufen, eine Weiße dies-mal, klein, energisch, gepflegt, aber in robuster Bluse und Hose. Sie sieht sehr alemannisch und eidgenössisch aus, aber man kann sich ja täuschen. Ich raffe also mein Französisch zusammen und erkläre, wer ich bin und warum ich mich hier befinde. Sie unterbricht mich:
„Ja, aber wie kommen denn Sie daher?“
Der Schweizer Akzent ihres Hochdeutschs ist dezent, aber Gott sei Dank nicht verloren gegangen. Meint sie nun meinen Aufzug, der mit den Reminiszenzen an den rostigen Lastkahn in der Tat wenig ver-trauend erweckend aussehen muß, oder die Art und Weise, wie ich an das Institut gekommen bin? Ich erkläre in drei Sätzen meine letzten Transportmittel und Routen.
„Na, Sie haben wirklich dagestanden wie ein Commis-voyageur mit seinem Muschterchöfferli!“