Читать книгу Pflasterflächen im öffentlichen Raum - Peter Nowotny - Страница 8

Оглавление

Versickerungsfähige Pflasterflächen

Ein lokal begrenzter heftiger Niederschlag wird als Starkregen bezeichnet. Er tritt plötzlich auf und reißt mit seiner hohen Strömungskraft in Bächen und auf Straßen und Wegen alles mit sich, loses Material wie Holz und Geröll werden fortgespült. Das Wasser kann sich in Rohren, an Brücken, Stegen und Zäunen aufstauen und in Senken zu Überflutungen führen. Ein Wassereintritt mit schweren Gebäudeschäden ist typisch für Starkregen. Erhebliche Folgeschäden ergeben sich durch überflutungsbedingte Vermischungen mit Mineralölen, Chemikalien oder Fäkalien. Die Versicherungsfälle i. V. m. Starkregen sind in den letzten Jahren überdurchschnittlich angestiegen.

Mit dem Thema „Jahrhundertregen“ hat sich der Straßen- und Tiefbau schon immer beschäftigen müssen. Die Berechnungsmodelle sahen seltene Starkregenereignisse vor und mit hydraulischen Berechnungen ermittelten die planenden Ingenieure und Ingenieurinnen die Durchmesser der Rohrleitungen. Durch die mittlerweile nicht mehr zu leugnende Klimaerwärmung haben sich jedoch altbewährte Berechnungsmodelle als nicht mehr allgemeingültig erwiesen, bzw. das bislang angenommene „außergewöhnliche Regenereignis“ ist zum Starkregen, zur Sturzflut bzw. zum sintflutartigem Regen mutiert.

Die Planenden von Infrastrukturmaßnahmen müssen sich zwangsläufig auf die drohenden Unwetterereignisse einstellen. Für die Ursachen sind die Ingenieure nicht verantwortlich, die Symptome der Klimaveränderung müssen jedoch beachtet und abmildernde Maßnahmen sollten getroffen werden. Der Straßen- und Tiefbau steht vor einer großen Herausforderung. Alle jetzt bereits vorhandenen Möglichkeiten zur Eindämmung einer Schadenslage sollten insbesondere bei Neuplanungen Berücksichtigung finden. Hierbei ist auch die geografische Lage mit einzubeziehen. Eine erhöhte Gefährdung liegt vor, wenn das zu bebauende Gelände in einer Tallage liegt. Dann könnten sich aus benachbarten Bereichen Wassermassen zusätzlich in die neu zu erstellende Bebauung ergießen. Gleiches gilt für Flächen oberhalb neuer Baumaßnahmen. Alle diese Fragen gilt es zu berücksichtigen und weiträumiges Denken ist nötig, um Wasserschäden weitestgehend zu verhindern. Das reine Abarbeiten von Vorgaben aus Regelwerken oder alten Berechnungsmodellen führt nicht mehr zum Ziel. Es muss zwingend mit Weitsicht oder vorausschauend geplant und gebaut werden. Die Verantwortung zur Vorsorge ist sehr groß und Wirtschaftlichkeit darf hierbei nicht die erste Priorität haben.

Das Regenwassermanagement bedarf also erhöhter Aufmerksamkeit aufgrund folgender Ursachen:

Klimawandel: Meist wird in der Diskussion über den Klimawandel lediglich der Anstieg der jährlichen Durchschnittstemperaturen besprochen. Wesentlicher für die Sicherheit, Gesundheit und Lebensqualität der Menschen sind jedoch die damit einhergehenden Wetterextreme und Veränderungen der Niederschlagsverteilung. Simulationsmodelle für ganz Europa zeigen eine deutliche Veränderung der absoluten Jahresniederschlagsmengen [1]. Für mittel- und osteuropäische Staaten wird ein klarer Anstieg der Niederschläge erwartet, während diese im Süden Europas rückläufig sind. Starkregenereignisse mit 20-jährlicher Wiederkehrwahrscheinlichkeit werden ebenfalls um 5 bis 20 % zunehmen [2]. Dabei ist eine Verschiebung von Sommer- hin zu Winterniederschlägen aus den Simulationen feststellbar.


(1) Simulationsmodelle zeigen deutliche Veränderungen der absoluten Jahresniederschläge (Bild: © JACOB et al. 2014)


(2) Modellsimulationen für die relative Änderung der 20-jährlichen maximalen Tagesniederschläge im Winter und im Sommer (Bild: © NIKULIN u. a. 2011/ZAMG)

Städtewachstum: Viele Städte in Europa wachsen. Laut Prognosen leben derzeit über 70 % der Europäischen Bevölkerung in Städten ‒ im Jahr 2050 werden es knapp 90 % sein [3]. Dies bedingt die Schaffung von Wohnraum, Arbeitsplätzen und dazugehörigen Infrastrukturen und führt infolge zu Flächenversiegelungen. Alleine in Österreich beträgt die durchschnittliche tägliche Flächeninanspruchnahme 12,9 ha [4]. Diese Entwicklung führte zu einem Anstieg des Versiegelungsgrad. vom Jahr 2006 mit 32,4 % auf 41,3 % im Jahr 2016 [5]. Diese Entwicklung kann exemplarisch auf ganz Europa umgelegt werden.

Mithilfe eines intelligenten Mixes aus Maßnahmen zur Regenwasserspeicherung, -verwendung, -versickerung und -ableitung können negative Auswirkungen von Starkregenereignissen vermieden werden. Versickerungsfähige Pflasterflächen spielen in diesem Kontext der „Sponge City“ eine wesentliche Rolle. Denn Pflasterungen erlauben vielfältige und intensive urbane Nutzungen und können gleichzeitig Regenwasser versickern.

Wasserdurchlässige Flächenbefestigungen

Am Markt wird eine große Vielfalt an Flächenbefestigungen angeboten, welche die Eigenschaft der Wasserdurchlässigkeit, die für eine Sponge City so wesentlich ist, erfüllen. Häufig werden die Produkte daher als Ökopflaster präsentiert. Grundsätzlich kann man in diesem Kontext die Vielfalt an Produkten unterteilen in Flächenbefestigungen, die ausschließlich über die Fuge bzw. Sickeröffnungen versickern und solche, die auch über den Pflasterstein bzw. die Platte drainagieren. Zu den etablierten versickerungsfähigen Flächenbefestigungen sind außerdem der Drainagebeton und die wassergebundene Decke zu zählen, die jedoch ohne Stein oder Platte auskommen. Abgesehen von diesen bautechnischen Standards gibt es auch Sonderbauformen der wasserdurchlässigen Flächenbefestigung, wie beispielsweise kunstharzgebundene Edelsplittdecken oder Schotterrasen.

Flächenbefestigungen mit wasserdurchlässigen Fugen

Diese Form der wasserdurchlässigen Flächenbefestigung ist weit verbreitet. Es können sowohl ungebundene als auch gebundene Fugenmaterialien zum Einsatz kommen. Zu den ungebundenen Materialien zählen Sande und Splitte. Diese müssen immer auf die Anforderungen des Pflastersteins, der gewünschten Fugenbreite und Belastungsklasse abgestimmt sein. Bei Wahl einer geeigneten Korngrößenzusammensetzung können die Fugen auch mit geeigneten Pflanzenarten begrünt werden.

Detaillierte Informationen zum Bettungs- und Füllsubstrat für begrünbare Beläge und den korrekten Einbau dieser finden sich beispielsweise in den Richtlinien für Planung, Bau und Instandhaltung von begrünbaren Flächenbefestigungen der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. [7]. So gilt für einen Einschichtaufbau: Die Deckschicht entspricht einer Abstreu von 2 cm Dicke mit Sand/Splittkörnungen von 2/5, 2/8, 4/8, 5/11 und 8/16 mm. Die Tragschicht entspricht einer Dicke von mindestens 12 cm. Sie besteht aus Kiessand oder Schotter in den Körnungen 0/8, 0/11, 0/16 mm. Bei einem Zweischichtaufbau beträgt die Deckschicht 4-6, die Tragschicht mindestens 12 cm.

Bei ungebundenen Fugenbauweisen sind Filterstabilität und Sicherheitsbedingungen gegenüber Kontakterosion zum darunterliegenden Bettungsmaterial zu beachten [6], sodass eine dauerhafte und stabile Lagerung der beiden Materialien gewährleistet wird und eine Verlagerung des Fugenmaterials in die Bettungsschicht verhindert wird. Gebrochene Gesteinskörnungen (0/2, 0/4 und 0/8) mit einem Größtkorn von 40 % bis 50 % der maximal zulässigen Fugenbreite und mit ausreichendem Anteil an Stützkorn kommen daher als normgerechtes Fugenmaterial zu Anwendung.

Gebundene Fugen können mit Mörtel oder Kunstharz basierten Bindemitteln hergestellt werden, also ein- bzw. mehrkomponentige Fugenmörtel.

Für alle wasserdurchlässigen Fugenmaterialien gilt: Je mehr Fugenfläche, desto größer die Versickerungsleistung.

Flächenbefestigungen mit Sickeröffnungen

Unter einer Flächenbefestigung mit Sickeröffnungen versteht man zumeist Waben- und Gitterelemente aus Beton in unterschiedlichen Variationen, wie beispielsweise Rasengitterstein, Rasenklinker, Rasenkammerverbundstein oder Rasenpflasterklinker. Neben Beton werden auch zahlreiche Produkte aus Kunststoffen angeboten. Bei diesen ist unbedingt, durch eine eingehende Prüfung der Produktblätter, auf die Beständigkeit gegen Frost, UV- sowie Infrarotstrahlung zu achten [7]. Diese Eigenschaften sind wesentlich, damit die Kunststoffelemente auch hohen Belastungen, etwa durch Lenkbewegungen von stehenden Fahrzeugen, dauerhaft standhalten.


(2a-2b) Flächenbefestigung mit Sickeröffnungen (Bilder: © Ulrike Pitha)

Die Befüllung der Sickeröffnungen erfolgt mit Sanden bzw. Splitten, die begrünt werden können. Für diese gelten die gleichen Anforderungen, wie Filterstabiliät und Korngrößenverteilung, die bereits oben zum Thema Fugen angeführt wurden. Der Flächenanteil der Sickeröffnungen bei Betonsteinen liegt meist etwas über 40 % und genügt, um Oberflächenabflüsse vollständig zu vermeiden.

Flächenbefestigungen aus wasserdurchlässigen Pflastersteinen und Platten

Zur Herstellung von wasserdurchlässigen Pflastersteinen oder Platten wird Pflasterdrainbeton, ein haufwerksporiger Beton, mit 11 bis 13 % Hohlraumanteil verwendet [6]. Der hohe Anteil an Hohlräumen ermöglicht einerseits die rasche Infiltration und gleichzeitige Froststabilität der Kunststeinprodukte. Durch großporige Hohlräume mit Durchmessern von 10-4 m können Wasserdurchlässigkeiten (kf) von bis zu 10-4 m/s zustande kommen [8]. Wie bei allen versickerungsfähigen Oberflächenbefestigungen ist auch bei wasserdurchlässigen Pflastersteinen und Platten auf Wasserdurchlässigkeit und Filterstabilität bei Aufbau und Fuge zu achten.

Erhalt der Wasserdurchlässigkeit

Wasserdurchlässigkeit des Gesamtaufbaus

Bei wasserdurchlässigen Flächenbefestigungen muss beachtet werden, dass der gesamte Oberbau wasserdurchlässig ist. Tiefere Tragschichten sollten jeweils eine höhere Durchlässigkeit aufweisen als die darüberliegenden. Dies kann mit einem Schichtaufbau, bei dem die einzelnen Schichten mit unterschiedlichen Korngrößenverteilungen eingebaut sind, erzielt werden. Man spricht von einem umgekehrten Trichterprinzip. Die Wasserdurchlässigkeit muss jedenfalls so hoch sein, dass die Porenräume nicht mit Wasser gefüllt sind [8].

Wartung und Pflege von wasserdurchlässigen Flächenbefestigungen

Untersuchungen an wasserdurchlässigen Flächenbefestigungen haben gezeigt, dass die Infiltrationsgeschwindigkeiten mit der Zeit abnehmen. Dies ist auf das Einschlämmen von Feinteilen zurückzuführen. Diese Entwicklung ist bei der Planung von Entwässerungsbauwerken entsprechend zu berücksichtigen, insbesondere zur Erfassung von Starkregen. Bei üblichen Pflasterflächen, in Bezug auf die Sickerleistung, kann lediglich ein Abflussbeiwert von ΨS = 0,9 angesetzt werden [8].

Die Wiederherstellung der Sickerleistung ist zumeist schwierig und nur bei bestimmten Flächenbefestigungen möglich. So werden Sandfugen z. T. mit Kehrmaschinen ausgebürstet oder abgesaugt und müssen neu besandet werden. Bei haufwerksporigen Materialien ist der Einsatz von Hochdruckreinigern mitunter zielführend.

Nutzungskategorien von wasserdurchlässigen Flächenbefestigungen

Wasserdurchlässige Flächenbefestigungen eignen sich im Grunde für alle Arten von Freiraum- und Verkehrsflächen. Die große Vielfalt an Bauweisen, Formen, Farben und ästhetischen Ausprägungen bereichert insbesondere städtische Räume und verleiht ihnen Besonderheit und Flair. Allerdings bestehen für einzelne Bauformen Einschränkungen hinsichtlich ihrer Anwendung.

Barrierefreiheit: Rasengittersteine und Schotterrasen weisen eine verminderte Barrierefreiheit auf. Bei der Wahl von Flächenbefestigungen mit breiten Fugen oder Fugenbegrünungen sollte jedoch der Aspekt der Barrierefreiheit und komfortablen Nutzung berücksichtigt werden. Je kleiner die Fuge ist und je bündiger sie mit der Oberkante der Platten oder Pflastersteine abschließt, desto besser sind die Rolleigenschaften der Oberflächenbefestigung.

Belastbarkeit: Pflastersteine weisen unterschiedliche Materialstärken auf. Je höher die zu erwartende Belastung, desto stärker müssen die Steine gewählt werden. Die maximale Belastbarkeit bzw. Einsatzbereiche von Pflastersteinprodukten werden üblicherweise in den technischen Produktdatenblättern der Herstellenden angegeben. Wichtig ist dabei, dass das Fugenmaterial und die Tragschichten eine entsprechende Tragfähigkeit aufweisen. Mit einem normgerechten Ober- und Unterbau kann die je nach Nutzungskategorie benötigte Tragfähigkeit erzielt werden. Die Gesamtaufbauhöhe wird auf die angestrebte Belastung von Mensch, PKW oder LKW abgestimmt.

Hochrangiges Verkehrssystem: Stark frequentierte Straßen, insbesondere überregionale Straßenverbindungen, werden i. d. R. nicht als versickerungsfähige Flächen ausgeführt. Dies ist der enormen Belastung durch Fahrzeuge, aber auch u. a. der Verkehrssicherheit, Geräuschentwicklung und starken Akkumulation von Schadstoffen geschuldet.

Wasserdurchlässigkeit und Wasseraufnahmefähigkeit

Am Versuchsgelände des Instituts für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau an der Universität für Bodenkultur Wien wurden im Zuge eines Forschungsprojekts neun unterschiedliche Oberflächenbefestigungen hinsichtlich ihrer Versickerungsfähigkeit untersucht. Zu diesem Zweck wurden diese gemäß RVS 08.18.01 [9] für Parkplatzflächen mit einer Größe von 5 x 3 m als Großlysimeter ‒ also rundum und im Planum mit Teichfolie abgedichtet ‒ errichtet. Für jede Fläche wurde der Oberflächen- und Sickerwasserabfluss getrennt erfasst. Die Flächen wurden gezielt beregnet. Als Niederschlagsereignis diente ein Starkregen mit einjähriger Wahrscheinlichkeit für den Wiener Raum. Dies entspricht rund 200 l pro Fläche. Die Ergebnisse der folgenden Versuchsfelder werden nachfolgend exemplarisch in Diagrammen dargestellt: Gitterstein 100/100/30 mit Recyclingmaterialfüllung 0/32 und Begrünung; Betonstein 20/20 mit Drainfuge 2/8; Betonstein 20/10 mit Normfuge 0/4; Betonstein 30/30 mit Normfuge 0/4 und Betonstein 21/17, zementgebundene Fuge.


(3) Versuchsanlage zur Betestung der Wasserdurchlässigkeit und der Wasseraufnahmefähigkeit unterschiedlicher Flächenbefestigungen am Versuchsgeländer der Universität für Bodenkultur Wien (Bild: © IBLB )

Die Diagramme zeigen den Zeitraum der Bewässerung als hellblauen Balken und den Oberflächensowie Sickerwasserablauf als Graphen über sieben Stunden (x-Achse). Auf der vertikalen Achse (y-Achse) wird die jeweils erfasste Wassermenge in ml angegeben.


(4) Abflussleistung von unterschiedlichen Oberflächenbefestigungen; oben: Abflussdiagramm Rasengitterstein; unten: Abflussdiagramm Drainpflasterung (Bild: © Scharf)


(5) Veränderung des Abflussverhaltens innerhalb eines Jahres (© Landstätter)

Sowohl Rasengitterstein als auch Drainagepflasterung ‒ häufig auch als Ökopflaster bezeichnet ‒ zeigen keinen nennenswerten Oberflächenabfluss. Sie unterscheiden sich jedoch in Bezug auf die Sickerwassermenge und den zeitlichen Anfall dieser. Dieser Unterschied ist auf die Wasserspeicherfähigkeit der 30 cm starken, mit Recyclingmaterial befüllten Fugen und auf ihre geringere hydraulische Leistungsfähigkeit zurückzuführen. Die nahezu vollständige Versickerung bleibt über den Verlauf von einem Jahr unverändert erhalten.


(6) Abflussleistung von unterschiedlichen Oberflächenbefestigungen; oben: Betonstein 20x10 cm mit Sandfuge; unten: Betonstein 30x30 cm mit Sandfuge (Bild: © Scharf)


(7) Veränderung des Abflussverhaltens innerhalb eines Jahres bei zwei Betonsteinen (20 x 10 cm und 30 x 30 cm) mit Sandfuge (© Landstätter)

Die beiden Diagramme der Abbildungen 6 zeigen den Einfluss der Fuge auf das Sickerverhalten von Pflasterungen deutlich. Je höher der Fugenanteil, desto besser ist die Versickerungsleistung. Aus der Tabelle 7 wird außerdem ersichtlich, dass der Anteil des Regenwassers, der oberflächlich zum Abfluss gelangt, bei geringerem Fugenanteil deutlich stärker zunimmt. Dementsprechend nimmt auch die Versickerungsleistung beider Versuchsvarianten ab, liegt aber nach einem Jahr noch bei über 40 % der aufgebrachten Wassermenge.


(8) Abflussleistung von unterschiedlichen Oberflächenbefestigungen; Betonstein 20 x 10 cm mit zementgebundener Fuge (Bild: © Bernhard Scharf)

Wie zu erwarten, leitet die Flächenbefestigung mit zementgebundener Fuge einen hohen Anteil (siehe y-Achse) des Regenwassers sehr rasch ab. Im Vergleich zu den Versuchsvarianten mit Sandfuge muss das Kanalsystem mehr als die zehnfache Wassermenge in etwa dem gleichen Zeitraum aufnehmen und ableiten.

Grundwasserschutz und Schadstoffrückhalt

Die Intensivierung der Versickerungsmaßnahmen im urbanen Raum bringt – u. A. ‒ eine Verbesserung bei der Erneuerung des Grundwasserkörpers mit sich, wirft aber auch die berechtigte Frage der potenziellen Verschlechterung der Grundwasserqualität auf.

Bekanntlich enthält der Niederschlagsabfluss im urbanen Raum ein variables Verschmutzungspotenzial, welches eine Gefahr für Oberflächen- und Grundwasser darstellt [10].

Niederschlagsabfluss von Dächern und Straßen enthält neben Nährstoffen, wie Stickstoff und Phosphor, auch Feststoffe, Schwermetalle sowie organische Schadstoffe, wie polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Mineralöl-Kohlenwasserstoffe (MKW). Diese entstehen mehrheitlich aus Abgasnebenprodukten, Reifen- und Karosserie-, sowie Fahrbahnverschleiß. Die Höhe der jeweiligen Belastung hängt von der durchschnittlichen täglichen Verkehrsbelastung (DTV) ab und kann somit stark variieren [11]. Die wichtigsten Ursachen für Verunreinigungen und deren Quellen sind in nachstehender Tabelle zusammengefasst.

Die verstärkte Versickerung von Niederschlagswasser im urbanen Raum weist also ein Gefahrpotenzial hinsichtlich der Grundwasserqualität auf. Am Institut für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz der Universität für Bodenkultur Wien wird seit Jahren an der Fragestellung des Grundwasserschutzes im urbanen Raum, bei Implementierung innovativer Lösungen und grüner Infrastruktur geforscht.

Im Rahmen des oben beschriebenen Projekts wurden in einem Zeitraum von ca. 1,5 Jahren mehrere Versuche zur Untersuchung der Barrierewirkung von den genannten Oberflächenbefestigungen hinsichtlich potenzieller Schadstoffe durchgeführt. Es wurden mehrere Regenereignisse mit und ohne Schadstoffauftragung sowie ein Starkregenereignis simuliert. Weiterhin wurde der Einfluss von Streusalz auf die Mobilisierung bestimmter Schadstoffe bei einem extra Versuch untersucht. Der Fokus bei der Beurteilung der Reinigungsleistung bzw. Schadstoffrückhalts der einzelnen Versuchsflächen ist auf drei großen Gruppen gelegt: die organischen Schadstoffe (BTEX, MTBE, PAKs und MKW), die anorganischen Schadstoffe (Schwermetalle: Pb, Cd, Cr, Cu, Ni, Zn) und die anderen gelösten Salze bzw. Ionen (Ammonium, Nitrat, Chlorid, Sulfat und Phosphat). Zur Simulation von Regenereignissen wurde eine manuelle und/oder automatisierte Beregnung mit ca. 120 bis 250 l Grundwasser pro Fläche durchgeführt. Die Wassermenge ist an einem durchschnittlichen einjährigen Regenereignis angepasst, variiert aber etwas in Abhängigkeit vom Versuch bzw. Zielsetzung beim jeweiligen Versuch. Die Versuchsflächen wurden in einem Zeitraum von ca. 18 Monate mehrfach mit den genannten relevanten Schadstoffen kontaminiert.


(9) Stoffquellen und Stoffemissionen durch Kraftfahrzeugverkehr und Dächern (© Boller, 2003; Helmreich [14])

Die aufgebrachten Schadstoffmengen wurden gemäß den typischen Schadstoffkonzentrationen im Abfluss von schwach gefahrenen Straßen und Parkflächen ausgewählt [12]. Es wurde pro Versuchsfläche (VF) der Oberflächenabfluss (OFA) und das Sickerwasser (SW) quantitativ erfasst und auf die Qualität untersucht. Daraus wurden die Schadstofffrachten bzw. die prozentuelle Schadstoffretention in der jeweiligen Fläche berechnet. In der Abb. 10 sind einige ausgewählte Ergebnisse für eine Versuchsperiode von ca. 12 Wochen nach der Kontamination der Versuchsflächen exemplarisch dargestellt.


(10) Die Schadstoffretention für ausgewählte Substanzen bei den Versuchsflächen 1) Gitterstein 100/100/30 mit Recyclingmaterialfüllung 0/32 und Begrünung, 2) Betonstein 20/20 mit Drainfuge 2/8, 3) Betonstein 20/10 mit Normfuge 0/4 und 4) Betonstein 21/17 mit Zement gebundene Fuge. (Bild: © U. Pitha, R. Allabashi, B. Scharf, V. Enzi)

Es konnte bei diesen Forschungsarbeiten gezeigt werden, dass die versickerungsfähigen Flächen Rasengitterstein und Drainagepflasterung neben einem guten Versickerungsverhalten auch eine sehr gute Retention (meist über 95 %) für die meisten untersuchten Schadstoffe aufwiesen. Es konnte eindeutig bewiesen werden, dass Sickerwässer aus versickerungsfähigen Oberflächenbefestigungen weniger stark belastet sind, im Vergleich zu Oberflächenwässer aus undurchlässigen Flächen. Des Weiteren wurde für viele Schadstoffe ein signifikanter Unterschied der Konzentrationen im OFA und SW von derselben Oberflächenbefestigung festgestellt, wie am Beispiel vom Nickel in der Abbildung 11 gezeigt wird.


(11) Nickelkonzentration in OFA bei allen neun untersuchten Versuchsflächen und über die gesamte Versuchsdauer (sieben Beprobungen über 18 Monate), sowie der Vergleich mit der höchstzulässigen Umweltqualitätsnorm (ZHK-UQN) aus der QZV Chemie OG und dem Schwellenwert (GW-Schw.wert) aus der QZV Chemie GW. (Bild: © U. Pitha, R. Allabashi, B. Scharf, V. Enzi)


(11a) Nickelkonzentration in SW bei allen neun untersuchten Versuchsflächen und über die gesamte Versuchsdauer. (Bild: © U. Pitha, R. Allabashi, B. Scharf, V. Enzi)

Darüber hinaus wurden die gemessenen Schadstoffkonzentrationen der jeweiligen Abflüsse mit den entsprechenden Umweltqualitätsnormen für Oberflächengewässer und Grundwasser nach den gültigen Österreichischen Verordnungen verglichen [13]. Dieser Vergleich zeigt, dass trotz der guten Elimination in den meisten Fällen vereinzelt Grenzwertüberschreitungen festzustellen sind. Diese treten meistens bei den Oberflächenabläufen und unmittelbar nach der Kontamination auf, was den großen Vorteil der sickerfähigen Flächen ohne nennenswerten Oberflächenabfluss bestätigt.

Versickerungsfähige Flächenbefestigungen sind nicht nur in unterschiedlichen Optiken erhältlich, sondern sie können ästhetisch und nutzungsbezogen individuell eingesetzt werden. Sie unterscheiden sich auch im Hinblick auf ihre Versickerungsfähigkeit stark. Dies ist v. a. auch im Hinblick auf die Siedlungsentwässerung und Dimensionierung von Kanalsystemen zu berücksichtigen. Hier können versickerungsfähige Flächenbefestigungen einen erheblichen Beitrag zum natürlichen Wasserkreislauf, der Grundwassererneuerung und nicht zuletzt Kostenersparnis bei der Kanalisation leisten.

Entwässerungssysteme für den Einbau in Pflasterflächen

Retentionsanlagen

Der Begriff Retention bekommt in Bezug auf Starkregenereignisse eine immer größere Bedeutung. Das aus dem Lateinischen kommende „retentio“ bedeutet nichts anderes als „das Zurückhalten“. Bei Starkregenereignissen gibt es genug Wasser „zurückzuhalten“ und das kann in den verschiedensten Formen geschehen. Die bekannteste Möglichkeit, Regenwasser zwischenzuspeichern sind Regenrückhaltebecken, sei es als Auffangteich bei kleineren Bauwerken, als große Versickerungsanlage bei Industriebauten oder im öffentlichen Bereich als Regenrückhaltebecken für ganze Orts- oder Stadtteile. Weitere Möglichkeiten zur Zwischenspeicherung sind Regenwasserzisternen aus Kunststoffelementen oder Betonfertigteilen, als große Tankanlage oder auch als überdimensional bemessene Schachtanlage. Diese Anlagen dienen oft zur Erfüllung von Auflagen zwecks verzögerter Abgabe von Oberflächenwasser an die Entwässerungssysteme. Jetzt sind diese Zwischenspeicher willkommene Anlagen zur Abmilderung von Starkregenereignissen. In den nächsten Jahrzehnten werden uns diese Unwetterereignisse beschäftigen und für eine völlig neue Ausrichtung der Oberflächenwasserbehandlung sorgen.


(12) Regenrückhaltebecken können eine Bereicherung für die Landschaft sein. Diese Anlage befindet sich am Stadtrand von Garbsen bei Hannover. Ein idyllischer Ort ist das Rückhaltebecken im Falle eines Starkregens jedoch nicht mehr, sondern eine reine Funktionsanlage zur Aufnahme großer Wassermassen. (Bild: © Meino Heuer)


(13) Im Falle eines Starkregens können verstopfte Einlaufroste ein vermeidbares Hindernis für den Abfluss von Wassermassen darstellen. (Bild: © Meino Heuer)

Eine regelmäßige Wartung und Säuberung der Abflüsse mit Funktionskontrolle in verkürzten Abständen ist unbedingt erforderlich. So können Algenteppiche, Mähgut, Äste und wilder Müll für einen Wasserstau mit schlimmen Folgen sorgen. Versäumnisse hinsichtlich der Pflege lassen sich vor Eintritt eines Starkregenereignisses nicht mehr nachholen.


(14) Auch dieses Ein- bzw. Überlaufbauwerk stellt mit allseitigem Bewuchs eine Gefahrenquelle dar. Regelmäßig müssen Ein- und Auslaufbereiche gemäht werden. Das Mähgut darf nicht im Graben verbleiben, da es mit der Wasserströmung eines Starkregens einen sofortigen Verschluss der Roste zur Folge hätte. (Bild: © Meino Heuer)

Die Speicherung oder Zwischenspeicherung in Regenrückhalteanlagen kann ihren Nutzen bei Starkregenereignissen nur erfüllen, wenn vom Eintrittsquerschnitt der Straßenabläufe bis hin zum Sammelbecken alle Einbauten größer bemessen wurden als bei hydraulischen Berechnungen in früheren Jahren. Das plötzlich in großen Mengen vorhandene Oberflächenwasser muss schnellstmöglich in den Straßenablauf hineinkommen, dort über den Ablauf in die Anschlussleitung gelangen und dann über die Hauptleitung in einen Vorfluter oder in ein Speicherbecken gelangen.

Die erste Hürde ist somit der Einlaufquerschnitt des Straßenablaufs. Bei engmaschigen Varianten in Fußgängerzonen gibt es bereits die ersten Probleme, da diese sich bei großen Wassermengen sofort mit vorhandenem Unrat, egal ob Müll oder organisches Material, zusetzen. Solche Abläufe sind im Katastrophenfall ein Totalausfall. Oft wird von den Einsatzkräften als Notmaßnahme der Einlaufrost samt Schmutzfänger herausgenommen, damit das Wasser ungehindert abfließen kann. Allerdings hat diese Maßnahme auch nur so lange Erfolg, bis sich die Ablaufleitung mangels Schmutzfänger erneut mit Unrat zugesetzt hat und eine Verstopfung wiederum für einen Wasserstau sorgt. Der versperrte Weg des Wassers in das öffentliche Abwassernetz kann dann angesichts volllaufender Keller, Geschäfte und Wohnhäuser ein Szenario von Hilflosigkeit gegenüber den Naturgewalten sein. Statt Einlaufroste für den Fußgängerverkehr sollten herkömmliche Straßenabläufe mit einem großen Einlaufquerschnitt eingebaut werden. Deshalb sind bereits in der Planungsphase Abläufe außerhalb begehbarer Flächen anzuordnen. Als denkbare Alternative wären die Einläufe dann z. B. in Nischen im Bereich von Pflanzbeeten einzubauen. Möglich wäre aber auch der Einbau von großdimensionierten Einlaufrinnen, die eine flächige Wasseraufnahme ermöglichen.

Pflege der Entwässerungssysteme

Die Reinigung des öffentlichen Abwassernetzes gehört zu den Pflichtaufgaben aller Entsorgungsbetriebe. Die Bildung von festen Ablagerungen soll durch regelmäßige Reinigung vermieden werden. So werden Verstopfungen im Kanal und eine daraus resultierende Rückstausituation verhindert. Meistens wird im einjährigen Turnus das komplette Schmutzwassernetz mittels Hochdruckspülung gereinigt. Ein Spülplan gibt die Reinigungsintervalle vor und besonders oft verstopfte Kanäle werden mehrmals jährlich gesäubert. Die Reinigung der Regenwasserkanäle erfolgt hingegen meistens nur nach Bedarf und in viel größeren Zeitabständen. Ein schneller Wasserabfluss bei Starkregen erfordert jedoch eine möglichst hindernisfreie Rohrleitung. Auch die Schächte und Sandfänge sollten frei von Sand und anderen Ablagerungen sein. Die Reinigung und Leerung der Schmutzeimer ist ebenfalls eine regelmäßige Aufgabe zur Gewährleistung eines ungehinderten Abflusses. Auch diese Leerungsabstände müssen verkürzt werden. Gerade nach Sturmereignissen sammelt sich Laub, Schmutz und feines Astwerk im Ablauf und führt zu einer Beeinträchtigung beim schnellen Abtransport des Wassers. Auch der Einfluss einer regelmäßigen gründlichen Straßenreinigung ist nicht zu unterschätzen. Gerade auch die Ablaufrinnen sollten in kurzen Abständen vom Schmutz befreit werden, da sich ansonsten eine Intensivierung des Schmutzeintrags in die Regenwasserkanäle ergibt.

Alle genannten Maßnahmen für einen verbesserten Abfluss von Regenwasser kosten mehr Zeit und Geld! Als Ergebnis dieser Mehrausgaben sind mittelfristige Gebührenanpassungen der Städte und Kommunen unausweichlich. Die Auswirkungen der Klimaveränderung treffen somit nicht nur die Leittragenden von Hochwasserschäden, sondern jeden einzelnen Bürger.


(15) Die Spülwageneinsätze zur Reinigung von Regenwasserkanälen müssen als Auswirkung der vermehrt auftretenden Starkregenereignisse intensiviert werden. Auch die Schmutzeimer und Sandfänge der Straßenabläufe erfordern eine Säuberung in verkürzten Abständen. (Bild: © Meino Heuer)

Nutzung großer Plätze als Retentionsflächen

Einen sehr hohen Nutzungsgrad haben städtische Freiflächen, die bei Starkregenereignissen für kurze Zeit geflutet werden können. Geeignet dafür sind öffentliche Parkplätze, Sport- und Spielplätze sowie Grünanlagen. Diese Flächen werden im Ausnahmefall eines Starkregens als Wasserrückhalt für eine kurze Zeit genutzt und können in besonders sensiblen Bereichen mit hohem Schadenspotenzial hergestellt bzw. eingerichtet werden. Diese so zweckentfremdeten Flächen müssen für ein Hochwasserereignis hergerichtet werden, evtl. durch Bordeinfassung oder als Muldenausbildung.

Kurzzeitig werden derartige Retentionsflächen für den starken Wasseranfall bei Extremniederschlag genutzt. Nach dem Starkregenereignis erfolgt dann eine zeitverzögerte Abgabe des Wassers an das öffentliche Entwässerungssystem. Eine wesentliche Einschränkung dieser Flächen als öffentliche Nutzfläche ist nicht zu befürchten. Besonders im städtischen Bereich können sie als alternative Notwasserfläche eine wichtige Funktion übernehmen.

Nach einem Starkregenereignis kann jedoch eine Sonderreinigung von Schlamm und Müll erforderlich werden. Aber dieser Umstand wäre durch die mögliche Verhinderung von Schäden durch eindringendes Wasser in Kellern, Wohnungen oder Geschäften leicht vertretbar. Geprüft werden müssen vor Einrichtung derartiger Flächen mögliche Nachteile für andere Bereiche. Die Gesamtlage ist zu überprüfen, mögliche Überflutungen an anderer Stelle wären nicht zielführend.

Stets sind auch Überlegungen hinsichtlich der Überflutungsgefährdung privater Flächen in die Pläne zur Herstellung derartiger Überflutungsflächen mit einzubeziehen. Das Vorhandensein von Rückstaueinrichtungen sollte in gefährdeten Bereichen nicht nur förmlich abgefragt, sondern auch vor Ort geprüft werden. Oft sind diese Anlagen im städtischen Raum alt und nicht mehr funktionsbereit. Nur ein Gesamtkonzept kann den größtmöglichen Nutzen bei plötzlich auftretenden Wassermassen durch Starkregen bringen.

Aus der Not geboren spielt in dicht bebauten Siedlungen oder städtischen Bereichen auch die Straße als überflutbare Retentionsfläche eine Rolle. In Regelwerken wird diese Möglichkeit bereits in Betracht gezogen. Unter dem Aspekt eines Notüberlaufs bei Starkregen bekommt diese Variante eine ganz neue Bedeutung, sind doch in dicht besiedelten Bereichen die Straßen der einzige zur Verfügung stehende Freiraum für eine relativ gefahrlose Überflutung. Mit Hochborden eingefasst und als Wanne ausgebildet können Straßenabschnitte schon eine gewisse Zeit Oberflächenwasser zurückhalten. Natürlich dürfen durch diese Wasseransammlungen private Bereiche nicht zu Schaden kommen. Es bedarf eine gezielte Planung, da im Ernstfall auch verkehrsrechtliche Einschränkungen in Kauf genommen werden müssen.

Bevor eine Straße jedoch zum Regenrückhaltebecken wird, sollten auch noch andere Maßnahmen ergriffen werden. So kann z. B. eine Ableitung des Wassers über oberirdische Flutrinnen, Notwasserwege über Fuß- und Radwege oder Mulden neben den Fahrwegen erfolgen. Meistens scheitern solche Ausweichmöglichkeiten an beengten Platzverhältnissen. Die Planung eines überflutbaren Straßenbereichs muss stets unter Abwägung der evtl. entstehenden Gefahrenlage in anderen Bereichen erfolgen. Auf keinen Fall dürfen durch die Flutung einer Straße neue Gefahren, wie z. B. durch die Fließgeschwindigkeit des Wassers, entstehen. Eine Straße als Wasserbecken kann aber eine Notlösung bei Starkregen zur Verhinderung von Vermögensschäden sein.


(16) Als Notwasserfläche eignen sich Straßenabschnitte, die als Mulde ausgebildet und mit Borden als Überlaufschutz hergerichtet werden können. Abzuwägen bleibt immer das Für und Wider durch Gefährdungen, die für andere Bereiche durch diesen Notspeicher entstehen könnten. (Bild: © Meino Heuer)

Neue Entwicklungen im Bereich der Entwässerungssysteme

Die sich häufenden Starkregenereignisse erfordern dauerhafte Lösungsansätze. Die Industrie hat bereits reagiert und erste neue Produkte bzw. Produktvarianten auf den Markt gebracht. Grundsätzlich geht es um die schnellere Beseitigung großer Wassermassen aus dem öffentlichen Raum in möglichst kurzer Zeit und größtmögliche Verhinderung von Hochwasserschäden im Allgemeinen. Dass dieses Ziel seinen Preis hat, ist klar. Allein größere Rohrdurchmesser verursachen bereits Mehrkosten. Eine Lösung für einen raschen Wasserabfluss sind Straßenabläufe mit einer schnelleren Wasseraufnahme. In technischen Versuchen wurden herkömmliche Straßenabläufe mit quer zur Fahrbahn verlaufenden Einlaufrosten gegen neue Straßenabläufe mit parallel zur Fahrbahn laufenden Rosten getestet. Die Wasseraufnahme dieser neuen Abläufe war wesentlich höher und somit effektiver als die herkömmliche Variante.


(17) Dieser Aufsatz 500 x 500 mm, Klasse D 400, wurde für erhöhte Wasseraufnahme bei Starkregenereignissen in Gefällestrecken entwickelt. Der Aufsatz entspricht der DIN EN 124-2, KIWA und hat eine Schlitzweite von 17 mm mit einem Einlaufquerschnitt von 1135 cm². Die Roste verlaufen parallel zur Gefällestrecke und gewährleisten einen schnellen Wasserabfluss. Das Überfahren mit Fahrrädern ist aufgrund der Wellenform der Roste problemlos möglich. (Bild: © MeierGuss System MEIDRAIN)

Mit dem schnelleren Transport des Wassers in den Straßenablauf stellt sich gleich die Frage des schnelleren Abflusses aus dem Straßenablauf in die Anschluss- bzw. Hauptleitung. Als gängige Anschlussgröße werden bislang Rohre mit einem Durchmesser von 150 mm eingebaut. Auf dem Markt gibt es bereits Bodenteile mit einer 200 mm großen Anschlussöffnung, z. B. für Bergabläufe. Ohne sehr große Mehrkosten könnte somit das Wasser schnell in und aus dem Straßenablauf herausgeleitet werden. Ein weiteres Hindernis für den Wassertransport sind die Leitungen zwischen Ablauf und Hauptleitung. Der Anschluss der Abläufe erfolgt in herkömmlicher Bauweise über einen Abzweiger in der Hauptleitung. Oftmals werden sogar mehrere Abläufe in einer Anschlussleitung zusammengeführt. Ein direkter Abschluss an den Schacht würde auch hier für höhere Entwässerungsgeschwindigkeit sorgen. Der Schacht sollte statt des üblichen Durchmessers von 1.000 mm einen Durchmesser von 1.500 mm haben und mit einem Sandfang ausgestattet werden.

Erfolgt dann zusätzlich in kritischen Bereichen noch eine Kopplung mit einem neu auf dem Markt angebotenen Retentionsrohr zur schnellen Wasseraufnahme und zeitverzögerten Abgabe, kann mit moderatem finanziellen Aufwand der drohenden Gefahr großer Wassermassen entgegengewirkt werden. Auf die Planer von Entwässerungsanlagen kommen viele Neuheiten in Bezug auf Starkregen zu, die richtige Lösung wird sich aber immer nach den örtlichen Gegebenheiten richten müssen. Auch die Regelwerke werden sich anpassen und einen Rahmen für die künftige Bemessung von Rohrleitungen unter Berücksichtigung des vermehrt auftretenden Jahrhundertregens bieten. Aufgrund der häufig auftretenden Starkregenfälle ist die Bezeichnung „Jahrhundertregen“ zumindest vom Namen her mittlerweile irreführend.


(18) Mit großen Rohrquerschnitten lassen im Falle von Starkregen Wassermassen zwischenspeichern und verzögert an den Oberflächenwasserkanäle abgeben. Die abgebildeten Rohre entsprechen der DIN EN 13476 Teil 3 und DIN 4262. (Bild: © Wavin GmbH System X-Straem-Stauraumkanal)


(19) Diese Riesenvariante einer Entwässerungsrinne hat alle Vorzüge eines offenen Kanals. Im Falle eines Starkregens fließt das Wasser unmittelbar in den Rinnenkörper, wird dort gesammelt und kann dann gedrosselt an das Kanalsystem abgegeben werden. In gefährdeten Bereichen von großflächig versiegelten Fußgängerzonen kann diese hochwertige Rinne für schnelle Beseitigung von Wassermassen aus dem Straßenraum sorgen. Möglich sind bis zu 512 Liter pro Laufmeter. (Bild: © BIRCO GmbH System BIRCOmax-i)

Speziallösung: Zwischenspeicher

Zwischenspeicher können eine Lösung für besonders gefährdete Bereiche sein. Kann das anfallende Oberflächenwasser nicht schnell und unmittelbar über vorhandene Rohrleitungen abgeführt werden, ist ein Zwischenspeicher im Straßennebenraum möglich. So bieten sich neben der Straße befindliche Parkplätze, Spielplätze oder Grünflächen für den Einbau dieser schnellen Lösung an. Viele Lieferanten bieten Kunststoffelemente nach dem Baukastensystem an, sodass eine Wasserspeicherung in selbst zu bestimmender Größenordnung möglich ist. Dieses System besteht aus zusammengesetzten Kunststoffhohlkörpern, die mit einem Vlies ummantelt werden. Oberhalb dieser Speicherkörper kann die Oberfläche wie vorher genutzt werden, denn ihre Statik erlaubt ein Befahren bis hin zum LKW-Verkehr. Eine Retentionsanlage mit großem Speichervermögen kann so relativ kostengünstig entstehen. Weitere Varianten sind Kunststofftanks oder für große und schwer belastete Flächen ein Speicherbecken aus Betonfertigteilen.


(20) Dieser Speicher auf dem Gelände der Albert Schweitzer-Gemeinschaftsschule in Schwentinental besteht aus Kunststoff-Blockrigolen mit einer Ummantelung aus verschweißter PE-Folie und einem Wegebauvlies als äußeren Schutz gegen Beschädigungen. Das anfallende Wasser wird zwischengespeichert, zurückgehalten und zeitverzögert an die Vorflut abgegeben. (Bild: © ACO System Stormbrixx)

Die technisch möglichen Vorsorgemaßnahmen gegen Starkregen im urbanen Bereich sind begrenzt. Mehr als bessere Abflussmöglichkeiten durch optimierte Entwässerungssysteme zu schaffen, ist kaum möglich. Kommen ungünstige Faktoren zusammen und liegt der von Hochwasser heimgesuchte Ort an einem Fließgewässer oder unterhalb von einem Hang, so können die Wassermassen von allen Seiten kommen. Kein bezahlbares Entwässerungssystem kann dann gegen diese Naturgewalten etwas ausrichten und die Katastrophe ist somit unabwendbar. Regelmäßig wird über derartige Unwetterereignisse in aller Welt berichtet. Nur im Rahmen des technisch Machbaren können wir unsere Städte und Gemeinden schützen. Darüber hinaus muss auch im privaten Bereich Vorsorge getroffen werden. Mobile Stauwände vor Kellerabgängen und Hauseingängen, Rückstauvorrichtungen und wasserdicht verschließbare Kellerfenster sind nur einige Möglichkeiten zum persönlichen Schutz von Hab und Gut. Auch gibt es keine Hoffnung, dass das Maximum der Naturkatastrophen schon erreicht ist. Die Wetter-experten geben keine Entwarnung und verweisen auf weiterhin steigende Temperaturen, eine noch höhere Verdunstung und weiterhin häufige Unwetterereignisse. Trotzdem sollten wir zumindest den normalen, mittleren Starkregen beherrschen und durch technische Verbesserungen die Schäden möglichst kleinhalten.

Literatur

[1] Jacob, et al. (2014): “EURO-CORDEX: New High-Resolution Climate Change Projections for European Impact Research”, Regional Environmental Change 14, no. 2 (2014).

[2] Nikulin u. a. (2011): Ensemble Mittelwerte aus sechs Modellsimulationen für die relative Änderung der 20-jährlichen maximalen Tagesniederschläge im Winter und im Sommer.

[3] Statista GmbH (2018): Das Statistik Portal, Hamburg. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37084/umfrage/anteil-der-bevoelkerung-in-staedten-weltweit-seit-1985/ (abgerufen am 19.07.2018).

[4] Umweltbundesamt (2018): Umweltbundesamt – Perspektiven für Umwelt & Gesellschaft, Wien http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/raumordnung/rp_flaechen inanspruchnahme/ (abgerufen am 19.07.2018).

[5] Umweltbundesamt (2016): Versiegelungsgrad 2006 bis 2017 aus Elfter Umweltkontrollbericht. Umwelt5situation in Österreich.

[6] Forum Qualitätspflaster e. V. Qualitätsgemeinschaft für Flächengestaltung mit Pflastersteinen und Pflasterplatten (Hrsg.) (2012): Pflasterer Handwerkerbuch – Grundlage für den Beruf des Pflasterers. Verlag Jugend und Volk GmbH. Wien.

[7] Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (Hrsg.) (2018): Richtlinien für Planung, Bau und Instandhaltung von begrünbaren Flächenbefestigungen. Bonn.

[8] Mentlein, H. (2007): Pflasteratlas; Planung, Konstruktion und Herstellung. 2. Auflage. Verlagsgesellschaft Rudolf Müller GmbH & Co. KG. Köln.

[9] RVS 08.18.01 (2009): Pflasterstein- und Pflasterplattendecken, Randeinfassungen. FSV Österreichische Forschungsgesellschaft Straße – Schiene – Verkehr. Wien.

[10] Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) (Hrsg.) (2005): Arbeitsblatt DWA-A 138. Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser, DWA-Regelwerk, Band A 138.

[11] Schmitt, T. G., Welker, A., Dierschke, M., Uhl, M., Maus, Ch., Remmler, F. (2010): Entwicklung von Prüfverfahren für Anlagen zur dezentralen Niederschlagswasserbehandlung im Trennverfahren, Abschlussbericht über ein Entwicklungsprojekt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.

[12] Göbel P., Dierkes C., Coldewey W.G. (2007): Strom water runoff concentration matrix for urban areas, Journal of Contaminant Hydrology 91. S. 26-42. Sowie Helmreich, B., Hilliges, R., Schriewer, A., Athanasiadis, K. (2005): Niederschlag Wasserbehandlung in urban Gebieten 185. S. 37–48.

[13] BMFLUW (2006). BGBl. II Nr 96/2006 i.d.g.F.; Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Festlegung des Zielzustandes für Oberflächengewässer. BMFLUW (2010). BGBl. II Nr. 98/2010 i.d.g.F. Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den guten chemischen Zustand des Grundwassers.

[14] Boller, M. (2003): Nachhaltige Regenwasserentsorgung auf dem Weg in die Praxis, EAWAG news 57. S. 25–28. Helmreich B., Hilliges R., Schriewer A., Horn H., Runoff pollutants of a highly trafficked urban road – Correlation analysis and seasonal influences, Chemosphere 80 (2010). S. 991-997.

Pflasterflächen im öffentlichen Raum

Подняться наверх