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»ICH DACHTE, ICH KOMME OHNE FREIZEIT AUS. DAS WAR EIN FEHLER«

EIN GESPRÄCH MIT OTTMAR HITZFELD

Ottmar Hitzfeld trainierte von 1991 bis 1997 Borussia Dortmund und anschließend acht Jahre lang (1998 - 2004 und 2007 - 2008) den FC Bayern München. Seit 2008 ist er Trainer der Schweizer Nationalmannschaft. Nach seinem Weggang von Bayern München erklärte er öffentlich, unter dem Burn-out-Syndrom gelitten zu haben - ein mutiges Bekenntnis für jemand, der ausschließlich fürs Siegen bezahlt wird. Ottmar und ich kennen uns seit vielen Jahren. Ich schätze ihn als aufrichtigen, klugen und bescheidenen Menschen. In all den Jahren im Spitzensport-Business hat er nie den Bodenkontakt verloren.

> Du hast dich nach deinem Abschied beim FC Bayern im Jahr 2004 öffentlich dazu bekannt, das Burn-out-Syndrom gehabt zu haben. Hattest du es übertrieben mit der Arbeitszeit?

Ich war schon länger im roten Bereich. Als Trainer in Dortmund habe ich mal in einer Zeit fünf Kilo abgenommen, aber ich habe mir nichts anmerken lassen. Ich war so in meine Arbeit verbissen, konnte nicht mehr abschalten, das war mein größtes Problem. Wenn ich abends mit meiner Frau einen Film ansah, war ich gedanklich immer bei meinem Team. Nach acht Jahren als Trainer von Spitzenclubs war ich sehr müde. Ich habe gespürt, dass mir die Freude fehlt, ich konnte das alles nicht mehr genießen. Am Ende fehlte mir sogar die Kraft, selbst zu kündigen - denn dazu benötigt man Kraft und Mut. Erst als der FC Bayern die Trennung bekannt gab, habe ich gespürt, was für eine Erleichterung das für mich war.

> Wie muss man sich den normalen Arbeitstag eines Nationaltrainers vorstellen?

Nicht so stressig wie den Arbeitstag eines FC-Bayern-Trainers. Als Schweizer Nationaltrainer habe ich natürlich mehr Zeit, die Spiele zu planen, weil die Abstände zwischen den Begegnungen größer sind. Aber ich kann meinen Arbeitstag nicht in Stunden abrechnen, die Grenzen sind fließend. Nur eins ist klar, das war nie anders: Mit acht Stunden kannst du nicht auskommen, weil viele Entscheidungen Zeit brauchen, um zu reifen. Es sind ja nicht nur die Stunden am Schreibtisch, wenn man Trainingspläne entwirft, es ist auch die Zeit, die man braucht, um zu überlegen. Ich habe immer viel geistig gearbeitet. Habe mich gefragt, wie ich mit Menschen umgehe, wie ich Spieler zur Höchstform zu bringen kann, wie ich sie motiviere, wann ein klärendes Gespräch nötig ist. Die richtige Führung von 25 Menschen und Hochleistungssportlern ist für einen Sieg mindestens genauso entscheidend wie die Taktik. Und all das beansprucht Zeit.


BALL-KÖNIGE

Ein Abend mit Ottmar Hitzfeld, seiner Frau Beatrix und Boris Becker. Ottmar Hitzfeld ist nicht nur einer der weltbesten Fußballtrainer, er ist ein außergewöhnlicher Mensch, uneitel und geerdet, ein wertvoller Freund. Boris Becker ist eine der größten deutschen Sportlegenden und eine faszinierende Persönlichkeit. Auch weil Tennis meine persönliche Passion ist, habe ich die Zusammenarbeit mit ihm sehr genossen.

> Du hast deine Passion zum Beruf gemacht - achtet man da weniger auf die Zeit?

Wahrscheinlich schon. Fußball war immer der Mittelpunkt meines Lebens. Ich liebe diesen Beruf - das ist ein Privileg und ein Glücksfall. Am Anfang, als 18-Jähriger beim VF Lörrach, und später als Student beim FC Basel war die Belastung weniger extrem. Du wirst nicht danach bezahlt, ob du Tag und Nacht arbeitest, das Einzige, was zählt, ist, ob deine Mannschaft am Samstag gewinnt und die Punkte holt.

> Was würdest du heute anders machen?

Ich weiß jetzt, dass man die Zeit besser planen muss. Man darf den Spielraum Freizeit nicht unterschätzen. Jeder Mensch braucht diese Zeit der Regeneration. Ich dachte, ich komme ohne aus. Als Trainer stehst du unter hohem Erfolgsdruck. Aus Angst, entlassen zu werden oder nachzulassen, war ich stets sehr sorgfältig. Diese Sorge hat mich zu immer mehr Leistung getrieben und mich die Freizeit zu sehr vernachlässigen lassen. Das war rückblickend ein Fehler.

> Was sind für dich die größten Zeitdiebe?

Fernsehen und das ziellose Surfen im Internet. Ich versuche, das so wenig wie möglich zu machen. Dieser passive Konsum lenkt einen ab von sinnvoller Beschäftigung mit sich selbst, mit der eigenen Situation, dem Umfeld, mit den anstehenden Aufgaben. Ich glaube, wenig Zeit ist so gut angelegt wie die, die man damit zubringt, über sich selbst nachzudenken.

> Führst du dazu auch ein Tagebuch?

Das habe ich immer getan. Aber ich habe es nie als Tagebuch meiner Gefühle geführt, sondern nur die Erlebnisse des Tages Revue passieren lassen. Das hilft einem, die jeweilige Situation im Nachhinein noch einmal wachzurufen.

> Wie regenerierst du am besten?

Das Beste ist, ein Buch zu lesen oder ganz einfach Ferien zu machen. Ich kann das heute viel bewusster. Ich verziehe mich auf eine Insel, ohne Telefon, ohne Internet, ohne alles. So schalte ich ab.

> Würdest du einem jungen Menschen empfehlen, genauso viel zu arbeiten wie du damals?

Das, glaube ich, muss jeder mit sich selbst vereinbaren. Jeder hat auch eine eigene Berufsauffassung und eigene Ziele. Die einen erreichen ihr Ziel mit mehr und die anderen mit weniger Aufwand.

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