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Nachhaltigkeit von Pflasterflächen

Die Gestaltung öffentlicher Räume ist ein sensibles Thema. Neben den gestalterischen Ansprüchen ist eine Balance zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Anforderungen und der Benutzungsqualität zu finden. Zusätzlich zur Bereitstellung der Infrastruktur hat der öffentliche Freiraum aber auch eine soziale Funktion, die sich auf das Zusammenleben und die Lebensqualität der Nutzer auswirkt. Geplante Verbesserungen in der Infrastruktur bieten daher einer Kommune auch die Gelegenheit, den öffentlichen Raum gleichzeitig in sozialer Hinsicht aufzuwerten und attraktiv zu gestalten.

Gebaute Strukturen sind nachhaltig, wenn wirtschaftliche Aspekte mit ökologischen und sozialen Werten abgestimmt und verantwortungsbewusst gesteuert werden. Bei Investitionen in öffentliche Räume sind Entscheidungsträger der öffentlichen Hand gut beraten, die verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekte durch eine verantwortungsvolle Vorgangsweise zu berücksichtigen:

Ökologie: ökologische Baustoffauswahl und die Wahl einer ökologischen Bauweise zum Erhalt einer lebenswerten Umwelt

Soziokultur: Sicherstellung einer hohen gestalterischen Qualität und Funktionalität und Berücksichtigung der kulturellen und sozialen Bedürfnisse aller Anspruchsgruppen mit positiven Effekten für Nutzer, Anrainer und Wirtschaft

Ökonomie: Optimierung der Langlebigkeit, der Kosten im Lebenszyklus und der Wirtschaftlichkeit der Investition mit direkten Auswirkungen auf Bauherren, Erhalter und indirekt der Gesellschaft.

Ökologie

Ziel des ökologischen Bauens ist die Wahl ökologischer Baustoffe und einer ökologischen Bauweise, um CO2-Emissionen bei der Herstellung, Instandhaltung und Instandsetzung öffentlicher Flächen zu vermindern und die regionale und globale Umwelt zu schützen. Die Pflasterbauweise ist eine äußerst ökologische Bauweise, die all diesen Anforderungen gerecht wird.

Verbesserung des Mikroklimas

Die strukturierte Oberfläche aus Steinen bzw. Platten und den Fugen lässt Niederschlagswasser langsamer abfließen und speichert die Feuchtigkeit, die verzögert verdunstet. Dadurch heizen sich die Oberflächen im Tagesverlauf weniger auf und verbessern den thermischen Komfort. [1]

Versickerung vs. Versiegelung

Oberflächenwasser versickert über die Fugen in den Boden und wird in den natürlichen Grundwasserkreislauf zurückgeführt. Bei Niederschlägen und Starkregenereignissen wird die Kanalisation entlastet und Abflussspitzen werden reduziert. [1]

Vermeidung urbaner Hitzeinseln

Dunkle Oberflächen und Bodenbeläge führen an heißen Tagen zu einer starken Wärmeabsorption in öffentlichen Freiräumen und auf Verkehrsflächen. Die gespeicherte Hitze wird in den Nachtstunden abgegeben und verhindert so eine Abkühlung, vor allem in dicht bebauten städtischen Gebieten. Helle Oberflächen reflektieren mehr Sonnenstrahlung und speichern weniger Wärme, wodurch die Oberflächentemperatur kühler bleibt. Mit hellen Pflasteroberflächen wird die Überhitzung in dicht bebauten Stadtgebieten verringert. [2]


(1) Helle Oberflächen verringern die Überhitzung in dicht bebauten Gebieten. (Bild: © Weissenböck – www.steine.at)

Ökologischer Fußabdruck (Carbon footprint)

Pflasterflächen erzeugen im Vergleich zu anderen befestigten Oberflächen die geringsten Umweltbelastungen über die gesamte Lebensdauer hinsichtlich der CO2-Emissionen und dem kumulierten Energieaufwand. Der Carbon Footprint und der kumulierte Energieaufwand umfassen den gesamten Lebenszyklus (Produktion, Transport von Rohmaterialien, Herstellung, Nutzung, Recycling und oder Entsorgung). [3]

Baustoff der kurzen Wege

In der Vergangenheit beschränkte sich die Materialauswahl bei Pflasterflächen lange Zeit auf die in geringer Entfernung vorhandenen, natürlichen Vorkommen. Heute kommen die Steine und Platten aus aller Welt.

Da es sich bei der Pflasterbauweise um Materialien mit hohem Gewicht handelt, spielt der Transport vom Werk zur Baustelle eine große Rolle. Dieser hat einen wesentlich höheren Einfluss auf den Energieaufwand und die Produktion von CO2 als alle anderen erforderlichen Arbeitsschritte. Aus ökologischen Überlegungen ist Material aus naheliegenden Produktionswerken und Abbaustellen zu empfehlen.


(2) Baustoffe aus der Region bei einem Einfamilienhaus im Pinzgau (Bild: © Pinzgauer Pflasterbau Eder)

Wiederverwendung nach Aufgrabungen

Pflastermaterial kann nach Aufgrabungen für den Leitungs- und Kanalbau oder nach Umbauten kostengünstig wieder eingebaut werden. CO2-Emissionen zur Herstellung eines neuen Materials und dessen Transport zur Baustelle werden vermieden, da das ausgebaute Pflastermaterial zum Wiedereinbau auf der Baustelle zwischengelagert werden kann.

Dauerhaft ansprechendes Erscheinungsbild

Nahtstellen einer Instandsetzung zum Bestand sind kaum bis gar nicht sichtbar, die Fläche bleibt optisch dauerhaft und homogen erhalten.


(3) Pflasterflächen rechnen sich durch die jahrelange ansprechende Optik. (Bild: © Weissenböck – www.steine.at)

Pflasterflächen schaffen einen nachhaltigen ökologischen Mehrwert, der monetär nur bedingt messbar ist.

Handwerkskunst

Die heutige Selbstverständlichkeit historischer und neu ausgeführter Pflasterflächen soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Handwerkskunst nicht industriell herstellbar ist. Das Pflastern ist eine handwerkliche Tätigkeit, die stets aufs Neue menschliche Gestaltungskraft einfordert und bei der jedes Projekt einzigartig ist. Die Arbeit wird händisch verrichtet und Maschinen mit CO2-Emissionen werden im Regelfall nur unterstützend eingesetzt.

Soziokulturelle Aspekte

Diese Dimension der Nachhaltigkeit stellt einerseits Nutzerbedürfnisse und Funktionalität, andererseits die kulturelle Bedeutung des öffentlichen Raums in den Mittelpunkt.

Baukultur

Orte mit Vergangenheit entstehen aus einer gewachsenen Struktur und sind in ihrem natürlichen Umfeld zu sehen. Daraus empfiehlt sich eine Kultur der langfristig orientierten Entwicklung. Letztlich ist dies, was Einheimischen einen Beitrag zum Heimatbezug und interessierten Besuchern des Orts die erwartete Besonderheit bietet. Im Straßen- und Ortsbild gilt es daher, das Individuelle und Einzigartige zu erkennen, zu stärken sowie Beliebigkeit und Austauschbarkeit der Ansichten zu vermeiden mit dem Ziel, die baukulturelle Vielfalt und das unverwechselbare und ortsspezifische Erscheinungsbild im städtebaulichen Kontext zu wahren.

Soziale und kulturelle Qualität

Für die soziale und kulturelle Identität der Menschen spielen soziale Bedürfnisse des Einzelnen ebenso eine Rolle wie kulturelle Wertvorstellungen des gesellschaftlichen Systems. Es findet ein Identifikationsprozess statt, indem der Mensch seine Umgebung wahrnimmt und bewusst oder unbewusst beurteilt. Die daraus resultierenden positiven oder auch negativen Empfindungen spiegeln sich im Grad des Wohlbefindens und der Motivation wider.

Aus psychologischer Sicht trägt die Art einer Flächenbefestigung maßgeblich zur unbewussten Verhaltenssteuerung der Nutzer bei, da unsere Umgebung eine Handlungsanregung anbietet, die ein bestimmtes Verhalten möglich macht.


(4) Pflaster als kultureller Fingerabdruck, der wie ein Teppich in öffentlichen Räumen liegt (Bild: © Christian Fürthner)

Ökonomie

Bei einer ökonomischen Vorgangsweise i. S. d. Nachhaltigkeit sind die Langlebigkeit einer öffentlichen Fläche, die Kosten im Lebenszyklus und die Wirtschaftlichkeit der Investition zu optimieren, da diese direkte Auswirkungen auf Kommunen und Erhalter sowie indirekt auf die Gesellschaft haben.

Bei relativ hohen Herstellungskosten durch Handarbeit kann die Pflasterbauweise durch nachhaltige Wirtschaftlichkeit aufgrund der langen Lebensdauer bei geringem Instandhaltungsaufwand bestehen. Die Wiederverwendung bei Aufgrabungen macht den Einsatz von Pflastersteinen über einen langen Zeitraum besonders wirtschaftlich, wobei neben den Kosten der Herstellung auch Erhaltungs- und Instandsetzungsaufwand über die gesamte Lebensdauer zu berücksichtigen sind. Regelmäßige Fugenpflege macht richtig geplante, bemessene und ausgeführte Pflasterflächen nahezu unbegrenzt haltbar.

Der wahre Wert eines Pflasters zeigt sich erst nach langjährigem Gebrauch.

Lebenszyklus

Eine Fläche durchläuft von ihrer Entstehung bis zum Abbruch am Ende der Lebensdauer verschiedene Abschnitte, die bei der Planung beginnen, nach der Errichtung in die Nutzungsphase übergehen und beim Rückbau enden. Die Gesamtnutzungsdauer von der Errichtung bis zum Ende der wirtschaftlich vertretbaren Nutzung hängt im Wesentlichen von der Bauart, der Bauweise, der Nutzungsart sowie der technischen Entwicklung ab.

Mit der Übergabe an den Bauherren beginnt die Nutzungsphase, die i. d. R. die längste Lebensphase ist. Diese ist jedoch wesentlich von der Wahrnehmung der Instandhaltungspflicht abhängig.


(5) Phasen im Lebenszyklus: je höher die Qualität des Bauprozesses, desto länger die Nutzungsdauer (Bild: © Forum Qualitätspflaster)

Aber nicht nur die Fläche als Ganzes unterliegt einer gewissen Lebensdauer und einem Lebenszyklus, sondern auch die einzelnen Materialien: Pflastermaterial selbst hat eine drei- bis viermal höhere Lebensdauer als die Pflasterfläche in ihrer Gesamtheit und kann beim Rückbau der Fläche wieder bei anderen Gestaltungen zum Einsatz kommen.


(6) Wiederverwendung der Granitplatten aus Altbestand in der Felberstrasse in Wien (Bild: © Strabag AG)

Lebenszykluskosten

Den verschiedenen Lebenszyklen werden Lebenszykluskosten zugeordnet: Bei einer Fläche, deren Nutzungsdauer auf rund dreißig Jahre ausgelegt ist, sind auch Folgekosten, wie der Erhaltungs- und Instandsetzungsaufwand, zu berücksichtigen und die Investition auf zwanzig oder dreißig Jahre zu rechnen. Durch eine konsequente Instandhaltung wird die Lebensdauer einer Pflasterfläche verlängert und der Anteil der Planungs- und Errichtungskosten an den Gesamtkosten wird dadurch geringer.

Kostenvergleich

In einem Forschungsprojekt der Technischen Universität Wien zur Pflasterbauweise wurden am Beispiel der Einheitspreise der Stadt Wien folgende Lebenszykluskosten für einen Standardaufbau gemäß RVS 03.08.63, Bautype AS1 und PF 6, berechnet:


(7) Kostenvergleich Lastklasse 1,3, Forschungsprojekt Pflasterbauweise, Technische Universität Wien, ISTU (Bild: © Forum Qualitätspflaster)

Während die Herstellungskosten bei Betonverbundsteinen um 5 % höher sind, ist der Barwert der Lebenszykluskosten inklusive Instandhaltungskosten bei einer Nutzungsdauer von 30 Jahren um 2 % niedriger (sogar ohne Berechnung von Aufgrabungen).

Bei Aufgrabungen und Wiederverwendung des Pflastermaterials verringern sich die Lebenszykluskosten mit jeder Aufgrabung zugunsten des Betonverbundsteins, da Kosten durch die Wiederverwendung des eingesetzten Materials eingespart werden.

Pflastern schafft Beschäftigung

Der hohe Anteil an händischer Arbeit sichert Arbeitsplätze und hat einen positiven Beschäftigungseffekt mit höheren Sozialabgaben zur Folge.

Zeitaufwand für die Herstellung von 100 m2 Fläche:

Verlegen Betonstein: 50 Mannstunden

Herstellung Asphaltbeton: 29 Mannstunden

Herstellung Gussasphalt: 43 Mannstunden

Literatur

[1] Verband für Bauwerksbegrünung: Leitfaden Grüne Bauweisen für Städte der Zukunft, Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt GrünStadtKlima,

[2] Magistrat der Stadt Wien (2015): Wiener Umweltschutzabteilung – Magistratsabteilung 22: Urban Heat Islands, Strategieplan Wien

[3] Magistrat der Stadt Wien (2011): Richtlinie Bodenbeläge im Freiraum – Planung, Wien

Pflasterflächen im öffentlichen Raum

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