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WIE DER SPARPAKT ÖSTERREICH SCHADET

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Wahrscheinlich ist Österreich das anschaulichste Beispiel dafür, wie Sparen des Staates auch einer sehr starken, sehr gut strukturierten Wirtschaft schadet und wie nicht einmal Österreich, das ebenfalls „Lohnzurückhaltung“, wenn auch nicht im deutschen Ausmaß, geübt hat, diesen Nachteil ganz wegstecken kann. Das Schaubild sagt mehr als alle Worte:


Quelle: The World Bank

Auch in Österreich ist das reale BIP pro Kopf des Jahres 2008 von stolzen 44.441 US-Dollar 2009 deutlich um 1790 US-Dollar zurückgegangen. Aber schon 2011 hatte es dank eines von den Sozialpartnern besonders geschickt geschnürten Investitionspakets mit 44.452 US-Dollar wieder die alte Höhe erreicht. Danach wurde der im Jänner 2012 beschlossene Sparpakt wirksam und der Aufstieg war zu Ende und ging, anders als in Großbritannien, das den Sparpakt verweigerte, bis 2016 in eine abwärts gerichtete Seitwärtsbewegung über, ehe die rundum etwas bessere Konjunktur im Verein mit Exporterfolgen dank „Lohnzurückhaltung“ 2017 eine Steigerung auf 45.436 US-Dollar mit sich brachte. Deutschland freilich, das noch 2008 mit 40.989 US-Dollar pro Kopf klar hinter Österreich lag, hat dank seines so exzessiven Lohndumpings bis 2017 mit 45.229 US-Dollar pro Kopf so gut wie gleichgezogen. Das United Kingdom, das dem Sparpakt nicht beitrat und durch Lohndumping keine Marktanteile verlor, entwickelt sich wesentlich kontinuierlicher.

Die Deutschen halten grundsätzlich das für optimale Wirtschaftspolitik, was ihnen nutzt, andere einzuholen und demnächst zu überholen, auch wenn es andere Länder, die sich, wie Frankreich, korrekt und vereinbarungsgemäß verhalten, die größten Probleme bereitet und Italien an den Rand des Zusammenbruchs führt.

Österreich hat einen halben Anschluss an Deutschlands Politik vollzogen – daher ist der Schaden noch nicht so spürbar, wie er es in zehn Jahren sein wird. Es hat noch keinen Salvini und es steht noch keine Marine Le Pen vor der Tür. Allerdings sitzt die Strache-FPÖ in der Regierung, wird aber vorerst von einer neoliberalen ÖVP in Schach gehalten. Wenn die Regierung aber ihre derzeitige Wirtschaftspolitik fortsetzt, könnte der Vorsprung in absehbarer Zeit schmelzen: Sparen des Staates ist wirtschaftlich schlichtweg dumm. Ich werde nach den empirischen Belegen den mathematischen Beweis dafür liefern.

Es ist allerdings möglich, dass die Deutschen den Wahnsinn ihrer Wirtschaftspolitik früher, als von mir erwartet, am eigenen Leib zu spüren bekommen. Es ist zwar noch nicht sicher, aber durchaus möglich, dass eine Delle in der deutschen Konjunktur, die im November 2018 erstmals sichtbar wurde, sich zur innerdeutschen Rezession ausweitet, weil die Wachstumsschwäche aller anderen EU-Volkswirtschaften auch Deutschlands eigene Wirtschaft nicht mehr wachsen lässt.

Wird die Delle der deutschen Konjunktur zur gemeinsamen Rezession?

„Die fetten Jahre sind vorbei“, verkündete Finanzminister Olaf Scholz und bezog sich damit zweifellos auf Deutschland – denn für Frankreich, Italien oder Spanien konnte von „fetten Jahren“ schwerlich die Rede sein. Wenn seine Aussage stimmt, gilt sie jedoch sehr wohl für Österreich, denn Deutschland ist sein mit Abstand größter Handelspartner: Wenn Deutschlands Industrie zu boomen aufhört, schwächelt Österreichs Zulieferindustrie zwingend mit.

Scholz Sorge liegen folgende Zahlen zugrunde: Auch im November 2018 ist die Produktion der deutschen Industrie entgegen der Erwartung von Fachleuten – nicht entgegen meinen Erwartungen – geschrumpft: Deutsche Unternehmen haben 1,9 Prozent weniger als im Vormonat hergestellt. Das ist, was die Industrie betrifft, bereits der dritte Rückgang in Folge, doch davor war davon öffentlich kaum die Rede. Diesmal aber sah auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung darin „mehr als eine Randnotiz, weil die gesamte deutsche Wirtschaft im dritten Quartal 2018 um 0,2 Prozent geschrumpft ist. Die neuen Zahlen der Industrie lassen auch deshalb hellhörig werden, weil nicht nur die Autoindustrie, die noch immer unter der Umstellung auf neue Abgastests leidet, schlechte Ergebnisse lieferte. Der Rückgang betrifft vielmehr sämtliche Bereiche: Bauproduktion, Maschinenbau sowie Konsumgüterhersteller.“

Ich war hier schon etwas früher hellhörig: Schon als Deutschlands Medien die leise Delle in Deutschlands Konjunktur mit Donald Trumps „Protektionismus“ begründeten, meldete ich Zweifel an: Sein Zoll auf Aluminium und Stahl hat Deutschland höchstens hinterm Komma getroffen. Ich erwartete die Delle vielmehr grundsätzlich: weil es nicht möglich ist, dauerhaft gegen die Saldenmechanik zu verstoßen. Selbst wenn sich Scholz’ Sorge im kommenden Quartal noch einmal als unbegründet erweisen sollte, ist sie früher oder später unabwendbar: Man kann einer großen volkswirtschaftlichen Zone wie der EU denkunmöglich „Sparen des Staates“ verordnen, ohne dass irgendwann auch die Konjunktur des Landes leidet, das diese Politik initiiert hat und bisher nur deshalb von ihren Folgen verschont blieb, weil es durch seine gleichzeitige Lohnpolitik anderen Volkswirtschaften Marktanteile abgejagt hat und die Stagnation innerhalb der EU zudem durch Mehrverkäufe in die USA, nach Russland oder China mehr als wettmachen konnte.

Wenn einer der drei großen Einkäufer jeder Volkswirtschaft – Endverbraucher, Unternehmen oder Staat – aufgrund eines Sparpaktes weniger einkauft, ist Mehrverkauf denkunmöglich, sofern man nicht einen neuen zusätzlichen Einkäufer bzw. Schuldner findet. China, Russland, die USA waren für eine Weile diese zusätzlichen Einkäufer. Aber irgendwann ist dort nicht mehr so viel zu holen, wie der Sparpakt die EU an Einkäufen kostet.

Dass es vielleicht schon jetzt im Frühjahr 2019 so weit ist, hängt einmal mehr mit Deutschlands Politik zusammen: Donald Trumps Auto-Zoll-Pläne, die zweifellos auf Deutschlands Konjunktur drücken, sind ja nichts als die Reaktion auf Deutschlands abenteuerlichen Zahlungsbilanzüberschuss gegenüber den USA. Und dass deutsche Exporte nach China nicht mehr wie zuvor wachsen, hat natürlich vor allem damit zu tun, dass auch Chinas Exporte in die sparende EU nicht mehr wie zuvor wachsen.

Ich gebe die Hoffnung nicht völlig auf, dass das irgendwann auch Olaf Scholz und Angela Merkel, Hartwig Löger und Sebastian Kurz begreifen: Es ist die dumme deutsche Sparpolitik und sadomasochistische Lohnpolitik, die die Rezession herbeiführt, die vielleicht schon 2019 in Deutschland Wirklichkeit wird.

Wie können intelligente Menschen glauben, dass es die Konjunktur dauerhaft befördert, wenn ein großer Teil der Arbeitnehmer des größten europäischen Marktes – Deutschland – dank „Lohnzurückhaltung“ Reallohnverluste erleiden? Wie können intelligente Menschen glauben, dass „Überschüsse“ im Staatshaushalt – also Gelder, die Staaten sparen, statt sie zu investieren – die Konjunktur befördern?

Zum Leidwesen der Euro-Zone, der ich das schwierigste Jahr ihrer Geschichte prophezeie, ist der angerichtete Schaden nur unendlich schwer zu reparieren: Den Sparpakt kann man noch relativ einfach ad acta legen, so dass er zumindest keinen weiteren Schaden anrichtet – aber der bereits angerichtete bleibt bestehen und wirkt fort. Doch fast unmöglich scheint es mir, die wirtschaftliche Zerstörung zu revidieren, die Deutschlands „Lohnzurückhaltung“ in Frankreich oder in Italien angerichtet hat: Um die verlorenen Marktanteile zurückzugewinnen, müssten die betroffenen Länder ihr Lohnniveau, wie ausgeführt, um 25 (Frankreich) bis 35 (Italien) Prozent absenken. Das aber ließe die Inlandskonjunktur in der Sekunde zusammenbrechen und wäre von Revolutionen begleitet, neben denen sich die Proteste der „Gelbwesten“ zahm und geordnet ausnähmen.

Ich weiß jedenfalls nicht, was Marine Le Pen und Matteo Salvini daran hindern soll, in ihrer Heimat endgültig an die Macht zu gelangen. Wahrscheinlich ist die rechte EU-kritische Fraktion, die FP-Mandatar Harald Vilimsky im EU-Parlament zu einen versucht, dort schon nach der EU-Wahl im Mai vor den Sozialdemokraten zweitstärkste Fraktion und kann zumindest jeden Fortschritt verhindern.

Es kann Deutschland bereits gelungen sein, die EU zu ruinieren.

Die Zerstörung der EU

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