Читать книгу Erkenne dein Talent - Peter Olsson - Страница 9

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»Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.«

Seneca

V

on all den entscheidenden Karrierefaktoren, über die ich in diesem Buch sprechen werde, ist Zeit und der richtige Umgang mit ihr sicher einer der wichtigsten. Ich glaube, dass der Schlüssel zum Erfolg darin liegt, wie geschickt du die Gesamtheit deines alltäglichen Lebens managst und in ein gelungenes Zeitgefüge bringst. Und damit meine ich alle relevanten Bereiche des Lebens: die berufliche Karriere ebenso wie das Privatleben, Gesundheit, Spaß und Freizeit, Freundschaften, Beziehungen, Reisen, persönliche Bildung - alles, was dazugehört.

Ohne ein funktionierendes Zeitmanagement - das erlebe ich täglich bei Kunden und Klienten - läufst du Gefahr, dass dir die Fäden aus der Hand gleiten. Du wirst nur selten das Gefühl bekommen, alles wirklich unter Kontrolle zu haben. Im Zweifel wirst du dich am Erreichten auch nicht so erfreuen können. Ich bin überzeugt, dass jeder, der seine Zeit optimal organisiert und ein gewisses Gefühl dafür entwickelt, ein anderes inneres Gleichgewicht erlangt. Das macht es leichter, den diversen Rückschlägen oder persönlichen Anfechtungen zu begegnen, die das Leben und ein tougher Job manchmal bereithalten. Wer ausstrahlt, die Prozesse und Abläufe im Griff zu haben, hat einen stärkeren und positiveren Auftritt. Und wer seine Zeit und Ressourcen richtig einteilt, den wirft auch eine Phase härtester Anforderungen nicht gleich um, weil er immer noch Energiereserven hat. Das Wichtigste aber ist: Nichts schützt Körper und Seele so sehr vor gesundheitlichen Problemen, Burn-out oder anderen stressbedingten Krankheiten wie eine sinnvolle Zeitbalance.

Die fundamentale Bedeutung eines funktionierenden Zeitmanagements wird nach wie vor oft unterschätzt. In den Entscheiderkreisen war es lange Zeit mehr oder weniger verpönt, über Arbeitszeit zu sprechen. Man hatte in Projektkategorien zu denken - und nicht in Stunden, die man damit zubringen würde, das jeweilige Projekt auf das Gleis zu schieben. Entscheidend waren die Ergebnisse, nicht die Nachtschichten und durchmalochten Wochenenden, die dafür nötig waren. Darüber sprach man nicht, das wurde einfach in Kauf genommen. »Schlafen kannst du, wenn du tot bist« - das ist einer der Sprüche, den junge Trainees in Agenturen und Firmen auch heute noch zu hören bekommen. Slogans von der Sorte: »Der frühe Vogel fängt den Wurm« und »Urlaub ist was für Weicheier«. In den 80ern und 90ern war es cool, wenn du sieben Tage die Woche durchgearbeitet und damit allen bewiesen hast, wie unglaublich belastbar du bist. Es war hip, von morgens bis abends dem schnellen Geld nachzujagen, um einer dieser jungen Millionäre zu werden, die es mit Anfang 30 zu einem Penthouse, scharfen Autos und wilden Partys in Saint-Tropez gebracht hatten.

EINE 80-STUNDEN-WOCHE IST KEIN GARANT FÜR ERFOLG

Oft genug ist die Rechnung - rein materiell - auch aufgegangen. Aber jeder vernünftig denkende Mensch weiß, dass diese Strategie der Selbstausbeutung kein Garantieschein für dauerhaften Erfolg ist - ganz zu schweigen davon, dass Körper und Seele für diesen radikalen Raubbau die Zeche zahlen. Ich bin etlichen dieser Jung-Millionäre begegnet in meinem Leben. Ihr Weg hat sie nicht zum Glück geführt. Da saßen sie nun in ihren ersehnten weißen Pent-house-Wohnungen mit all ihren Preziosen, aber sie verströmten keinen inneren Frieden, kein Glücklichsein. Eher eine gewisse Leere. Und oft auch Einsamkeit - einer der bittersten Preise für ein falsch gemischtes Leben mit vielen Bekannten und Bewunderern, aber keinen richtigen Freunden.

Es ist nicht lange her, da sprach ich mit Professor Florian Holsboer, Direktor des Münchner Max-Planck-Instituts für Psychiatrie. Holsboer forscht seit Langem zu den physiologischen und genetischen Ursachen gestörter Stresshormonregulation. Die Zahl der Burn-out-Fälle bei Menschen aus dem mittleren Management, der Sport- und Entertainment-Branche habe in den letzten Jahren dramatisch zugenommen haben, erzählte er mir. Das sind Leute, die solche Probleme bis dahin nur vom Hörensagen kannten. Junge Leute, Menschen, von denen man annehmen könnte, ihre Batterien seien noch bis zum Anschlag geladen, sie würden nur so strotzen vor Energie und Enthusiasmus.

Es sind vor allem Menschen mit leistungsorientierter oder idealistischer Einstellung, die gefährdet sind. Die Faktoren, die Überforderung hervorrufen, sind vielfältig. Besonders dramatisch wirkt sich die enorme Beschleunigung des Lebens aus: Dank Handy, Smartphone, Blackberry, E-Mail etc. ist jeder Mensch jederzeit erreichbar, der Austausch von Informationen erfolgt blitzschnell, ebenso schnell müssen Entscheidungen gefällt werden. Zeit für reifliche Überlegung bleibt selten, Stress wird zum ständigen Begleiter. Aufgrund modernster Technik kann auch immer und überall gearbeitet werden, die Freizeit ist porös geworden. Das führt zu einer Daueranspannung, besonders bei Jüngeren, Erfolgsorientierten, die manchmal kaum noch Phasen wirklicher Entspannung erleben. Das Business ist anonymer geworden: Austausch von Mensch zu Mensch, persönliche Gespräche, Ratschläge, Belobigungen sind selten. Die Isolation des Einzelnen nimmt zu - und mit ihr die Angst vorm Versagen.

Der moderne Mensch ist sicher nicht schwächer als seine Vorfahren. Aber die permanente Beschleunigung und die allgemein erhöhte Renditeerwartung, die wir alle heute haben, fordern ihren Tribut. Manchmal lassen sie die Stärksten umkippen.

Einige von ihnen habe ich persönlich kennengelernt. Sven Hannawald zum Beispiel, den begnadeten Skispringer, der 2002 die weltberühmte Vierschanzentournee in allen vier Bereichen gewann und im gleichen Jahr zehn weitere Medaillen bei diversen Welt-Wettkämpfen abräumte. Danach fiel er in ein tiefes Loch, Diagnose: Burn-out. In einem Interview erzählte Hannawald, sein »Hauptding« sei immer gewesen, so viel Geld zu verdienen, dass er später die Füße hochlegen könne. »Deshalb habe ich gar nicht in die Zukunft geguckt.« Heute sagt er, dass das ein Fehler war. »Im Nachhinein wäre ich froh, ich hätte die Nerven oder die Kraft gehabt, meine Augen und Ohren weiter aufzumachen.«

Auch Ottmar Hitzfeld, mit dem ich mich in diesem Kapitel über Zeit unterhalten werde (siehe Seite 44 - 46), hat sich 2004 nach seinem Abschied als Trainer vom FC Bayern öffentlich zu einem Burn-out bekannt.

Vielleicht sind Spitzensportler und deren Trainer anfälliger für solche Tiefs, weil es deine 150-prozentige Energie und Konzentration verlangt, wenn du in die hauchdünne oberste Leistungsebene vordringen willst. Viel von dem, was ein »normales« Leben ausmacht - Familienleben, Freunde, Kultur etc. - musst du als Hochleistungssportler ausblenden, weil es dich von deinem unmittelbaren Ziel, dem nächsten Wettkampfsieg, ablenkt. Das geht an die Substanz. Mancher packt das - einige scheitern daran. Sebastian Deisler zum Beispiel. Er galt als eines der meistversprechenden deutschen Fußball-Talente, spielte mit 19 in der Nationalmannschaft, verabschiedete sich aber Anfang 2007 überraschend und endgültig aus dem Fußballgeschäft. »Ich war nicht geschaffen dafür«, sagt er heute.

DAS GLÜCK DER ERFÜLLTEN STUNDEN

Die Art, wie wir mit unserer Zeit umgehen und diese gestalten, entscheidet darüber, ob wir für bestimmte Anforderungen geschaffen sind - oder eben nicht. Wenn wir die Zeit zu unserem Freund machen, wenn wir uns mit ihr verbünden, bekommen wir einen anderen Zugang zu ihr. Viele haben noch diesen industriellen Begriff von Zeit, dieses Credo: Zeit ist nur dann Luxus, wenn ich nicht arbeiten muss. Das ist Unsinn! Wahrer Luxus ist erfüllte Zeit - und das muss nicht unbedingt Freizeit sein. Die Minuten, Stunden oder Tage, die du damit verbringst, das zu tun, was dir entspricht, die Momente, in denen du in deinem eigenen Rhythmus bist - das ist echter Luxus, es macht dich glücklich. In der Psychologie nennt man diesen Zustand »Flow«. Ein Glückszustand, in dem Raum und Zeit aufgehoben sind, weil du voll bei der Sache bist, bei deiner Sache eben. Im Idealfall verschmelzen Kreativität, Arbeit und Gelderwerb. Das gilt auch für Berufe, die auf den ersten Blick nach dröger Monotonie aussehen. Ich glaube durchaus, dass man auch als Kellner oder Kassierer seine Kreativität und Persönlichkeit einbringen kann und soll. Du solltest mögen, was du tust. So einfach ist das - und so schwer.

LOVE WHAT YOU DO – SAGEN WIR SCHWEDEN...

Es ist eine hohe Lebenskunst, das kannst du mir glauben. »Versuche, zu den Vierprozentern zu gehören«, war der Tipp, den mir der renommierte amerikanische Management-Trainer Gerald Kushel gab. Vierprozenter? Keine Angst, das ist keine geheime Loge oder Sekte. Es ist, so würde Kushel das wohl eher beschreiben, der Club der Glücklichen. Über einen Zeitraum von zehn Jahren hat Kushel, der in Amerika einige Bestseller zum Thema »Peakperformer« geschrieben hat, 1500 Menschen aus den unterschiedlichsten Branchen und Gesellschaftsschichten danach befragt, ob sie der Meinung sind, glücklich zu sein. Kushel zufolge basiert das Glück eines Menschen auf folgenden Faktoren:

> Du hast einen Beruf gefunden, den du liebst.

> Du erzielst dabei beachtlichen Erfolg.

> Du hast eine intensive und liebevolle Beziehung zu deinem Lebenspartner und deinen Kindern.

Kushels trauriges Ergebnis: Nur vier Prozent der Befragten konnten von sich behaupten, dass diese drei Aspekte für sie zutreffen und sie ein glückliches und erfülltes Leben führen.

Es bleibt immer noch die Frage, wie man es schafft, all die Dinge, die man auf der Agenda hat, an einem Tag, in einer Woche, ja in einem ganzen Leben zu erledigen. Als ich jung und voller Wissbegierde war, habe ich stapelweise diese Topmanagerbiographien und Karriereratgeber verschlungen. Ich wollte von den echten »Machern« lernen, ich wollte mir ihre Tricks abschauen. Besonders beeindruckt war ich von einem Buch über einen damaligen Top-Topmanager, der für eine Giga-Summe von Pepsi zu Apple gewechselt war. Stolz referierte er seinen durchschnittlichen 21-Stunden-Arbeitstag, der um 4 Uhr früh begann. Wenn es draußen noch stockfinster war, schwitzte der Boss schon auf seinem Hometrainer und verfolgte zeitgleich die Entwicklungen an der gerade öffnenden japanischen Börse. Nach dem Training, der Lektüre aller wichtigen Tageszeitungen und einem kleinen, vollwertigen Frühstück fuhr er in sein Office. Muss ich erwähnen, dass er dieses nie vor 1 Uhr morgens verließ?

WARUM DIE ÜBEREIFRIGEN NICHT AUTOMATISCH DIE BESSEREN SIND

Wow! Ich erinnere mich noch, dass ich die schwersten Schuldgefühle und Gewissensbisse hatte, weil ich Schlappmann offenbar nicht in der Lage war, jede Nacht bei bester Laune bis 23 Uhr in meinem Büro zu verbringen und die Welt aus den Angeln zu heben. »Du bist einfach zu faul«, geißelte ich mich, »so wirst du es nie zu was bringen.« Mal davon abgesehen, dass ich es nie schaffte, nachts in ein Fitnessstudio zu gehen (die damals um diese Zeit auch meist geschlossen waren).

Heute passiert es mir öfter, dass ich, wenn ich spätabends auf dem Heimweg bin, fast einen dieser Nachtjogger überfahre, die mit einer Grubenleuchte am Kopf durch die dunklen Straßen galoppieren. Und ich frage mich jedes Mal: Sind das auch Workaholics von der Topmanagersorte, die mit drei Stunden Powerschlaf und einem kleinen Vollwertfrühstück über ihren 21-Stunden-Tag kommen? Oder sind sie einfach nur ein bisschen durchgeknallt?

Viele Menschen scheinen Quantität noch immer mit Qualität zu verwechseln, wenn es um Zeit geht. Jeder von uns kennt diese übereifrigen Kollegen, die demonstrativ vor den anderen im Büro sind und dieses so sicher wie das Amen in der Kirche stets erst dann verlassen, wenn der Rest der Belegschaft schon gegangen ist - einfach um überengagierten Eindruck zu schinden. Wir kennen die großen Windmacher, die einen randvollen, ziegelsteindicken Terminkalender wie ein Ritterschild vor sich hertragen und über ständige Zeitnot klagen. Als sei chronische, quasi lebenslange Zeitknappheit eine Art Auszeichnung, das sichere Erkennungsmerkmal aller Leistungsträger und »Over-Achiever«. Ist sie nicht! Der Apple-Manager musste - trotz Rund-um-die-Uhr-Einsatzes, körperlicher Bestform, Spitzenausbildung und vollwertiger Ernährung - seinen Chefsessel recht bald räumen. Wegen enttäuschender Zahlen. Bitter, was? Aber womöglich hatte er bei all seinem aufopferndem Engagement eines übersehen: das Leben an sich. Und in diesem Zusammenhang sein ganz persönliches Zeitmanagement. Denn darauf kommt es an.

VERLORENE ZEIT: MANAGEMENTSEMINARE

Und das lernst du in keinem Zeitmanagementseminar. Ich selbst habe einige davon besucht. Rausgeschmissenes Geld (erst das meines Chefs, später dummerweise mein eigenes). Sie versprechen dir, dass sie dir beibringen werden, deine Zeit effektiv zu planen. Sie lassen dich hoffen, all die geheimen Tricks und Kniffe zu ergründen, die dich in eine fleischgewordene Effizienzmaschine verwandeln, für die Zeitmangel und Unerledigtes fortan Fremdworte sind. Deine berufliche Performance werde nicht wiederzuerkennen sein, Karrieresprünge und eine neue Lebensqualität seien die Folge. Das Blöde ist nur: Wenig davon tritt ein. Am Ende bist du um einige Tausend Euro ärmer und hast allenfalls gelernt, wie man ein Meeting plant und ein Time-Management-Buch benutzt. In der Theorie bist du ein Experte, wenn es darum geht, deinen Tag auf einem Blatt Papier einzuteilen, vielleicht hast du dir auch den ultraschicken, ledergebundenen Manager-Organizer andrehen lassen - aber du wirst eins nicht bekommen haben: persönliche Empfehlungen, wie du in deiner speziellen Karriere und mit deinen ganz individuellen Prioritäten und Bedürfnissen deinen Alltag handhaben kannst.

Gerade für Berufsanfänger ist das eine große Enttäuschung. Denn bis dahin, ob auf der Schule oder an der Uni, gab es immer irgendjemand, der dir sagte, worauf es ankam und wofür du dich vorzubereiten hattest. Und es gab genug andere, die in einer ähnlichen Situation waren wie du und mit denen du dich besprechen konntest. Im ersten Job, konfrontiert mit der manchmal frostigen Härte eines Arbeitsalltags, müssen auch die Greenhorns oft schon große Verantwortung übernehmen und Projekte in Eigenregie managen. Nur die wenigsten Unternehmen helfen ihren jungen Rekruten dabei, ein adäquates Zeitmanagement zu entwickeln. Warum das so ist? Nun, in manchen Firmen regiert ohnehin das mittlere Chaos. Von einem Anfänger erwartet man dann einfach, dass er sich diesem Ritt anschließt. In anderen Unternehmen haben auch die Chefs noch nie etwas von effizienten Prozessen gehört, geschweige denn, dass sie diese vermitteln könnten. Und wieder andere funktionieren nach dem Prinzip: Spring ins kalte Wasser, schwimme und versuche, nicht abzusaufen.

Du musst dir selbst helfen. Das ist die nackte Wahrheit. Du musst dich hinsetzen und einen Plan für die Gestaltung deiner Zeit entwickeln. Niemand kann dir diesen Job abnehmen, weil niemand wirklich in dich reinschauen und dir sagen kann, wie du alles, was dir wichtig ist im Leben, unter einen Hut bringen kannst. Wer ein erfülltes und zugleich erfolgreiches Leben anstrebt, muss diese Aufgabe selber lösen. Je früher, desto besser. Am besten, du beginnst sofort damit.

WAS IST DIR WIRKLICH WICHTIG?

Versuche, dir zu vergegenwärtigen, dass es hauptsächlich zwei Kategorien von Zeit in deinem Leben gibt, die immer parallel laufen: die innere und die äußere Zeit. Wie zwei Uhren, die synchron ticken. Die eine Zeitkategorie ist eher eine emotionale, die andere ist rational. Wenn du diese Unterscheidung machst, hast du den ersten Schritt zu einer gelungeneren Lebensgestaltung schon getan.

Ich habe eine Menge junger Menschen erlebt, die ohne die blasseste Vorstellung von Zeit in ihren Beruf gestartet sind. Sie haben nicht den Hauch einer Ahnung von innerer und äußerer Zeit. Sie betanken ihre Rakete mit tollen Uni- oder College-Abschlüssen, Entschlossenheit und Energie und schießen sie aufs Geratewohl in den Orbit - ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie die Flugbedingungen sind und wohin die Reise überhaupt gehen soll. Das funktioniert nicht. Heute noch weniger als vor 20, 30 Jahren. Du musst wissen, in welche Richtung du willst. Du musst eine Vorstellung haben, wie lange dein Proviant reicht und wie groß deine Ambitionen sind. Du musst ein ungefähres Bild von deiner inneren und äußeren Zeit entwickeln.

DIE INNERE ZEIT

Beginnen wir mit der inneren Zeit. Sie ist die Basis allen Handelns. Die Erfahrung, die ich persönlich und mit all den Topathleten und Businessmanagern gemacht habe, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Die Erfolgreicheren sind immer die, die eine stimmige Vorstellung ihrer inneren Zeit haben. Diese Menschen können auf eine große Gruppe echter Freunde und auf eine harmonische Familie oder Partnerschaft vertrauen und bewegen sich in einem professionellen Umfeld. Sie haben eine positive Lebenseinstellung, sie engagieren sich für wohltätige Zwecke, haben Zeit für ihre Kinder (sofern sie welche haben), sie erzählen dir begeistert von ihrer Oldtimer-Kollektion und den besonderen Momenten mit ihrer Familie. Sie haben Zeit für ihre Freunde, sie sind stolz auf das, was sie leisten und erreicht haben - und manche schreiben nebenher sogar noch ein Buch. Diese Menschen wirst du selten über Stress oder fluchbeladene Projekte oder persönliche Probleme jammern hören. Nicht, weil sie das nicht auch kennen würden, aber in der Regel sind sie frei von Selbstmitleid. Sie schauen nach vorne. Dort gibt es genug Dinge, für die es sich zu engagieren lohnt. Große Zukunftspläne, innovative Visionen oder auch kleinere Projekte, die die Welt zwar nicht grundlegend verändern, aber vielleicht einen Hauch besser machen könnten.

Wenn du darüber nachdenkst, wirst du feststellen, dass auch dir schon Menschen dieser Art begegnet sind. Eine rare Spezies, aber wer auf sie trifft, ist augenblicklich von ihrer Ausstrahlung fasziniert. Du fühlst diese besondere Energie. Und du würdest gerne in ihrer Nähe bleiben und mehr Zeit mit ihnen verbringen.

Weißt du, was diese Menschen - neben einigen anderen Qualitäten - von den meisten Normalos unterscheidet? Sie sind in perfektem Einklang mit ihrer inneren Zeit. Ein funktionierendes Zeitgefühl ist die Basis von Lebenszufriedenheit.

Was ist nun die innere Zeit? Stell sie dir vor als eine Art individuelle Lebensuhr, die alle persönlichen Belange einbezieht: Familie, Freundschaften, Beziehungen, Glauben, Gesundheit, Fitness, Bildung. Dinge, die du magst oder die dich faszinieren. Jeder dieser Aspekte - und möglicherweise viele andere, die hier nicht genannt sind - hat ein bestimmtes Gewicht in deinem Leben und muss sich in ein Zeitsystem fügen. Es sind Dinge, die deiner Seele guttun, deine Batterien aufladen und die dir schließlich helfen, höhere Ziele zu erreichen.

DIE KUNST DES REISENS

Es gab eine Zeit, da war ich bekannt dafür, stets auf den letzten Drücker in ein Meeting zu stürzen. Auch an den Airports war ich immer derjenige, den man schweißüberströmt zum Gate rennen sah, an dem mein Flug gerade geschlossen wurde. Fast immer ging es gut. Ich habe nur wenige Flieger verpasst - aber in den letzten Jahren habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, mit etwas Zeitpuffer zu starten, um diesen Stress zu vermeiden. Ich kann es nur empfehlen. Mein Zeitplan gestattet es mir, mich noch auf einen Kaffee niederzulassen und in einem Buch oder der Zeitung zu lesen. Wenn ich heute in einer dieser fantastischen Flughafen-Lounges sitze und vielleicht noch einen Happen esse, dann frage ich mich, warum ich diese Idee nicht schon früher hatte. Ich reise viel entspannter und bin über den Wolken oft hoch effizient. Viele meiner erfolgreichsten Konzepte sind an Bord eines Flugzeugs entstanden. Als Vielflieger ist das von Vorteil. Aber das ist bei jedem anders. Mark McCormack, der berühmte Sportmanager und Gründer des Sport- und Medienkonzerns IMG, schreibt in seinem Bestseller Everything you don't learn at Harvard Business School, dass er grundsätzlich nie im Flieger arbeitet. Ich habe im Verlauf der vielen Millionen Meilen, die ich geflogen bin, die Erfahrung gemacht, dass für mich das Gegenteil gilt. Dir wird nichts anderes übrig bleiben, als herauszufinden, wie das bei dir ist. Ganz egal, wie du es handhabst, gestalte deine Reisepläne so, dass du nicht in Hektik gerätst.

DIE ZEHN-PUNKTE-LISTE

Am besten, du nimmst dir die Zeit, um deine persönliche Prioritätenliste zu erstellen. Setz dich hin und schreib auf, was dir wichtig ist im Leben. Der amerikanische Beststellerautor Stephen Covey, der viele Bücher über Effektivität geschrieben hat, empfiehlt sogar, die eigene Grabrede zu schreiben, um sich über die persönliche Lebenswertskala klar zu werden. Das ist ein bisschen crazy, aber er hat recht, wenn er sagt, dass es darauf ankommt, Klarheit über die eigenen Bedürfnisse und Ziele und deren jeweiliges Gewicht zu bekommen. Diese Liste ist nicht in Stein gehauen, sie wird sich immer wieder ändern. Mit einem neuen Job, einem neuen Lebenspartner, veränderten Umständen. Vielleicht auch, weil du plötzlich deine Vorliebe für Opernfestivals oder Tangotanz entdeckst und dafür jede Minute deiner freien Zeit opferst. Darum musst du deine persönliche Liste immer wieder aktualisieren.

Auf meiner persönlichen Liste stehen zehn Punkte. Es können natürlich auch ein paar mehr sein (ab circa 25 Punkten wirst du allerdings zwei Leben führen müssen, um alles auf die Reihe zu kriegen). Familie, Freunde, Businessplanung, Weiterbildung, Regeneration, Sport, Kultur - das alles sind wichtige Teile meines Lebens. Sie sind fest in meinem Bewusstsein verankert, und ich achte darauf, dass keiner davon zu lange ins Hintertreffen gerät. Ich weiß aus Erfahrung, dass das meine Ergebnisse und Energien schmälern würde.

Wenn du alle deine Punkte aufgelistet hast, kannst du mit der Detailanalyse beginnen. Skaliere die Punkte nach ihrer Wichtigkeit und schreibe dir auf, wie dein momentanes Gefühl für jeden einzelnen ist. Notiere dir auch, was du gerne verbessern würdest und mit welcher Aktivität sich das umsetzen ließe. Wie sieht eine normale Woche bei mir aus, wo kann ich gegebenenfalls etwas Zeit gewinnen, wo würde ich sie gerne hinzufügen?

Mit dieser Statusanalyse hast du schon den ersten Schritt getan. Erwarte nicht, dass sich dein Leben sofort ändert. Aber das Wissen um die eigenen Lebenswerte sensibilisiert dich, hier und da an den kleinen Stellschrauben zu drehen. Du hast deine Freunde seit Urzeiten nicht mehr gesehen? Lade sie ein! Reserviere einen Tisch in der Bar oder gib ein Essen bei dir zu Hause, auch wenn deine Bude schon lange keine Putzfrau mehr gesehen hat. Sage ihnen, wie wichtig sie dir sind. Du wolltest schon lange dein radebrechendes Spanisch aufbessern? Schreibe dich für einen Kurs ein oder buche einen Privatlehrer. Diese kleinen Schritte in Richtung persönlicher Prioritätenbalance dienen letztlich auch deiner persönlichen Entwicklung zu einem unverwechselbaren, selbstbestimmten Charakter. Ganz nebenbei polierst du damit auch deine Performance.

VOM SINN DER SELBSTREFLEXION

Am Anfang deiner Karriere solltest du eine Art Tagebuch führen. Das mag manchen verschrecken, weil es ein bisschen nach romantisch pubertärer Schmalzprosa klingt. Aber glaub mir, es gibt kaum eine effizientere Methode, deine Tages- oder Wochenbilanz zu ziehen. Es optimiert dein Zeitmanagement ebenso, wie es deine Selbstpositionierung schärft - auf die ich später im Buch noch zu sprechen kommen werde. Du musst es nicht Tagebuch nennen. Nenn es »Das schwarze Buch«, »Gedankenbuch« oder gib ihm einen Tarnnamen wie »Mission Glory«. Wie auch immer du es bezeichnest, es zwingt dich, und das ist gut so, regelmäßig über deinen Tag, deine Woche, deine Arbeit - ja, dein Leben zu reflektieren. Es bringt dich dazu, über andere Leute nachzudenken, die in deinem Leben eine Rolle spielen, deine Freunde, Kollegen, deine Familie und deine Feinde, sofern du welche hast. Wie hast du dich in Verhandlungen geschlagen, was haben die anderen gesagt oder getan, welches Feedback hast du für bestimmte Auftritte bekommen?

Ich habe gut zehn Jahre lang, in der wichtigsten Phase meiner Karriere, Tagebuch geführt. Interessanterweise haben mir viele Prominente erzählt, dass sie dies ebenfalls tun. Meine Kladden besitze ich alle noch. Ich habe oft darüber nachgedacht, was gut oder schlecht gelaufen ist oder was ich anders hätte machen können. Gerade nach schwierigen Situationen habe ich mir haarklein notiert, welche Fehler ich in meinem Verhalten oder in dem der anderen bemerkt habe, damit ich beim nächsten Mal besser gerüstet sein würde.

DEN EIGENEN RHYTHMUS FINDEN

Jede innere Uhr tickt anders. Was dir wichtig ist, mag deinem Vorgesetzten oder Kollegen keinen Pfifferling wert sein. Und umgekehrt. Ähnlich verhält es sich mit dem persönlichen Rhythmus. Pauschale Zeitmanagementtipps sind deshalb wenig sinnvoll, weil jeder Mensch anders getaktet ist. Wenn du ein Morgenmuffel bist, der erst nachmittags zu Hochform aufläuft, solltest du versuchen, wichtige Meetings, kreative Phasen oder Präsentationen auf die Zeit zu legen, zu der du erfahrungsgemäß in Bestform bist. Wenn du die kontemplative Stille der Nacht brauchst, um deine Genialität zu entfalten, wird es dir wenig nützen, dir am frühen Morgen Kreativität abzuverlangen.

BIST DU EIN SCHNELLSCHLÄFER

Als mein erster Chef mir riet, ich solle lernen, meine Batterien rechtzeitig wieder aufzuladen, und ob ich schon mal etwas von »Power Nap« gehört hatte, konnte ich mir ein Lachen nur schwer verkneifen. Ich war 23 und hatte ein Jahr zuvor elf Monate bei einer Spezialeinheit der Schwedischen Küstenjäger gedient. Dort gehörte es dazu, dass man vier Wintertage lang mit 40 Kilo Gepäck 120 Kilometer durch die schwedische Pampa marschierte, nonstop und ohne Schlaf natürlich. Ich hatte das ohne Probleme bewältigt - jetzt stand dieser Büro-Leutnant vor mir und faselte etwas von »Power Nap«? Ich brauch das nicht, dachte ich. Ein paar Monate später begann ich zu ahnen, was er gemeint hatte. Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied. Bei einem militärischen Feldmarsch ist es ziemlich nebensächlich, in welcher Verfassung dein Hirn ist. Du marschierst, du atmest, du funktionierst, alles okay. Wenn du von einem Meeting ins nächste marschierst, ist das etwas anders: Du darfst keine Fehler machen, musst hundertprozentig bei der Sache und bestens vorbereitet sein -und du solltest zündende Kreativität mitbringen (die als Soldat eher lästig ist). Da wirkt ein kleines Nickerchen manchmal Wunder. Inzwischen bin ich ein Meister des To-go-Schlafs. Ich habe gelernt, bewusst im Taxi wegzunicken, im Bus, in der Abflug-Lounge - einfach überall, wo ich mich für eine kurze Zeit ungestört hinsetzen kann. Ich beherrsche den Jet-Schlaf bis zur Perfektion: aufrecht sitzend und mit geradem Genick, damit ich anschließend nicht mit dem gefürchteten Geierhals des Flugzeug-Schläfers die Gangway runterstolpere. Der Trick ist, nie länger als 45 Minuten zu schlafen. Wenn du überziehst, geht dein Körper von einem richtigen Nachtschlaf aus und fährt alles runter. Dann wachst du auf, fühlst dich wie ein Zombie und siehst womöglich auch wie einer aus. Alles zwischen 15 und 45 Minuten dagegen ist optimal. Probier es aus und übe dich darin!

Ich kenne eine Menge Athleten, die Probleme damit haben, am Vormittag zu spielen. Vor allem Tennisspieler tun sich mit frühen Matches oft schwer. Boris Becker, zum Beispiel, musste während seiner Tenniskarriere lernen, dass er eine extrem lange Anwärmphase benötigt, um zu spielerischer Topform aufzulaufen. Manchmal tat er sich in den ersten Sätzen sehr schwer, meistens konnte er das Ruder noch mit Mühe in den letzten Sätzen herumreißen - oder eben nicht. Also gewöhnte er sich an, mindestens drei Stunden vor dem Match aufzustehen - und wenn es mitten in der Nacht war. Das steigerte seine Leistung enorm. Bei den Fußballern, die erst am Nachmittag oder am Abend zu ihren Spielbegegnungen antreten, sieht es wieder anders aus. Oliver Bierhoff etwa benötigte immer mehrere Stunden nach einem Abend-Match, um runterzukommen. Vor drei Uhr früh fand er keinen Schlaf - was auch daran lag, dass er das gerade absolvierte Spiel noch mehrere Male im Kopf abspulte, um es zu analysieren.

Die meisten Spitzensportler haben ein sehr sensibles und untrügliches Gespür für den Takt ihres Körpers. Sie überblicken, welche Trainingsdosis welches Ergebnis bringt; sie wissen, wann ihr Körper Kohlehydrate verlangt und wann Eiweiß; sie können abschätzen, welche Eskapaden er verzeiht - und welche nicht. Sie wissen es, weil sie entsprechend experimentiert haben. Das solltest du dir abschauen: Experimentiere im Kleinen mit dem Rhythmus deines Tages. Wie ändert sich dein Befinden, wenn du eine Stunde früher aufstehst und joggen gehst? Bist du in Vormittagsmeetings brillanter als bei Nachmittagskonferenzen? Was passiert, wenn du eine Woche lang abends weniger arbeitest und dafür früher schlafen gehst? Du musst ein Gefühl für deine innere Maschine entwickeln - denn du bist der Einzige, der sie fein tunen kann.

DIE ÄUSSERE ZEIT

Kommen wir zu der zweiten Zeitkategorie, der äußeren Zeit, die sich, gerade zu Beginn deiner Karriere, komplizierter verwalten und planen lässt - auch weil sie sich permanent ändert. Unter der äußeren Zeit verstehe ich die Anforderungen, die von außen auf dich einwirken. Die Einflüsse und Erwartungen, die dein Job und dein Boss an dich stellen, die Herausforderungen, die ein Projekt mit sich bringt, die Wünsche deines Lebenspartners, die Ermahnungen deiner Eltern, die Attacken deines schlechten Gewissens, wenn du nicht zum Training kommst, weil du keine Zeit dafür hattest.

Wenn du am Anfang deiner Karriere stehst, wirst du dich manchmal wie ein Spielball der äußeren Zeit fühlen. Alle Welt will was von dir, dein Vorgesetzter scheucht dich durch die Projekte oder auch Abteilungen, in deinem Postfach stapeln sich die unerledigten Mails, und deine Freunde sind beleidigt, weil sie dich kaum mehr sehen. Als Jobanfänger musst du eine Menge Dinge tun, die du nicht verstehst und ehrlicherweise auch viele, die weder besonders konstruktiv noch effizient sind. Ich nenne das die »1000 harten Stunden«. Und die schlechte Nachricht ist: Da musst du durch. Es geht nicht anders. Nur über eigene Erfahrung lernst du, wie die Sache wirklich läuft. Und du lernst, einen eigenen Stil zu entwickeln. In dem Maße, wie du weiterkommst und vielleicht auch über deinen eigenen Mitarbeiterstab verfügst, wird sich auch die externe Zeit verändern. Du hast jetzt mehr Möglichkeiten, diese mitzugestalten und sie deinen Prioritäten anzupassen. Das ist ein großer Gewinn und das Privileg der Erfolgreichen. Du solltest jedoch von Anfang an darauf achten, dass du deine innere Zeit im Griff hast, weil du dann auch die äußere besser handhaben kannst. Gestatte dir, so weit es machbar ist, dein eigenes Tempo.

MANTRA FÜR MEETINGS

Meetings zählen zu den großen Zeitverschlingern. Sie sind gedacht als kleine konstruktive Runde, bei der sich der Esprit aller Beteiligten perfekt entfaltet, bei der Dinge diskutiert, Probleme gelöst und Entscheidungen getroffen werden. Sie bieten allen Beteiligten Gelegenheit, ihre Ideen, Vorschläge oder Beschwerden einzubringen, und am Ende geht man mit einer großartigen Lösung vom Platz. Leider ist das Idealbild oft weit entfernt von der Realität. Das ist sogar wissenschaftlich belegt. Forscher der Universität Utrecht fanden kürzlich heraus, dass Gruppen zwischen 20 und 50 Prozent weniger Ideen produzieren als einzeln nachdenkende Menschen. Nicht nur, weil sich die Beteiligten oft fürchten, etwas Dummes zu sagen. Das Hauptproblem sind die Wartepausen, in denen der Einzelne nicht selbst reden kann. »Die Zeit des Zuhörens ist tote Zeit«, sagt Studienleiter Wolfgang Stroebe. Die Teilnehmer sind damit beschäftigt, sich ihre Einfälle zu merken, das blockiert gedanklich.

Ich habe eine Menge Manager getroffen, die Profis darin sind, Meetings zu organisieren und abzuhalten. Ich selbst reagiere eher allergisch auf diese Mega-Meetings - eben weil sie viel Zeit stehlen und oft keinerlei Ergebnis hervorbringen. Die Amerikaner halten es mit der Devise: no deadheads in the meeting - Zutritt für Maul- und Denkfaule verboten. Das ist kein schlechtes Motto.

Grundsätzlich rate ich zur Skepsis, was Meetings angeht. Versuche, jenen fernzubleiben, bei denen schon vorher ziemlich klar ist, dass sie wenig effizient sein werden oder lediglich den Kenntnisstand bestätigen, den alle haben. Aber zugleich solltest du bei den wirklich wichtigen Versammlungen dabei sein, um zu lernen, nach welchem System sie funktionieren. Je höher du auf der Karriereleiter steigst, desto mehr musst du darauf achten, diese Konferenzen nicht zu versäumen - auch um sicherzustellen, dass Entscheidungen nicht ohne dich getroffen werden.

ZIEH DIR NICHT JEDE JACKE AN

Nein sagen ist ein wichtiger Punkt im Umgang mit der äußeren Zeit. Als Greenhorn wirst du dir jedes Nein dutzendfach überlegen - und das ist auch richtig. Aber es gibt Momente, in denen man sich auf seine eigenen Ressourcen und seinen persönlichen Takt verlassen und das auch so kommunizieren sollte. »Ja, ich kann das schaffen. Aber nicht in zwei Wochen/Tagen/Stunden« oder »Nein, wenn ich die Aufgaben C und D auch noch übernehme, muss ich A und B entsprechend zurückstellen«. Von einem Profi erwartet man, dass er den Aufwand für ein bestimmtes Projekt etwa einzuschätzen und mit seinem persönlichen Zeitbudget zu haushalten weiß. Je früher du das lernst, desto besser. Andernfalls wird es dir immer wieder passieren, dass du eine Arbeitsstunde doppelt verkaufst, indem du dir zu viel auflädst. Das Blöde bei dieser Rechnung: Du arbeitest wie ein Tier und verdienst unterm Strich nur die Hälfte.

Drück nicht zu sehr aufs Gas. Bedenke, dass Kompetenz und Geduld dich weiter voranbringen als jeder Aktionismus. Du musst versuchen, das getrennt zu betrachten. Auf der einen Seite die Zeit, die andere von dir beanspruchen, auf der anderen jene, die du dir selbst einräumst, um Projekte auf den Weg zu bringen.

Im Verlauf meiner Karriere habe ich mir ein paar Gewohnheiten angeeignet, von denen ich glaube, dass sie die äußere Zeit eines randvollen Arbeitstages ziemlich gut strukturieren. Da ist die Drei-Minuten-Regel. Sie wird gerne von Zeitmanagementberatern empfohlen - und sie macht wirklich Sinn. Alles, was weniger als drei Minuten in Anspruch nimmt, solltest du sofort erledigen. Man glaubt gar nicht, wie viel Kleinkram man vor sich herschiebt, der eigentlich im Nu erledigt wäre. Oft sind es die Dinge, die irgendwie unangenehm sind. Oder man schiebt sie auf die lange Bank, weil sie nicht wirklich dringend sind. Aber die Erledigung von Kleinzeug verschafft dir Raum und Schwung für die größeren Projekte. Also verschlenze das nicht. Du wolltest längst deine Vereinsmitgliedschaft im Karateklub kündigen? Kostet dich zweieinhalb Minuten. Du musst den Kunden XY erinnern, seine lang versprochenen Unterlagen zu schicken? 24 Sekunden. Du müsstest eigentlich mal mit deinem Chef über eine Gehaltserhöhung sprechen? Dir einen Termin über seine Sekretärin zu verschaffen, dauert keine 15 Sekunden. Auch Mails, die mit zwei Sätzen zu beantworten sind, solltest du sofort retournieren, statt sie erst mal in die Wiedervorlageschleife zu geben. E-Mails solltest du nicht jede Stunde abarbeiten, sondern häufchenweise, zwei- bis dreimal am Tag.

DIE DICKEN BROCKEN ZUERST

Schwieriger wird es bei den XXL-Projekten. Es wird eine Weile dauern, bis du ein Gefühl dafür bekommst (auf das große Thema Gefühl werde ich später noch genauer eingehen), wie du deine Zeit da am besten strukturierst. Dafür kann man auch keine Standardempfehlungen geben. Aber ein paar Kniffe gibt es schon. Ich erledige unangenehme Anrufe oder Entscheidungen lieber zu Beginn eines Arbeitstages. Das setzt mehr Energie frei, als wenn du diesen Klotz bis in den Nachmittag oder sogar in die nächste Woche mitschleppst. Sehr menschlich, diese Technik, aber sie führt dazu, dass der Brocken mit jedem Tag größer wird. Du wirst erleben, wie inspirierend es manchmal wirkt, den Stier bei den Hörnern zu packen.

To-do-Listen sind ebenso ein Standard-Tool wie eine Agenda. Aber auch da musst du deinen eigenen Stil finden, weil das Typsache ist. Ich habe Menschen erlebt, die sich sogar notieren mussten, Geburtstagsblumen für ihre Frau zu besorgen, und andere, die die Termine einer ganzen Woche im Kopf gespeichert hatten. Ich würde dir sehr gerne auch einen aufgeräumten Arbeitsplatz empfehlen, weil der durchschnittliche Büromensch laut Studien 20 Prozent seiner Arbeitszeit mit der Suche nach irgendwelchen Unterlagen verplempert. Es spart ungeheuer viel Zeit, eine klar sortierte Arbeitsumgebung zu haben. Doch ein Blick in mein Büro würde jeden überzeugen, dass ich dafür kein Vorbild bin. Ich habe ein ausgeklügeltes Stapel- und Häufchen-System, das vom Schreibtisch weiter über den Boden wuchert und von dem niemand außer mir (und selbst ich nicht immer) weiß, welche Akten es wo birgt. Es ist meine, zugegeben, etwas hemdsärmelige Art, meine Arbeit zu organisieren. Aber so schlecht fahre ich damit nicht. Oft entdecke ich bei der Suche nach einem Dokument andere Unterlagen, die mich auf neue Ideen bringen und auf die ich wohl kaum gestoßen wäre, wenn ich sie säuberlich im Hängeregister einsortiert hätte. Auch hier gilt: Entwickle deine persönliche Methode und optimiere sie mit zunehmender Erfahrung.

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